Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 21. Sept. 2016 - 7 WF 175/16
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Werl vom 11.7.2016 wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
3I.
4Der 1978 geborene Antragsgegner ist der Vater des am ##.##.2009 geborenen Antragstellers, welcher bei seiner Mutter lebt.
5Der Antragsgegner ist gelernter Maurer, hat in diesem Beruf jedoch bereits seit längerem nicht mehr gearbeitet. Er ist seit Juni 2009 bei einer Zeitarbeitsfirma in X angestellt und im Schichtdienst tätig. Er arbeitet regelmäßig mindestens 8 Stunden pro Arbeitstag, wovon eine Stunde jedoch nicht entlohnt, sondern entsprechend dem IGZ-Tarifvertrag auf ein Gleitzeitkonto übertragen wird. Wegen des Schichtdienstes erhält er keine Genehmigung für die Ausübung einer Nebentätigkeit seitens seines Arbeitgebers. Sein Jahresbruttogehalt belief sich für 2015 auf 20.883,29 €, was einem Nettoeinkommen von rund 1.260,00 € monatlich entspricht.
6Im Verfahren 10 F 167/14 nahm der Antragsteller den Antragsgegner auf Mindestkindesunterhalt in Anspruch. Bereits damals war zwischen den Beteiligten streitig, ob der Antragsgegner nicht ein höheres als das tatsächliche Einkommen erzielen könne. Im Termin am 21.5.2014 schlossen die Beteiligten einen Vergleich, mit welchem sich der Antragsgegner zur Zahlung von laufendem Unterhalt i.H.v. 100,00 € monatlich verpflichtete. Gem. Ziff. 2 des Vergleichs legten die Beteiligten hierbei ein fiktives monatliches Nettoeinkommen von 1.150,00 € abzüglich 50,00 € fiktiver Fahrtkosten zugrunde sowie einen Selbstbehalt von 1.000,00 €. In Ziff. 3 des Vergleichs ist weiter bestimmt:
7"Der Antragsgegner verpflichtet sich gegenüber dem Antragsteller, z.H. des Beistandes jeweils zum 01.05. eines jeden Jahres beginnend mit dem 01.05.2015 seine Bewerbungsbemühungen darzulegen. Der Antragsgegner wird dem Beistand die jährlich geschriebenen Bewerbungsschreiben in Kopie vorlegen."
8Im vorliegenden Verfahren begehrt der Antragsteller, dem durch Beschluss des Senats vom 31.5.2016 Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist, den Antragsgegner in Abänderung des o.g. Vergleichs für die Zeit ab Februar 2016 zur Zahlung des Mindestkindesunterhalts zu verpflichten. Er hat im Wesentlichen geltend gemacht, der Antragsgegner habe sich in der seit dem Vergleichsabschluss vergangenen Zeit nicht ausreichend um eine besser bezahlte Anstellung bemüht; die dargelegten Bewerbungsbemühungen seien unterhaltsrechtlich als unzureichend zu bewerten.
9Der Antragsgegner hat die Auffassung vertreten, er habe sich in hinreichendem Maße um eine besser vergütete Arbeitsstelle beworben, sowohl in seinem erlernten Beruf als Maurer als auch als Mitarbeiter in der Produktion. In seinem erlernten Beruf als Maurer habe er aber rund 17 Jahre nicht mehr gearbeitet. Auch verfüge er über keine Fahrerlaubnis für das Führen von PKW, was ein "K.O.-Kriterium" für viele Handwerksbetriebe sei.
10Den Antrag des Antragsgegners, ihm für seine Rechtsverteidigung gegen den Abänderungsantrag Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, hat das Amtsgericht mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen und im Wesentlichen auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 31.5.2016 verwiesen und ergänzend ausgeführt: Der Antragsgegner verfüge über einen Motorroller und sei mithin hinreichend mobil. Arbeitsplätze im Baugewerbe seien hinreichend vorhanden. Die bisher dargelegten Bewerbungsbemühungen seien hinsichtlich Qualität und Umfang unzureichend.
11Mit seiner sofortigen Beschwerde, welcher das Amtsgericht nicht abgeholfen hat, wiederholt und vertieft der Antragsgegner sein bisheriges Vorbringen. Er weist insbesondere daraufhin, dass er auf viele Bewerbungen keine Antwort der angeschriebenen Unternehmen erhalten habe. Es sei nicht angemessen, ihm Fehler in den Bewerbungsschreiben anzulasten, da er Legastheniker sei. Zudem seien derartige Fehler bei einer Bewerbung als Maurer auch kaum für eine Stellenbesetzung relevant. Zudem legt der Antragsgegner weitere Bewerbungsschreiben sowie z.T. auch Antwortschreiben der angeschriebenen Unternehmen vor.
