Oberlandesgericht Karlsruhe Urteil, 20. Feb. 2004 - 15 U 42/03

bei uns veröffentlicht am20.02.2004

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Rastatt vom 25.08.2003 - 3 C 124/03 - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Die Berufung ist zulässig. Das Amtsgericht R. hat die Berufung zugelassen (§ 511 Abs. 2 Ziff. 2 ZPO). Da die Klägerin ihren allgemeinen Gerichtsstand außerhalb der Bundesrepublik Deutschland hat, ist das Oberlandesgericht für die Berufung zuständig (§ 119 Abs. 1 Ziff. 1 b GVG). Die Erklärung der Beklagten mit Schriftsatz vom 29.09.2003 an das Landgericht B., sie nehme die Berufung zurück, bezog sich nur auf die zum Landgericht B. eingelegte Berufung und nicht auf die Berufung zum Oberlandesgericht Karlsruhe. Zutreffend hat das Landgericht B. mit Beschluss vom 20.10.2003 darauf hingewiesen, dass die Verlustigerklärung des Landgerichts mit Beschluss vom 02.10.2003 sich nur auf das Verfahren vor dem Landgericht B. und nicht auf die Berufung zum Oberlandesgericht beziehen konnte.
2. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 487,20 EUR. In dieser Höhe kann die Klägerin Rückzahlung des am 19.09.2002 gezahlten Betrages verlangen gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (ungerechtfertigte Bereicherung).
a) Es ist materielles deutsches Recht anzuwenden. Dies gilt für die Beurteilung des Frachtvertrages zwischen der M. Speditions- und Transportgesellschaft mbH (im Folgenden abgekürzt: M. GmbH) und der Beklagten, für die Vereinbarung zwischen der Beklagten und der p. GmbH (im Folgenden abgekürzt: p.) vom 18.09.2002 (I 27), für die Voraussetzungen der Abtretung der Klageforderung an die Klägerin (Artikel 33 Abs. 2 EGBGB) und für den Bereicherungsanspruch selbst.
b) Die Klägerin ist aktiv legitimiert aufgrund der schriftlichen Abtretungsvereinbarung mit der p. GmbH vom 16.04./29.04.2003 (I 25). Abtretungshindernisse sind nach dem anwendbaren deutschen Recht nicht erkennbar.
c) Die Beklagte weist im Ansatz zutreffend darauf hin, dass die schriftliche Vereinbarung vom 18.09.2002 zwischen der Beklagten und der p. (I 27) als Rechtsgrund anzusehen ist für die Zahlung der p. an die Beklagte. Allerdings rechtfertigt die Vereinbarung ein Behaltendürfen der Zahlung nicht. Denn die schriftliche Vereinbarung vom 18.09.2002 ist ihrerseits kondizierbar gemäß § 812 Abs. 2 BGB.
Die Vereinbarung vom 18.09.2002 stellt keinen gegenseitigen kausalen Vertrag dar; vielmehr handelt es sich um eine selbstständiges Schuldversprechen (§ 780 BGB) welches eines anderweitigen Rechtsgrundes bedurfte. Da dieser Rechtsgrund nicht vorhanden war, ist das Schuldversprechen und damit auch die Zahlung in Höhe von 487,20 EUR kondizierbar.
d) Rechtsgrund der Vereinbarung vom 18.09.2002 ist das von der Beklagten gegenüber der p. geltend gemachte Pfandrecht an der Ware. Die Beklagte verweigerte unter Berufung auf das Pfandrecht die Auslieferung an die p. Zu dieser Verweigerung war die Beklagte nur aufgrund eines Pfandrechts berechtigt. Die Zahlung der Beklagten sollte nach dem übereinstimmenden Willen der Beklagten und der p. Voraussetzung für die Auslieferung der Ware an die Beklagte sein. Ohne die Geltendmachung des Pfandrechts durch die Beklagte wäre es zu der Vereinbarung vom 18.09.2002 nicht gekommen.
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e) Ein rechtlicher Grund für die Vereinbarung vom 18.09.2002 war nicht vorhanden; denn der Beklagten stand kein Pfandrecht zu, welches sie zur Verweigerung der Herausgabe berechtigt hätte. Maßgeblich für die Beurteilung des Pfandrechts ist § 441 HGB. (Es geht um einen innerdeutschen Transport von K. nach R.)
