Oberlandesgericht Köln Beschluss, 22. Dez. 2015 - 5 U 135/15
Gericht
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 02.09.2015 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 25 O 380/14 – gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen, die Beklagte zugleich zur Erwiderung auf die Berufung der Klägerin.
1
Gründe:
2I. Die Berufung hat nach gründlicher Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht weder auf einer Rechtsverletzung noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
3Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Schmerzensgeld. Ein Anspruch der Klägerin folgt weder aus §§ 280 Abs. 1, 611, 253 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, noch aus § 823 BGB. Die Argumente der Klägerin, die sich auf die Ausführungen von Ziegler und Rektorschek (VersR 2009, 181 ff.) beruft, vermögen unter Berücksichtigung der allgemeinen anerkannten und gefestigten Grundsätze des Haftungsrechts und insbesondere der haftungsrechtlichen Rechtsprechung nicht zu überzeugen.
41. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, haftet die Beklagte der Klägerin gegenüber nicht aus dem mit dem Ehemann der Klägerin geschlossenen Behandlungsvertrag in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Die Einbeziehung eines Dritten in die Schutzwirkungen eines Vertrags setzt voraus, dass Sinn und Zweck des Vertrags und die erkennbaren Auswirkungen der vertragsgemäßen Leistung auf den Dritten seine Einbeziehung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben erfordern und eine Vertragspartei, für den Vertragsgegner erkennbar, redlicherweise damit rechnen kann, dass die ihr geschuldete Obhut und Fürsorge in gleichem Maße auch dem Dritten entgegengebracht wird (BGH, Urt. v. 06.05.2008, Az.: XI ZR 56/07, juris Rz. 27 = BGH NJW 2008, 2245, 2247). Um die vom Gesetzgeber gewollte Ausgestaltung von vertraglicher und deliktischer Haftung nicht aufzugeben, ist der begünstigte Personenkreis eng zu ziehen. Das vertragliche Haftungsrisiko muss kalkulierbar und versicherbar bleiben (BGH, Urt. v. 20.04.2004, Az.: X ZR 250/02, juris Rz. 25 f. = BGH NJW 2004, 3035, 3037 f.). Der Kreis der in den Vertragsschutz einbezogenen Dritten ist daher unter Beachtung einer sachgerechten Abwägung der Interessen der Beteiligten dahin zu begrenzen, dass der Dritte mit der Hauptleistung bestimmungsgemäß in Berührung kommt, ein schutzwürdiges Interesse des Gläubigers an der Einbeziehung des Dritten besteht, den Interessen des Schuldners durch Erkennbarkeit und Zumutbarkeit der Haftungserweiterung Rechnung getragen wird und der Dritte schutzbedürftig ist (BGH, Urt. v. 06.05.2008, Az.: XI ZR 56/07, juris Rz. 27 = BGH NJW 2008, 2245, 2247 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).
