Oberlandesgericht Düsseldorf Beschluss, 02. Apr. 2014 - I-3 Wx 242/13
Tenor
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Geschäftswert: bis 6.000 €.
1
G r ü n d e:
21.
3Die vier Beteiligten sind die leiblichen Abkömmlinge der Erblasserin, deren Ehemann vorverstorben war. In einem vorangegangenen Erbscheinsverfahren hatte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 8. Januar 2013 der Sache nach festgestellt, dass die Erblasserin keine (wirksamen) Verfügungen von Todes wegen hinterlassen habe.
4Die am 18. April 1944 geborene Beteiligte zu 3. wurde ausweislich des Vermerks in einer sie betreffenden Geburtsurkunde des Standesamtes des Kreises Wernigerode – Deutsche Demokratische Republik – vom 21. November 1980 von den Eheleuten W. mit Wirkung vom 16. August 1948 an Kindes Statt angenommen.
5Im vorliegenden Erbscheinsverfahren hat der Beteiligte zu 1. zunächst mit notariell beurkundeter Erklärung vom 1. März 2013 (UR-Nr. 293/2013 seines Verfahrensbevollmächtigten) auf Erteilung eines die Beteiligten zu 1. bis 4. als gesetzliche Miterben nach der Erblasserin zu je ¼ ausweisenden Erbscheins beantragt. Dies hat er mit notarieller Urkunde vom 2. Juli 2013 (UR-Nr. 979/2013 des Verfahrensbevollmächtigten) dahin geändert, die Erblasserin sei aufgrund gesetzlicher Erbfolge beerbt worden von den Beteiligten zu 1., 2. und 4. zu gleichen Teilen. Den geänderten Antrag hat der Beteiligte zu 1. sodann mit gesiegelter Schrift seines Verfahrensbevollmächtigten vom 16. August 2013 vollständig zurückgenommen und die Erteilung eines Erbscheins gemäß der Urkunde vom 1. März 2013 beantragt.
6Diesen Antrag hat das Nachlassgericht durch die angefochtene Entscheidung zurückgewiesen. Gegen den ihr am 25. Oktober 2013 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte zu 3. mit ihrer Rechtsmittelschrift, die jedenfalls am 8. November 2013 bei Gericht eingegangen war.
7Mit weiterem Beschluss vom 19. November 2013 hat das Nachlassgericht dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf als Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
8Unter dem 22. November 2013 hat der Beteiligte zu 1. einen weiteren Erbscheinsantrag – notarielle Urkunde vom 19. November 2013, UR-Nr. 1676/13 des Verfahrensbevollmächtigten – zur Nachlassakte gereicht, der wiederum auf dem Standpunkt beruht, die Beteiligte zu 3. sei nicht gesetzliche Miterbin nach der Erblasserin geworden. Hierzu hat das Nachlassgericht vermerkt, ein antragsgemäßer Bescheid würde lediglich wiederum ein Rechtsmittel provozieren, und den weiteren Geschäftsgang verfügt.
9Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte und der Testamentsakte 5 IV 179-180/12 AG Duisburg-Hamborn Bezug genommen.
102.
11Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 3. ist als befristete Beschwerde statthaft und auch im übrigen zulässig. In der Sache jedoch bleibt es ohne Erfolg. Im Ergebnis zu Recht hat sich das Nachlassgericht auf den Standpunkt gestellt, die Beteiligte zu 3. sei keine gesetzliche Miterbin nach der Erblasserin, weil durch die Adoption im Jahre 1948 alle aus dem Verhältnis zwischen der Beteiligten zu 3. und der Erblasserin sich ergebenden Rechte und Pflichten erloschen gewesen seien. Dabei kommt es auf zwischenzeitliche, d.h. der amtsgerichtlichen Endentscheidung vorangehende, Meinungsäußerungen des Nachlassgerichts zur Rechtslage nicht an.
12a)
13Die Beteiligte zu 3. ist beschwerdebefugt. Sie hat zwar den Erbscheinsantrag, über den zu befinden ist, nicht selbst gestellt, wäre aber berechtigt gewesen, als – vermeintliche – Miterbin einen gleichgelagerten Antrag auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins beim Nachlassgericht zu stellen.
14b)Aufgrund der Rücknahme des Änderungsantrages vom 2. Juli 2013 durch Schrift vom 16. August 2013 ist vom Senat allein über den ursprünglichen Antrag des Beteiligten zu 1. auf Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins vom 1. März 2013 zu befinden. Eine Entscheidung über den Antrag vom 19. November 2013 hat das Nachlassgericht – verfahrensökonomisch sinnvoll – ausdrücklich zurückgestellt.
