Hanseatisches Oberlandesgericht Beschluss, 07. März 2017 - 8 W 23/17

07.03.2017

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Hamburg vom 5.1.2017 in der Fassung des Beschlusses vom 13.2.2017 geändert:

Die von der Klägerin an die Beklagte zu 4) zu erstattenden Kosten werden auf € 2.208,41 nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.9.2016 festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin zu 28 % und die Beklagte zu 4) zu 72 %. Dies gilt auch für die Gerichtskosten. Die Gerichtsgebühr nach Ziff.1812 KV GKG wird auf die Hälfte ermäßigt.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf € 773,50 festgesetzt.

Gründe

1

Die zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin hat im erkannten Umfang Erfolg. Zu Recht beanstandet die Klägerin, dass der Beklagten zu 4) kein Anspruch auf Erstattung einer Dokumentenpauschale nach Ziff. 7000 Nr. 1 b) VV RVG in Höhe von € 650.- zusteht.

2

1. In Höhe eines über € 319, 90 hinausgehenden Betrages hat die Beklagte zu 4) eingeräumt, dass die Geltendmachung von € 650.- gemäß dem geänderten Kostenfestsetzungsantrag vom 22.12.2016 auf einem Irrtum beruht habe; dementsprechend hat das Landgericht der Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 13.2.2017 bereits teilweise abgeholfen.

3

2. Auch die übrigen Beanstandungen der Beschwerde erweisen sich überwiegend als begründet:

4

a) Die Klägerin rügt zu Recht, dass die Beklagte zu 4) mit der Klagerwiderung vom 30.7.2015 für die übrigen Beklagten die jeweils 25-seitigen Klagschriften aus drei Parallelverfahren in Ablichtungen als Anlagen eingereicht habe und deren Kosten erstattet haben wolle, obwohl - unstreitig - die übrigen Beklagten auch Beklagte in den Parallelverfahren gewesen seien.

5

Nach Ziff. 7000 Nr. 1 b) VV RVG fällt die Dokumentenpauschale für Kopien und Ausdrucke zur Zustellung oder Mitteilung an Gegner oder Beteiligte und Verfahrensbevollmächtigte aufgrund einer Rechtsvorschrift oder nach Aufforderung durch das Gericht, die Behörde oder die sonst das Verfahren führende Stelle an, soweit hierfür mehr als 100 Seiten zu fertigen waren. Im Zivilprozess richtet sich die Beifügung von Abschriften der Schriftsätze und Anlagen für die übrigen Verfahrensbeteiligten nach den §§ 131, 133 ZPO. Danach waren der Klagerwiderung zwar auch Abschriften der Klagerwiderung für die übrigen Beklagten als Streitgenossen beizufügen (MüKoZPO/Fritsche, 5. Aufl., § 133 Rn. 2), jedoch nicht solche Anlagen, die den Beklagten bereits bekannt waren (§§ 133 Abs. 1 S. 2 ZPO). Insoweit waren keine Kopien aufgrund einer Rechtsvorschrift zu fertigen, wie es Ziff. 7000 Nr. 1 b) VV RVG verlangt. Da die Dokumentenpauschale insoweit bereits nicht angefallen ist, kann die Beklagte zu 4) auch nicht deren Erstattung verlangen.

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Außerdem fehlt es an der Notwendigkeit dieser Kopiekosten, was als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal bei Ziff. 7000 Nr. 1 b) VV RVG ebenfalls zu prüfen ist (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 22. Aufl., VV 7000, Rn. 101). Zwar braucht der Rechtsanwalt nach der Kommentierung von Müller-Rabe ( Rn.104 ), auf die sich die Beklagte zu 4) bezieht, keine Ermittlungen darüber anstellen, wenn zweifelhaft ist, ob bestimmte einzelne Schriftstücke dem Gegner bereits vorliegen, wenn der dafür erforderliche Aufwand in keinem vernünftigen Verhältnis zu den durch die Herstellung der Kopie entstehenden Kosten steht. Indessen ist hinsichtlich der Klagschriften aus den Parallelverfahren nicht nachvollziehbar, weshalb insoweit zweifelhaft sein sollte, ob diese Schriftstücke den übrigen Beklagten vorliegen oder nicht.

