Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 01. Juni 2004 - 1 Ss 80/3

bei uns veröffentlicht am01.06.2004

Tenor

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts X. vom 13. Januar 2003 wird als unzulässig verworfen.

2. Die Kosten des Revisionsverfahrens und die den Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

 
I. Das Landgericht X. hat die Angeklagten am 13.01.2003 unter Aufhebung eines anderslautenden Urteils des Amtsgerichts Y. vom 26.03.2002 vom Vorwurf der versuchten gemeinschaftlichen Nötigung freigesprochen. Nach den Feststellungen der Strafkammer hatten sich die Angeklagten 10.04.2001 im Rahmen eines für diesen Tag geplanten „Castortransports“ zum Kernkraftwerk Z. zu dem in dieser Ortschaft liegenden Bahngleiskörper begeben, um dort eine zur Erregung der Aufmerksamkeit der Presse „symbolische Aktion“ durchzuführen. Zu diesem Zweck hätten einige der Angeklagten zwar bereits den Gleiskörper betreten und begonnen Schottersteine vom Gleisbett zu entfernen, alle hätten jedoch gewusst, dass sie aufgrund der Polizeipräsenz und der mitgeführten unzureichenden Werkzeuge den Transport des Castors nicht hätten verhindern können, weshalb sie nur ein Zeichen hätten setzen wollen. Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft am 14.01.2003 Revision eingelegt, diese am 19.03.2003 begründet und hierzu ausgeführt, dass nach den Vorstellungen der Angeklagten das Graben am Schotterbett eine Ankettung mittels der beigeführten Rohre habe ermöglichen und damit den Transport habe verhindern sollen, weshalb die Tat als versuchte Nötigung zu werten sei.
II. Die lediglich auf die Sachrüge gestützte Revision war gemäß § 349 Abs.1 StPO als unzulässig zu verwerfen.
Mit der Sachrüge kann grundsätzlich nur beanstandet werden, dass auf den im Urteil festgestellten Sachverhalt materielles Recht falsch angewendet worden ist. Rechtsfehlerhaft ist die Beweiswürdigung in diesem Sinne allenfalls dann, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl. 2004, § 344 Rn. 15). Ergibt die Auslegung der Erklärung, dass nicht die Rechtsanwendung gerügt wird, sondern sich der Beschwerdeführer gegen die Richtigkeit der Beweiswürdigung und damit der Urteilsfeststellungen wendet, indem er etwa seine Würdigung der Beweise an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzt, ist die Sachrüge nicht ordnungsgemäß erhoben (vgl. BGH NJW 1956, 1767; NStZ 1993, 31; BGHR StPO § 344 Abs.2 Satz 1, Revisionsbegründung 2;OLG Hamm NStZ-RR 2001, 117 f.; OLG Düsseldorf NStZ 1993, 99; LR-Pfeifer, StPO, 3. Aufl., § 344 Rn 19 m.z.w.N.; Meyer-Goßner, a.a.O., Rn. 17 ff.).
So liegt der Fall hier, denn die in tatsächlicher Hinsicht erfolgten Ausführungen der Beschwerdeführerin finden im Urteil keine Stütze.
Die landgerichtlichen Feststellungen und Ausführungen sind rechtlich dahin zu verstehen, dass die Angeklagten mangels jeglicher Erfolgsaussicht keinen Tatvollendungsvorsatz hatten. Es ist - auf dieser Grundlage rechtlich zutreffend - zum Freispruch gekommen. Die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft nimmt davon abweichend an, die Angeklagten hätten „nach ihrer Vorstellung unmittelbar dazu angesetzt, den am Tattag zeitnah bevorstehenden Transport von Brennelementen zu behindern, in dem sie ...“. Die Staatsanwaltschaft bejaht Vollendungsvorsatz. Sie kommt zu diesem Ergebnis ersichtlich aufgrund der Erwägung, dass die Angeklagten ihr Vorhaben vollendet hätten, wenn die Polizei nicht rechtzeitig eingeschritten wäre. Sie geht damit über die Feststellungen des Landgerichts hinaus, weicht also auch insoweit von ihnen ab. Denn das Landgericht hat entsprechende Feststellungen nicht getroffen.
Entgegen der Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 14.05.2004 kann der Revisionsbegründung selbst bei großzügiger Auslegung - trotz der dort angeführten anderslautenden Formulierung zu Beginn der Ausführungen (Die Angeklagten haben unter Zugrundelegung der landgerichtlichen Feststellungen ...) - nicht entnommen werden, dass auf den im Urteil angewendeten Sachverhalt das Recht falsch angewendet worden sei, vielmehr stützt sich die Rüge durchgehend und maßgeblich auf eine andere Bewertung der subjektiven Tatseite, indem sie - anders als die Strafkammer - vom Vorliegen eines Vollendungsvorsatzes ausgeht und diesen bei ihren rechtlichen Ausführungen einfach unterstellt.
Auch der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft schon bei Einlegung des Rechtsmittels allgemein die „Verletzung materiellen Rechts“ beanstandet hatte (vgl. hierzu ähnlich auch OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Hamm a.a.O), führt zu keiner anderen Bewertung, denn es handelt sich beim Revisionsbegründungsschriftsatz vom 19.03.2003 um eine das Rechtsmittelziel klarstellende Erläuterung der erhobenen Beanstandung und nicht nur um eine dort ergänzend niedergelegte beispielhafte Aufzählung einzelner Rügepunkte, worauf etwa der Zusatz „ins-besondere“ hätte hindeuten können. Für eine von der Generalstaatsanwaltschaft - unter Hinweis auf die in § 352 Abs. 2 StPO i.V.m. § 344 Abs. 2 StPO normierte nur eingeschränkte Begründungspflicht - vertretene grundsätzlich weite Auslegung des Rechtsmittelziels sieht der Senat bei einer Revision der Anklagebehörde keine Veranlassung, denn im Gegensatz zu einem Rechtsmittel des Angeklagten kann es bei dieser nicht zu Meinungsverschiedenheiten in der Vertretung, wie etwa zwischen Angeklagten und Verteidiger kommen (vgl. hierzu § 302 Abs.2 StPO), vielmehr ist davon auszugehen, dass eine Staatsanwaltschaft - sofern sich aus der Rechtsmittelschrift nicht Gegenteiliges ergibt - die nach ihrer Ansicht vorliegenden Angriffspunkte vollständig aufzählen will. Damit ist aber durch die Revisionsbegründungsschrift vom 19.03.2003 vorliegend das Ziel des Rechtsmittels wirksam bezeichnet worden, so dass die späteren - rechtlich den Anforderungen an die Erhebung einer Sachrüge ohne weiteres genügenden - Ausführungen der Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragschrift vom 28.05.2003 den Mangel nicht mehr zu beheben vermochten, da zu diesem Zeitpunkt die Revisionsbegründungsfrist bereits abgelaufen war.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 473 Abs.2 StPO.

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

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(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die gestellten Revisionsanträge und, soweit die Revision auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die bei Anbringung der Revisionsanträge bezeichnet worden sind. (2) Eine we

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die gestellten Revisionsanträge und, soweit die Revision auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die bei Anbringung der Revisionsanträge bezeichnet worden sind.

(2) Eine weitere Begründung der Revisionsanträge als die in § 344 Abs. 2 vorgeschriebene ist nicht erforderlich und, wenn sie unrichtig ist, unschädlich.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.