12II.
13Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragsgegners bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zu Recht hat das Amtsgericht eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung (§ 76 FamFG i.V.m. § 114 ZPO) verneint.
14Insoweit nimmt der Senat, insbesondere was die Zulässigkeit des Abänderungsantrags angeht, zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf seinen Beschluss vom 31.5.2016.
15Der Antragsgegner ist gegenüber dem minderjährigen Antragsteller in gesteigertem Maße unterhaltspflichtig (§ 1603 Abs. 2 S. 1 BGB). Für ihn besteht insbesondere die Pflicht, seine Arbeitskraft so gut wie möglich auszunutzen, um so das Existenzminimum seines Sohnes sicherstellen zu können. Seine Leistungsfähigkeit wird nicht allein durch seine tatsächlichen Einkünfte bestimmt, sondern auch dadurch, welches Einkommen er realistischer Weise erzielen könnte, wenn er sich im gebotenen Maße um eine besser bezahlte Arbeitsstelle bemüht hätte. Der gesteigert unterhaltspflichtige Elternteil muss sich ernsthaft und intensiv um eine zumutbare Arbeitsstelle bemühen. Ihn trifft die Darlegungslast, dass er dieser gesteigerten Erwerbsobliegenheit genügt hat.
16Ausgehend von diesen Grundsätzen genügen auch die nunmehr nachgewiesenen Bewerbungsbemühungen des Antragsgegners nicht den sich aus seiner gesteigerten Unterhaltspflicht ergebenden Anforderungen:
17Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Bewerbungsbemühungen bereits von ihrem Umfang her nicht ausreichend sind: Für das Jahr 2014 sind nur insgesamt 11 datierte Bewerbungsschreiben vorgelegt worden. Für das gesamte Jahr 2015 sind - rechnet man die undatierten Bewerbungsschreiben sowie die vorgelegten Antwortschreiben zusammen - 44 Bewerbungen nachgewiesen, also noch nicht einmal eine Bewerbung pro Woche. Für das Jahr 2016 hat der Antragsgegner zwar nunmehr bisher 44 Bewerbungen näher dargelegt, diese jedoch sämtlich erst für die Zeit ab 25.6.2016. Warum er im Zeitraum von Anfang Januar bis 24.6.2016 keine Bewerbungsbemühungen entfaltet hat, legt der Antragsgegner nicht dar. Seinen Bemühungen um eine besser bezahlte Arbeitsstelle fehlt es bereits aus diesem Grund an der zu fordernden Nachhaltigkeit (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 23.12.2015, 2 UF 213/15 - zitiert nach juris Rn. 19).
18Auch in qualitativer Hinsicht genügen die vorgelegten Bewerbungen nicht den im Hinblick auf die nachzuweisende Ernsthaftigkeit der Bemühungen zu stellenden Anforderungen. Die Bewerbungsschreiben sind im Wortlaut weitgehend identisch, je nachdem, ob der Antragsgegner sich um eine Arbeitsstelle als Maurer oder als Produktionsmitarbeiter beworben hat. Es fehlt jeglicher individuelle Zuschnitt auf das angeschriebene Unternehmen. Die Bewerbungsschreiben enthalten diverse Rechtschreibfehler, die der Antragsgegner auch bei den nach dem Beschluss des Senats vom 31.5.2016 abgesandten Bewerbungen nicht korrigiert hat. Gerade bei einem immer wieder verwendeten Standardtext dürfte es auch einem Legastheniker, dem seine Rechtschreibschwäche - wie offensichtlich dem Antragsgegner - bekannt ist, möglich sein, den Text durch eine dritte Person auf derartige Fehler überprüfen zu lassen. Gravierender wiegen allerdings die zahlreich festzustellenden Fehler bei der Bezeichnung des angeschriebenen Unternehmens in der Anschrift: Zum Teil sind die Bezeichnungen grob unvollständig (z.B. "C" statt: Fa. C Bauuntern. P"; "Y" statt "Y Metallverarbeitung GmbH"). In vielen Schreiben wird als Bezeichnung lediglich der Familienname des Inhabers, gefolgt vom Vornamen, teilweise auch nur vom ersten Buchstaben des Vornamens, verwendet (z.B. "A Bernhard", "K Martin", "L J.", "F R.", B M."). Teilweise ist der Vorname sogar erst der Gesellschaftsform des Unternehmens nachgestellt (z.B. "D GmbH, Jürgen"; "Z GmbH & Co. Kg Ernst"). In zumindest zwei Fällen hat der Antragsgegner zudem eine Bewerbung an zwei aufeinanderfolgenden Tagen an dasselbe Unternehmen geschickt, nämlich am 25. und 26.6.2016 jeweils an die Firmen K Bauunternehmen und H Bauunternehmen in O. Insgesamt erwecken diese Fehler - auch aus Sicht der angeschriebenen Unternehmen - den Eindruck, dass wenig Sorgfalt auf die Auswahl des angeschriebenen Unternehmens und die Abfassung der Bewerbungsschreiben verwendet worden ist. Dies wiederum legt es nahe, dass es den Bewerbungsbemühungen des Antragsgegners an der notwendigen Ernsthaftigkeit fehlt.
