Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 15. Okt. 2014 - 20 W 28/14
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss der 15. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Der Beschwerdewert beträgt 2.000,00 Euro.
1
Gründe
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer für sein Wohnhaus O-Straße in O2 abgeschlossenen Hausrat- und Gebäudeversicherung auf Entschädigung von Schäden in Anspruch, die bei einem Brand am 28.04.2011 entstanden sein sollen.
4Wegen des für den streitigen Versicherungsfall maßgeblichen Versicherungsschutzes wird auf die Kopie des Versicherungsscheins vom 31.07.2007 sowie die ebenfalls zur Akte gereichten VHB 2003 (für die Hausratversicherung) sowie die VGB 2003 (für die Gebäudeversicherung) Bezug genommen.
5Der Kläger behauptet, er habe am 28.04.2011 einen Topf mit Eisbein und Zutaten in Wasser auf dem Herd seiner Küche erwärmt und danach das Haus in der Annahme verlassen, den Herd abgestellt zu haben, weil die Kontrollleuchte am Herd aufgrund eines Defektes nicht geleuchtet habe. Da die Herdplatte den Topfinhalt tatsächlich – aufgrund eines weiteren Defektes – mit voller Kraft erhitzt habe, sei das Wasser im Topf verdampft und das Eisbein nebst weiteren Zutaten schließlich in Brand geraten. Bei Rückkehr des Klägers in sein Haus sei bereits eine offene Flamme aus dem Topf geschlagen. Ein Übergreifen der Flamme auf weitere Gegenstände habe der Kläger nur verhindern können, indem er den Deckel auf den Topf gesetzt und diesen nach draußen befördert habe. Infolge des Brandes seien Küche und angrenzende Räume seines Hauses mit einem Schmier- und Rußfilm überzogen worden, der nur im Wege einer aufwändigen Reinigung zu entfernen sei.
6Der Kläger beziffert seinen Schaden entsprechend dem von ihm eingeholten Gutachten des Privatsachverständigen X auf 5.882,00 Euro Zeitwertschaden bzw. 6.336,00 Euro Neuwertschaden am Gebäude sowie 6.641,00 Euro Schaden am Hausrat und macht daneben einen Mietausfall von 245,00 Euro geltend. Insoweit wird auf das Gutachten X vom 31.05.2011 Bezug genommen.
7Die Beklagte hat demgegenüber nur angeboten, den Schaden als versicherten Sengschaden zu regulieren und 500,00 Euro zu zahlen.
8Der Kläger beantragt demgemäß,
91. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 13.222,00 Euro nebst Zinsen iHv 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit und 430,66 Euro vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten zu zahlen;
102. festzustellen, dass die Beklagte auch die weitergehenden Kosten zur Dekontaminierung des Hauses zu tragen hat.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie bestreitet eine offene Flammenbildung im Topf des Klägers und meint, sie sei ihrer Regulierungspflicht durch Angebot des Höchstentschädigung für Sengschäden nachgekommen. Zur Schadenshöhe beruft sie sich auf die Wiederherstellungsklausel in der Gebäudeversicherung und meint, dass allenfalls eine Zeitwertentschädigung fällig sein könne, nicht aber die Kosten von wertverbessernden Arbeiten, wie sie sich aus den vorgelegten Privatgutachten ergäben.
14Im Übrigen steht die Beklagte auf dem Standpunkt, dass dem Kläger gem. § 81 VVG eine grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls vorzuhalten sei, weil er das Haus verlassen habe, ohne den Herd abzuschalten. Dies rechtfertige eine Anspruchskürzung um mindestens 75 %.
15Das Landgericht hat mit Beweisbeschluss vom 14.08.2012 ein Gutachten u. a. dazu eingeholt, ob es am Schadenstag zu einem bedingungsgemäßen Verbrennungsvorgang gekommen ist.
16Der Sachverständige Dipl.-Ing. D hat in seinem Gutachten vom 10.01.2013 festgestellt, dass es im Topf zu einer Flammenbildung gekommen sei, die eine Brandübertragung auf andere brennbare Gegenstände indes nicht habe erwarten lasse. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08.08.2013 hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Kontrolleuchte am Herd des Klägers wie behauptet defekt sei. Zudem heize sich die Herdplatte, auf der der Topf am Schadentag gestanden habe, in jeder Schaltstufe mit voller Leistung auf.
17Zur festgestellten Flammenbildung im Topf hat der Sachverständige erklärt, dass diese ca. 10 cm hoch aus dem Topf geschlagen sei.
18Wegen der Einzelheiten wird auf die Gutachten vom 10.01. und 08.08.2013 verwiesen.
19Nachdem das Landgericht sodann mit Beschluss vom 13.05.2014 eine weitere sachverständige Begutachtung zur Schadenshöhe sowie Zahlung eines Auslagenvorschusses iHv 2.000,00 Euro durch den Kläger angeordnet hatte, ist mit angefochtenem Beschluss vom 08.07.2014 das zwischenzeitlich gestellte Prozesskostenhilfegesuch des Klägers abgelehnt worden. Zur Begründung hat die nunmehr zuständige Einzelrichterin ausgeführt, dass ein Brand iSd maßgeblichen § 5 Nr. 1 VGB 2003 bzw. § 4 Nr. 1 VHB 2003 nach den eingeholten Gutachten nicht nachgewiesen sei, weil das vom Sachverständigen festgestellte Feuer im Topf sich nicht aus eigener Kraft habe ausbreiten können. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe verwiesen.
20Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde macht der Kläger geltend, dass die sachverständig festgestellte offene Flammenbildung im Topf für einen bedingungsgemäßen Brand ausreiche. Angesichts der auch vom Gutachter bestätigten thermischen Beaufschlagung des Küchenoberschrankes hätte die Wärmeenergie des im Topf ausgebrochenen Feuers auch ausgereicht, auf andere Gegenstände überzugreifen.
21Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegte.
22II.
23Die zulässige und gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Dem Kläger war keine Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil seine Klage keine Aussicht auf Erfolg iSd § 114 ZPO hat.
24Die von ihm geltend gemachten Entschädigungsansprüche scheitern daran, dass der Versicherungsfall „Brand“ vom Kläger nicht nachgewiesen werden kann.
25Ein Brand iSd § 4 Nr. 1 VHB 2003 bzw. § 5 Nr. 1 VGB 2003 ist ein Feuer, das ohne einen bestimmungsgemäßen Herd entstanden ist oder ihn verlassen hat und das sich aus eigener Kraft auszubreiten vermag.
26Zwar ist mit der sachverständig festgestellten Flammenbildung im Topf des Klägers ein Feuer ohne einen bestimmungsgemäßen Herd iS dieser Vorschriften entstanden. Bestimmungsgemäßer Herd ist jede Ausgangsstelle eines Feuers, die dazu bestimmt ist, Feuer zu erzeugen oder aufzunehmen (Prölls/Martin/Armbrüster, VVG 28. Aufl. 2010, § 1 AFB 2008, Rn. 1). Das Feuer ist nur dann in einem bestimmungsgemäßen Herd entstanden, wenn es dort von dem Berechtigten angezündet wurde (Prölls/Martin/Knappmann aaO, § 4 VHB 2000, Rn. 1). Der Topf des Klägers diente nicht der Verbrennung, sondern lediglich der Erwärmung von Speisen. Das in diesem Topf ausgebrochene Feuer war auch nicht vom Kläger entfacht worden, sondern allein aufgrund der Hitzeentwicklung im Topf ausgebrochen und somit ohne bestimmungsgemäßen Herd entstanden.
27Dieses Feuer vermochte sich indes nicht aus eigener Kraft iSd zitierten Klauseln auszubreiten.
28Insoweit muss die entstandene Wärmeenergie in der Lage sein, außerhalb des Herdes befindliche Sachen zu entzünden (Prölls/Martin/Knappmann aaO, § 4 VHB 2000, Rn. 1). Dafür reicht allerdings nicht die generelle Fähigkeit des Feuers aus, sich unter günstigen Umständen ausbreiten zu können. Da nicht die allgemeine, sondern die konkrete Gefährlichkeit des Feuers versichert ist, kommt es darauf an, ob das Feuer in der konkreten Situation in der Lage war, sich weiter auszubreiten. Ein Feuer vermag sich dann auszubreiten, wenn es in der Nähe liegende brennbare Gegenstände erfasst hat, nicht dagegen, obwohl es mit gleicher Intensität brennt, wenn es diese Gegenstände noch nicht erfasst hat oder wenn es überhaupt an brennbaren Materialien fehlt (OLG Hamm, VersR 1993, 220, Juris-Rn. 9).
29Die vom Sachverständigen bestätigte Flammenbildung im Kochtopf zehrte allein von den Speiseresten im Topf bzw. von dem in den halb geschlossenen Topf hereinströmenden Sauerstoff, welcher immer wieder stichflammenartig verbrannte. Weder befanden sich im Bereich der aus dem Topf austretenden Stichflammen brennbare Gegenstände noch hatte das im Topf entfachte Feuer irgendwelche Substanzen bereits erfasst, die sich außerhalb des Herdes, d. h. der verbrannten Speisereste befand. Soweit der Kläger darauf abhebt, dass es bereits zu einer thermischen Beaufschlagung am Küchenoberschrank gekommen sei, hat der Sachverständige gerade nicht festgestellt, dass ein Übergreifen der Flammen auf diesen Schrank oder andere Einrichtungsgegenstände zu erwarten war. Zwar wäre der Sauerstoff im Topf immer wieder stichflammenartig verbrannt, solange noch brennbare Speisereste dem Feuer Nahrung gaben – die Flammen reichten aber nicht bis an den Oberschrank heran. Dass allein die im Topf entwickelte Wärmeenergie von 280 bis 350 Grad Celsius ausgereicht hat, um den darüber befindlichen Oberschrank zu entzünden, hat der Sachverständige auch nicht festgestellt. Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht zu Recht einen Brand iSd Versicherungsbedingungen verneint und Prozesskostenhilfe für den Kläger abgelehnt.
30III.
31Die Kostenentscheidung beruht auf § 124 Abs. 4 ZPO. Der Beschwerdewert orientiert sich an dem vom Kläger aufzubringenden Kostenvorschuss für den Sachverständigen.
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(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.
(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.
(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.
(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.
(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.
(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.
(1) Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn
- 1.
die Partei durch unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses die für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe maßgebenden Voraussetzungen vorgetäuscht hat; - 2.
die Partei absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtige Angaben über die persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht oder eine Erklärung nach § 120a Absatz 1 Satz 3 nicht oder ungenügend abgegeben hat; - 3.
die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht vorgelegen haben; in diesem Fall ist die Aufhebung ausgeschlossen, wenn seit der rechtskräftigen Entscheidung oder sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen sind; - 4.
die Partei entgegen § 120a Absatz 2 Satz 1 bis 3 dem Gericht wesentliche Verbesserungen ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse oder Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat; - 5.
die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate oder mit der Zahlung eines sonstigen Betrages im Rückstand ist.
(2) Das Gericht kann die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, soweit die von der Partei beantragte Beweiserhebung auf Grund von Umständen, die im Zeitpunkt der Bewilligung der Prozesskostenhilfe noch nicht berücksichtigt werden konnten, keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder der Beweisantritt mutwillig erscheint.