Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 11. Dez. 2018 - 3 Ss OWi 1526/18

bei uns veröffentlicht am11.12.2018

Tatbestand

Das AG hat den verkehrsrechtlich bislang unbelasteten Betr. wegen Nichterreichens des analytischen Nachweisgrenzwertes für THC in Höhe von 1 ng/ml von dem mit Bußgeldbescheid vom 22.12.2017 gegen ihn erhobenen und dort entsprechend §§ 24a, 25 I 2 StVG i.V.m. § 4 III BKatV i.V.m. lfd.Nr. 242 BKat neben einer Geldbuße von 500 EUR mit einem einmonatigen gesetzlichen Regelfahrverbot nach Maßgabe des § 25 IIa 1 StVG geahndeten Tatvorwurf der fahrlässigen Drogenfahrt gemäß § 24a II und III StVG (Tatzeit: 29.11.2017,19:45 Uhr; festgestellte THC-Konzentration: 0,7 ng/ml) aus Rechtsgründen freigesprochen. Nach den Feststellungen des AG räumte der Betr. die vorherige Fahrt mit einem Pkw gegenüber dem Polizeibeamten und Zeugen A. ein, welcher den Betr. „wegen anderweitiger möglicher Verstöße gegen das BtMG“ am Tattag zu Hause aufgesucht, die Fahrt selbst aber nicht beobachtet hatte. Dem Zeugen fielen beim Betr. „Gleichgewichtsstörungen“ auf. Darüber hinaus mussten dem Betr. gegenüber „Anordnungen mehrfach wiederholt“ werden und die Augen des Betr. waren „nach Auffassung des Zeugen […] gerötet und glasig, der Körper zittrig und die Stimmung gleichgültig“; der Betr. litt außerdem „unter einem Gesichtsjucken“. Schließlich wurden beim Betr. „BtM-Utensilien und Betäubungsmittel aufgefunden“. An der die festgestellte THC-Konzentration offenbarenden Blutuntersuchung wirkte der Betr. freiwillig mit. Gegen den Freispruch wendet sich die StA mit ihrer mit der Sachrüge begründeten Rechtsbeschwerde. Ihr Rechtsmittel führte zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache.

Gründe

I.

Die gemäß § 79 I 1 Nr. 3 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist begründet und zwingt den Senat zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das AG, weil nach den bisherigen tatrichterlichen Feststellungen ein Freispruch des Betr. weder aus Rechtsgründen noch aus tatsächlichen Gründen in Betracht kommt.

1. Nach § 24a II StVG handelt ordnungswidrig, wer zumindest fahrlässig (vgl. § 24a III StVG) gegen das Verbot zum Führen eines Kfz im Straßenverkehr unter der Wirkung der in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten berauschenden Mittel verstößt (zu den bei Nichterreichen des sog. Nachweisgrenzwertes ggf. gesteigerten Anforderungen an den Fahrlässigkeitsnachweis vgl. BGH, Beschluss vom 14.02.2017 - 4 StR 422/15 = BGHSt 62, 42 = NJW 2017, 1403 = ZfS 2017, 292 = NZV 2017, 227 = BA 54 [2017], 200 = DAR 2017, 331 = NStZ 2017, 480). Die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes setzt deshalb grundsätzlich nur die Feststellung voraus, dass das berauschende Mittel zum Zeitpunkt des Führens eines Kfz im Straßenverkehr ‚gewirkt‘ hat. Eine solche Wirkung liegt nach § 24a II 2 StVG vor, wenn festgestellt wird, dass zu diesem Zeitpunkt eine in der Anlage zu § 24a StVG genannte Substanz, darunter THC, im Blut des Betr. nachgewiesen ist, und diese Substanz nicht aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt (§ 24a II 3 StVG).

2. Allerdings beruht die Regelung auf der Annahme, dass bei einem solchen Nachweis die Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit und damit die der Bußgeldbewehrung zu Grunde liegende Annahme einer abstrakten Verkehrsgefährdung gegeben ist. Der Gesetzgeber ging insoweit davon aus, dass Wirkungs- und Nachweisdauer bei den einzelnen Mitteln übereinstimmen, weil die Feststellung der in der Anlage zu § 24a StVG genannten Substanzen im Blut im Hinblick darauf, dass sie dort mitunter nur wenige Stunden nachgewiesen werden können, eine Aussage über den erforderlichen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Einnahme des berauschenden Mittels und der Blutentnahme gestattet (vgl. BT-Dr. 13/3764, S. 4 f.). Diese Annahme ist jedoch nicht stets und uneingeschränkt gerechtfertigt. So hat sich etwa die Nachweisdauer für das Vorhandensein von THC, dem psychoaktiven Hauptwirkstoff von Cannabis, auf Grund von Blutproben wesentlich erhöht. Spuren der Substanz lassen sich über mehrere Tage, unter Umständen sogar Wochen nachweisen. Die Annahme des Gesetzgebers von der Identität der Wirkungs- und Nachweiszeit triff deshalb für Cannabis nicht mehr uneingeschränkt zu mit der Folge, dass ein positiver Drogenbefund bei der Blutuntersuchung auch noch dann festgestellt werden kann, wenn der Konsum des Rauschmittels tatsächlich schon so lange vor der Fahrt erfolgte, dass von der Möglichkeit einer Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit nicht mehr ausgegangen werden kann. Der Vorstellung des Gesetzgebers, die in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten Wirkstoffe seien nur in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Genuss des berauschenden Mittels im Blut nachweisbar, ist damit jedenfalls für THC die Grundlage entzogen, weshalb nicht mehr ohne weiteres allein der Nachweis von THC im Blut einen Schuldspruch nach § 24a II StVG (i.V.m. III StVG) rechtfertigen kann (BVerfG [2. Kammer des 1. Senats], stattgebender Kammerbeschl. v. 21.12.2004 - 1 BvR 2652/03 = BVerfGK 4, 323 = NJW 2005, 359 = VD 2005, 49 = DAR 2005, 70 = EuGRZ 2005, 71 = Blutalkohol 42 [2005], 156 = NZV 2005, 270 = StV 2005, 383 = JR 2005, 332).