15c)
16Der Antrag vom 1. März 2013 geht davon aus, die Erblasserin sei von allen vier hier Beteiligten als ihren leiblichen Kindern aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu gleichen Teilen beerbt worden. Das ist unzutreffend. Die Beteiligte zu 3. ist nicht gesetzliche Erbin nach der Erblasserin geworden, weil das Verwandtschaftsverhältnis im Todeszeitpunkt erloschen war.
17Über das von der Beteiligten zu 3. gleichfalls geäußerte Pflichtteilsbegehren haben die Gerichte im vorliegenden Erbscheinsverfahren ohnehin nicht zu befinden. Bemerkt sei allerdings, dass auch ein etwaiger Pflichtteilsanspruch das Bestehen eines Verwandt-schaftsverhältnisses zwischen der Erblasserin und der Beteiligten zu 3. voraussetzen würde.
18aa)
19Nach den zur Nachlassakte gereichten Unterlagen und von den Beteiligten auch nicht bezweifelt, unterlag die Adoption der Beteiligten zu 3. dem Recht zunächst der Sowjetischen Besatzungszone, hernach demjenigen der DDR.
20bb)
21Aufgrund der Annahme an Kindes statt im Jahre 1948 als solcher bestand die Rechtsbeziehung zwischen der Beteiligten zu 3. und ihrer leiblichen Mutter, der Erblasserin, zunächst fort. Dies folgte aus § 1764 des Bürgerlichen Gesetzbuches a.F., das 1948 auch noch auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone galt. Die von den Ländern dieser Zone 1948 erlassenen Gesetze, die die Erleichterung der Kindesannahme bezweckten, betrafen die Frage der Rechtsfolge nicht (Staudinger-Engler, BGB, 10./11. Aufl. 1969, vor § 1741 Rdnr. 58). Das „alte“ Recht des BGB aber sah, auch für die Minderjährigenadoption, lediglich die sogenannte einfache Adoption mit schwacher Wirkung vor, bei der die Rechtsbeziehungen zwischen dem angenommenen Kind und der Ursprungsfamilie fortbestanden; dies änderte sich erst mit dem Adoptionsgesetz von 1976 (für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland).
22cc)
231957 wurde aus dieser Adoption indes eine sogenannte Volladoption mit der Folge, dass die verwandtschaftliche Beziehung der Beteiligten zu 3. zu ihrer leiblichen Mutter, der Erblasserin, erlosch.
24Die Verordnung vom 29. November 1956 über die Annahme an Kindes Statt (Gesetzblatt der DDR, Teil I, 1954, 1326 ff.) ließ für das Gebiet der DDR nur noch die Adoption Minderjähriger zu. Im Unterschied zum Recht des BGB begründete die Adoption sowohl zwischen dem Kind und den Verwandten des Annehmenden wie auch zwischen den Abkömmlingen des Kindes und dem Annehmenden und seinen Verwandten die gleichen Rechte und Pflichten, wie sie zwischen leiblichen Verwandten bestehen (§ 8 VO). Vor allem aber bestimmte § 9 VO, dass mit der Annahme an Kindes Statt alle aus dem Verhältnis zwischen dem Kind und seinen leiblichen Verwandten sich ergebenden Rechte und Pflichten erlöschen sollten; mit anderen Worten wurde das vollständige Erlöschen der Rechtsbeziehungen des Kindes zur Ursprungsfamilie angeordnet. Jedoch regelte die am 1. Januar 1957 in Kraft getretene Verordnung nicht nur, dass die Wirkung einer künftigen Adoption diejenige einer Volladoption sei, vielmehr wurden durch sie zugleich die Vorschriften des „alten“ BGB aufgehoben, ohne dass – abgesehen von einer hier nicht in Betracht kommenden besonderen Fallgestaltung – Übergangsvorschriften vorgesehen gewesen wären, §§ 19, 15 VO (LG Mühlhausen FamRZ 2009, S. 1098 ff.). Dementsprechend sollten sich nach einer Entscheidung des Staatlichen Notariats Weimar aus dem Jahre 1958 die Wirkungen einer vor dem Inkrafttreten der Verordnung erfolgten Adoption nicht nach den Regeln des BGB, sondern nach den Vorschriften der neuen Adoptionsverordnung bestimmen (Staudinger-Engler a.a.O., Rdnr. 62).
25Im vorliegenden Fall kann die Überführung der Adoption in eine solche mit „starken“ Wirkungen, mithin in eine Volladoption, auch nicht deshalb bezweifelt werden, weil die Beteiligte zu 3. von Ehegatten angenommen worden war und der Ehemann bereits am 1. Mai 1948 verstarb. Die Frage, ob die §§ 8 und 9 der Adoptionsverordnung auch auf Adoptionsverhältnisse angewendet wurden, bei denen ein Teil nach der Adoption verstarb, ob also auch solche Adoptionsverhältnisse in eine Volladoption überführt wurden, stellt sich hier nicht. Denn der Zeitpunkt des Todes des Ehemannes liegt noch vor demjenigen des Wirkungsbeginns der Annahme an Kindes Statt, der auf den 16. August 1948 datiert. Von diesem Eintritt der Adoptionswirkungen an bis zum Jahre 1957 änderten sich die tatsächlichen Verhältnisse im Adoptionsverhältnis nicht, insbesondere trat kein Todesfall ein.
