Oberlandesgericht Hamm Urteil, 28. Aug. 2015 - 7 U 53/12
Gericht
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 02.05.2012 verkündete Grundurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn abgeändert: Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger verlangt von der Beklagten Ersatz der Mehrkosten für die Anbindung seiner Windenergieanlage Typ C an den nach seiner Auffassung falschen Verknüpfungspunkt, Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten sowie Feststellung der Ersatzpflicht für entstehende Leitungsverluste.
4Der Vater des Beklagten betrieb ab 1996 in D eine Windenergieanlage Typ ##### des Herstellers F mit einer installierten Nennleistung von 600 KW, zuständige Stromnetzbetreiberin war die Rechtsvorgängerin der Beklagten.
5Mit Schreiben vom 10.07.2008 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach den Möglichkeiten, diese alte Windenergieanlage F im Wege des Repowering durch eine leistungsstärkere mit 2000 KW zu ersetzen.
6Im Dezember 2008 beschloss die Stadt D2 die Einleitung der Änderung des Flächennutzungsplans.
7Mit Schreiben vom 15.04.2009 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten nach Netzanschlussmöglichkeiten für die Windenergieanlage C2. Dabei wies er darauf hin, dass im räumlichen Umfeld D/D3 weitere Repowering-Maßnahmen geplant seien, die Interessengemeinschaft D gehe von 20 Windenergieanlagen mit je 2,0 oder sogar bis zu 3,0 MW je Anlage aus. Im Bereich D3 würde ein Repowering ebenfalls einen großen Bedarf an Netzkapazität erfordern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 15.04.2009 verwiesen, Anlage K 5.
8Mit Schreiben vom 28.04.2009 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die geplante Anlage im Bereich der ca. 2,1 km von der Anlage entfernt liegenden Trafostation „###### H“ (im Folgenden: H) an das Netz angeschlossen werden könne. Der Kläger erkundigte sich bei der Beklagten im Mai 2009 nach dort vorhandenen weiteren Kapazitäten, um sich die Kabelverlegungskosten möglicherweise mit anderen Interessenten zu teilen.
9Mit Schreiben vom 24.07.2009 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und teilte mit, dass die Windenergieanlage C2 nunmehr mit einer Nennleistung von 2.300 KW ausgeliefert werde, bat um Erteilung einer Netzzusage für diese Kapazität und „wählte“ den bisher für die Windenergieanlage F ##### bestehenden Verknüpfungspunkt (im Folgenden: F), der ca. 100 m neben dem Standort der Anlage liegt, als Anschlusspunkt für die neue Anlage. Dies wiederholte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 20.08.2009 unter Setzung einer Erklärungsfrist bis zum 11.09.2009.
10Mit Schreiben vom 07.09.2009, auf das wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird, Anlage K 10, teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass am Verknüpfungspunkt H ein Anschluss bis zu 2,5 MW möglich und dass die „Wahl“ des Verknüpfungspunktes F als „technisch eindeutig nicht geeigneter“ Verknüpfungspunkt rechtsmissbräuchlich sei.
11Mitte Februar 2010 begann der Kläger mit den Kabelverlegungsarbeiten zum zugewiesenen Verknüpfungspunkt H.
12Mit Schreiben vom 21.03.2010, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, Anlage B 1, stellte die Windparkgemeinschaft D GmbH & Co KG gegenüber der Beklagten einen „Antrag auf Erweiterung der Netzkapazitäten im Bereich Windpark D“.
13Am 16.10.2010 nahm der Kläger seine am Verknüpfungspunkt H angeschlossene Windenergieanlage C2 in Betrieb.
14Im Bereich des Windparks D wurden später repowerte Windenergieanlagen verschiedener Anlagenbetreiber in Betrieb genommen. Die Beklagte baute dazu ihr Stromnetz in Bereich D unter Errichtung eines Umspannwerkes in dem Zeitraum von Sommer 2010 bis März 2012 aus.
15Der Kläger hat behauptet, der von ihm gewählte Verknüpfungspunkt F sei technisch zur Aufnahme der von der Windenergieanlage C2 erzeugten Energie auch ohne Netzverstärkung geeignet.
