Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 15. Aug. 2013 - VII-Verg 13/13
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Detmold vom 13. Mai 2013 (VK. 1-09/12) unter Ziff. 3 des Tenors wie folgt abgeändert:
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren war für den Antragsgegner notwendig.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Beschwerdewert wird auf bis zu 2.500 € festgesetzt.
1
G r ü n d e :
2I.
3Im Februar 2012 schrieb die Antragsgegnerin den Auftrag „Gebäudeautomation für den Ersatzneubau der Universität ...“ im offenen Verfahren europaweit aus. Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene beteiligten sich am Vergabeverfahren und reichten Angebote ein. Mit Schreiben vom 18.06.2012 teilte die Antragsgegnerin zunächst der Beigeladenen mit, eine Zuschlagserteilung an die Antragstellerin zu beabsichtigen. Nach erfolgloser Rüge reichte die Beigeladene einen Nachprüfungsantrag ein. Noch vor Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer half die Antragsgegnerin der Rüge der Beigeladenen ab und teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom 12.10.2012 mit, den Zuschlag nunmehr der Beigeladenen erteilen zu wollen. Sie – die Antragstellerin – sei mit ihrem Angebot von der Vergabe auszuschließen, weil ihr Angebot von den Ausschreibungsbedingungen abweiche und diese abändere. Die Beigeladene nahm daraufhin ihren Nachprüfungsantrag zurück. Nunmehr rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabeentscheidung und reichte einen Nachprüfungsantrag ein. Mit Beschluss vom 23.01.2013 hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Detmold dem Antrag der Antragsgegnerin, ihr gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 GWB den vorzeitigen Zuschlag zu gestatten, stattgegeben. Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit einem Antrag nach § 115 Abs. 2 Satz 5 GWB auf Wiederherstellung des Zuschlagsverbots. Mit Beschluss vom 12. Februar 2013 hat der Senat den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen (VII-Verg 1/13). Daraufhin nahm die Antragstellerin den Nachprüfungsantrag mit Schriftsatz vom 13.02.2013 zurück.
4Mit Beschluss vom 13.05.2013 hat die Vergabekammer unter Ziffer 3 die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner für nicht notwendig erklärt. Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner sofortigen Beschwerde und begehrt insoweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen mit der Begründung, dass insbesondere wegen komplexer verfahrensrechtlicher Fragen die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erforderlich gewesen sei.
5Die Antragstellerin ist der Beschwerde entgegen getreten.
6Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze verwiesen.
7II.
8Die zulässige Beschwerde ist begründet.
91. Das Rechtsmittel ist zulässig. Eine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist grundsätzlich auch isoliert gegen die Kostenentscheidung oder den Ausspruch, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig bzw. nicht notwendig war gemäß § 116 Abs. 1 GWB statthaft; § 99 ZPO findet keine entsprechenden Anwendung (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.01.2011, VII-Verg 42/10 – juris Tz. 13; Beschl. v. 14.11.2012, VII-Verg 42/12 – juris Tz. 15; OLG München, Beschl. v. 11.6.2008, Verg 6/08; Hunger in Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht § 116 Rn. 21). Über das Rechtsmittel kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da es sich nur gegen eine Nebenentscheidung der Vergabekammer richtet (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.01.2011, VII-Verg 42/10, a.a.O.; Beschl. v. 26.9.2003, VII Verg 31/03; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.3.2010 11 Verg 3/10).
102.
11Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Ablehnung der Vergabekammer, die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
12Ob die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters im Verfahren vor der Vergabekammer durch den öffentlichen Auftraggeber notwendig ist, kann nicht schematisch, sondern stets nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalles entschieden werden (BGH, Beschl. v. 26.9.2006 – X ZB 14/06; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2012, VII-Verg 42/12; Beschl. v. 03.01.2011, VII-Verg 42/10; Beschl. v. 26.9.2003, VII-Verg 31/03; OLG Koblenz, Beschl. v. 8.6.2006 1 Verg 4 u. 5/06; OLG München, Beschl. v. 11.6.2008, Verg 6/08; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.3.2010, 11 Verg 3/2010). Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere in Betracht zu ziehen, ob sich das Nachprüfungsverfahren hauptsächlich auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazu gehörenden Vergaberegeln konzentriert. Ist das der Fall, besteht im Allgemeinen für einen öffentlichen Auftraggeber keine Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten. In seinem originären Aufgabenkreis muss sich er sich selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen und bedarf daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten.