5Schon an der erforderlichen Leistungsnähe fehlt es hier. Eine solche liegt vor, wenn der Dritte bestimmungsgemäß mit der vertraglichen Hauptleistung in Berührung kommt und nach der Anlage des Vertrags den Leistungsgefahren in ähnlicher Weise ausgesetzt ist wie der Gläubiger selbst (vgl. BGH, Urt. v. 14.11.2000, Az.: X ZR 203/98 = NJW 2001, 514, 516; OLG Koblenz, Urt. v. 02.04.2014, Az.: 5 U 311/12 = BeckRS 2014, 08625). Die Klägerin ist den Gefahren einer fehlerhaften Behandlung nicht bestimmungsgemäß und in gleicher Weise ausgesetzt wie ihr Ehemann. Vielmehr ist sie, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, allenfalls mittelbar betroffen. Die von der Klägerin geltend gemachten Beeinträchtigungen sind ohne vorherige Verletzung ihres Ehemanns nicht denkbar. Insofern unterscheidet sich der Fall von klassischen Konstellationen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter, in denen der in den Schutzbereich einbezogene Dritte unabhängig von möglichen Verletzungen des Vertragspartners den typischen Gefahren des Vertrags selbst unmittelbar in gleicher Weise ausgesetzt ist wie der Vertragspartner selbst. Soweit die Rechtsprechung eine Ausdehnung der vertraglichen Haftung des Schuldners gegenüber Dritten auch in Fällen annimmt, in denen die Schlechterfüllung des Vertrags gleichzeitig sowohl beim Vertragspartner als auch bei einem Dritten einen Schaden auslösen kann, wie etwa in Fällen der fehlgeschlagenen Sterilisation (BGH Urt. v. 14.11.2006, Az.: VI ZR 48/06 = NJW 2007, 989), handelt es sich um eng umgrenzte Ausnahmefälle. Kennzeichnend für diese Fälle ist, dass der Vertrag nach seinem Vertragszweck erkennbar drittbezogen ist und auch darauf abzielt, Schäden eines Dritten zu vermeiden. Nur bei derartigen inhaltlich drittbezogenen Schuldverhältnissen kann – im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung bzw. unter Berücksichtigung der Grundsätze von Treu und Glauben – davon ausgegangen werden, dass sich die vertragliche Haftung auch auf den Dritten erstrecken soll. Daran fehlt es hier. Zweck des Behandlungsvertrags zwischen dem Ehemann der Klägerin und der Beklagten war dessen ärztliche Behandlung wegen abdomineller Beschwerden. Mögliche Beeinträchtigungen der Klägerin zeichneten sich bei Vertragsschluss nicht konkret ab. Allein die Tatsache, dass eine Operation am Unterleib und eine nachfolgende medikamentöse Behandlung auch zu Beeinträchtigungen der Geschlechtsfunktionen und damit faktisch auch zu Auswirkungen auf das eheliche Zusammenleben führen können, rechtfertigt keine Einbeziehung der Klägerin in den Schutzbereich des Vertrags. Wie der BGH betont hat (vgl. etwa BGH, Urt. v. 20.04.2004, Az.: X ZR 250/02, juris Rz. 25 f. = NJW 2004, 3035, 3037), ist das Institut des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter auf eng umgrenzte Ausnahmefälle zu beschränken und kann nicht auf alle Fälle angewendet werden, in denen eine Verletzung eines Dritten theoretisch denkbar ist. Es ist nur einschlägig bei Konstellationen, in welchen der Dritte von vorne herein erkennbar ähnlichen Gefahren ausgesetzt ist wie der Vertragspartner und mit der vertraglichen Leistung bestimmungsgemäß in Berührung kommt.
6Im Übrigen hat die Klägerin auch einen eigenen Schaden nicht dargelegt. Schmerzensgeld ist nur in den gesetzlich bestimmten Fällen zu gewähren, § 253 Abs. 1 und 2 BGB. Eine Gesundheitsverletzung hat die Klägerin, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht schlüssig vorgetragen. Erforderlich ist die konkrete Darlegung von Beeinträchtigungen mit echtem Krankheitswert. Die von der Klägerin geäußerte Ansicht, der Begriff des Körpers umfasse nicht nur die äußere Integrität der Körperteile, sondern auch deren Funktion, führt in diesem Zusammenhang nicht weiter. Denn die Körperfunktionen der Klägerin sind durch die Behandlung des Beklagten nicht beeinträchtigt; allein die faktische Beschränkung des ehelichen Geschlechtsverkehrs infolge der Erkrankung des Ehemanns stellt keine Verletzung des Körpers der Ehefrau dar. Ebenso wenig kann sich die Klägerin auf Einschränkungen ihrer sexuellen Selbstbestimmung berufen. Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung gewährleistet das Recht jedes Einzelnen, frei über seine Sexualität zu bestimmen. Dieses Bestimmungsrecht der Klägerin ist allein durch eine gewisse faktische Einschränkung des ehelichen Geschlechtsverkehrs schon nicht verletzt. Selbst wenn aber eine Verletzung dieses Bestimmungsrechts angenommen würde, wäre dies nicht geeignet, einen Schmerzensgeldanspruch auszulösen, da das sexuelle Selbstbestimmungsrecht Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes wäre, eine Haftung des Arztes aus einer Behandlung jedoch zwingend eine Verletzung der körperlichen Unversehrtheit erfordert (BGHZ 176, 342 ff.; std. Rspr. des Senates).