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aa) Der Beklagten stand gemäß § 441 Abs. 4 AGB ein Pfandrecht an der Ware zu wegen ihres Anspruchs auf Frachtvergütung gegen die M. GmbH für den betreffenden Transport von K. nach R. (konnexe Forderung). Diese Forderung hat die Klägerin mit 34,80 EUR (brutto) angesetzt. Die Beklagte hat eine höhere Vergütungsforderung, die sich gegebenenfalls aus dem Frachtvertrag mit der M. GmbH ergeben könnte, nicht behauptet. Die Klägerin macht eine Rückzahlung dieses Betrages von 34,80 EUR nicht geltend. Die Forderung der Klägerin (487,20 EUR) ergibt sich aus der Differenz der geleisteten Zahlung (522,00 EUR) und der angesetzten Frachtvergütung (34,80 EUR).
12 
bb) Die Beklagte hat sich auf ein Pfandrecht an der Ware wegen Vergütungsforderungen aus anderen (früheren) Frachtverträgen mit der Absenderin (M. GmbH) berufen. Für solche sogenannten inkonnexen Forderungen stand der Beklagten jedoch kein Pfandrecht zu. Die gesetzlichen Voraussetzungen für ein Pfandrecht wegen inkonnexer Forderungen gemäß §§ 441 Abs. 1 Satz 1, 366 Abs. 3 HGB liegen nicht vor.
13 
aaa) Die M. GmbH (Absenderin) war unstreitig nicht Eigentümerin der Waren, an denen die Beklagte das Pfandrecht geltend machte. Die Beklagte behauptet auch nicht, dass sie von einer Eigentümerstellung der Absenderin, die ihrerseits Spediteurin war, ausgegangen wäre. Auf die Frage des Schutzes des guten Glaubens kommt es im Hinblick auf das Eigentum mithin nicht an.
14 
bbb) Die Beklagte weist im Ansatz zutreffend darauf hin, dass ein Pfandrecht gemäß § 441 Abs. 1 HGB - sowohl wegen konnexer Forderungen als auch wegen inkonnexer Forderungen - auch an solchen Waren entstehen kann, die sich nicht im Eigentum des Absenders befinden. Entscheidende Voraussetzung bei fremdem Eigentum ist allerdings, dass der Eigentümer den Absender (M. GmbH) ausdrücklich oder konkludent zu der Verpfändung des Frachtguts ermächtigt hatte. Dies ergibt sich unmittelbar aus § 185 Abs. 1 BGB (vgl. insbesondere Koller, Transportrecht, 4. Aufl. 2000, § 441 HGB Rn. 3). Eine solche Einwilligung des Eigentümers, das Frachtgut auch für inkonnexe Forderungen zu verpfänden, war unstreitig nicht vorhanden. Im Regelfall wird ein Eigentümer, der sein Gut transportieren lässt, lediglich mit einer Haftung seines Gutes für eine konnexe Forderung aus dem Frachtvertrag einverstanden sein, nicht jedoch mit einer Haftung des Gutes für beliebige inkonnexe Forderungen des Frachtführers gegen den Spediteur (vgl. Koller, a.a.O.).
15 
ccc) Ob die Beklagte hinsichtlich einer Einwilligung des Eigentümers in die Verpfändung des Gutes für inkonnexe Forderungen gutgläubig war, kann dahinstehen. Denn es gibt bei inkonnexen Forderungen keinen Schutz guten Glaubens des Frachtführers an die Verfügungsbefugnis des Absenders (§ 366 Abs. 3 HGB). In diesem Punkt unterscheidet das Gesetz ausdrücklich zwischen den Pfandrechten bei konnexen Forderungen und dem Pfandrecht bei inkonnexen Forderungen.
16 
3. Der Bereicherungsanspruch der Klägerin ist nicht ausgeschlossen durch § 814 BGB (Kenntnis der Nichtschuld); denn die p. hat sich mit dem schriftlichen Zusatz „einverstanden, jedoch ohne diesseitige Anerkennung des geltend gemachten Pfandrechts“ in der Vereinbarung vom 18.09.2002 ausdrücklich die Rückforderung vorbehalten.
17 
4. Die geltend gemachten Zinsen stehen der Klägerin zu gemäß § 291 BGB.
18 
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
19 
6. Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass. (§ 543 Abs. 2 ZPO).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 812 Herausgabeanspruch


