Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 11. Aug. 2015 - 3 Ws 275/15
Gericht
Tenor
1. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Höchstfrist zur vorbehaltenen Entscheidung über die Aus-setzung der Jugendstrafe zur Bewährung wird auf neun Monate verlängert.
Die weitergehende sofortige Beschwerde wird als unbegründet verworfen.
Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen, jedoch wird die Gebühr um die Hälfte ermäßigt. Je eine Hälfte der gerichtlichen Auslagen im Beschwerdeverfahren und der dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
2. Der Antrag auf Beiordnung eines Verteidigers ist gegenstandslos. (Alleinentscheidung des Vorsitzenden)
1
Gründe:
3Das Landgericht Bielefeld hat den Beschwerdeführer am 23. Januar 2015 wegen Betruges in 15 Fällen und Computerbetruges in 21 Fällen zu einer einheitlichen Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt und die Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung einem nachträglichen Beschluss vorbehalten. Das Urteil ist seit dem 31. Januar 2015 rechtskräftig. Zur Begründung der vorbehaltenen Entscheidung hat das Landgericht ausgeführt, dass sich der Verurteilte kurz vor und zwischen den Hauptverhandlungsterminen um eine Veränderung seiner Wohn-situation sowie eine Fortsetzung seiner schulischen Ausbildung bemüht und erklärt habe, nicht wieder straffällig werden zu wollen. Es bleibe abzuwarten, ob ihm die Umsetzung seiner Vorsätze, insbesondere eine Verselbständigung, gelinge. Das Landgericht hat mit Beschluss vom 26. Juni 2015 die Strafaussetzung und eine Anrechnung zwischenzeitlich erbrachter Arbeitsleistungen auf die Jugendstrafe abgelehnt. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde, mit der er vorrangig eine Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung begehrt, und beantragt zudem die Beiordnung seines Verteidigers für das Beschwerdeverfahren. Das Rechtsmittel hat insoweit Erfolg, als es zu einer Verlängerung der Vorbe-währungszeit führt.
41. Die zulässige sofortige Beschwerde ist – unter Berücksichtigung der vom Verurteilten erst im Beschwerdeverfahren vorgelegten und dem Landgericht bei seiner Entscheidung weitgehend unbekannten Unterlagen – teilweise begründet.
5a) Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg, soweit es die Verletzung rechtlichen Gehörs und einen verfrühten Zeitpunkt der Beschlussfassung beanstandet.
6Eine Anwesenheit des Verteidigers im Rahmen der Anhörung ist nicht zwingend vorgeschrieben. Dem – nicht inhaftierten – Verurteilten wurde die Ladung am 19. Juni 2015 zugestellt, so dass er genügend Zeit hatte, seinen Verteidiger selbst von dem Termin am 26. Juni 2015 zu informieren (vgl. zur Benachrichtigung des Verteidigers durch den Verurteilten selbst BVerfG, Beschluss vom 11. Februar 1993 ‑ 2 BvR 710/91, NJW 1993, 2301, 2303). Im Übrigen hat das Landgericht die Über-sendung einer Terminsnachricht an den Verteidiger über zehn Tage vor dem Anhörungstermin verfügt.
7Dass die angefochtene Entscheidung bereits vor dem Ablauf von sechs Monaten nach Rechtskraft des den Vorbehalt aussprechenden Urteils erging, ist nicht zu beanstanden, da es sich bei der Frist gemäß § 61a Abs. 1 Satz 1 JGG um eine Höchstfrist handelt (vgl. BT-Drucks. 17/9389 S. 17).
8b) Nach der bisherigen Entwicklung des Verurteilten in der Vorbewährungszeit besteht weiterhin die Aussicht im Sinne des § 61 Abs. 1 Nr. 2, § 109 Abs. 2 Satz 1 JGG, dass in absehbarer Zeit eine positive Prognose gemäß § 21 Abs. 1, § 105 Abs. 1 JGG begründet sein wird. Derzeit ist eine solche abschließende Prognose nach den besonderen Umständen des Einzelfalles noch nicht möglich. Vielmehr ergeben sich aus der deutlich ambivalenten Entwicklung des Verurteilten in der Vorbewährungszeit besondere Gründe, die Höchstfrist der Vorbewährungszeit mit seinem über den Verteidiger erklärten ausdrücklichen Einverständnis auf neun Monate zu verlängern (§ 61a Abs. 1 Satz 3, § 109 Abs. 2 Satz 1 JGG).