16Der Beklagten sei – so hat er behauptet - bekannt gewesen, dass es erheblichen zusätzlichen Netzkapazitätsbedarf im Bereich D geben würde. Dies hätte, so hat der Kläger die Auffassung vertreten, bei der Anschlusszuweisung Berücksichtigung finden müssen.
17Der Anschluss an den zugewiesenen Verknüpfungspunkt H habe zu vermeidbaren Mehrkosten in Höhe von 137.330,69 € geführt. Wegen der einzelnen Kostenpositionen nebst Berechnung wird auf die Ausführungen in der Klageschrift, Bl. 7 und 8 d. A., verwiesen. Er hat behauptet, durch den Anschluss an dem räumlich entfernter liegenden Verknüpfungspunkt H entstünden Leistungsverluste von 0,15%, auch diese seien – so hat der Kläger die Auffassung vertreten - von der Beklagten zu ersetzen.
18Die Beklagte hat die Mehrkosten teilweise bestritten und behauptet, bei dem zugewiesenen Verknüpfungspunkt H handele es sich um den technisch und - nach der auch bei dem EEG 2009 gebotenen Gesamtbetrachtung - wirtschaftlichen günstigsten Verknüpfungspunkt.
19Eine Einspeisung beim bisherigen Verknüpfungspunkt F wäre wegen der höheren Einspeiseleistung technisch nicht möglich. Auch ein Anschluss an das Netz der allgemeinen Versorgung in diesem Bereich sei technisch nicht möglich. Um die von der Windenergieanlage erzeugte Energie an dem Verknüpfungspunkt F aufzunehmen, hätte ein Kabel ausgehend von diesem Punkt zum Umspannwerk I über eine Länge von 5.670 Metern geführt werden müssen. Die Netzverstärkungskosten hätten Kosten in Höhe 491.963,30 € verursacht. Wegen der einzelnen Kostenpositionen wird auf die Anlage B 4 verwiesen.
20Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, bei der Anschlusszuweisung hätten etwaige Planungsvorhaben im Bereich des Windparks D keine Berücksichtigung finden können. Unstreitig sei der geänderte Flächennutzungsplan erst im September 2010 bestandskräftig geworden. Weder hätten entsprechende Genehmigungen noch verbindliche Anschlussanfragen weiterer Betreiber vorgelegen.
21Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen, Bl. 60-61 d. A.
22Mit am 02.05.2012 verkündetem Grundurteil hat das Landgericht die Klage als dem Grunde nach für berechtigt erklärt.
23Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass die Verweisung des Klägers auf den Verknüpfungspunkt H anstelle des Verknüpfungspunkt F pflichtwidrig nach § 280 BGB gewesen sei. Ein gesamtwirtschaftlicher Kostenvergleich müsse bei § 5 Abs. 1 EEG 2009 nicht erfolgen, die auf den Verknüpfungspunkt F getroffene Wahl des Klägers sei nicht rechtsmissbräuchlich gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, Bl. 62-64 d. A. verwiesen.
24Die Beklagte hat gegen das ihr unter dem 24.05.2012 zugestellte Urteil mit am 11.06.2012 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit am 23.07.2012 eingegangenem Schriftsatz begründet.
25Mit ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Beklagte ihr Vorbringen.
26Sie habe sich bei der Zuweisung des Verknüpfungspunktes F nicht pflichtwidrig verhalten. Der Verknüpfungspunkt H sei technisch nicht geeignet, die Nennleistung von 2,3 MW aufzunehmen, die Netzverstärkung sei gesamtwirtschaftlich betrachtet unwirtschaftlich.
27Bei der Zuweisungsentscheidung zu Gunsten des Klägers hätte sie – die Beklagte – weitere Planungsvorhaben im Bereich des Windparks D nicht berücksichtigen müssen, da insbesondere noch keine verbindlichen Anschlussanfragen vorgelegen hätten.
28Die Beklagte beantragt,
29unter Abänderung des am 02.05.2012 verkündeten Urteils
30die Klage abzuweisen.