19Vor allem aber handelt es sich ersichtlich bei allen Bewerbungen um sogenannte "Blindbewerbungen", was sowohl aus dem Text der Bewerbungsschreiben ("habe die Initiative ergriffen") als auch aus dem Fehlen einer Bezugnahme auf ein konkretes Stellenangebot des jeweiligen Unternehmens gefolgert werden muss. Allein durch derartige Blindbewerbungen, also durch Bewerbungen, die abgegeben werden ohne konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber überhaupt eine Arbeitskraft sucht, wird der Unterhaltspflichtige seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht gerecht (OLG Saarbrücken v. 2.3.2011- 9 UF 89/10 - zitiert nach juris Rn. 20; OLG Brandenburg v. 15.2.2011 - 10 UF 106/10 - zitiert nach juris Rn. 23; KG v. 1.10.2010 - 13 UF 91/10 - zitiert nach juris Rn. 19; Viefhues in: jurisPK-BGB, 7.Aufl., § 1603 Rn. 556 f.). Derartige Blindbewerbungen kommen lediglich ergänzend zu den Bewerbungen auf konkrete Stellenangebote in Betracht. Vom Unterhaltspflichtigen ist insoweit zu verlangen, dass er die Stellenangebote in den örtlichen und regionalen Zeitungen und Anzeigenblättern sowie einschlägigen Internetportalen auf für ihn in Betracht kommende Anzeigen sorgfältig prüft (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. § 1 Rn. 782). Dass der Antragsgegner sich seit Mai 2014 in keinem einzigen Fall auf ein konkretes Stellenangebot beworben hat, sondern sich vielmehr auf Blindbewerbungen beschränkt hat, belegt aus Sicht des Senats ebenfalls, dass erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen, eine besser vergütete Arbeitsstelle zu finden, die ihm die Zahlung eines höheren Unterhalts ermöglichen würde, berechtigt sind. Derartige berechtigte Zweifel gehen aber zu Lasten des Unterhaltspflichtigen, der sich auf eine mangelnde Leistungsfähigkeit beruft (Wendl/Dose, a.a.O., Rn. 783).
20Der Antragsgegner kann schließlich auch nicht geltend machen, es bestehe für ihn objektiv, d.h. unabhängig von seinen Bewerbungsbemühungen, keine reale Aussicht, eine besser bezahlte Arbeitsstelle zu erhalten. Der Antragsgegner verfügt über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Maurer. Allein der Umstand, dass er seit rund 17 Jahren nicht als Maurer gearbeitet hat, bedeutet nicht, dass er nicht doch eine Anstellung im Baugewerbe erlangen kann. Hierfür spricht, dass der Antragsgegner selbst sich auch 2014 bereits nicht nur als Produktionsmitarbeiter, sondern gerade auch bei diversen Bauunternehmen beworben hat. Er ist noch keine 40 Jahre alt; gesundheitliche Einschränkungen sind nicht vorgetragen. Zudem bewirbt er sich aus einer ungekündigten Anstellung heraus und nicht etwa nach einer längeren Zeit der Arbeitslosigkeit. Schließlich gibt es auch keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass ein fehlender PKW-Führerschein in den in Betracht kommenden Tätigkeitsbereichen ein Ausschlusskriterium wäre. Zu Recht weist das Amtsgericht darauf hin, dass der Antragsgegner über einen Motorroller verfügt und somit auch unabhängig vom öffentlichen Nahverkehr mobil ist. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht auch die Obliegenheit besteht, die eigene berufliche Qualifikation zu verbessern (Wendl/Dose, a.a.O., Rn. 784), so dass der Antragsgegner gegebenenfalls gehalten gewesen wäre, sich nach Abschluss des Vergleichs im Mai 2014 um den Erwerb einer Fahrerlaubnis zu bemühen, sollte diese denn tatsächlich Voraussetzung für die Erlangung einer besser bezahlten Arbeitsstelle im Handwerksbereich sein.
