Oberlandesgericht Hamm Beschluss, 24. Juni 2014 - 12 UF 53/14
Gericht
Tenor
Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Dortmund (Az. 126 F 5763/13) abgeändert.
Der Antrag der Kindesmutter wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten tragen die Kindesmutter und der Kindesvater jeweils zur Hälfte. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die seit Juni 2013 geschiedenen Kindeseltern sind gemeinsam sorgeberechtigt. Die Kindesmutter ist Christin, der Kindesvater ist Moslem. Aufgrund der unterschiedlichen Religionszugehörigkeit hatten die Kindeseltern zunächst bewusst davon abgesehen, die Kinder taufen oder D beschneiden zu lassen. Die Kinder sind zur Zeit 8 Jahre alt und leben seit der Trennung der Eltern im Haushalt der Kindesmutter.
4Die Kinder besuchten zunächst einen katholischen Kindergarten und wechselten anschließend zu einer katholischen Grundschule, wo sie auch am katholischen Religionsunterricht teilnehmen und Schulgottesdienste besuchen. Der Kindesvater erteilte dazu seine Zustimmung aus praktischen Erwägungen. Die katholischen Einrichtungen liegen näher am Wohnort der Kinder.
5Die Kindesmutter beabsichtigt, die Kinder taufen und an der Erstkommunion teilnehmen zu lassen. Die beiden älteren Halbgeschwister haben bereits die Erstkommunion empfangen.
6Der Kindesvater ist mit Taufe und Kommunion nicht einverstanden.
7Die Kindesmutter hat behauptet, dass sie die Kinder im christlichen Glauben erzogen habe. Die Kinder selbst würden unbedingt - wie ihre Mitschüler - in diesem Jahr zur Kommunion gehen wollen. Der Kindesvater habe sich auch nie bemüht, den Kindern den islamischen Glauben näher zu bringen.
8Die Kindesmutter hat beantragt,
9ihr die Entscheidung darüber zu übertragen, die gemeinsamen Kinder C und D christlich taufen und sie an der Erstkommunion teilnehmen zu lassen.
10Der Kindesvater hat beantragt,
11den Antrag zurückzuweisen.
12Der Kindesvater hat behauptet, dass die Kindesmutter selbst nicht die katholischen Glaubensregeln befolge und auch die Kinder nie dazu angehalten habe. Der Wunsch der Kinder, sich taufen zu lassen und an der Erstkommunion teilnehmen zu wollen, beruhe allein auf einer Art Gruppenzwang. Es gehe ihnen mehr um die Geschenke als um die bewusste Entscheidung zugunsten einer Religion. Für eine solche Entscheidung seien sie noch nicht alt genug
13Durch Beschluss vom 07.02.2014 hat das Amtsgericht dem Begehren der Kindesmutter stattgegeben und hat ihr das Recht zur alleinigen Entscheidung über Taufe und Kommunion übertragen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Kinder im Haushalt der Mutter lebten und es Aufgabe der Mutter sei, die Kinder in ihr Lebensumfeld zu integrieren. Ihr Umfeld sei christlich geprägt. Die Kinder wollten auch in dieses christliche Umfeld integriert werden. Es sei ihr ausdrücklicher Wunsch, an Taufe und Erstkommunion ebenso wie ihre Freunde teilzunehmen. Dieser Wunsch sei auch trotz des Alters der Kinder zu respektieren. Der Vater habe sich bisher in die religiöse Erziehung nicht eingebracht, so dass die Kinder auch keinen Bezug zum Islam hätten. Auch nach der Taufe könne er noch seinen Kindern den islamischen Glauben näher bringen.
14Gegen diesen Beschluss wendet sich der Kindesvater mit seiner Beschwerde. Er nimmt im Wesentlichen auf seinen erstinstanzlichen Vortrag Bezug.
15Durch die Taufe würden vollendete Tatsachen geschaffen. Es sei davon auszugehen, dass die Kinder nach Taufe und Erstkommunion sich vollständig der katholischen Glaubensgemeinschaft zugehörig fühlen würden und das Interesse an der Religion des Vaters verlieren würden.