31Der Kläger beantragt,
32die Berufung zurückzuweisen.
33Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die Windenergieanlage C2 sei pflichtwidrig nicht an den technisch und wirtschaftlich günstigsten Punkt angeschlossen worden.
34Bei der Anschlusszuweisung hätten die Planungsvorhaben des Windparks D mit berücksichtigt werden müssen.
35Bereits mit Schreiben vom 03.07.2009, auf das verwiesen wird, Anlage K 38, Bl. 185, habe die Planungsgemeinschaft Windpark D gegenüber der Beklagten einen Antrag auf Erweiterung der vorhandenen Netzkapazität im Bereich „Windpark D“ gestellt. Hätte die Beklagte bereits im Sommer 2009 und nicht erst im Sommer 2010 mit dem Netzausbau und Errichtung eines Umspannwerkes D begonnen, hätten diese Arbeiten 2011 abgeschlossen und die Anlage des Klägers bis dahin gedrosselt ans Netz gehen können. Entsprechend der Ausführungen des Sachverständigen wäre ein Anschluss an dem Verknüpfungspunkt F unter Berücksichtigung des Einspeisemanagements möglich gewesen.
36Der Senat hat den Kläger und einen Vertreter der Beklagten persönlich angehört. Wegen des Inhaltes und des Ergebnisses der Parteianhörung wird auf den Berichterstattervermerk zur Senatssitzung vom 22.03.2013 verwiesen, Bl. 154 d. A.
37Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen und mündlich ergänzten und erläuterten Sachverständigengutachtens. Wegen des Inhaltes und des Ergebnisses wird auf das Sachverständigengutachten vom 06.01.2015 sowie den Berichterstattervermerk zur Senatssitzung vom 04.08.2015, Bl. 472-473 d. A. verwiesen.
38II.
39Die zulässige Berufung ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme begründet.
40Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen der Zuweisung des Verknüpfungspunktes H aus § 280 BGB i.V.m. § 5 des Gesetzes für den Vorrang erneuerbarer Energien vom 25. Oktober 2008 (EEG 2009) zu. Damit ist er auch nicht berechtigt, Ersatz etwaiger entstandener und künftiger Leitungsverluste sowie vorprozessualer Anwaltskosten zu verlangen.
41Die Beklagte hat keine ihr als Netzbetreiberin nach § 5 Abs. 1, 4 EEG 2009 obliegende Pflicht verletzt, weil im maßgeblichen Zeitpunkt die Zuweisung des Verknüpfungspunktes H den Anforderungen des § 5 Abs. 1 und 4 EEG 2009 entsprach und der Anschluss nicht stattdessen - wie vom Kläger gewünscht – an dem Verknüpfungspunkt F hätte erfolgen müssen.
421. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EG 2009 sind die Netzbetreiber verpflichtet, Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien unverzüglich vorrangig an der Stelle an ihr Netz anzuschließen (Verknüpfungspunkt), die im Hinblick auf die Spannungsebene geeignet ist, und die in der Luftlinie kürzeste Entfernung zum Standort der Anlage aufweist, wenn nicht ein anderes oder, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH U. v. 10.10.2012, VIII ZR 362/11, Rn. 24), der der Senat folgt, dasselbe Netz einen technisch und wirtschaftlich günstigeren Verknüpfungspunkt aufweist. Die Pflicht zum Netzanschluss besteht nach § 5 Abs. 4 EEG 2009 auch dann, wenn die Abnahme des Stroms erst durch wirtschaftlich zumutbare Optimierung, Verstärkung oder Ausbau des Netzes nach § 9 EEG 2009 möglich wird.
43Wählt der Anlagenbetreiber nach § 5 Abs. 2 EEG 2009 den nächstgelegenen Verknüpfungspunkt, der nicht bereits nach § 5 Abs. 1 EEG 2009 geschuldet ist, besteht dort eine Anschlusspflicht, wenn das Wahlrecht nicht deswegen rechtsmissbräuchlich ausgeübt ist, weil die dem Netzbetreiber hierdurch entstehenden Kosten nicht nur unerheblich über den Kosten eines Anschlusses an dem gesamtwirtschaftlich günstigsten Verknüpfungspunkt liegen (BGH a. a. O., Rn. 57).
