Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 03. Feb. 2014 - 2 (6) SsBs 628/13; 2 (6) SsBs 628/13 - AK 166/13

published on 03.02.2014 00:00
Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 03. Feb. 2014 - 2 (6) SsBs 628/13; 2 (6) SsBs 628/13 - AK 166/13
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze

Gericht

There are no judges assigned to this case currently.
addJudgesHint

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft H. gegen das Urteil des Amtsgerichts H. vom 05. Juli 2013 wird als unbegründet verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Betroffenen hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe

 
Die Staatsanwaltschaft H. erließ am 11.02.2013 einen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen. Dieser war im Herbst 2012 als Verteidiger für einen Beschuldigten tätig, der sich wegen des Verdacht der Vergewaltigung in Untersuchungshaft befand. In dem Bußgeldbescheid wurde dem Betroffenen zur Last gelegt, zwischen dem 17.10.2012 und dem 08.11.2012 dem Beschuldigten die Kopie eines Briefes übermittelt zu haben, den das mutmaßliche Opfer der dem Beschuldigten vorgeworfenen Tat an ihn geschrieben hatte.
Auf den Einspruch des Betroffenen sprach das Amtsgericht H. den Betroffenen mit dem angefochtenen Urteil aus Rechtsgründen frei. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.
Das zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
Entgegen der mit der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung war die Weitergabe des Briefes durch den Betroffenen nicht unbefugt i.S.d. § 115 Abs. 1 OWiG. Vielmehr war das Handeln des Betroffenen durch § 148 Abs. 1 StPO gedeckt, wonach dem nicht auf freiem Fuß befindlichen Beschuldigten schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet ist.
Da ein ungehinderter Verkehr zwischen Verteidiger und Beschuldigtem zu den unabdingbaren Voraussetzungen einer wirksamen Strafverteidigung gehört (vgl. BVerfG NJW 2007, 2749 <2750>; 2010, 1740 <1741>), muss die Verteidigung von jeder Behinderung oder Erschwerung freigestellt, der Anwalt wegen seiner Integrität als Organ der Rechtspflege jeder Beschränkung enthoben sein (BGHSt 27, 260 <262>; 53, 257 <261>; NJW 1973, 2035). Allerdings ist der Verkehr zwischen Verteidiger und Beschuldigtem nur für die Zwecke der Verteidigung frei. Das Verteidigerprivileg des § 148 Abs. 1 StPO ist deshalb auf solchen Verkehr beschränkt, der unmittelbar der Vorbereitung oder Durchführung der Verteidigung dient, und umfasst daher nur Schriftstücke, die unmittelbar das Strafverfahren betreffen (BVerfG NJW 2010, 1740; BGHSt 26, 304; OLG Dresden NStZ 1998, 535; LG Tübingen NStZ 2008, 643; Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl., 2012, § 115 Rn. 21; Rogall in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 3. Aufl. 2006, §115 Rn. 33; Rebmann/Roth/Hermann, OWiG, 3. Aufl., § 115 Rn. 24; krit. Wieder StV 2010, 146).
Der vom Betroffenen übermittelte Brief wies indes einen solchen direkten Bezug zur Verteidigung auf. Zwar hatte sich das mutmaßliche Opfer darin nicht zu dem Vergewaltigungsvorwurf selbst geäußert. Die in dem Schreiben zum Ausdruck gebrachte positive Einstellung der Absenderin gegenüber dem Adressaten war jedoch - insoweit schließt sich der Senat den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil an - für die Glaubhaftigkeit der Aussage des mutmaßlichen Tatopfers und damit für die Beurteilung des dem Beschuldigten gemachten Tatvorwurfs, der maßgeblich auf den Angaben des mutmaßlichen Tatopfers beruhte, von Bedeutung und betraf deshalb unmittelbar die Verteidigung des Beschuldigten gegen diesen Tatvorwurf.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 OWiG, 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 StPO.
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

5 Referenzen - Gesetze

moreResultsText

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsge

(1) Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuß befindet, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet. (2) Ist ein nicht auf freiem Fuß befindlicher Beschuldigter einer Tat nach § 129a, auch in Verbindung

Annotations

(1) Ordnungswidrig handelt, wer unbefugt

1.
einem Gefangenen Sachen oder Nachrichten übermittelt oder sich von ihm übermitteln läßt oder
2.
sich mit einem Gefangenen, der sich innerhalb einer Vollzugsanstalt befindet, von außen durch Worte oder Zeichen verständigt.

(2) Gefangener ist, wer sich auf Grund strafgerichtlicher Entscheidung oder als vorläufig Festgenommener in behördlichem Gewahrsam befindet.