26dd)
27Angesichts dessen kommt dem Inkrafttreten des Familiengesetzbuches für das Gebiet der DDR am 1. April 1966 im gegebenen Fall keine maßgebliche Bedeutung mehr zu. Zum einen konnte hierdurch das Adoptionsverhältnis nicht mehr beeinflusst werden, weil zu dem genannten Zeitpunkt nicht nur der annehmende Ehemann, sondern auch die annehmende Ehefrau, diese am 1. Juni 1963, verstorben war. Zum anderen hätte auch eine Anwendung der Vorschriften des FGB nichts geändert. Denn nach § 2 EGFGB sollten die Bestimmungen des FGB für alle bei seinem Inkrafttreten bestehenden familienrechtlichen Verhältnisse (mit Ausnahme hier nicht einschlägiger Sonderfälle) gelten, und § 73 Abs. 1 FGB sah gleichfalls das Erlöschen der Rechtsbeziehungen zur Ursprungsfamilie, mithin die Volladoption, vor.
28ee)
29Nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten gilt diese Volladoption in ihrer Wirkung fort. Das folgt aus Art. 234 § 13 Abs. 1 Satz 1 EGBGB.
30Den Regelungen des § 13 a.a.O. liegt, ohne gesonderte Hervorhebung, der Gedanke zugrunde, dass im Beitrittsgebiet ausgesprochene Adoptionen anzuerkennen und grundsätzlich in das Recht des BGB überzuleiten seien. Indem in § 13 Abs. 1 Satz 1 BGB für diese Annahmeverhältnisse die Geltung der §§ 1755 Abs. 1 Satz 2, 1756 BGB ausgeschlossen wird, wird die Vollwirkung der Adoption ohne Einschränkung durchgeführt und aufrechterhalten (MK-Maurer, BGB, 4. Aufl. 2006, Art. 234 § 13 EGBGB, Rdnr. 1 und 5; OLG Thüringen, OLG-NL 2001, 19 Urteil vom 26. Nov. 2003 – 2 U 568/03).
31Diese Überleitung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es handelt sich bei der Minderjährigenadoption des FGB um ein der Volladoption nach heutigem BGB vergleichbares Rechtsinstitut (Staudinger-Rauscher, BGB, Neubearb. 2003, Art. 234 § 13 EGBGB, Rdnr. 14). Auch unterscheidet das EGBGB nicht danach, ob das Annahmeverhältnis unter Geltung des FGB begründet wurde oder davor (LG Mühlhausen a.a.O.). Dass auch sogenannte Uraltadoptionen aus der Zeit vor 1957 der Überleitung durch das EGBGB unterliegen sollen, folgt des weiteren daraus, dass nach den Gesetzgebungsmaterialien sogar bei vor 1957 begründeten Erwachsenenadoptionen (hernach gab es in der DDR nur noch die Minderjährigenadoption), die durch § 2 EGFGB den Rechtsfolgen des FGB unterstellt worden waren, an den Gegebenheiten nichts geändert werden sollte (MK-Maurer a.a.O., Rdnr. 7); dann muss dies erst recht auf andere, auf Minderjährige bezogene sogenannte Uraltadoptionen zutreffen.
323.
33Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen. Demnach hat die Beteiligte zu 3. als Rechtsmittelführerin die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 und 3 GNotKG. Eine Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten ist schon deshalb nicht veranlasst, weil die übrigen Beteiligten im Beschwerdeverfahren nicht hervorgetreten sind.
34Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG liegen nicht vor.
35Die Wertfestsetzung findet ihre Grundlage in §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 36 Abs. 1 i.V.m. 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 GNotKG.
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Referenzen - Gesetze
Verbraucher ist jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können.
(1) Mit der Annahme erlöschen das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten und die sich aus ihm ergebenden Rechte und Pflichten. Ansprüche des Kindes, die bis zur Annahme entstanden sind, insbesondere auf Renten, Waisengeld und andere entsprechende wiederkehrende Leistungen, werden durch die Annahme nicht berührt; dies gilt nicht für Unterhaltsansprüche.
(2) Nimmt ein Ehegatte das Kind seines Ehegatten an, so tritt das Erlöschen nur im Verhältnis zu dem anderen Elternteil und dessen Verwandten ein.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
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die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
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Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.