Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 21. März 2016 - 32 SA 9/16
Gericht
Tenor
Der Antrag auf Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstands wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Wert des Bestimmungsverfahrens wird festgesetzt auf 500 €.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger ist in I wohnhaft. Er verlangt mit der vor dem Amtsgericht Hagen erhobenen Klage von der Beklagten, einer GmbH mit Sitz in F im Bezirk des Amtsgerichts T, mit dem Antrag zu 1) die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung II für einen PKW B und mit dem Antrag zu 2) die Feststellung, dass er nicht verpflichtet ist, für den Abschluss einer Garantieversicherung einen Betrag von 580 € zu zahlen.
4Nach dem Vorbringen des Klägers liegt der Klage folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger schloss mit der Beklagten einen Kaufvertrag über das genannte Fahrzeug zu einem Kaufpreis von 22.000 €, den er gezahlt hat. Die Beklagte verweigert die Herausgabe der Zulassungsbescheinigung II für das verkaufte Fahrzeug unter Verweis darauf, dass der Kläger vorab den Betrag von 580 € für eine Garantieversicherung zu zahlen habe, die zwischen den Parteien nach den Behauptungen der Beklagten vereinbart worden ist.
5Der Kläger hält die Zuständigkeit des Amtsgerichts Hagen für gegeben, da er Ansprüche aus dem Kaufvertrag geltend mache, die an seinem Wohnsitz zu erfüllen seien. Er verweist ferner auf ein vor dem Amtsgericht Hagen bereits durchgeführtes selbständiges Beweisverfahren.
6Die Beklagte ist der Auffassung, Pflichten aus dem Kaufvertrag seien an ihrem Wohnsitz zu erfüllen.
7Die Parteien haben das Amtsgericht Hagen, das sich lediglich für den Antrag zu 2) für zuständig hält, gebeten, das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht Hamm bestimmen zu lassen. Das Amtsgericht Hagen hat das Verfahren dem Oberlandesgericht vorgelegt und ausgeführt, der Kompetenzkonflikt sei zumindest entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 2 und 3 ZPO zu lösen.
8II.
9Das Oberlandesgericht Hamm ist gem. § 36 Abs. 1 ZPO als das nächsthöhere Gericht über den Amtsgerichten Hagen und Siegburg zur Entscheidung über den Antrag berufen.
10Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 ZPO liegen jedoch nicht vor.
1.
11Die Bestimmung eines für alle Ansprüche gemeinsam zuständigen Gerichts ist nur möglich, wenn die in § 36 Abs. 1 ZPO niedergelegten Voraussetzungen erfüllt sind. § 36 Abs. 1 ZPO enthält keine Generalklausel dahingehend, dass eine Zuständigkeitsbestimmung immer dann zulässig ist, wenn die Bestimmung eines einheitlichen Gerichtsstands aus prozessökonomischen Gründen und/oder zur Vermeidung widersprechender Entscheidungen sinnvoll erscheint (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.11.2014 – 11 SV 114/14, NJW-RR 2015, 1294, beck-online; OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.3.2013 – 11 AR 4/13, BeckRS 2013, 06139; Patzina in: MüKoZPO, 4. Aufl. 2013, § 36 Rn. 4).
2.
12Die Voraussetzungen einer auch nur entsprechenden Anwendung von § 36 Abs. 1 ZPO liegen nicht vor.
a)
13§ 36 Abs. 1 Nr. 2 ZPO regelt die Bestimmung des zuständigen Gerichts, wenn sich anderenfalls aufgrund der örtlichen Begebenheit objektiv ein zuständiges Gericht nicht zweifelsfrei bestimmen lässt. Das ist hier nicht der Fall. Die Zuständigkeit für die beiden erhobenen Anträge unterliegt keiner Unwägbarkeit aufgrund der örtlichen Verhältnisse.
b)
14§ 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ist ebenfalls nicht – auch nicht entsprechend - anwendbar. Zweckmäßigkeitserwägungen können zwar im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO dazu führen, dass eine Gerichtsstandsbestimmung über den Wortlaut hinaus erfolgen kann. So ist eine Gerichtsstandsbestimmung in anderen Verfahren als in einem Klageverfahren und auch nicht nur vor Klageerhebung, sondern ebenso nach Rechtshängigkeit der Klage zulässig. Auch kann eine Bestimmung sowohl hinsichtlich der örtlichen, sachlichen und funktionellen Zuständigkeit vorgenommen werden (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 36 Rn. 2a,14). Auch ist der Begriff der Streitgenossenschaft unter Zweckmäßigkeitserwägungen auszulegen.
