Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 18. Dez. 2017 - 3 Ss OWi 1774/17

bei uns veröffentlicht am18.12.2017

Gericht

Oberlandesgericht Bamberg

Gründe

I.

Die nach § 79 I 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet, da sich die bisherigen Feststellungen des AG nach § 267 I 1 StPO i.V.m. § 71 I OWiG als lückenhaft erweisen und demgemäß bereits den Schuldspruch und damit auch die verhängte Rechtsfolge der Tat nicht tragen.

1. Nach § 31 II StVZO darf „der Halter […] die Inbetriebnahme nicht anordnen oder zulassen, wenn ihm bekannt ist oder bekannt sein muss, dass der Führer nicht zur selbständigen Leitung geeignet oder das Fahrzeug, der Zug, das Gespann, die Ladung oder die Besetzung nicht vorschriftsmäßig ist oder dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung leidet“.

2. Zwar sind an die Erfüllung dieser dem Halter nach § 31 II StVZO obliegenden Aufsichts- und Überwachungspflichten für die Einhaltung der aus den §§ 22 I 1, 23 I 1 StVO resultierenden Ladungssicherungsvorschriften strenge Anforderungen zu stellen. Ihre Erfüllung setzt auch bei einer wirksamen Delegation auf qualifiziertes Personal zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung mit Blick auf die besonderen Gefahren, die von entsprechenden Verstößen gegen die Ladungssicherheit für den öffentlichen Straßenverkehr ausgehen, deshalb nicht nur voraus, dass der insoweit Verantwortliche bei der Auswahl und Schulung der Fahrzeugführer die erforderliche Sorgfalt walten lässt und diese mit den notwendigen Unterweisungen versieht. Erforderlich ist etwa auch, dass die Beachtung der Weisungen durch gelegentliche – auch unerwartete – Kontrollen überprüft wird, weil nur so eine wirksame, nicht lediglich auf zufällig entdeckte Verstöße beschränkte, planmäßige Überwachung gewährleistet ist, welche auch präventiv wirkt (OLG Bamberg, Beschluss vom 12.06.2013 – 2 Ss OWi 659/13 = VM 2013 Nr. 51 = ZfS 2013, 651 = VRR 2013, 349 [Gieg]; Burhoff [Hrsg.]/Gieg, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl. [2018], Rn. 2699 m.w.N.). Danach hat der Halter u.a. dafür Sorge zu tragen, dass nur solche Personen mit Ladungssicherungsaufgaben betraut werden, die körperlich und geistig gesund sind, über ausreichende Fach- und ggf. Sprachkenntnisse verfügen, hinsichtlich ihrer Tätigkeit turnusgemäß – nach der Richtlinie VDI 2700 mindestens alle 3 Jahre – nach den einschlägigen Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes, der BetriebssicherheitsVO und der einschlägigen Unfallverhütungsvorschriften praktisch und theoretisch unterwiesen und fortgebildet wurden und ihre Befähigung zur zuverlässigen Aufgabenerfüllung nachgewiesen haben, was nach Möglichkeit schon zur Absicherung der Verantwortlichen in geeigneter Form schriftlich festgehalten werden sollte (Burhoff/Gieg a.a.O. m.w.N.). Nach richtiger Ansicht erstrecken sich die in der Bußgeldbewehrung des § 31 II StVZO enthaltenen speziellen Halterpflichten über § 9 OWiG auch auf den gesetzlichen oder gewillkürten Vertreter des Halters (OLG Düsseldorf NZV 1990, 323; König, in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht [StVR], 44. Aufl. [2017], § 22 StVO Rn. 27 und Dauer, in Hentschel/König/Dauer [a.a.O.], § 31 StVZO, Rn. 18; Burhoff/Gieg Rn. 2700).

3. Jedoch ist Tathandlung des § 31 II StVZO […] nicht die ungenügende Ladungssicherung selbst, sondern ‚lediglich‘ die Anordnung oder Zulassung der Inbetriebnahme des Fahrzeugs trotz Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der nicht vorschriftsmäßigen Ladung oder der durch diese beeinträchtigten Verkehrssicherheit des Fahrzeugs mit der Folge, dass von einem tatbestandlichen Handeln des Halters i.S.v. § 31 II StVZO nicht schon allein aufgrund einer – wie hier – objektiv feststehenden ungenügenden Ladungssicherung ausgegangen werden darf. Vielmehr ist dem Halter nachzuweisen und im Urteil nachvollziehbar anhand konkreter Umstände darzulegen, woraus sich im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrzeugs gerade die Kenntnis oder fahrlässige Unkenntnis in seiner Person ergibt (KG NZV 2008, 51; Dauer a.a.O.; Heß, in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht [StVR], 24. Aufl. [2017], § 23 StVO, Rn. 34 ff.; Burhoff/Gieg Rn. 2702).