13Im Streitfall war in vergaberechtlicher Hinsicht zu überprüfen, ob das Angebot der Antragstellerin wegen Abänderung der Vergabeunterlagen auszuschließen war. Hierbei handelte es sich um eine auftragsbezogene Rechtsfrage, die die Auslegung der Leistungsbeschreibung und die Beurteilung des von der Antragstellerin angebotenen Automationssystems betrafen. Derartige Fragen kann ein öffentlicher Auftraggeber in aller Regel selber prüfen und im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens vertreten. Gleichwohl war die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für den Antragsgegner erforderlich, weil die Durchführung des Vergabeverfahrens durch verschiedene Rügen und Nachprüfungsanträge angegriffen worden war und die Antragsgegnerin sich nicht nur hiergegen verteidigen musste, sondern zudem auch mit wechselseitigen Eilanträgen konfrontiert war. Die mit der Verfahrensführung zusammen hängenden Rechtsfragen betrafen nicht den unmittelbaren Aufgabenbereich der Vergabestelle und mussten unter einem erheblichen Beschleunigungs– und Zeitdruck beantwortet und sachgerecht umgesetzt werden. Hinzu kommt, dass die Angelegenheit wegen der hohen Anzahl zu erwartender Neuzugänge an der Universität Bielefeld für den Antragsgegner von erheblicher Bedeutung war. Es ist gerichtsbekannt, dass derzeit die Zahl an Studienanfängern in der Bundesrepublik wegen der durch die Umstellung der gymnasialen Schulzeit auf acht statt bisher neun Jahre und der dadurch bedingten Doppeljahrgänge erheblich gestiegen ist.
14Zu berücksichtigen ist außerdem, dass der Antragsgegner nach seinem Vorbringen im hier maßgeblichen Zeitraum im eigenen Haus wegen zu berücksichtigender familiärer Interessen der Bediensteten der eigenen Rechtsabteilung nicht auf entsprechend geschultes Personal zurückgreifen konnte und sich externen Rechtsbeistands bedienen musste. Durch die pauschale Behauptung, der Antragsgegner verfüge neben seinem Justitiar über weitere Juristen, die über vergaberechtliche Kenntnisse verfügten, ist die Antragstellerin diesem Vortrag nicht hinreichend entgegen getreten. Der Antragsgegner unterhält eine Vielzahl an Niederlassungen in Nordrhein-Westfalen, die einen erheblichen Immobilienbestand verwalten. Dies führt naturgemäß zu einer Vielzahl zu vergebender öffentlicher Aufträge, die der vergaberechtlichen Betreuung bedürfen. Dass hierfür Justitiare zur Verfügung stehen, ist naheliegend. Dass diese aber für das hier streitgegenständliche Verfahren auch eingesetzt werden konnten, behauptet auch die Antragstellerin nicht.
153.
16Die Kostenentscheidung beruht auf § 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 GWB.
17Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 50 Abs. 2 GKG, wobei lediglich die voraussichtlich festsetzbaren Kosten angesetzt wurden.
18Dicks Brackmann Dr. Egger
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(1) Die Anfechtung der Kostenentscheidung ist unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird.
(2) Ist die Hauptsache durch eine auf Grund eines Anerkenntnisses ausgesprochene Verurteilung erledigt, so findet gegen die Kostenentscheidung die sofortige Beschwerde statt. Dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt. Vor der Entscheidung über die Beschwerde ist der Gegner zu hören.
(1) Die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde kann von den am Beschwerdeverfahren Beteiligten durch Nichtzulassungsbeschwerde angefochten werden.
(2) Über die Nichtzulassungsbeschwerde entscheidet der Bundesgerichtshof durch Beschluss, der zu begründen ist. Der Beschluss kann ohne mündliche Verhandlung ergehen.
(3) Die Nichtzulassungsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der angefochtenen Entscheidung.
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(5) Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet sein; dies gilt nicht für Nichtzulassungsbeschwerden der Kartellbehörden.
(6) Wird die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen, so wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs rechtskräftig. Wird die Rechtsbeschwerde zugelassen, so wird das Verfahren als Rechtsbeschwerdeverfahren fortgesetzt. In diesem Fall gilt die form- und fristgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde als Einlegung der Rechtsbeschwerde. Mit der Zustellung der Entscheidung beginnt die Frist für die Begründung der Rechtsbeschwerde.
(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:
- 1.
über Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörden und über Rechtsbeschwerden (§§ 73 und 77 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen), - 2.
über Beschwerden gegen Entscheidungen der Regulierungsbehörde und über Rechtsbeschwerden (§§ 75 und 86 des Energiewirtschaftsgesetzes oder § 35 Absatz 3 und 4 des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes), - 3.
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(2) Im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer (§ 171 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) einschließlich des Verfahrens über den Antrag nach § 169 Absatz 2 Satz 5 und 6, Absatz 4 Satz 2, § 173 Absatz 1 Satz 3 und nach § 176 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen beträgt der Streitwert 5 Prozent der Bruttoauftragssumme.