442. Bei der Ermittlung des danach gesetzlich geschuldeten (technisch und wirtschaftlich günstigsten) Verknüpfungspunktes ist auf die Netzsituation im Zeitpunkt des tatsächlichen Anschlussbegehrens abzustellen (vgl. Altrock, in Altrock/Oschmann/Theobald, EEG, 3. Aufl., § 5, Rn. 31).
45a) Inwieweit dabei geplante Anlagen Dritter zu berücksichtigen sind, braucht hier nicht abschließend entschieden zu werden. Denn erst mit Eingang eines Netzanschlussbegehrens können weitere EEG-Projekte bei der Planung des Verknüpfungspunktes und etwaiger Ausbaupflichten in die Berechnungen einbezogen werden. Dafür spricht bereits die Regelung in § 5 Abs. 5 EEG 2009. Danach ist der Netzbetreiber verpflichtet, Einspeisewilligen (erst) nach Eingang eines Netzanschlussbegehrens unverzüglich einen genauen Zeitplan für die Bearbeitung des Netzanschlussbegehrens zu übermitteln. In diesem Zeitplan ist unter anderem anzugeben: … welche Information die Einspeisewilligen aus ihrem Verantwortungsbereich den Netzbetreibern übermitteln müssen, damit die Netzbetreiber den Verknüpfungspunkt ermitteln oder ihre Planung nach § 9 durchführen können. Diese Regelung bezweckt, dass der Netzbetreiber in einem Schritt den Verknüpfungspunkt planen und untersuchen kann, ob und welche Netzausbaumaßnahmen getroffen werden müssen (Salje, EEG 2012, 6. Auf., § 5 Rn. 67).
46b) Im Zeitpunkt des Anschlussbegehrens des Klägers lag jedenfalls kein anderes hinreichend konkret geplantes und damit berücksichtigungsfähiges EEG-Projekt vor. Ein EEG-Projekt ist erst dann hinreichend konkretisiert, wenn der Netzbetreiber von der Errichtung der geplanten Anlage auszugehen hat (Altrock, a. a. O., § 5, Rn. 30). Dass andere Einspeisewillige sich mit solchen Netzanschlussbegehren an die Beklagte gewandt haben, ist weder dargetan noch ersichtlich.
47aa) Mit seinem – durch den aktualisierten Antrag vom 24.07.2009 überholten - Anschlussbegehren vom 15.04.2009 wird, entgegen der Auffassung des Klägers, schon nicht auf ernsthafte Planungsinteressen anderer EEG-Anlagenbetreiber hingewiesen. Der Kläger erwähnt den „in den kommenden Jahren“ bestehenden „enormen Bedarf“ an Netzkapazitäten vor dem Hintergrund der Repowering Überlegungen im Windpark D und D3 und drückt damit lediglich eine in die weite Zukunft gerichtete Erwartung aus.
48bb) Auch mit dem Schreiben der „Planungsgemeinschaft Windpark D“ vom 03.07.2009 ist kein ernsthaftes Planungsinteresse anderer EEG-Anlagenbetreiber an die Beklagte herangetragen. Zwar werden darin Szenarien entworfen, wonach – unter anderem unter der Bedingung des Fortschreitens der bauplanerischen Entscheidungen der Stadt – weitere Netzkapazitäten für EEG-Vorhaben benötigt werden könnten, konkrete Vorhaben werden darin aber nicht beschrieben. Erst mit Schreiben vom 21.03.2010 verlangen die in der Gemeinschaft verbundenen Anlagenbetreiber eine Netzberechnung für verschiedene EEG-Projekte, zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger aber bereits seit etwa fünf Wochen mit den Kabelverlegearbeiten begonnen.
49cc) Dass der Beklagten im September 2009 bekannt war, dass eine Planungsgemeinschaft gegründet und „zahlreiche“ EEG-Projekte zukünftig „geplant“ seien, führt entgegen den Ausführungen des Klägers nicht dazu, dass diese bei der Ermittlung des Verknüpfungspunktes und der Planung der Erweiterung der Netzkapazität für das Anschlussbegehren des Klägers hätten herangezogen werden müssen.