72. Die Klägerin hat gegen die Beklagte auch keinen Schmerzensgeldanspruch gemäß § 823 Abs. 1, 253 BGB. Es fehlt, wie dargelegt, bereits an einer Rechtsgutsverletzung der Klägerin. Zudem ist der erforderliche Zurechnungszusammenhang zwischen einer Handlung der Beklagten und den von der Klägerin behaupteten Beeinträchtigungen nicht gegeben. Nach der Lehre vom Schutzzweck der Norm ist ein solcher nur dann zu bejahen, wenn das verletzte Interesse in den sachlichen Schutzbereich der einschlägigen deliktischen Sorgfaltspflicht fällt und der Träger dieses Interesses zu dem Personenkreis zählt, zu dessen Schutz die verletzte Sorgfaltspflicht besteht (BGH NJW 1987, 2671, 2672; 2012, 2024, 2025). Die einschlägige Sorgfaltspflicht muss auch den Eintritt gerade des konkreten Schadens bezwecken. Ein Zurechnungszusammenhang besteht nach wertender Betrachtung nicht, wenn sich in der Verletzung lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht hat. Die von der Klägerin vorgetragenen Beeinträchtigungen unterfallen dem allgemeinen Lebensrisiko. Wie vom Landgericht ausgeführt, können mittelbare Beeinträchtigungen, die ein Dritter durch einen Eingriff in ein fremdes Rechtsgut erleidet, nur in Ausnahmefällen eine Haftung des Schädigers gegenüber dem Dritten begründen (vgl. auch LG Frankenthal, Urt. v. 19.12.1996, Az.: 8 O 105/96). Anerkannt ist dies etwa in den sog. Schockschadensfällen (vgl. etwa BGH NJW 1971, 1883; 1984, 1405; 1986, 777; 2012, 1730). Die Klägerin hat jedoch keine Umstände vorgetragen, die nach den hierfür entwickelten Rechtsprechungsgrundsätzen einen eigenen Schmerzensgeldanspruch begründen können. So fehlt es schon an einer schlüssigen Darlegung einer gesundheitlichen Beeinträchtigung mit echtem Krankheitswert und darüber hinaus, wie vom Landgericht dargelegt, an einem örtlichen, zeitlichen und inneren Zusammenhang.
8II. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch ansonsten nicht geboten ist.
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(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen:
- 1.
die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten; - 2.
neue Tatsachen, soweit deren Berücksichtigung zulässig ist.
(2) Auf einen Mangel des Verfahrens, der nicht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wird das angefochtene Urteil nur geprüft, wenn dieser nach § 520 Abs. 3 geltend gemacht worden ist. Im Übrigen ist das Berufungsgericht an die geltend gemachten Berufungsgründe nicht gebunden.
(1) Das Berufungsgericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluss ergehen. Gegen den Beschluss findet die Rechtsbeschwerde statt.
(2) Das Berufungsgericht soll die Berufung durch Beschluss unverzüglich zurückweisen, wenn es einstimmig davon überzeugt ist, dass
- 1.
die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, - 3.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert und - 4.
eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
(3) Gegen den Beschluss nach Absatz 2 Satz 1 steht dem Berufungsführer das Rechtsmittel zu, das bei einer Entscheidung durch Urteil zulässig wäre.
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
(1) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden.
(2) Ist wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz zu leisten, kann auch wegen des Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden.
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.