Oberlandesgericht Köln Beschluss, 04. Mai 2015 - 7 W 19/15
Gericht
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 14.04.2015 wird der ihr Prozesskostenhilfegesuch zurückweisende Beschluss des Landgerichts Köln (Einzelrichter) vom 27.03.2015 – 36 O 223/14 – in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 16.04.2015 aufgehoben.
Dem Landgericht wird aufgegeben, die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht nach Maßgabe des § 114 ZPO wegen fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage zu verweigern.
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G R Ü N D E
2Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde führt in der Sache insoweit zum Erfolg, als fehlende Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht entgegen stehen.
31.
4An der Zulässigkeit der Feststellungsklage bestehen keine Bedenken.
5Die Feststellungsklage ist nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BGH NJW 2006, 2548 mit zahlreichen weiteren Nachweisen) dann zulässig, wenn ihre Durchführung unter dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit eine sinnvolle und sachgemäße Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte erwarten lässt. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die beklagte Partei – unabhängig von einem im Einzelfall gegebenenfalls konkret erfolgenden Regulierungsverhalten – die Erwartung rechtfertigt, sie werde auf ein rechtskräftiges Feststellungsurteil hin ihren rechtlichen Verpflichtungen nachkommen, ohne dass es eines weiteren, auf Zahlung gerichteten Vollstreckungstitels bedarf, wie etwa bei Banken, Behörden und großen Versicherungsunternehmen (BGH a.a.O. m.w.N.). Es bestehen keine Bedenken, einen öffentlichen Verkehrsbetrieb wie die Antragsgegnerin, deren Anteile ganz überwiegend von der Stadt L gehalten werden, zu in Anspruch genommenen Parteien in diesem Sinne zu zählen.
62.
7Die Antragsgegnerin haftet als Betreiberin der Straßenbahnlinie 16 nach § 1 Abs. 1 HaftpflG für beim Betrieb der Bahn verursachte Körperverletzungen. Entgegen der in dem angefochtenen Beschluss vertretenen Auffassung ist die Antragstellerin nicht beweisfällig für den ihr obliegenden Beweis einer in diesem Sinne beim Betrieb der Bahn am 26.05.2012 erlittenen Verletzung. Soweit sie zum Randgeschehen den Umstand, dass ihr Ehemann sie unmittelbar nach dem vorgetragenen Vorfall direkt an der Ausstiegshaltestelle abholte, unter Beweis stellt durch Vernehmung des Ehemanns, des Zeugen Dr. C, lässt sich in Verbindung mit der Möglichkeit einer informatorischen Anhörung der Antragstellerin, § 141 ZPO, grundsätzlich die notwendige Überzeugung von dem Zusammenhang zwischen Bahnbetrieb und behaupteten Verletzungen gewinnen.
83.
9Auf der Grundlage des vorgetragenen Unfallhergangs muss sich die Antragstellerin, wenn überhaupt, ein unterhalb von 50 % liegendes Mitverschulden anrechnen lassen.
10Eine Mitverursachung bzw. ein nach § 254 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 4 HaftPflG maßgebliches Mitverschulden des Geschädigten hat die Antragsgegnerin als Schädigerin darzulegen und zu beweisen (OLG Köln, VersR 1999, 896, Rn. 50 nach juris; Geigel/Kaufmann, Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 26. Kap., Rn. 45). Unter besonderen Umständen kann der Geschädigte verpflichtet sein, an der Beweisführung mitzuwirken (BGH, NJW 1984, 2216, Rn. 63 nach juris). Die Antragsgegnerin kann sich deshalb im Ausgangspunkt nicht darauf zurückziehen, den Sachvortrag der Antragstellerin zum genauen Unfallhergang mit Nichtwissen zu bestreiten. Denn sie hat als Schienenbahnbetreiberin unmittelbaren Einblick in die technischen Abläufe im Trittstufenbereich ihrer Straßenbahn. Dies gilt insbesondeer in Ansehung des Umstands, dass ein Unfall der Antragstellerin am fraglichen Tag nach ihrem unwidersprochenen Vortrag von einem Mitarbeiter der Antragsgegnerin aufgenommen worden sein soll.