503.
51Die Zuweisung des Verknüpfungspunktes H statt des Verknüpfungspunktes F im September 2009 entspricht den Anforderungen des § 5 EEG 2009.
52a) Beide Anschlussalternativen, sowohl der Netzverknüpfungspunkt F als auch der H sind hinsichtlich der Spannungsebene unstreitig geeignete Verknüpfungspunkte im Sinne des § 5 Abs. 1 EEG 2009. Das Mittelspannungsnetz der Beklagten, in dem sich die beiden Netzverknüpfungspunkte befinden, ist als solches nach der Spannungsebene geeignet, die von der Windenergieanlage des Klägers erzeugte Energie aufzunehmen.
53b) Der Verknüpfungspunkt F weist in der Luftlinie zwar unstreitig die kürzere Entfernung zum Standort der Anlage auf als der Verknüpfungspunkt H. Der Verknüpfungspunkt F war aber nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens – ohne Ausbau – technisch nicht geeignet, die von der Windenergieanlage erzeugte Energie aufzunehmen.
54aa) Bei der Ermittlung der technischen Eignung ist, wie der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Erläuterungen des Gutachtens überzeugend ausgeführt hat, zu klären, ob die von der Anlage nach ihrer maximalen Nennleistung erzeugbare Energie – hier 2,3 MW - risikolos in das Netz eingespeist werden kann. Selbst wenn diese Einspeiseleistung bei den regionalen Windverhältnissen am Standort der EEG-Anlage nur an wenigen Tagen oder Stunden im Jahresdurchschnitt ausgeschöpft wird, ist nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen eine nicht an der maximalen Nennleistung ausgerichtete Kapazitätsberechnung mit zu hohen Risiken behaftet, da das Netz in diesen Zeiträumen überfordert wäre.
55bb) Bei der Klärung der Frage der technischen Eignung kommt es – entgegen den Ausführungen des Klägers – auch nicht darauf an, ob möglicherweise den Risiken der kapazitätsüberschreitenden Einspeisung durch Drosselung der Anlage im Wege des Einspeisemanagements begegnet werden kann.
56Das EEG 2009 verknüpft die Maßnahmen des Einspeisemanagements rechtlich mit Maßnahmen des Netzausbaus. § 11 Abs. 1 S. 2 EEG 2009 bestimmt ausdrücklich, dass die Regelung der Anlagen nach S. 1 nur während einer Übergangszeit bis zum Abschluss von Maßnahmen im Sinne des § 9 erfolgen darf. Ein dauerhafter Betrieb einer EEG-Anlage im Einspeisemanagement scheidet angesichts des klaren Wortlauts der Norm aber auch nach dem Inhalt der Gesetzesbegründung, wonach die Netzkapazität zu erweitern ist, aus. (BT-Drs. 16/8148, S. 46, 47; Schäfermeier, in Reshöft, a.a.O, § 11 Rn. 11, a.A. Wustlich/Hoppenbrock in Altrock a.a.O., § 11 Rn. 43 unter Hinweis auf die Entscheidung des LG Itzehohe, BeckRS 2011, 10963 zum EEG 2000).
57c) Ob der Ausbau des Netzes zur Aufnahme der Energie an dem nächstgelegenen Verknüpfungspunkt F bereits nach § 9 Abs. 3 EEG 2009 unzumutbar ist, kann offen bleiben, denn die insoweit beweisbelastete Beklagte hat bewiesen, dass bei der gebotenen gesamtwirtschaftlichen Betrachtung der Anschluss an dem entfernter gelegenen Verknüpfungspunkt H wirtschaftlich günstiger ist.