21Bei dieser Sachlage bestehen auch bei der im Verfahrenskostenhilfeprüfungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass es dem Antragsgegner in der Zeit seit Mai 2014 bei ausreichenden Bemühungen nicht hätte gelingen können, eine Anstellung in seinem erlernten Beruf zu erlangen. Verbleibende Zweifel gehen zu seinen Lasten (vgl. Wendl/Dose, a.a.O., Rn. 784).
22Wie bereits im Beschluss vom 31.5.2016 ausgeführt, kann davon ausgegangen werden, dass der Antragsgegner, hätte er sich bereits ab Mai 2014 in sachgerechter Weise um eine Anstellung im Baugewerbe bemüht, in dem hier in Rede stehenden Zeitraum ab Februar 2016 zumindest den Mindestlohn nach Lohngruppe 2 erzielen könnte, also 14,45 € brutto die Stunde. Legt man ein solches Einkommen zugrunde, so wäre der Antragsgegner in der Lage, den geforderten Mindestkindesunterhalt sicherzustellen. Bei einem Bruttostundenlohn und einer vollschichtigen Tätigkeit von 173,9 Stunden im Monat errechnet sich ein Bruttomonatslohn von 2.512,86 €. Ausgehend von Lohnsteuerklasse I, einem halben Kinderfreibetrag und einer Kirchensteuerpflichtigkeit errechnet sich hieraus unter Verwendung des Programms WinFam ein monatliches Netto von 1.639,94 €. Abzüglich berufsbedingter Aufwendungen i.H.v. 5 % verbleiben 1.557,94 €. Bei einem notwendigen Selbstbehalt von 1.080,00 € stehen für den Kindesunterhalt somit 477,94 € zur Verfügung, so dass der der geforderte Mindestunterhalt - Zahlbetrag für die 2. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle: 289,00 € - ohne weiteres geleistet werden könnte.
23Rechtsbehelfsbelehrung:
24Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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(1) Auf die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe finden die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe entsprechende Anwendung, soweit nachfolgend nichts Abweichendes bestimmt ist.
(2) Ein Beschluss, der im Verfahrenskostenhilfeverfahren ergeht, ist mit der sofortigen Beschwerde in entsprechender Anwendung der §§ 567 bis 572, 127 Abs. 2 bis 4 der Zivilprozessordnung anfechtbar.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Unterhaltspflichtig ist nicht, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren.
(2) Befinden sich Eltern in dieser Lage, so sind sie ihren minderjährigen Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden. Den minderjährigen Kindern stehen volljährige unverheiratete Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres gleich, solange sie im Haushalt der Eltern oder eines Elternteils leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden. Diese Verpflichtung tritt nicht ein, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger Verwandter vorhanden ist; sie tritt auch nicht ein gegenüber einem Kind, dessen Unterhalt aus dem Stamme seines Vermögens bestritten werden kann.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners vom 10.11.2015 gegen den am 26.10.2015 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Marl wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.
Die sofortige Wirksamkeit dieses Beschlusses wird angeordnet.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.950 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die Antragstellerin ist die am 05.04.2013 geborene Tochter des Antragsgegners. Die Beziehung des Antragsgegners zur Mutter der Antragstellerin, in deren Haushalt die Antragstellerin lebt, ist seit dem 10.07.2015 beendet.
4Der Antragsgegner hat den Hauptschulabschluss nach der Klasse 10 erworben. Er hat eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner begonnen, diese aber nicht abgeschlossen. In der Folgezeit arbeitete er bei unterschiedlichen Zeitarbeitsfirmen. In einer Autowäsche erzielte er in der Vergangenheit ein monatliches Nettoeinkommen von 1.318 €. Seit Oktober 2014 ist der Antragsgegner arbeitslos. Er bezieht mittlerweile Leistungen nach dem SGB II.
