Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 19. Juli 2016 - 5 Ws 249/16

Gericht
Tenor
Die Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten seines Rechtsmittels trägt der Angeklagte.
1
Gründe:
2I.
3Mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Arnsberg vom 14. Juli 2014 wird dem Angeklagten zur Last gelegt, in der Zeit von Oktober 2012 bis Februar 2013 in
4X in drei Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben zu haben, ohne sie aufgrund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG erlangt zu haben (§§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, 53 StGB).
5So soll der Angeklagte dem gesondert Verfolgten L an einem Tag im Oktober oder November 2012, kurz vor Weihnachten 2012 und am 08. Februar 2013 bzw. kurz vor diesem Tag jeweils erhebliche Mengen verschiedener Betäubungsmittel in X übergeben und verkauft haben.
6Im Rahmen einer Personenkontrolle durch die Bundespolizei waren am 08. Februar 2013 bei dem gesondert Verfolgten L eine große Menge diverser Betäubungsmittel, im Wesentlichen jeweils verpackt in fest verknotete Plastikbeutel, aufgefunden und sichergestellt worden. Zur Spurensicherung wurden von den Beuteln jeweils mehrere DNA-Abriebe genommen, da insbesondere an den Knoten der Beutel eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich dort serologische Spuren der Person befinden, die diese verpackt hat.
7Mit Beschluss vom 24. September 2014 hat das Landgericht Arnsberg die Anklage der Staatsanwaltschaft Arnsberg vom 14. Juli 2014 ohne Änderungen zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren gegen den Angeklagten eröffnet.
8Derzeit findet die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Arnsberg statt.
9Da bisher keine weitere Untersuchung der an den Verpackungsbeuteln der Betäubungsmittel genommenen DNA-Abriebe erfolgt war, nahm die Staatsanwaltschaft im Termin am 14. Juni 2016 Bezug auf einen bereits am 25. April 2013 gestellten, aber noch nicht beschiedenen Antrag auf Abnahme einer Speichelprobe beim Angeklagten zur Durchführung eines Vergleichs mit aufgefundenem Spurenmaterial.
10Die Strafkammer hat daraufhin mit Beschluss vom 14. Juni 2016 angeordnet, dem Angeklagten zur Gewinnung von Material für molekulargenetische Untersuchungen Körperzellen zu entnehmen und diese zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters molekulargenetisch zu untersuchen.
11Gegen diesen Beschluss wendet sich der Angeklagte, der sich zur freiwilligen Abgabe einer Speichelprobe nicht bereit erklärt hatte, mit seiner Beschwerde. Zur Begründung führt er aus, es sei bisher noch nicht einmal ermittelt worden, ob überhaupt verwertbares Spurenmaterial vorgefunden worden sei. Eine Entnahme von Körperzellen und deren DNA-Analyse sei jedoch unzulässig, solange kein zu Vergleichszwecken geeignetes Spurenmaterial vorhanden sei.
12Die Strafkammer hat der Beschwerde mit Beschluss vom 17. Juni 2016 nicht abgeholfen.
13Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, wie vom Senat erkannt worden ist.
14II.
151.
16Die Beschwerde ist gem. § 304 Abs. 1 StPO statthaft und auch zulässig.
17Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht die Regelung des § 305 S. 1 StPO entgegen, nach der Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilfällung vorausgehen, nicht der Beschwerde unterliegen.
18a)
19So stellt die Entnahme von Körperzellen (§ 81 a StPO) zwecks späterer molekular-genetischer Untersuchung einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar, der unabhängig von der Eingriffsintensität mit den in § 305 S. 2 StPO aufgeführten Maßnahmen vergleichbar ist. Die entnahmeanordnende gerichtliche Entscheidung nach
20§ 81 a Abs. 2 StPO ist daher auch während der laufenden Hauptverhandlung mit der Beschwerde überprüfbar (vgl. OLG Bremen, StV 2010, 122; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 81 a, Rdnr. 30; jeweils m. w. N.).