4. Hieran fehlt es im angefochtenen Urteil, wenn dort der Nachweis, „dass der Betroffene die Tat begangen hat“ über die Einvernahme der beiden den Ladungsverstoß feststellenden und dokumentierenden Polizeibeamten und des Fahrzeugführers nur darauf gestützt wird, dass der Betr. und „Chef“ des Fahrzeugführers auf telefonische Anforderung hin „mit einem weiteren Handlanger“ am Betreffensort erschien, um die nicht vorschriftsmäßigen Ladungssicherungen zu beseitigen. Denn hierdurch kann allenfalls die ohnehin feststehende Haltereigenschaft des Betr. und möglicherweise auch seine Stellung als Arbeitsgeber des Fahrzeugführers ergänzend belegt werden, allerdings gerade nicht die von § 31 II StVZO geforderte Tathandlung der Anordnung oder Zulassung der Inbetriebnahme des Fahrzeugs trotz Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der nicht vorschriftsmäßigen Ladungssicherung im Zeitpunkt der Inbetriebnahme des Fahrzeugs.

II.

Aufgrund der dem Urteil anhaftenden sachlich-rechtlichen Darstellungsmängel ist es mitsamt seinen Feststellungen aufzuheben (§ 79 III 1 OWiG, § 353 StPO) und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das AG zurückverwiesen (§ 79 VI OWiG).

III. Ergänzend weist der Senat noch auf Folgendes hin: In einer neuen Hauptverhandlung wird ergänzend festzustellen und im Urteil nachvollziehbar darzulegen sein, wie der Betr. als Halter seinen Fuhrpark im Hinblick auf die Vermeidung von Verstößen gegen Ladungssicherungsbestimmungen im Einzelnen organisiert und in welchen Abständen er u.a. die Einhaltung der Regeln zur ordnungsgemäßen Beladung bzw. zum Ausschluss unsachgemäßer Handhabung kontrolliert. Entsprechendes gilt, wenn geltend gemacht wird, die Halterpflichten seien auf qualifiziertes Personal (Kfz-Meister, Platzmeister, Fahrzeugwart, Fahrdienstleiter oder Fuhrparkleiter, aber auch besonders erfahrene Fahrer selbst) delegiert worden. Feststellungen hierzu sind dann im Urteil umso mehr geboten, je größer der Verantwortungsbereich des Betr. ist und deshalb schon aufgrund der Betriebsgröße, im Einzelfall aber auch aufgrund offensichtlich fehlender Sachkunde der als Halter anzusehenden Person, nicht davon ausgegangen werden kann, der Betr. könne die gebotenen Überprüfungen überhaupt oder ohne Hilfe persönlich durchführen. […]

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Gesetz über Ordnungswidrigkeiten - OWiG 1968 | § 9 Handeln für einen anderen


(1) Handelt jemand 1. als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,2. als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder3. als gesetzlicher Vertreter eines an

Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung - StVZO 2012 | § 31 Verantwortung für den Betrieb der Fahrzeuge


(1) Wer ein Fahrzeug oder einen Zug miteinander verbundener Fahrzeuge führt, muss zur selbstständigen Leitung geeignet sein. (2) Der Halter darf die Inbetriebnahme nicht anordnen oder zulassen, wenn ihm bekannt ist oder bekannt sein muss, dass de

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(1) Handelt jemand

1.
als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person oder als Mitglied eines solchen Organs,
2.
als vertretungsberechtigter Gesellschafter einer rechtsfähigen Personengesellschaft oder
3.
als gesetzlicher Vertreter eines anderen,
so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Eigenschaften, Verhältnisse oder Umstände (besondere persönliche Merkmale) die Möglichkeit der Ahndung begründen, auch auf den Vertreter anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Vertretenen vorliegen.

(2) Ist jemand von dem Inhaber eines Betriebes oder einem sonst dazu Befugten

1.
beauftragt, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, oder
2.
ausdrücklich beauftragt, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die dem Inhaber des Betriebes obliegen,
und handelt er auf Grund dieses Auftrages, so ist ein Gesetz, nach dem besondere persönliche Merkmale die Möglichkeit der Ahndung begründen, auch auf den Beauftragten anzuwenden, wenn diese Merkmale zwar nicht bei ihm, aber bei dem Inhaber des Betriebes vorliegen. Dem Betrieb im Sinne des Satzes 1 steht das Unternehmen gleich. Handelt jemand auf Grund eines entsprechenden Auftrages für eine Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, so ist Satz 1 sinngemäß anzuwenden.

(3) Die Absätze 1 und 2 sind auch dann anzuwenden, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist.

(1) Wer ein Fahrzeug oder einen Zug miteinander verbundener Fahrzeuge führt, muss zur selbstständigen Leitung geeignet sein.

(2) Der Halter darf die Inbetriebnahme nicht anordnen oder zulassen, wenn ihm bekannt ist oder bekannt sein muss, dass der Führer nicht zur selbstständigen Leitung geeignet oder das Fahrzeug, der Zug, das Gespann, die Ladung oder die Besetzung nicht vorschriftsmäßig ist oder dass die Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durch die Ladung oder die Besetzung leidet.

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.