5Die Antragstellerin hat die Zahlung von Kindesunterhalt für die Zeit ab Juli 2015 begehrt.
6Mit Beschluss vom 22.09.2015 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Marl dem Antragsgegner aufgegeben, seine Ausbildungs- und Erwerbsbiografie und seine Bewerbungsbemühungen der letzten Wochen detailliert darzustellen. Mit am 26.10.2015 erlassenen Beschluss hat das Familiengericht den Antragsgegner sodann verpflichtet, an die Antragstellerin zu Händen ihrer Mutter für den Monat August 2015 einen Kindesunterhalt von 118,00 € und für die Zeit ab September 2015 laufenden Kindesunterhalt in Höhe von 236,00 € zahlen. Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt:
7Ein Anspruch auf Kindesunterhalt für den Monat Juli 2015 und für die Hälfte des Monats August 2015 bestehe nicht. In diesem Zeitraum habe der Antragsgegner mit dem Kind noch zusammengelebt und den Unterhaltsanspruch des Kindes durch Naturalleistungen erfüllt.
8Der Antragsgegner habe im Übrigen seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit nicht genügt. Der Hinweis des Antragsgegners auf eine nicht abgeschlossene Berufsausbildung und auf den aktuellen Bezug von Sozialleistungen reiche dafür nicht aus, seine Leistungsunfähigkeit zu begründen. Vor seiner Arbeitslosigkeit habe der Antragsgegner noch eine Erwerbstätigkeit ausgeübt, mit der er 1.318 € netto monatlich verdient habe. Dieses Einkommen sei dem Antragsgegner als für ihn real erzielbar fiktiv zuzurechnen.
9Selbst unter Berücksichtigung des von dem Antragsgegner zugestandenen Bruttostundenlohns von 10 € sei er unter Hinzurechnung einer zumutbaren Nebentätigkeit in der Lage, den geforderten Mindestkindesunterhalt sicherzustellen.
10Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den genannten Beschluss des Familiengerichts sowie hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes auf die in erster Instanz gewechselten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
11Gegen den genannten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner form- und fristgerecht bei dem Familiengericht eingegangenen Beschwerde. Er trägt vor:
12Das Familiengericht habe ihn zu Unrecht zur Zahlung des Mindestkindesunterhalts verpflichtet. Zwar habe er für die Dauer von 5,5 Monaten tatsächlich ein Nettoeinkommen von 1.318 € erzielt. Das Arbeitsverhältnis sei jedoch von Seiten des Arbeitgebers gekündigt worden, ohne dass ihn ein Verschulden getroffen habe. Auch bei zureichenden Erwerbsbemühungen sei er nicht in der Lage, einen solchen Job wiederzufinden. Einen solch gut bezahlten Job gebe es für Leute wie ihn auf dem Arbeitsmarkt tatsächlich nicht. Allenfalls könne er einen Bruttostundenlohn von 10 € erzielen.
13Der Antragsgegner beantragt,
14den Antrag der Antragstellerin unter Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses vom 26.10.2015, AZ: 43 F 91/15, zurückzuweisen.
15Die Antragstellerin beantragt,
16die Beschwerde zurückzuweisen.
17Mit am 01.12.2015 erlassenen Beschluss hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Beschwerde des Antragsgegners keine Aussicht auf Erfolg hat und zudem angekündigt, im schriftlichen Verfahren entscheiden zu wollen. Eine Stellungnahme der Beteiligten zu dem genannten Beschluss des Senats ist nicht erfolgt.
18II.
19Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet. Zu Recht hat das Familiengericht dem Antragsgegner in dem angefochtenen Beschluss ein fiktives Einkommen angerechnet, das die Zahlung des begehrten Kindesunterhalts ohne Gefährdung seines notwendigen Selbstbehalts zulässt:
201.
21Nach § 1603 Abs. 1 BGB ist nicht unterhaltspflichtig, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Eltern, die sich in dieser Lage befinden, sind gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB ihren minderjährigen unverheirateten Kindern gegenüber verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (sog. gesteigerte Unterhaltspflicht). Darin liegt eine Ausprägung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit im Unterhaltsrecht. Aus diesen Vorschriften und aus Art. 6 Abs. 2 GG folgt auch die Verpflichtung der Eltern zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden. Die Zurechnung fiktiver Einkünfte, in die auch mögliche Nebenverdienste einzubeziehen sind, setzt neben den nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen voraus (vgl. BVerfG, FamRZ 2014, 1977, 1978 Rn 17; BGH, FamRZ 2014, 1992, 1994 Rn 18; BGH, FamRZ 2014, 637, 638 Rn 9; BGH, FamRZ 2013, 1378, 1379 Rn 17f; BGH, FamRZ 2011, 1041, 1043 Rn 29ff; BGH, FamRZ 2009, 311, 313 Rn 20).