58aa) Bei der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung ist – unabhängig von der Kostentragungspflicht - ein Kostenvergleich durchzuführen, bei dem die Gesamtkosten der verschiedenen Ausführungsmöglichkeiten für den Anschluss gegenüberzustellen sind. In den Kostenvergleich gehen alle Kosten für Netzinfrastruktur oder Anschlusstechnik ein, die anlässlich der Netzintegration der Anlage in den verschiedenen Varianten erforderlich wären. Zu berücksichtigen sind neben den unmittelbaren Kosten wie Material-, Personal-, Verlegungskosten auch mittelbare Kosten wie z.B. Grundbuch- und Notargebühren (BT-Drs. 16/1848, S. 29; BGH, WM 2004, 742; NJW-RR 2005, 565; WM 2007, 1896; Altrock, a.a.O., § 5 Rn. 59; Bönning, in Reshöft, a.a.O., § 5, Rn. 28, 29). Ob daneben noch solche Kosten Berücksichtigung finden können, die infolge der Netzintegration wenn der Betriebszeit der Anlage entstehen, ist fraglich (Altrock, a.a.O. § 5, Rn. 60), dies kann hier aber offen bleiben.
59(1) Bei der Anbindung der EEG-Anlage an den nächst gelegenen Verknüpfungspunkt F wären Kosten in Höhe von (mindestens) 536.681,64 € entstanden.
60Die Beklagte hat bewiesen, dass die Ertüchtigung des Netzes ausschließlich zur Aufnahme der von der EEG-Anlage des Klägers erzeugten Stroms an dem nächstgelegenen Verknüpfungspunkt F mit Ausbaukosten in Höhe von 470.452,89 € (brutto) verbunden gewesen wären.
61Der Sachverständige hat die von der Beklagten in der Anlage B 4 aufgeführten Kostenpositionen geprüft und diese im Grundsatz als berechtigt angesehen, allerdings ausgeführt, dass die berechnete Netzverstärkung eine Reservenennleistung enthalte. Im Rahmen der mündlichen Erläuterung hat er nachvollziehbar beschrieben, dass sich dies aber lediglich bei den reinen Kabelkosten auswirke, diese seien um 20% zu kürzen, wenn die Netzverstärkung allein auf die Nennleistung der EEG-Anlage des Klägers zu beziehen sei. Die Kabelkosten sind in der Anlage B 4 unter „M 301112037“ mit 90.379,80 € (netto) kalkuliert, diese Position ist danach auf 72.303,84 € (netto) zu kürzen. Gesamt ergeben sich damit Ausbaukosten in Höhe von 470.452,89 € (brutto).
62Nach der Darstellung des Klägers wären ihm Baukosten für die Anbindung an dem Verknüpfungspunkt F in Höhe von 66.228,74 €, nämlich Kabelverlegungskosten in Höhe von 24.190,74 €, Kosten für die Verbindung des Netzanschlusses in Höhe von 1920 € und Kosten der Übergabestation in Höhe von 40.118,00 € entstanden.
63(2) Bei der Anbindung der EEG-Anlage an den weiter entfernteren Verknüpfungspunkt H sind nach dem teilweise bestrittenen Vortrag des Klägers Kosten in Höhe von 203.559,13 € entstanden. Selbst unter Berücksichtigung der behaupteten Leitungsverluste bliebe der Anschluss an den H bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung günstiger.
64bb) Da im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahl des Verknüpfungspunktes keine weiteren EEG-Projekte zu berücksichtigen waren, die u.U. aus wirtschaftlicher Sicht eine Ausbauentscheidung des Netzbetreibers an dem nächstgelegenen Verknüpfungspunkt hätten begründen können, kam ein Anschluss an den Verknüpfungspunkt F mit nur vorrübergehendem Einspeisemanagement – entgegen der Auffassung des Klägers – damit ebenfalls nicht in Betracht.
65d) Zugleich übersteigen die Kosten für den Anschluss an den nächstgelegenen Verknüpfungspunkt F diejenigen für den Anschluss an den weiter entfernteren Verknüpfungspunkt F mehr als nur unerheblich, so dass selbst dann, wenn ein Wahlrecht nach § 5 Abs. 2 EEG 2009 noch bestünde, dies jedenfalls rechtsmissbräuchlich ausgeübt wäre.
66Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Annotations
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.