Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 23. Sept. 2016 - 6 WF 190/16
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Gericht
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers vom 06.07.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Unna vom 29.06.2016 (12 F 479/15) wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
2I.
3Der Antragsteller nahm die Antragsgegnerin, seine Mutter, im Ausgangsverfahren auf die Herausgabe diverser Gegenstände in Anspruch. Beiden Beteiligten wurde Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten ohne Ratenzahlung bewilligt. Durch Beschluss vom 07.09.2015 wies das Amtsgericht den Antrag zurück und legte dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens auf. Der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin wurde eine anwaltliche Vergütung von 365,93 € aus der Staatskasse gezahlt.
4Durch Rechnung vom 27.05.2016 ist der Antragsteller zu diesen Kosten herangezogen worden. Seine Erinnerung hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 29.06.2016 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers. Er meint, wegen der ihm bewilligten Verfahrenskostenhilfe könne ihn die Staatskasse nicht auf Erstattung der an die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin gezahlten Vergütung in Anspruch nehmen.
5II.
6Die gemäß § 57 Abs. 2 GKG zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht die Erinnerung des Antragstellers gegen die Kostenrechnung vom 27.05.2016 zurückgewiesen. Entgegen der Ansicht des Antragstellers kann die Staatskasse die nach § 59 Abs. 1 RVG auf sie übergegangenen Vergütungsansprüche eines beigeordneten Rechtsanwalts auch dann gegen den im Verfahren unterlegenen Beteiligten (hier den Antragsteller) geltend machen, wenn diesem ebenfalls ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden ist.
7Nach überwiegender Ansicht in der Rechtsprechung verhindert § 122 Abs. 1 Nr. 1 b) ZPO nur, dass die Staatskasse die auf sie übergegangenen Ansprüche eines beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten gegen den von diesem vertretenen Beteiligten geltend macht; eine Inanspruchnahme wegen der übergegangenen Vergütungsansprüche des gegnerischen Anwalts sei hingegen möglich (BGH, Beschluss vom 11.06.1997, XII ZR 254/94, FamRZ 1997, 1141; OLG Dresden, Beschluss vom 01.09.2009, 20 WF 751/09, FamRZ 2010, 583 f. OLG Celle, Beschluss vom 20.05.2014, 2 W 106/14, MDR 2014, 923 f.; Wache, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl. 2016, § 122 Rn. 13 m.w.N; anders OLG München, Beschluss vom 01.08.2013, 11 WF 1178/13, FamRZ 2014, 1880 ff.; Zöller-Geimer, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 122 Rn. 6).
8Der Senat schließt sich dieser Ansicht an. Für die Möglichkeit, von einem bedürftigen Beteiligten die an den beigeordneten Anwalt des Gegners gezahlte Vergütung im Festsetzungsverfahren zu verlangen, spricht § 123 ZPO. Nach dieser Vorschrift hat die Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss. Diese Bestimmung beschränkt die Wirkungen der Verfahrenskostenhilfe auf die Gerichtskosten und die eigenen außergerichtlichen Kosten eines bedürftigen Beteiligten (BGH, a.a.O.). Auch ein bedürftiger Beteiligter haftet daher für die Anwaltskosten des Gegners. Dass dies nicht gelten soll, wenn auch dem Gegner Verfahrenskostenhilfe bewilligt ist, überzeugt nicht. Soweit in § 122 Abs. 1 Nr. 1 b) ZPO die auf die Staatskasse „übergegangenen Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte gegen die Partei“ genannt sind, folgt aus der Verwendung des Plurals nicht zwingend, dass hierunter auch die übergegangenen Ansprüche des gegnerischen Anwalts erfasst sind. Denkbar ist ebenso, dass einem bedürftigen Beteiligten mehrere Anwälte beigeordnet werden, wie beispielsweise ein Anwalt am Sitz des Gerichts und ein Verkehrsanwalt am Wohnsitz des Beteiligten. Gegen die hier vertretene Auffassung sprechen darüber hinaus nicht die Gesetzesmaterialien. Freilich sollte nach der Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung vom 17.07.1979 eine Inanspruchnahme der bedürftigen Partei auch wegen auf die Staatskasse übergegangener Ansprüche des dem Gegner beigeordneten Anwalts nicht stattfinden (BT-Drs. 8/3068, S. 20). Diese Begründung des Regierungsentwurfs hat in der Fassung der Gesetz gewordenen Vorschriften aber keinen hinreichenden Ausdruck gefunden (BGH, a.a.O.). Es ist außerdem anzunehmen, dass der Gesetzgeber eine von ihm als fehlerhaft erkannte Auslegung des § 122 Abs. 1 Nr. 1 b) ZPO durch die nahezu einhellige Rechtsprechung korrigiert hätte; hierzu bestand hinreichend Gelegenheit, zuletzt insbesondere mit der umfassenden Reform durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31.08.2013 (OLG Celle, a.a.O.).
9Eine Kostenentscheidung ist nach § 57 Abs. 8 FamGKG nicht veranlasst.
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Annotations
Bei der Zwangsliquidation einer Bahneinheit bestimmt sich die Gebühr für das Verfahren nach dem Gesamtwert der Bestandteile der Bahneinheit.
(1) Soweit dem im Wege der Prozesskostenhilfe oder nach § 138 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, auch in Verbindung mit § 270 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, beigeordneten oder nach § 67a Absatz 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung bestellten Rechtsanwalt wegen seiner Vergütung ein Anspruch gegen die Partei oder einen ersatzpflichtigen Gegner zusteht, geht der Anspruch mit der Befriedigung des Rechtsanwalts durch die Staatskasse auf diese über. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Rechtsanwalts geltend gemacht werden.
(2) Für die Geltendmachung des Anspruchs sowie für die Erinnerung und die Beschwerde gelten die Vorschriften über die Kosten des gerichtlichen Verfahrens entsprechend. Ansprüche der Staatskasse werden bei dem Gericht des ersten Rechtszugs angesetzt. Ist das Gericht des ersten Rechtszugs ein Gericht des Landes und ist der Anspruch auf die Bundeskasse übergegangen, wird er insoweit bei dem jeweiligen obersten Gerichtshof des Bundes angesetzt.
(3) Absatz 1 gilt entsprechend bei Beratungshilfe.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hat auf die Verpflichtung, die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten, keinen Einfluss.
(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind.
(2) Gegen die Entscheidung des Familiengerichts über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Familiengericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.
(3) Soweit das Familiengericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Oberlandesgericht vorzulegen. Das Oberlandesgericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.
(4) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Beschwerde ist bei dem Familiengericht einzulegen.
(5) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung und die Beschwerde durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(6) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.
(7) Entscheidungen des Oberlandesgerichts sind unanfechtbar.
(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.