9Das Landgericht ist in dem rechtskräftigen Urteil davon ausgegangen, dass für eine günstige Prognose die Frage von besonderer Bedeutung sei, ob es dem Verurteilten gelinge, sich zu verselbständigen (vgl. zum zentralen Anknüpfungspunkt der nachträglichen Aussetzungsentscheidung OLG Hamburg, Beschluss vom 9. September 2014 - 1 Ws 92/14, ZJJ 2015, 71, 72). Eine solche Verselbständigung ist noch nicht festzustellen, obschon weiterhin Ansätze hierfür erkennbar sind.
10So ist der Verurteilte zwar inzwischen aus der Wohnung seiner Mutter ausgezogen. Allerdings beruht der Auszug nicht auf eigenen Bemühungen um eine andere Wohnung, sondern auf einer polizeilichen Wohnungsverweisung und einem Rückkehrverbot von zehn Tagen. Zudem wird sich zu erweisen haben, ob der Umzug in die Einliegerwohnung im Haus der Großeltern tatsächlich zu einer Verselbständigung führt und nicht bloße Folge der Wohnungsverweisung ist. Insofern ist ferner zu berücksichtigen, dass der Verurteilte dem X e.V., bei dem er ihm auferlegte Arbeitsstunden erbringen sollte, seine neue Anschrift nicht mitgeteilt, die monatlich zu leistenden zehn Arbeitsstunden jedenfalls in den Monaten März bis Mai 2015 nicht erbracht und sich ersichtlich nicht von sich aus um die Einhaltung der Weisung bemüht hat. Auch die weiteren vom Landgericht im angefochtenen Beschluss genannten Gründe, auf die der Senat wegen der Einzelheiten Bezug nimmt, geben Anlass zu der – unter anderem auf die mündliche Anhörung des Verurteilten durch den beauftragten Richter gestützten – Besorgnis, dass der Ver-urteilte schnell wieder in sein durch Antriebslosigkeit geprägtes Verhalten zurück-fallen könne und ein für ihn handlungsleitender Leidensdruck nicht erkennbar sei.
11Demgegenüber ist zu berücksichtigen, dass der Verurteilte inzwischen den Haupt-schulabschluss nach Klasse 10 mit im Durchschnitt guten Leistungen erworben hat. Er hat (nach der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer) im Juli 2015 zwei Gesprächstermine bei der Fachstelle Sucht – Glücksspielabhängige und Angehörige – des K im Kirchenkreis L wahrgenommen. Überdies hat die Stadt P – Jobcenter – ihm (für ihn allein) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 11. April 2015 bis Ende September 2015 bewilligt. Seit dem 19. Juli 2015 hat er einen bis Ende Oktober 2015 befristeten (dem Jobcenter mitzuteilenden) Arbeitsvertrag bei einem Personaldienstleistungsunter-nehmen. Im Juni und Juli 2015 hat er (trotz oder wegen der die Strafaussetzung ablehnenden Entscheidung des Landgerichts) zumindest zwölf weitere Stunden gemeinnütziger Arbeit erbracht. Straftaten in der Vorbewährungszeit sind – nach Einstellung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Bielefeld (586 Js 755/15) mangels genügenden Tatverdachts – nicht bekannt geworden.
12Insgesamt reichen die derzeitigen Erkenntnisgrundlagen nach Wertung des Senats noch immer nicht aus, um nunmehr die im Urteil vorbehaltene nachträgliche Entscheidung über die Strafaussetzung zu treffen. Insofern ist insbesondere von Belang, ob der Verurteilte die zuletzt gezeigten positiven Ansätze weiterverfolgt, namentlich ob er
13- zum Ende der verlängerten Vorbewährungszeit und seines befristeten Arbeitsverhältnisses eine weitergehende schulische oder berufliche Perspektive entwickelt, etwa durch Fortsetzung der Schulausbildung, Aufnahme einer beruflichen Ausbildung oder Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages,
14- nunmehr von sich aus regelmäßig jeden Monat die im Bewährungsbeschluss auferlegten Stunden gemeinnütziger Arbeit erbringt,
15- unaufgefordert mit seinem Bewährungshelfer kontinuierlich eng zusammenarbeitet,
16- keinerlei neue Straftaten begeht.