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Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Ab

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 814 Kenntnis der Nichtschuld


Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand z

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 185 Verfügung eines Nichtberechtigten


(1) Eine Verfügung, die ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand trifft, ist wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt. (2) Die Verfügung wird wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt oder wenn der Verfügende den Gegenstan

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 780 Schuldversprechen


Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung in der Weise versprochen wird, dass das Versprechen die Verpflichtung selbständig begründen soll (Schuldversprechen), ist, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist, schriftliche Erteilung

Handelsgesetzbuch - HGB | § 366


(1) Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache, so finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten,

Handelsgesetzbuch - HGB | § 441 Nachfolgender Frachtführer


(1) Hat im Falle der Beförderung durch mehrere Frachtführer der letzte bei der Ablieferung die Forderungen der vorhergehenden Frachtführer einzuziehen, so hat er die Rechte der vorhergehenden Frachtführer, insbesondere auch das Pfandrecht, auszuüben.

Referenzen

(1) Wer durch die Leistung eines anderen oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ist ihm zur Herausgabe verpflichtet. Diese Verpflichtung besteht auch dann, wenn der rechtliche Grund später wegfällt oder der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eintritt.

(2) Als Leistung gilt auch die durch Vertrag erfolgte Anerkennung des Bestehens oder des Nichtbestehens eines Schuldverhältnisses.

Zur Gültigkeit eines Vertrags, durch den eine Leistung in der Weise versprochen wird, dass das Versprechen die Verpflichtung selbständig begründen soll (Schuldversprechen), ist, soweit nicht eine andere Form vorgeschrieben ist, schriftliche Erteilung des Versprechens erforderlich. Die Erteilung des Versprechens in elektronischer Form ist ausgeschlossen.

(1) Hat im Falle der Beförderung durch mehrere Frachtführer der letzte bei der Ablieferung die Forderungen der vorhergehenden Frachtführer einzuziehen, so hat er die Rechte der vorhergehenden Frachtführer, insbesondere auch das Pfandrecht, auszuüben. Das Pfandrecht jedes vorhergehenden Frachtführers bleibt so lange bestehen wie das Pfandrecht des letzten Frachtführers.

(2) Wird ein vorhergehender Frachtführer von einem nachgehenden befriedigt, so gehen Forderung und Pfandrecht des ersteren auf den letzteren über.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für die Forderungen und Rechte eines Spediteurs, der an der Beförderung mitgewirkt hat.

(1) Eine Verfügung, die ein Nichtberechtigter über einen Gegenstand trifft, ist wirksam, wenn sie mit Einwilligung des Berechtigten erfolgt.

(2) Die Verfügung wird wirksam, wenn der Berechtigte sie genehmigt oder wenn der Verfügende den Gegenstand erwirbt oder wenn er von dem Berechtigten beerbt wird und dieser für die Nachlassverbindlichkeiten unbeschränkt haftet. In den beiden letzteren Fällen wird, wenn über den Gegenstand mehrere miteinander nicht in Einklang stehende Verfügungen getroffen worden sind, nur die frühere Verfügung wirksam.

(1) Veräußert oder verpfändet ein Kaufmann im Betriebe seines Handelsgewerbes eine ihm nicht gehörige bewegliche Sache, so finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube des Erwerbers die Befugnis des Veräußerers oder Verpfänders, über die Sache für den Eigentümer zu verfügen, betrifft.

(2) Ist die Sache mit dem Rechte eines Dritten belastet, so finden die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs zugunsten derjenigen, welche Rechte von einem Nichtberechtigten herleiten, auch dann Anwendung, wenn der gute Glaube die Befugnis des Veräußerers oder Verpfänders, ohne Vorbehalt des Rechtes über die Sache zu verfügen, betrifft.

(3) Das gesetzliche Pfandrecht des Kommissionärs, des Frachtführers oder Verfrachters, des Spediteurs und des Lagerhalters steht hinsichtlich des Schutzes des guten Glaubens einem gemäß Absatz 1 durch Vertrag erworbenen Pfandrecht gleich. Satz 1 gilt jedoch nicht für das gesetzliche Pfandrecht an Gut, das nicht Gegenstand des Vertrages ist, aus dem die durch das Pfandrecht zu sichernde Forderung herrührt.

Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach.

Eine Geldschuld hat der Schuldner von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu verzinsen, auch wenn er nicht im Verzug ist; wird die Schuld erst später fällig, so ist sie von der Fälligkeit an zu verzinsen. Die Vorschriften des § 288 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, Abs. 3 und des § 289 Satz 1 finden entsprechende Anwendung.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Die Revision findet nur statt, wenn sie

1.
das Berufungsgericht in dem Urteil oder
2.
das Revisionsgericht auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung
zugelassen hat.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Das Revisionsgericht ist an die Zulassung durch das Berufungsgericht gebunden.