11Von einem Mitverschulden der Antragstellerin wäre überhaupt nur dann auszugehen, wenn der Innenboden der Bahn gegenüber der Bahnsteigkante bereits abgesenkt war, d.h. die Trittstufen (versehentlich, nämlich z.B. infolge einer Fehlbedienung, aber erkennbar) heruntergefahren waren, bevor die Antragstellerin in die solcherart entstandene Vertiefung geriet. Denn da beim Übergang von der Bahnsteigkante zum Bahninnenboden regelmäßig mit einer gewissen Lücke von wenigen Zentimetern und/oder mit einem gewissen Höhenversatz zu rechnen ist, musste die Antragstellerin zur Wahrung der Eigensorgfalt sich durch einen zumindest flüchtigen Blick über die äußere Beschaffenheit des Eintrittsbereichs der Bahn vergewissern (vgl. etwa OLG Celle, NJW-RR 1994, 989; OLG Düsseldorf, NJW-RR 2007, 460, Rn. 14 nach juris). Bei einem entsprechenden flüchtigen Blick hätte ihr eine größere Vertiefung im Eintrittsbereich – nach ihrer Behauptung der einen Meter unter Gleishöhe abgesenkte Innenboden der Bahn - auffallen müssen und sie hätte den Unfall vermeiden können.
12Allerdings führte ein mögliches Mitverschulden der Antragstellerin nicht zum vollständigen Ausschluss einer Haftung der Antragsgegnerin. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats, bei welchem eine Spezialzuständigkeit für Ansprüche – wie hier – aus dem Haftpflichtgesetz besteht, begründet selbst grob fahrlässiges Eigenverschulden des Geschädigten nicht zwangsläufig seine Alleinhaftung im Verhältnis zum Bahnunternehmer (vgl. auch Geigel/Kaufmann, Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 26. Kap., Rn. 49). Im Streitfall tritt hinzu, dass der Antragstellerin allenfalls einfache und keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre, da das Unterlassen des beim Einsteigen erforderlichen flüchtigen Blicks auf den Eintrittsbereich nur ein vergleichsweise leichtes Augenblicksversagen darstellt und keinen besonders vorwerfbaren Verstoß gegen grundlegende Vorsichtsregeln bei der Benutzung einer Straßenbahn. Demgegenüber steht auf Seiten der Antragsgegnerin ein ihr zuzurechnendes Verschulden des Fahrers bei der Trittstufenansteuerung im Raum. Der mögliche Bedienungsfehlers unterscheidet den Sachverhalt von anderen in der Rechtsprechung entschiedenen „Einsteigefällen“ (vgl. OLG Düsseldorf, NJW-RR 2007, 460, Rn. 15 nach juris; OLG Hamm, NJW-RR 2000, 104, Rn. 9 nach juris), was in der von der Antragsgegnerin vorgelegten Gerichtsentscheidung des 15. Senats des OLG Köln keine Berücksichtigung gefunden hat.
133.
14Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.
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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
(1) Wird bei dem Betrieb einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Betriebsunternehmer dem Geschädigten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die Ersatzpflicht ist ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht ist.
(3) Die Ersatzpflicht ist ferner ausgeschlossen, wenn eine
(1) Das Gericht soll das persönliche Erscheinen beider Parteien anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Ist einer Partei wegen großer Entfernung oder aus sonstigem wichtigen Grund die persönliche Wahrnehmung des Termins nicht zuzumuten, so sieht das Gericht von der Anordnung ihres Erscheinens ab.
(2) Wird das Erscheinen angeordnet, so ist die Partei von Amts wegen zu laden. Die Ladung ist der Partei selbst mitzuteilen, auch wenn sie einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat; der Zustellung bedarf die Ladung nicht.
(3) Bleibt die Partei im Termin aus, so kann gegen sie Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienenen Zeugen festgesetzt werden. Dies gilt nicht, wenn die Partei zur Verhandlung einen Vertreter entsendet, der zur Aufklärung des Tatbestandes in der Lage und zur Abgabe der gebotenen Erklärungen, insbesondere zu einem Vergleichsabschluss, ermächtigt ist. Die Partei ist auf die Folgen ihres Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen.
(1) Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt, so hängt die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist.
(2) Dies gilt auch dann, wenn sich das Verschulden des Beschädigten darauf beschränkt, dass er unterlassen hat, den Schuldner auf die Gefahr eines ungewöhnlich hohen Schadens aufmerksam zu machen, die der Schuldner weder kannte noch kennen musste, oder dass er unterlassen hat, den Schaden abzuwenden oder zu mindern. Die Vorschrift des § 278 findet entsprechende Anwendung.
Hat bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt, so gilt § 254 des Bürgerlichen Gesetzbuchs; bei Beschädigung einer Sache steht das Verschulden desjenigen, der die tatsächliche Gewalt über die Sache ausübt, dem Verschulden des Geschädigten gleich.
(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.