17c) Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.
182. (Alleinentscheidung des Vorsitzenden)
19Der Antrag auf Beiordnung des Verteidigers ist gegenstandslos, da eine das Haupt-verfahren betreffende Verteidigerbestellung im Verfahren über die Aussetzung der Jugendstrafe gemäß § 57 JGG fortwirkt (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24. März 1998 - 3 Ws 53/98, StV 1998, 348; vgl. entsprechend zu nachträglichen Gesamtstrafenbildungen KG, Beschluss vom 12. Oktober 2010 - 2 Ws 521/10, NStZ-RR 2011, 86 f.; OLG Köln, Beschluss vom 22. März 2010 - 2 Ws 168/10, juris Rn. 9 mwN).
20Ein Rechtsschutzbedürfnis für die hilfsweise begehrte Feststellung, dass die Bestellung fortwirke, ist weder dargelegt noch ersichtlich.
moreResultsText
Annotations
(1) Die vorbehaltene Entscheidung ergeht spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils. Das Gericht kann mit dem Vorbehalt eine kürzere Höchstfrist festsetzen. Aus besonderen Gründen und mit dem Einverständnis des Verurteilten kann die Frist nach Satz 1 oder 2 durch Beschluss auf höchstens neun Monate seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils verlängert werden.
(2) Zuständig für die vorbehaltene Entscheidung ist das Gericht, in dessen Urteil die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten.
(1) Das Gericht kann im Urteil die Entscheidung über die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung ausdrücklich einem nachträglichen Beschluss vorbehalten, wenn
- 1.
nach Erschöpfung der Ermittlungsmöglichkeiten die getroffenen Feststellungen noch nicht die in § 21 Absatz 1 Satz 1 vorausgesetzte Erwartung begründen können und - 2.
auf Grund von Ansätzen in der Lebensführung des Jugendlichen oder sonstiger bestimmter Umstände die Aussicht besteht, dass eine solche Erwartung in absehbarer Zeit (§ 61a Absatz 1) begründet sein wird.
(2) Ein entsprechender Vorbehalt kann auch ausgesprochen werden, wenn
- 1.
in der Hauptverhandlung Umstände der in Absatz 1 Nummer 2 genannten Art hervorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit weiteren Umständen die in § 21 Absatz 1 Satz 1 vorausgesetzte Erwartung begründen könnten, - 2.
die Feststellungen, die sich auf die nach Nummer 1 bedeutsamen Umstände beziehen, aber weitere Ermittlungen verlangen und - 3.
die Unterbrechung oder Aussetzung der Hauptverhandlung zu erzieherisch nachteiligen oder unverhältnismäßigen Verzögerungen führen würde.
(3) Wird im Urteil der Vorbehalt ausgesprochen, gilt § 16a entsprechend. Der Vorbehalt ist in die Urteilsformel aufzunehmen. Die Urteilsgründe müssen die dafür bestimmenden Umstände anführen. Bei der Verkündung des Urteils ist der Jugendliche über die Bedeutung des Vorbehalts und seines Verhaltens in der Zeit bis zu der nachträglichen Entscheidung zu belehren.
(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c, 72a bis 73 und 81a entsprechend anzuwenden. Die Bestimmungen des § 70a sind nur insoweit anzuwenden, als sich die Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden geboten ist.
(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. § 66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. § 74 ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Antragstellers nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.
(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.
(1) Bei der Verurteilung zu einer Jugendstrafe von nicht mehr als einem Jahr setzt das Gericht die Vollstreckung der Strafe zur Bewährung aus, wenn zu erwarten ist, daß der Jugendliche sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs unter der erzieherischen Einwirkung in der Bewährungszeit künftig einen rechtschaffenen Lebenswandel führen wird. Dabei sind namentlich die Persönlichkeit des Jugendlichen, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen zu berücksichtigen, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind. Das Gericht setzt die Vollstreckung der Strafe auch dann zur Bewährung aus, wenn die in Satz 1 genannte Erwartung erst dadurch begründet wird, dass neben der Jugendstrafe ein Jugendarrest nach § 16a verhängt wird.