7

Somit sind insgesamt 225 Seiten (3 Klagschriften zu 25 Seiten x drei Beklagte) aus den Anlagen zum Schriftsatz vom 30.7.2015 gemäß der Aufstellung der Beklagten zu 4) nicht zu berücksichtigen (Anlage zum Kostenfestsetzungsantrag vom 13.9.2016).

8

Hingegen ist die Beifügung von Kopien der Klagschriften aus den Parallelverfahren für die Klägerin nicht zu beanstanden, da die Klägerin nicht Partei der Parallelverfahren war. Auf die Vertretung durch dieselben Prozessbevollmächtigten wie in den Parallelverfahren kommt es nicht an.

9

b) Ebenfalls zu Recht beanstandet die Klägerin, dass die Beklagte zu 4) für die übrigen Beklagten dem Schriftsatz vom 29.2.2016 ein Urteil aus einem Parallelverfahren in Ablichtung beigefügt hat, an dem die übrigen Beklagten beteiligt waren. Die Ausführungen unter Ziff. a) gelten hier entsprechend. Abzuziehen sind damit insgesamt weitere 102 Seiten (34 Seiten x drei Beklagte).

10

c) Schließlich ist auch die Rüge der Klägerin berechtigt, dass die Kosten für Kopien von Gerichtsentscheidungen, die die Beklagte zu 4) den Schriftsätzen vom 30.7.2015 und 29.2.2016 auch für die übrigen Prozessbeteiligten beigefügt hatte, nicht festzusetzen waren, da es sich unbestritten um veröffentlichte und damit allgemein zugängliche Entscheidungen handelte. Dies entspricht der Rechtsprechung des Hanseatischen Oberlandesgerichts (Beschluss vom 29.9.2014, Aktz. 4 W 84/14; s. auch OLG Koblenz NJW-RR 2008,375). Insgesamt handelt es sich hierbei um 572 Seiten.

11

Somit kann die Klägerin nicht 2116, sondern nur 1217 Seiten abrechnen (2116 - 225 - 102- 572). Da die ersten 100 Seiten nicht berechnet werden können, verbleiben 1117 Seiten. Hiervon sind die ersten 50 Seiten mit € 0,50 und die übrigen Seiten mit € 0,15 anzusetzen. Es ergibt sich ein Gesamtbetrag von € 185,05 statt der festgesetzten € 319, 90 (jeweils zuzüglich Umsatzsteuer). Dementsprechend war der vom Landgericht festgesetzte Betrag wie erkannt zu reduzieren.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Zivilprozessordnung - ZPO | § 133 Abschriften


(1) Die Parteien sollen den Schriftsätzen, die sie bei dem Gericht einreichen, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften der Schriftsätze und deren Anlagen beifügen. Das gilt nicht für elektronisch übermittelte Dokumente sowie für Anl

Zivilprozessordnung - ZPO | § 131 Beifügung von Urkunden


(1) Dem vorbereitenden Schriftsatz sind die in den Händen der Partei befindlichen Urkunden, auf die in dem Schriftsatz Bezug genommen wird, in Abschrift beizufügen. (2) Kommen nur einzelne Teile einer Urkunde in Betracht, so genügt die Beifügung

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(1) Dem vorbereitenden Schriftsatz sind die in den Händen der Partei befindlichen Urkunden, auf die in dem Schriftsatz Bezug genommen wird, in Abschrift beizufügen.

(2) Kommen nur einzelne Teile einer Urkunde in Betracht, so genügt die Beifügung eines Auszugs, der den Eingang, die zur Sache gehörende Stelle, den Schluss, das Datum und die Unterschrift enthält.

(3) Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder von bedeutendem Umfang, so genügt ihre genaue Bezeichnung mit dem Erbieten, Einsicht zu gewähren.

(1) Die Parteien sollen den Schriftsätzen, die sie bei dem Gericht einreichen, die für die Zustellung erforderliche Zahl von Abschriften der Schriftsätze und deren Anlagen beifügen. Das gilt nicht für elektronisch übermittelte Dokumente sowie für Anlagen, die dem Gegner in Urschrift oder in Abschrift vorliegen.

(2) Im Falle der Zustellung von Anwalt zu Anwalt (§ 195) haben die Parteien sofort nach der Zustellung eine für das Prozessgericht bestimmte Abschrift ihrer vorbereitenden Schriftsätze und der Anlagen bei dem Gericht einzureichen.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)