Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 17. Apr. 2014 - VII-Verg 1/14
Gericht
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Köln vom 19. Dezember 2013 (VK VOB 36/2013) zu verlängern, wird abgelehnt.
Der Senatsbeschluss vom 15. Januar 2014 (VII-Verg 1/14) betreffend die einstweilige Verlängerung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels ist gegenstandslos.
Die Hauptbeteiligten des Verfahrens werden aufgefordert
- die Antragsgegnerin: dem Beschwerdegericht eine eventuelle Auftragsvergabe sofort mitzuteilen und dies durch geeignete Belege nachzuweisen,
- die Antragstellerin: dem Gericht mitzuteilen, ob und mit welchen Anträgen das Rechtsmittel aufrechterhalten bleiben soll.
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G r ü n d e :
2I. Die Antragsgegnerin schrieb im Mai 2013 die Generalsanierung des Tunnels ...straße in ... im offenen Verfahren aus. Angebote sollten auf einer elektronischen Vergabeplattform abgegeben werden. Innerhalb der Angebotsfrist reichten die Antragstellerin und die Beigeladene Angebote ein. Da am Auftrag interessierte Unternehmen technische Schwierigkeiten mit der Software der Vergabeplattform anzeigten, verlängerte die Antragsgegnerin die Angebotsfrist bis zum 10. Juli 2013. Auf Frage der Antragstellerin, wie mit bereits vorgelegten Angeboten umzugehen sei, teilte die Antragsgegnerin ihr sowie allen auftragsinteressierten Unternehmen mit:
3„Da die Submission verschoben wurde, kann die Stadt … Ihr Angebot bis dahin nicht einsehen. Sie haben die Möglichkeit, Ihr Angebot stehen zu lassen, so dass es am 10. Juli 2013 submittiert wird.
4Sie können bis zum neuen Submissionstermin aber auch ein neues Angebot abgeben.“
5Die Beigeladene reichte am 9. Juli 2013 ein neues Angebot ein, welches nach rechnerischer Prüfung das günstigste ist und den Zuschlag erhalten soll. Vier Tage nach Bieterinformation rügte die Antragstellerin die Vergabeentscheidung: Die Beigeladene habe mit dem ursprünglichen, nicht wirksam zurückgezogenen und mit dem Angebot vom 9. Juli 2013 Doppelangebote abgegeben, welche die Antragsgegnerin vergaberechtswidrig nicht ausgeschlossen habe. Mit dem Nachprüfungsantrag hat die Antragstellerin den Ausschluss der Angebote der Beigeladenen begehrt. Sie berühmt sich, nach der Beigeladenen nächstplatzierte Bieterin zu sein. Die Antragsgegnerin und die Beigeladene sind dem Nachprüfungsbegehren entgegen getreten.
6Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag durch Beschluss vom 19. Dezember 2013 (VK VOB 36/2013) abgelehnt. Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.
7Dagegen hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt, mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags einen Ausschluss des Angebots der Beigeladenen weiter verfolgt.
8Einstweilen ist, nachdem der Senat darüber bislang lediglich vorläufig befunden hat, abschließend über den Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels zu entscheiden. Dem Antrag haben die Antragsgegnerin und die Beigeladene widersprochen.
9Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze und die Anlagen sowie auf die beigezogenen Verfahrensakten der Vergabekammer und die Vergabeakten Bezug genommen.
10II. Die beantragte Verlängerung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB ist abzulehnen.
11Das Rechtsmittel ist ungeachtet umfangreicher Beschwerdeausführungen aller Voraussicht nach aus Rechtsgründen ohne Erfolg. Die Erfolgsaussichten der Beschwerde sind bei der Entscheidung über eine Verlängerung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsmittels nach wie vor in erster Linie zu berücksichtigen (zuletzt OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2014 - VII-Verg 2/14, BA 6 f. m.w.N.).
121. Allerdings ist der Nachprüfungsantrag nicht wegen Verstoßes gegen die Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB unzulässig. Zu rügen sind - entgegen einer auch bei Nachprüfungsinstanzen verbreiteten Fehlvorstellung - vom Antragsteller ausschließlich Verstöße des Auftraggebers gegen Vergabevorschriften, nicht aber solche von konkurrierenden Bieterunternehmen. Werden Vergabevorschriften von Bietern verletzt, bleibt immer abzuwarten, wie der Auftraggeber darauf reagiert, d.h., ob er dies zum Anlass für einen gebotenen Ausschluss nimmt oder nicht. Im Streitfall hat die Antragstellerin ihre Rechte dadurch gewahrt, dass sie auf die Bieterinformation innerhalb von vier Tagen beanstandet hat, die Antragsgegnerin habe vermeintliche Doppelangebote der Beigeladenen fehlerhaft nicht von der Wertung ausgeschlossen.