(3) Die Ordnungswidrigkeit und der Versuch einer Ordnungswidrigkeit können mit einer Geldbuße geahndet werden.

(1) Dem Beschuldigten ist, auch wenn er sich nicht auf freiem Fuß befindet, schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet.

(2) Ist ein nicht auf freiem Fuß befindlicher Beschuldigter einer Tat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches dringend verdächtig, soll das Gericht anordnen, dass im Verkehr mit Verteidigern Schriftstücke und andere Gegenstände zurückzuweisen sind, sofern sich der Absender nicht damit einverstanden erklärt, dass sie zunächst dem nach § 148a zuständigen Gericht vorgelegt werden. Besteht kein Haftbefehl wegen einer Straftat nach § 129a, auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, des Strafgesetzbuches, trifft die Entscheidung das Gericht, das für den Erlass eines Haftbefehls zuständig wäre. Ist der schriftliche Verkehr nach Satz 1 zu überwachen, sind für Gespräche mit Verteidigern Vorrichtungen vorzusehen, die die Übergabe von Schriftstücken und anderen Gegenständen ausschließen.

(1) Für das Bußgeldverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, sinngemäß die Vorschriften der allgemeinen Gesetze über das Strafverfahren, namentlich der Strafprozeßordnung, des Gerichtsverfassungsgesetzes und des Jugendgerichtsgesetzes.

(2) Die Verfolgungsbehörde hat, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, im Bußgeldverfahren dieselben Rechte und Pflichten wie die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten.

(3) Anstaltsunterbringung, Verhaftung und vorläufige Festnahme, Beschlagnahme von Postsendungen und Telegrammen sowie Auskunftsersuchen über Umstände, die dem Post- und Fernmeldegeheimnis unterliegen, sind unzulässig. § 160 Abs. 3 Satz 2 der Strafprozeßordnung über die Gerichtshilfe ist nicht anzuwenden. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. Die Vorschriften über die Beteiligung des Verletzten am Verfahren und über das länderübergreifende staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister sind nicht anzuwenden; dies gilt nicht für § 406e der Strafprozeßordnung.

(4) § 81a Abs. 1 Satz 2 der Strafprozeßordnung ist mit der Einschränkung anzuwenden, daß nur die Entnahme von Blutproben und andere geringfügige Eingriffe zulässig sind. Die Entnahme einer Blutprobe bedarf abweichend von § 81a Absatz 2 Satz 1 der Strafprozessordnung keiner richterlichen Anordnung, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass eine Ordnungswidrigkeit begangen worden ist

1.
nach den §§ 24a und 24c des Straßenverkehrsgesetzes oder
2.
nach § 7 Absatz 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes in Verbindung mit einer Vorschrift einer auf Grund des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes erlassenen Rechtsverordnung, sofern diese Vorschrift das Verhalten im Verkehr im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes regelt.
In einem Strafverfahren entnommene Blutproben und sonstige Körperzellen, deren Entnahme im Bußgeldverfahren nach Satz 1 zulässig gewesen wäre, dürfen verwendet werden. Die Verwendung von Blutproben und sonstigen Körperzellen zur Durchführung einer Untersuchung im Sinne des § 81e der Strafprozeßordnung ist unzulässig.

(4a) § 100j Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Strafprozessordnung, auch in Verbindung mit § 100j Absatz 2 der Strafprozessordnung, ist mit der Einschränkung anzuwenden, dass die Erhebung von Bestandsdaten nur zur Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zulässig ist, die gegenüber natürlichen Personen mit Geldbußen im Höchstmaß von mehr als fünfzehntausend Euro bedroht sind.

(5) Die Anordnung der Vorführung des Betroffenen und der Zeugen, die einer Ladung nicht nachkommen, bleibt dem Richter vorbehalten. Die Haft zur Erzwingung des Zeugnisses (§ 70 Abs. 2 der Strafprozessordnung) darf sechs Wochen nicht überschreiten.

(6) Im Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende kann von der Heranziehung der Jugendgerichtshilfe (§ 38 des Jugendgerichtsgesetzes) abgesehen werden, wenn ihre Mitwirkung für die sachgemäße Durchführung des Verfahrens entbehrlich ist.

(7) Im gerichtlichen Verfahren entscheiden beim Amtsgericht Abteilungen für Bußgeldsachen, beim Landgericht Kammern für Bußgeldsachen und beim Oberlandesgericht sowie beim Bundesgerichtshof Senate für Bußgeldsachen.

(8) Die Vorschriften zur Durchführung des § 191a Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes im Bußgeldverfahren sind in der Rechtsverordnung nach § 191a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes zu bestimmen.