16Der Kindesvater beantragt,
17den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht - Dortmund vom
1807.02.2014 – Az. 126 F 5763/13 – abzuändern und den Antrag der
19Kindesmutter zurückzuweisen.
20Die Kindesmutter beantragt,
21die Beschwerde zurückzuweisen.
22Sie verteidigt den angefochtenen Beschluss unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
23Der Senat hat die die Kinder, Kindeseltern und den Verfahrensbeistand persönlich angehört. Es wird insoweit auf das Sitzungsprotokoll vom 04.06.2014 verwiesen.
24II.
25Die zulässige Beschwerde ist begründet, weil die Voraussetzungen für die Übertragung der Entscheidung über Taufe und Kommunion auf die Kindesmutter nach § 1628 BGB nicht vorliegen.
26Gem. § 1628 BGB kann einem Elternteil bei Meinungsverschiedenheiten in einer Angelegenheit die alleinige Entscheidungsbefugnis übertragen werden. Maßgebend ist dabei das Wohl des Kindes.
27Die Eltern sind hier unterschiedlicher Auffassung über die Religionszugehörigkeit und den Zeitpunkt von Taufe und Erstkommunion. Einigungsgespräche sind gescheitert.
28Es ist hier nicht feststellbar, dass die Übertragung auf der Entscheidung über Taufe und Erstkommunion auf die Kindesmutter dem Kindeswohl am besten entspricht.
29Zwar ist hier zu berücksichtigen, dass die Kinder im Haushalt der Kindesmutter leben und seit der Trennung der Kindeseltern mit den christlichen Traditionen aufwachsen. Die Familie der Kindesmutter feiert die traditionellen christlichen Feste. Auch besucht sie zur Zeit mit den Kindern regelmäßig den Gottesdienst. Die Kinder besuchen die eine katholische Grundschule. Dort nehmen sie am katholischen Religionsunterricht und an Schulgottesdiensten teil. Die beiden älteren Halbgeschwister sind ebenfalls zur Kommunion gegangen. Die Kinder selbst wünschen auch die Taufen und den Empfang der Kommunion, weil auch alle ihre Freunde zur Kommunion gegangen sind und sie zur Gemeinschaft, der die Familie ihrer Mutter angehört, dazu gehören wollen.
30Der Senat hält dennoch die Übertragung der Entscheidung über die Religionszugehörigkeit auf die Kindesmutter nicht für dem Kindeswohl am besten entsprechend.
31Vielmehr erscheint es insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Eltern des betroffenen Kinder aus verschiedenen Kulturkreisen stammen und verschiedenen Religionsgemeinschaften angehören, geboten, die Kinder nicht bereits jetzt endgültig in eine Religionsgemeinschaft zu integrieren, wie es durch Taufe und Kommunion der Fall wäre (so auch OLG Düsseldorf, FamRZ 2010, 1255). Den Kindern entsteht hieraus kein Nachteil. Auch ohne Taufe und Kommunion können wie weiter an den Gottesdiensten und am Religionsunterreicht teilnehmen. Ein Ausschluss aus der Gemeinschaft, der sie faktisch bereits angehören, droht ihnen nicht.
32Im Übrigen ist der Wunsch der Kinder hier nicht in den Vordergrund zu stellen. Nach § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung steht Kindern das Recht zur Entscheidung über das religiöse Bekenntnis erst ab dem 14. Lebensjahr zu.
33Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.
Annotations
Können sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten der elterlichen Sorge, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil übertragen. Die Übertragung kann mit Beschränkungen oder mit Auflagen verbunden werden.
Nach der Vollendung des vierzehnten Lebensjahrs steht dem Kinde die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will. Hat das Kind das zwölfte Lebensjahr vollendet, so kann es nicht gegen seinen Willen in einem anderen Bekenntnis als bisher erzogen werden.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.