15Die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO setzt aber immer voraus, dass mehrere Personen verklagt werden sollen. Die Vorschrift ist nach ihrem Sinn und Zweck nicht anwendbar, wenn eine Klage mit mehreren Anträgen gegen nur einen Beklagten vorliegt und für diese Anträge (möglicherweise) mehrere Gerichte zuständig sind (OLG Frankfurt, a.a.O., NJW-RR 2015, 1294, 1295 und BeckRS 2013, 06139). Diese Konstellation ist – wie z.B. auch die Klage aktiver Streitgenossen mit unterschiedlichem Gerichtsstand - mit dem in § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO geregelten Verfahren gegen mehrere Personen in keiner Form vergleichbar.
c)
16Die Voraussetzungen einer unmittelbaren oder entsprechenden Anwendung der anderen Alternativen des § 36 Abs. 1 ZPO liegen ersichtlich ebenfalls nicht vor.
d)
17Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass ein Bedürfnis für eine Bestimmung des Gerichtsstands auch unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten nicht besteht. Denn der Kläger hatte die Möglichkeit, die Klage mit beiden Anträgen zulässig vor dem Amtsgericht T zu erheben, an dem die Beklagte ihren allgemeinen Gerichtsstand gem. den §§ 12, 17 ZPO hat.
4.
18Der ständigen Rechtsprechung des Senats folgend (z.B. OLG Hamm, Beschluss vom 11.12. 2015 – I-32 SA 39/15, juris Rn. 23) waren die Kosten des Bestimmungsverfahrens dem Kläger aufzuerlegen, auch wenn der Rechtsstreit bereits rechtshängig ist.
19Bei der Wertfestsetzung ist der Senat davon ausgegangen, dass dem Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts regelmäßig das Kosteninteresse zugrunde liegt, keine zwei isolierten Verfahren führen zu müssen. Ausgehend davon hat der Senat hier einen geschätzten Wert von 20 % der Hauptsache – den das Amtsgericht Hagen nach der Angabe des Kläger und unangegriffen mit 2.500 € festgesetzt hat - für angemessen erachtet.
Annotations
(1) Das zuständige Gericht wird durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht bestimmt:
- 1.
wenn das an sich zuständige Gericht in einem einzelnen Fall an der Ausübung des Richteramtes rechtlich oder tatsächlich verhindert ist; - 2.
wenn es mit Rücksicht auf die Grenzen verschiedener Gerichtsbezirke ungewiss ist, welches Gericht für den Rechtsstreit zuständig sei; - 3.
wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden sollen und für den Rechtsstreit ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nicht begründet ist; - 4.
wenn die Klage in dem dinglichen Gerichtsstand erhoben werden soll und die Sache in den Bezirken verschiedener Gerichte belegen ist; - 5.
wenn in einem Rechtsstreit verschiedene Gerichte sich rechtskräftig für zuständig erklärt haben; - 6.
wenn verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, sich rechtskräftig für unzuständig erklärt haben.
(2) Ist das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof, so wird das zuständige Gericht durch das Oberlandesgericht bestimmt, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Gericht gehört.
(3) Will das Oberlandesgericht bei der Bestimmung des zuständigen Gerichts in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen, so hat es die Sache unter Begründung seiner Rechtsauffassung dem Bundesgerichtshof vorzulegen. In diesem Fall entscheidet der Bundesgerichtshof.
Das Gericht, bei dem eine Person ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, ist für alle gegen sie zu erhebenden Klagen zuständig, sofern nicht für eine Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist.
(1) Der allgemeine Gerichtsstand der Gemeinden, der Korporationen sowie derjenigen Gesellschaften, Genossenschaften oder anderen Vereine und derjenigen Stiftungen, Anstalten und Vermögensmassen, die als solche verklagt werden können, wird durch ihren Sitz bestimmt. Als Sitz gilt, wenn sich nichts anderes ergibt, der Ort, wo die Verwaltung geführt wird.
(2) Gewerkschaften haben den allgemeinen Gerichtsstand bei dem Gericht, in dessen Bezirk das Bergwerk liegt, Behörden, wenn sie als solche verklagt werden können, bei dem Gericht ihres Amtssitzes.
(3) Neben dem durch die Vorschriften dieses Paragraphen bestimmten Gerichtsstand ist ein durch Statut oder in anderer Weise besonders geregelter Gerichtsstand zulässig.