Oberlandesgericht Köln Beschluss, 16. Nov. 2016 - 4 WF 106/16
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Gericht
Tenor
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Wipperfürth vom 22.08.2016 dahin abgeändert, dass der Verfahrenswert für das Verfahren auf 20.205,00 € festgesetzt wird.
1
G r ü n d e :
2I.
3Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin aus eigenem Recht dagegen, dass das Familiengericht den Verfahrenswert für die Ehesache auf 10.470,00 € und für die Versorgungsausgleichssache auf 5.235,00 € festgesetzt hat. Das Familiengericht ist dabei ausweislich der Nichtabhilfeentscheidung vom 20.09.2016 zwar in Übereinstimmung mit der Beschwerdeführerin von einem Nettoeinkommen der Beteiligten von (1.050,00 € + 3.440,00 € =) 4.490,00 € ausgegangen, hat hiervon aber für die Bemessung des Verfahrenswertes 500,00 € Unterhaltsbedarf für jedes der beiden Kinder abgezogen.
4II.
5Die zulässige Beschwerde ist auch begründet.
61. Das Familiengericht ist bei seiner Festsetzung des Verfahrenswertes einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung verbreiteten Auffassung gefolgt, wonach bei der Festsetzung des Verfahrenswertes auf die konkrete Leistungsfähigkeit der Beteiligten abzustellen und deshalb vom nach §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 2 S. 2, 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG maßgeblichen Nettoeinkommen ein Abschlag für Unterhaltsverpflichtungen vorzunehmen ist (vgl. zuletzt OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.10.2015 – 15 WF 176/15 -, FamRZ 2016, 1295 m. w. N.). Dabei wird der für Unterhaltsverpflichtungen vorzunehmende Abschlag z. T. auf 200,00 €/Kind (KG, Beschluss vom 29.06.2009 – 16 WF 96/09 -, FamRZ 2009, 1854), oder 250,00 €/Kind (so z. B. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 16.09.2013 – 5 WF 66/13 -, FamRZ 2014, 1226; OLG Köln, Beschluss vom 02.06.2008 – 12 WF 51/08 -, FamRZ 2008, 2051), oder 300,00 €/Kind (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 28.04.2008 – 6 WF 196/07 -, FamRZ 2008, 2052; OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.05.2010 – 13 WF 20/10 -, FamRZ 2011, 755) pauschaliert, während nach anderer Ansicht ein Unterhaltsbetrag wie er sich als Barunterhalt aus der Düsseldorfer Tabelle ergibt, abgezogen wird (OLG Hamm, Beschluss vom 24.05.2004 – 7 WF 80/04 -, FamRZ 2004, 227).
72. Der Senat hält einen solchen Abschlag für die Unterhaltsaufwendungen nicht für sachgerecht und folgt deshalb den vorstehend zitierten Auffassungen nicht. Der Gesetzgeber hat zwar in § 43 Abs. 1 FamGKG auch auf die „Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles“ abgestellt. Im Interesse aller Beteiligten sind aber der wesentliche Anknüpfungspunkt für die Bemessung des Verfahrenswertes die Vermögens- und Einkommensverhältnisse, weil allein diese mit hinreichender Zuverlässigkeit quantifiziert werden können, während die sonstigen Umstände des Einzelfalls Raum für Abwägungen in vielerlei Hinsicht lassen und dementsprechend unsicher sind. Dies spricht aus Sicht des Senats dafür, solche besonderen individuellen Umstände nur dann verfahrenswerterhöhend oder –reduzierend in seinen Überlegungen mit einzubeziehen, wenn diese vom „Normalfall“ deutlich abweichen und deshalb eine allein an den Einkommens- und Vermögensverhältnissen orientierte Wertfestsetzung zu einem sachwidrigen Ergebnis führen würde.
8Das gilt für den von den Beteiligten aufzubringenden Kindesunterhalt nicht. Es entspricht noch dem „Normalfall“, dass aus einer Ehe unterhaltsberechtigte Kinder hervorgehen, auch wenn dies bei weitem nicht mehr in jedem Fall der Ehe so ist. Es ist zwar richtig, dass diese Unterhaltspflichten die Leistungsfähigkeit der Beteiligten, etwa zur Bezahlung von Gerichts- und Anwaltskosten reduziert. Andererseits trägt aber schon die Anknüpfung der Gebühren an die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Leistungsfähigkeit der Beteiligten Rechnung. Im Hinblick darauf, dass der Senat von den Beteiligten bezogenes Kindergeld nicht dem Einkommen hinzurechnet, besteht dann aber auch keine Notwendigkeit, die Aufwendungen für Kindesunterhalt abzuziehen, ohne dass dadurch – bei der gebotenen pauschalierenden Betrachtung – die unterschiedliche Leistungsfähigkeit von Beteiligten mit und ohne Kindern in einer Art. 3 GG verletzenden Weise beeinträchtigt würde. Anders als das Familiengericht meinte, käme die Berücksichtigung des Unterhalts ohnehin nur bei der Wertbemessung der Ehesache, nicht aber bei der Wertbemessung der Folgesache Versorgungsausgleich zum Tragen, denn nach § 50 Abs. 1 S. 1 FamFG ist ohnehin lediglich auf das Nettoeinkommen abzustellen.
9Daraus folgt, dass der Verfahrenswert sich wie folgt berechnet:
10Verfahrenswert gemäß § 43 FamGKG: 3 x 4.490,00 € = 13.470,00 €
11Verfahrenswert gemäß § 50 Abs. 1 FamGKG 5 x 1.347,00 € 6.735,00 €
1220.205,00 €
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Annotations
(1) In Ehesachen ist der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht unter 3 000 Euro und nicht über 1 Million Euro angenommen werden.
(2) Für die Einkommensverhältnisse ist das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen.
(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.
(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.
(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.
(1) Zuständig ist das Gericht, das für die Hauptsache im ersten Rechtszug zuständig wäre. Ist eine Hauptsache anhängig, ist das Gericht des ersten Rechtszugs, während der Anhängigkeit beim Beschwerdegericht das Beschwerdegericht zuständig.
(2) In besonders dringenden Fällen kann auch das Amtsgericht entscheiden, in dessen Bezirk das Bedürfnis für ein gerichtliches Tätigwerden bekannt wird oder sich die Person oder die Sache befindet, auf die sich die einstweilige Anordnung bezieht. Es hat das Verfahren unverzüglich von Amts wegen an das nach Absatz 1 zuständige Gericht abzugeben.
(1) In Ehesachen ist der Verfahrenswert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Ehegatten, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht unter 3 000 Euro und nicht über 1 Million Euro angenommen werden.
(2) Für die Einkommensverhältnisse ist das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Ehegatten einzusetzen.
(1) In Versorgungsausgleichssachen beträgt der Verfahrenswert für jedes Anrecht 10 Prozent, bei Ausgleichsansprüchen nach der Scheidung für jedes Anrecht 20 Prozent des in drei Monaten erzielten Nettoeinkommens der Ehegatten. Der Wert nach Satz 1 beträgt insgesamt mindestens 1 000 Euro.
(2) In Verfahren über einen Auskunftsanspruch oder über die Abtretung von Versorgungsansprüchen beträgt der Verfahrenswert 500 Euro.
(3) Ist der nach den Absätzen 1 und 2 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.