(2) Das Gericht setzt unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 auch die Vollstreckung einer höheren Jugendstrafe, die zwei Jahre nicht übersteigt, zur Bewährung aus, wenn nicht die Vollstreckung im Hinblick auf die Entwicklung des Jugendlichen geboten ist.
(3) Die Strafaussetzung kann nicht auf einen Teil der Jugendstrafe beschränkt werden. Sie wird durch eine Anrechnung von Untersuchungshaft oder einer anderen Freiheitsentziehung nicht ausgeschlossen.
(1) Begeht ein Heranwachsender eine Verfehlung, die nach den allgemeinen Vorschriften mit Strafe bedroht ist, so wendet der Richter die für einen Jugendlichen geltenden Vorschriften der §§ 4 bis 8, 9 Nr. 1, §§ 10, 11 und 13 bis 32 entsprechend an, wenn
- 1.
die Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Täters bei Berücksichtigung auch der Umweltbedingungen ergibt, daß er zur Zeit der Tat nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung noch einem Jugendlichen gleichstand, oder - 2.
es sich nach der Art, den Umständen oder den Beweggründen der Tat um eine Jugendverfehlung handelt.
(2) § 31 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 ist auch dann anzuwenden, wenn der Heranwachsende wegen eines Teils der Straftaten bereits rechtskräftig nach allgemeinem Strafrecht verurteilt worden ist.
(3) Das Höchstmaß der Jugendstrafe für Heranwachsende beträgt zehn Jahre. Handelt es sich bei der Tat um Mord und reicht das Höchstmaß nach Satz 1 wegen der besonderen Schwere der Schuld nicht aus, so ist das Höchstmaß 15 Jahre.
(1) Die vorbehaltene Entscheidung ergeht spätestens sechs Monate nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils. Das Gericht kann mit dem Vorbehalt eine kürzere Höchstfrist festsetzen. Aus besonderen Gründen und mit dem Einverständnis des Verurteilten kann die Frist nach Satz 1 oder 2 durch Beschluss auf höchstens neun Monate seit Eintritt der Rechtskraft des Urteils verlängert werden.
(2) Zuständig für die vorbehaltene Entscheidung ist das Gericht, in dessen Urteil die zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen letztmalig geprüft werden konnten.
(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c, 72a bis 73 und 81a entsprechend anzuwenden. Die Bestimmungen des § 70a sind nur insoweit anzuwenden, als sich die Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden geboten ist.
(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. § 66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. § 74 ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Antragstellers nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.
(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.
(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.
(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.
(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.
(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.
(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.
(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag
- 1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder - 2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.
(1) Die Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung wird im Urteil oder, solange der Strafvollzug noch nicht begonnen hat, nachträglich durch Beschluß angeordnet. Ist die Entscheidung über die Aussetzung nicht im Urteil vorbehalten worden, so ist für den nachträglichen Beschluss das Gericht zuständig, das in der Sache im ersten Rechtszug erkannt hat; die Staatsanwaltschaft und der Jugendliche sind zu hören.
(2) Hat das Gericht die Entscheidung über die Aussetzung nicht einem nachträglichen Beschluss vorbehalten oder die Aussetzung im Urteil oder in einem nachträglichen Beschluss abgelehnt, so ist ihre nachträgliche Anordnung nur zulässig, wenn seit Erlaß des Urteils oder des Beschlusses Umstände hervorgetreten sind, die allein oder in Verbindung mit den bereits bekannten Umständen eine Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung rechtfertigen.
(3) Kommen Weisungen oder Auflagen (§ 23) in Betracht, so ist der Jugendliche in geeigneten Fällen zu befragen, ob er Zusagen für seine künftige Lebensführung macht oder sich zu Leistungen erbietet, die der Genugtuung für das begangene Unrecht dienen. Kommt die Weisung in Betracht, sich einer heilerzieherischen Behandlung oder einer Entziehungskur zu unterziehen, so ist der Jugendliche, der das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat, zu befragen, ob er hierzu seine Einwilligung gibt.
(4) § 260 Abs. 4 Satz 4 und § 267 Abs. 3 Satz 4 der Strafprozeßordnung gelten entsprechend.