22Dem Unterhaltspflichtigen darf auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist (vgl. BVerfG, FamRZ 2014, 1977, 1978f Rn 17; BVerfG, FamRZ 2012, 1283 Rn 15; BVerfG, FamRZ 2010, 793, 794; BGH, FamRZ 2014, 637, 638 Rn 9). Für die Feststellung, dass für einen Unterhaltsschuldner keine reale Beschäftigungschance bestehe, sind – insbesondere im Bereich der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB – strenge Maßstäbe anzulegen. Für gesunde Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsalter wird auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit regelmäßig kein Erfahrungssatz dahin gebildet werden können, dass sie nicht in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln seien (vgl. BGH, FamRZ 2014, 637, 638 Rn 11, 13 m.w.N.; Dose, in: Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Auflage 2015, § 1 Rn 784). Dies gilt auch für ungelernte Kräfte (vgl. BGH, FamRZ 2014, 637ff Rn 13 m.w.N.). Auch die bisherige Tätigkeit des Unterhaltsschuldners etwa im Rahmen von Zeitarbeitsverhältnissen ist noch kein hinreichendes Indiz dafür, dass es ihm nicht gelingen kann, eine besser bezahlte Stelle zu finden. Das gilt auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige überwiegend im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV gearbeitet hat. (vgl. BGH, FamRZ 2014, 637ff Rn 13; Dose, in: Wendl/Dose, a.a.O., § 1 Rn 784 m.w.N.).
23Die Darlegungs- und Beweislast für seine mangelnde Leistungsfähigkeit liegt beim Unterhaltspflichtigen, was auch für das Fehlen einer realen Beschäftigungschance gilt (vgl. BGH, FamRZ 2014, 637, 638 Rn 11 m.w.N.; BGH, FamRZ 2012, 517, 519f Rn 30). Der Unterhaltspflichtige hat sich unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel nachhaltig darum zu bemühen, eine angemessene Tätigkeit zu finden, wozu die bloße Meldung beim Arbeitsamt nicht genügt. Er trägt im Verfahren die uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast für seine Bemühungen und muss in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte er im Einzelnen in welchem zeitlichen Abstand in dieser Richtung unternommen hat (vgl. zum Vorstehenden: BGH, FamRZ 2008, 2104ff, bei juris Langtext Rn 18). Die Bewerbungsbemühungen müssen die nötige Nachhaltigkeit erkennen lassen und dürfen keine ungeklärten zeitlichen Lücken aufweisen (vgl. BGH, FamRZ 2008, 2104, 2105 Rn 18f). Der Beweis, dass für den Unterhaltspflichtigen keine reale Erwerbsmöglichkeit für eine Vollzeittätigkeit besteht, wird regelmäßig mangels gegenteiliger Erfahrungssätze nur durch den Nachweis zu führen sein, dass der Unterhaltspflichtige sich hinreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht hat. Hierzu reicht es nicht aus, dass er sich auf die ihm vom zuständigen Jobcenter unterbreiteten Stellenangebote bewirbt (vgl. BGH, FamRZ 2014, 637, 638 Rn 17 m.w.N.; Dose, in: Wendl/Dose, a.a.O., Rn 782 m.w.N.).
242.
25Danach hat das Familiengericht dem Antragsgegner zu Recht ein fiktives Einkommen zugerechnet.
26Erwerbsbemühungen hat der Antragsgegner offensichtlich nicht entfaltet. Denn dazu fehlt jeglicher Vortrag. Darauf hat bereits das Familiengericht hingewiesen und dem Antragsgegner aufgegeben, seine Ausbildungs- und Erwerbsbiographie sowie seine Erwerbsbemühungen detailliert darzustellen. Dies ist weder in erster Instanz noch mit der Beschwerdebegründung erfolgt. Ohne ausreichende Erwerbsbemühungen kann nach der eingangs dargestellten Rechtsprechung, die auch von dem Senat ständig vertreten wird, nicht festgestellt werden, dass der Antragsgegner kein Erwerbseinkommen erzielen könnte, mit dem er den begehrten Kindesunterhalt zahlen kann.
27Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist unerheblich, dass ihm die ARGE in Marl empfohlen haben soll, eine Teilzeittätigkeit nicht anzunehmen, sondern auf eine Vollzeitstelle zu warten. Denn es ist allgemein bekannt, dass sich eine Teilzeittätigkeit zu einer Vollzeittätigkeit entwickeln kann bzw. sich aus einer Erwerbstätigkeit eher die Chance auf eine Eingliederung in den sog. ersten Arbeitsmarkt ergibt. Diese Chance lässt der Antragsgegner ungenutzt verstreichen.
28Es kann auch nicht festgestellt werden, dass das von dem Familiengericht geschätzte Einkommen von 1.318 € für den Antragsgegner nicht erzielbar ist. Auch dazu fehlt ein substantiierter Vortrag des Antragsgegners. Der Antragsgegner ist noch jung. Gesundheitliche Beeinträchtigungen hat er nicht. Der Antragsgegner hat in einer Autowäscherei das von dem Familiengericht zugrunde gelegte Einkommen tatsächlich erzielt. Er hat auch nicht dargelegt, dass er den Anforderungen dieser Erwerbstätigkeit nicht gewachsen war. Denn er verweist darauf, dass er die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht verschuldet habe. Es sind keine durchgreifenden Gründe benannt, dass der Antragsgegner bei ausreichenden Bemühungen ein solches Nettoeinkommen inklusive Überstundenvergütung nicht wieder erzielen könnte.
29Nur vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass die vom Statistischen Bundesamt erfassten Durchschnittslöhne in Deutschland auch für ungelernte Arbeitskräfte einen deutlich höheren Bruttostundenlohn als 10 € ausweisen (vgl. www.destatis.de). Unter Berücksichtigung der mittlerweile gefestigten Rechtsprechung des BGH zur Anrechnung eines fiktiven Einkommens kann der Antragsgegner damit den Nachweis, er könne den geforderten Kindesunterhalt nicht bzw. nicht in voller Höhe zahlen, nur durch eine ausreichende Anzahl von Bewerbungen führen (zu den Anforderungen im Einzelnen: Palandt-Brudermüller, Kommentar zum BGB, 74. Auflage 2015, § 1603 BGB Rn 43 m.w.N.).
30Selbst wenn der Antragsgegner den Kindesunterhalt ganz oder teilweise nicht aus dem mit einer Haupterwerbstätigkeit erzielten Einkommen sicherstellen kann, kommt die zusätzliche Aufnahme einer Nebentätigkeit in Betracht (vgl. BGH, FamRZ 2014, 637ff Rn 18 m.w.N.). Auf diesen Gesichtspunkt hat bereits das Familiengericht hingewiesen.
31III.
32Der Senat hat von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen. Die dafür erforderlichen Voraussetzungen der §§ 117 Abs. 3, 68 Abs. 3 S. 2 FamFG liegen vor. Nach der ausführlichen Anhörung der Antragsgegners durch das Familiengericht sind von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten. Keiner der Beteiligten hat der Zurückweisung der Beschwerde im schriftlichen Verfahren, die der Senat in dem am 01.12.2015 erlassenen Beschluss angekündigt hat, widersprochen.
33IV.
34Die Kostenentscheidung folgt auch §§ 243 FamFG, 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 97 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes folgt aus §§ 40 Abs. 1, 51 Abs. 1, 2 FamGKG. Die Entscheidung zur sofortigen Wirksamkeit hat ihre rechtliche Grundlage in § 116 Abs. 3 FamFG.
Tenor
1. Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 2. Juni 2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Saarbrücken - 2 F 177/08 S - in Ziffer III. und IV. teilweise dahingehend abgeändert, dass der Antragsteller unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt wird, an die Antragsgegnerin ab Rechtskraft der Scheidung für die ersten vier Jahre nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 970 EUR und für die Zeit danach in Höhe von monatlich 656 EUR zu zahlen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.
unter teilweiser Abänderung der Ziffer III des Urteils des Amtsgerichts – Familiengericht – Saarbrücken vom 2. Juni 2010 – 2 F 177/08 S – den Antragsteller zu verurteilen, an sie ab Rechtskraft der Scheidung einen monatlichen nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von 1.075 EUR zu zahlen.
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
III.
Gründe
II.
III.