21Vorliegend ist der angefochtene Beschluss zur Entnahme von Körperzellen beim Angeklagten sowie deren molekulargenetische Untersuchung vom erkennenden Gericht während der laufenden Hauptverhandlung erlassen worden.
22b)
23Auch gegen die zugleich in dem Beschluss vom 14. Juni 2016 gem. §§ 81 e, f StPO angeordnete molekulargenetische Untersuchung der durch die Anordnung nach § 81 a StPO gewonnenen Körperzellen ist die Beschwerde statthaft und zulässig. Die Regelung des § 305 S. 1 StPO steht einer Beschwerde insoweit ebenfalls nicht entgegen. Entscheidungen des erkennenden Gerichts nach § 81 f StPO, mit denen die molekulargenetische Untersuchung nach § 81 e StPO angeordnet wird – wie im vorliegenden Fall -, sind für den Angeklagten in entsprechender Anwendung des
24§ 305 S. 2 StPO mit der Beschwerde angreifbar (vgl. OLG Bremen, a.a.O.; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 81 f, Rdnr. 8).
252.
26In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.
27Die Strafkammer hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Entnahme von Körperzellen beim Angeklagten und deren molekulargenetische Untersuchung nach §§ 81 a, e, f StPO angeordnet.
28Zweck der Untersuchung nach § 81 a Abs. 1 S. 1 StPO darf nur die Feststellung verfahrenserheblicher Tatsachen sein, für deren Vorliegen bereits bestimmte Anhaltspunkte bestehen. Hierbei handelt es sich insbesondere um solche Tatsachen, die, wenn auch nur mittelbar, die Straftat, die Täterschaft und die Schuld des jeweiligen Beschuldigten beweisen oder die Rechtsfolgenentscheidung beeinflussen können (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 81 a, Rdnr. 6).
29Die Strafkammer hat hier in ihrem Beschluss dargelegt, dass die Entnahme von Körperzellen beim Angeklagten und deren Untersuchung notwendig ist, um feststellen zu können, ob sich dessen Spuren auf den sichergestellten Betäubungsmittelverpackungen befinden. Die sichergestellten Betäubungsmittel sollen nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis vom Angeklagten stammen. Entgegen der Auffassung des Angeklagten ist es für die Anordnung der molekular-genetischen Untersuchung der entnommenen Körperzellen auch nicht notwendig, dass bei der Auswertung der Spurenträger bereits geeignetes DNA-Vergleichsmaterial gefunden worden ist (so aber Landgericht Offenburg, StV 2003, 153). Für die Anordnung der DNA-Untersuchung einer Speichel- oder Blutprobe eines Beschuldigten reicht es aus, dass Spurenmaterial vorliegt, bei dem nach Lage der Dinge die sachlich begründete Erwartung besteht, die Untersuchung werde zum Auffinden geeigneten Vergleichsmaterials führen. Den Bestimmungen der §§ 81 e, f StPO lässt sich eine starre zeitliche Reihenfolge dahingehend, dass zwar die Entnahme von Körperzellen angeordnet werden kann, deren molekulargenetische Untersuchung jedoch erst dann zulässig sein soll, wenn für einen DNA-Vergleich geeignetes Spurenmaterial vorhanden ist, nicht entnehmen. Die Vorschrift des § 81 e Abs. 1 S. 1 StPO setzt lediglich „aufgefundenes“, nicht jedoch bereits untersuchtes und für einen DNA-Vergleich als geeignet befundenes Spurenmaterial voraus. Eine vorherige Auswertung der aufgefundenen Spurenträger ist nicht erforderlich (vgl. LG Ravensburg, NStZ-RR 2010, 18; Meyer-Goßner/ Schmitt, a.a.O., § 81 e, Rdnr. 4). Soweit seitens des Landgerichts Offenburg (a.a.O.) als Voraussetzung einer molekulargenetischen Untersuchung zunächst die Feststellung geeigneten DNA-Vergleichsmaterials für notwendig erachtet wird, steht dem entgegen, dass sich praktisch nicht allgemein bestimmen lässt, ob sich vorgefundenes DNA-Material, z. B. an Spurenträgern festgestellte Mischspuren oder Bruchstücke einer DNA, für einen Vergleich eignet. Dies ist häufig erst anhand der Einzelfallumstände und der Zusammenschau mit weiteren Ermittlungsergebnissen zu beantworten. Auch in den Gesetzesmaterialien zur Einführung des § 81 e StPO und zur Änderung dieser Vorschrift lassen sich keine Anhaltspunkte für eine zeitliche Reihenfolge der Untersuchungen bzw. eine Vorabuntersuchung des Spurenmaterials finden. Die Einhaltung einer Untersuchungsreihenfolge würde auch dem im Strafverfahren geltenden Beschleunigungsgebot widersprechen (vgl. LG Ravensburg, a.a.O.).
