Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 04. Juli 2005 - 1 Ss 60/05

bei uns veröffentlicht am04.07.2005

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts X. vom 07. März 2005 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts X. zurückverwiesen.

Gründe

 
I. Das Amtsgericht X. verurteilte den Angeklagten am 07.12.2004 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je EUR 40, weil er am 09.08.2004 dem LKW-Fahrer S. nach dessen Weigerung, sein Fahrzeug wegzufahren und dem Angeklagten die Weiterfahrt zu ermöglichen, mehrmals mit der Faust ins Gesicht geschlagen hatte. Zugleich verhängte es ein Fahrverbot von drei Monaten. Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten änderte das Landgericht X. dieses Urteil vom 07.03.2005 ab, erhöhte die Geldstrafe auf 90 Tagessätze zu je EUR 30 und reduzierte das Fahrverbot auf einen Monat. Hiergegen wendet sich die Revision des Angeklagten, mit welcher er eine Verletzung des Verschlechterungsverbots geltend gemacht. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat auf Aufhebung des Urteils angetragen.
II. Dem Rechtsmittel kann ein - im Ergebnis zumindest vorläufiger - Erfolg nicht versagt bleiben.
1. Die vom Landgericht vorgenommene Erhöhung der Anzahl der Tagessätze hat keine Bestand. Zwar ist der Tatrichter durch das Verbot der reformatio in peius (§ 331 StPO) grundsätzlich nicht daran gehindert, die Geldstrafe angemessen aufzustocken, wenn er ein gleichzeitig verhängtes Fahrverbot (§ 44 StGB) reduzieren oder in Wegfall bringen lassen will. Eine Erhöhung der Anzahl der Tagessätze - wie von der Strafkammer vorgenommen - ist jedoch unzulässig, weil sich bei Uneinbringlichkeit der Geldstrafe auch die Dauer der Ersatzfreiheitsstrafe erhöhen würde (§ 43 Abs. 2 StGB) und eine Freiheitsstrafe unabhängig von ihrer Dauer immer die gegenüber einer Geldstrafe und einem Fahrverbot schwerere Sanktion darstellt (BayObLG NJW 1980, 849 f.).
2. Hat das Fahrverbot für den Angeklagten jedoch eine ökonomische Bedeutung, dann darf dessen Reduzierung oder sein Wegfall bei der Tagesatzhöhe berücksichtigt werden, wobei nach wirtschaftlicher Betrachtung ein Gesamtvergleich vorzunehmen ist und die neue Sanktion die Ursprüngliche in ihrer Höhe nicht übersteigen darf (BayObLG a.a.O.; OLG Düsseldorf NZV 1993, 123 f.; OLG Schleswig VRS 65, 386 f.).
3. Da es sich beim Fahrverbot nach § 44 StGB um eine Nebenstrafe handelt, wird der neue Tatrichter wegen der damit einhergehenden Wechselwirkung mit der Hauptstrafe nunmehr erneut zu prüfen haben, ob der mit dem Fahrverbot angestrebte spezialpräventive Erfolg auch allein durch die Verhängung einer Geldstrafe erreicht werden kann (OLG Köln DAR 1992, 190; OLG Hamm ZfSch 2004, 282 f.) und welche Sanktionierung er bei einer Gesamtbetrachtung für tat - und schuldangemessen hält.
Indes weist der Senat darauf hin, dass derartige tätliche Übergriffe im Straßenverkehr - der Geschädigte Verkehrsteilnehmer hatte mehrere Hämatome im Gesicht erlitten und war drei Tage krankgeschrieben - in aller Regel und unabhängig von den wirtschaftlichen Auswirkungen eine nachdrückliche Sanktion auch in Form eines Fahrverbots gebieten dürften. Solche im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges stehenden Tätlichkeiten (Tröndle/Fischer, StGB, 52. Auflage 2004, § 44 Rn. 8 f.) weisen nämlich auf eine äußerst bedenkliche Fehlentwicklung eines Verkehrs-teilnehmers hin, welchen durch die Denkzettel- und Besinnungsfunktion eines Fahrverbots entgegengewirkt werden kann.

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Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Karlsruhe Beschluss, 04. Juli 2005 - 1 Ss 60/05 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 331 Verbot der Verschlechterung


(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat. (2)

Strafgesetzbuch - StGB | § 44 Fahrverbot


(1) Wird jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu

Strafgesetzbuch - StGB | § 43 Ersatzfreiheitsstrafe


An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. Das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Tag.

Referenzen

(1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Rechtsfolgen der Tat nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat.

(2) Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen.

(1) Wird jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Auch wenn die Straftat nicht bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde, kommt die Anordnung eines Fahrverbots namentlich in Betracht, wenn sie zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann. Ein Fahrverbot ist in der Regel anzuordnen, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 3 oder § 316 die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 unterbleibt.

(2) Das Fahrverbot wird wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von einem Monat seit Eintritt der Rechtskraft. Für seine Dauer werden von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine amtlich verwahrt. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. In anderen ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot vermerkt.

(3) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tage an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.

(4) Werden gegen den Täter mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.

An die Stelle einer uneinbringlichen Geldstrafe tritt Freiheitsstrafe. Einem Tagessatz entspricht ein Tag Freiheitsstrafe. Das Mindestmaß der Ersatzfreiheitsstrafe ist ein Tag.

(1) Wird jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe oder einer Geldstrafe verurteilt, so kann ihm das Gericht für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten verbieten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen. Auch wenn die Straftat nicht bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs oder unter Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers begangen wurde, kommt die Anordnung eines Fahrverbots namentlich in Betracht, wenn sie zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint oder hierdurch die Verhängung einer Freiheitsstrafe oder deren Vollstreckung vermieden werden kann. Ein Fahrverbot ist in der Regel anzuordnen, wenn in den Fällen einer Verurteilung nach § 315c Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 3 oder § 316 die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 unterbleibt.

(2) Das Fahrverbot wird wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von einem Monat seit Eintritt der Rechtskraft. Für seine Dauer werden von einer deutschen Behörde ausgestellte nationale und internationale Führerscheine amtlich verwahrt. Dies gilt auch, wenn der Führerschein von einer Behörde eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum ausgestellt worden ist, sofern der Inhaber seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hat. In anderen ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot vermerkt.

(3) Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tage an gerechnet, an dem dies geschieht. In die Verbotsfrist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist.

(4) Werden gegen den Täter mehrere Fahrverbote rechtskräftig verhängt, so sind die Verbotsfristen nacheinander zu berechnen. Die Verbotsfrist auf Grund des früher wirksam gewordenen Fahrverbots läuft zuerst. Werden Fahrverbote gleichzeitig wirksam, so läuft die Verbotsfrist auf Grund des früher angeordneten Fahrverbots zuerst, bei gleichzeitiger Anordnung ist die frühere Tat maßgebend.