132. In der Sache sind der Nachprüfungsantrag und die Beschwerde nach Lage der Dinge unbegründet. Dafür ist maßgebend:
14a) § 10 Abs. 1 Nr. 8 VOB/A-EG,
15Bis zum Ablauf der Angebotsfrist können Angebote in Textform zurückgezogen werden (Zusatz: gegenüber dem Auftraggeber),
16ist im Streitfall entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht anzuwenden. Zwar hat die Beigeladene das ursprüngliche Angebot in solcher Form (§ 126b BGB) nicht zurückgenommen. § 10 Abs. 1 Nr. 8 VOB/A-EG regelt indes ausschließlich den Fall einer einseitigen Rücknahme des Angebots durch den Bieter. Darum geht es hier nicht.
17b) Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin den am Auftrag interessierten Unternehmen - transparent und diskriminierungsfrei (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006 - X ZB 14/06, Rn. 23) - aufgrund der Mitteilung,
18„Da die Submission verschoben wurde, kann die Stadt … Ihr Angebot bis dahin nicht einsehen. Sie haben die Möglichkeit, Ihr Angebot stehen zu lassen, so dass es am 10. Juli 2013 submittiert wird.
19Sie können bis zum neuen Submissionstermin aber auch ein neues Angebot abgeben.“
20vielmehr eine erneute Angebotsmöglichkeit und eine Erneuerung der Angebote eröffnet. Daran war sie, wenn sie dies für zweckmäßig oder rechtlich geboten hielt, durch § 10 Abs. 1 Nr. 8 VOB/A-EG nicht gehindert. Die Vergaberegularien unterliegen der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers.
21c) Die Formulierung der Mitteilung der Antragsgegnerin stellte Bieter vor die Alternative, das bisherige Angebot „stehen zu lassen“ oder aber „ein neues Angebot“ abzugeben. Auch ohne einen (hier nicht angebrachten) Zusatz, bei Einreichen eines neuen Angebots müsse das bisherige Angebot zurückgenommen werden oder es habe als zurückgenommen zu gelten, ist der Mitteilung im Wege der Auslegung eindeutig zu entnehmen, dass, sofern ein neues Angebot eingereicht würde, ein früheres Angebot erlöschen und nur noch das neue Angebot verbindlich sein sollte. In einem so zu verstehenden Sinn hat die Antragsgegnerin in der Mitteilung die Worte „neues Angebot“ gebraucht. In diesem Sinn ist die Mitteilung auch von der Beigeladenen aufgefasst worden, so ihre Antwort vom 24. Juli 2013 auf das Aufklärungsersuchen der Antragsgegnerin. Infolgedessen hat die Beigeladene kein sog. Doppelangebot eingereicht und die von der Antragstellerin aufgeworfene Ausschlussfrage stellt sich nicht.
22Über Kosten ist erst mit der die Beschwerdeinstanz abschließenden Entscheidung zu befinden.
23Dicks Brackmann Dr. Egger
24Anm.: Die Beschwerde wurde am 25.04.2014 zurückgenommen.
Annotations
(1) Öffentliche Auftraggeber können das Recht zur Teilnahme an Vergabeverfahren Werkstätten für Menschen mit Behinderungen und Unternehmen vorbehalten, deren Hauptzweck die soziale und berufliche Integration von Menschen mit Behinderungen oder von benachteiligten Personen ist, oder bestimmen, dass öffentliche Aufträge im Rahmen von Programmen mit geschützten Beschäftigungsverhältnissen durchzuführen sind.
(2) Voraussetzung ist, dass mindestens 30 Prozent der in diesen Werkstätten oder Unternehmen Beschäftigten Menschen mit Behinderungen oder benachteiligte Personen sind.
(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen
- 1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen, - 2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung, - 3.
zu Arbeitsverträgen, - 4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.
(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,
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bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder - 2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
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sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder - 2.
Leistungen betreffen, die - a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder - b)
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und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.
Ist durch Gesetz Textform vorgeschrieben, so muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden. Ein dauerhafter Datenträger ist jedes Medium, das
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es dem Empfänger ermöglicht, eine auf dem Datenträger befindliche, an ihn persönlich gerichtete Erklärung so aufzubewahren oder zu speichern, dass sie ihm während eines für ihren Zweck angemessenen Zeitraums zugänglich ist, und - 2.
geeignet ist, die Erklärung unverändert wiederzugeben.