30Vorliegend sind Spurenträger vorhanden, nämlich die sichergestellten Betäubungsmittelverpackungen, hinsichtlich derer anzunehmen ist, dass ihre Untersuchung zum Auffinden geeigneten DNA-Vergleichsmaterials führen wird.
31Die von der Strafkammer getroffene Entscheidung ist zudem auch insgesamt nicht unverhältnismäßig. Der Angeklagte ist angesichts der in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Arnsberg vom 14. Juli 2014 gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe hinreichend verdächtig, schwere Straftaten, und zwar mehrere Verbrechen i. S. d.
32§ 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG begangen zu haben.
33III.
34Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

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(1) Einer Erlaubnis des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte bedarf, wer
- 1.
Betäubungsmittel anbauen, herstellen, mit ihnen Handel treiben, sie, ohne mit ihnen Handel zu treiben, einführen, ausführen, abgeben, veräußern, sonst in den Verkehr bringen, erwerben oder - 2.
ausgenommene Zubereitungen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) herstellen
(2) Eine Erlaubnis für die in Anlage I bezeichneten Betäubungsmittel kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte nur ausnahmsweise zu wissenschaftlichen oder anderen im öffentlichen Interesse liegenden Zwecken erteilen.
(1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten Rechtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Richters im Vorverfahren und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht.
(2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben.
(3) Gegen Entscheidungen über Kosten oder notwendige Auslagen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt.
(4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Dasselbe gilt für Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte; in Sachen, in denen die Oberlandesgerichte im ersten Rechtszug zuständig sind, ist jedoch die Beschwerde zulässig gegen Beschlüsse und Verfügungen, welche
- 1.
die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Unterbringung zur Beobachtung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 oder § 101a Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen, - 2.
die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnen oder das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses einstellen, - 3.
die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten (§ 231a) anordnen oder die Verweisung an ein Gericht niederer Ordnung aussprechen, - 4.
die Akteneinsicht betreffen oder - 5.
den Widerruf der Strafaussetzung, den Widerruf des Straferlasses und die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe (§ 453 Abs. 2 Satz 3), die Anordnung vorläufiger Maßnahmen zur Sicherung des Widerrufs (§ 453c), die Aussetzung des Strafrestes und deren Widerruf (§ 454 Abs. 3 und 4), die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 372 Satz 1) oder die Einziehung oder die Unbrauchbarmachung nach den §§ 435, 436 Absatz 2 in Verbindung mit § 434 Absatz 2 und § 439 betreffen;
(5) Gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofes und des Oberlandesgerichts (§ 169 Abs. 1) ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Bestellung eines Pflichtverteidigers oder deren Aufhebung, Beschlagnahme, Durchsuchung oder die in § 101 Abs. 1 bezeichneten Maßnahmen betreffen.
Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, das vorläufige Berufsverbot oder die Festsetzung von Ordnungs- oder Zwangsmitteln sowie alle Entscheidungen, durch die dritte Personen betroffen werden.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.