3. Die in Art. 2 I GG gewährleistete allgemeine Handlungsfreiheit, die im Rahmen ihres Schutzbereichs auch das Führen von Kfz im öffentlichen Straßenverkehr umfasst, gebietet vor diesem Hintergrund, den über § 24a II StVG grundsätzlich verfassungskonform eingegrenzten Eingriff in die Handlungsfreiheit von der - über den Gesetzeswortlaut hinausgehenden - Einschränkung abhängig zu machen, dass nicht jedweder Nachweis eines der in der Anlage zu § 24a II StVG genannten berauschenden Mittel im Blut für eine Verurteilung nach § 24a II StVG allein als ausreichend angesehen werden darf. § 24a II StVG ist vielmehr verfassungskonform dahin auszulegen, dass eine Konzentration des berauschenden Mittels im Blut festgestellt werden muss, die es entsprechend dem Charakter der Vorschrift als abstraktem Gefährdungsdelikt zumindest als möglich erscheinen lässt, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit eingeschränkt war. Denn nur in diesem Fall ist die in § 24a II 2 StVG aufgestellte gesetzliche Vermutung auch weiterhin gerechtfertigt (BVerfG a.a.O.; vgl. ferner für Amphetamin OLG München NJW 2006, 1606 = DAR 2006, 287 = ZfSch 2006, 290 = VRS 110, 296 = StV 2006, 531; jeweils für Cannabis [THC] OLG Bremen NZV 2006, 276 und OLG Schleswig, Beschluss vom 18.09.2006 - 1 Ss OWi 119/06; für Amphetamin OLG Zweibrücken NJW 2005, 2168 = VRS 108, 441 = DAR 2005, 408 = StV 2005, 443 und für Cannabis [THC] bzw. Heroin [Morphin] auch OLG Köln NStZ-RR 2005, 385 = VRS 109, 193 = DAR 2005, 646 = BA 43, 236 u. Beschluss vom 18.08.2005 - 81 Ss OWi 31/05 = DAR 2005, 699).

4. Demgegenüber verlangt eine Verurteilung nach § 24a II und III StVG (auch weiterhin) nicht, dass eine tatsächliche Wirkung des Rauschmittels im Sinne einer konkreten Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit bei dem Betr. im Einzelfall festgestellt und nachgewiesen wird. Vielmehr erfordert das objektive Tatbestandsmerkmal des § 24a II StVG „unter der Wirkung eines […] berauschenden Mittels“ gerade keine tatsächliche Beeinträchtigung der Fahrsicherheit, mithin auch keine Feststellungen zu den konkreten Auswirkungen des Betäubungsmittelkonsums im Sinne einer konkreten Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit. Ebenso wenig lässt sich aus Art. 2 I GG noch aus sonstigem Verfassungsrecht die Notwendigkeit einer weiterreichenden einschränkenden Auslegung und Anwendung von § 24a II StVG des Inhalts herleiten, dass ausnahmslos erst ab Erreichen einer ganz bestimmten Wirkstoffkonzentration im Sinne eines analytischen, einen Qualitätsstandard beschreibenden Grenzwertes, ab dem die untersuchenden medizinisch-wissenschaftlichen Fachinstitute einen sicheren Nachweis der Substanz im Blut gewährleisten können, eine Ahndung nach § 24a II StVG in Betracht kommt. Die absolute Verbindlichkeit eines rein analytischen Grenzwertes oder eines anderen Mindest-Grenzwertes für die Anwendung des § 24a II StVG kann insbesondere nicht dem Beschluss der 2. Kammer des 1. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 21.12.2004 (a.a.O.) entnommen werden. Aus diesem ergibt sich vielmehr nur, dass nicht jedweder Nachweis eines berauschenden Mittels im Blut für eine Verurteilung ausreicht.

5. Dieses Normverständnis entspricht der Rechtsprechung des OLG Bamberg bereits seit dem Jahre 2007 (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 27.02.2007 - 3 Ss OWi 688/05 = DAR 2007, 272 = ZfSch 2007, 287 = VRS 112 [2007], 262 = BA 44, 255 = OLGSt StVG § 24a Nr 10 = VM 2007 Nr 73 = VRR 2007, 270 m.w.N.; a.A. und durch die spätere Rspr. als überholt anzusehen noch die vereinzelt gebliebene Entscheidung OLG Bamberg, Beschluss vom 08.08.2005 - 2 Ss OWi 551/05 = Blutalkohol 43 [2006], 238 = BeckRS 2006, 502).

a) Danach ist regelmäßig dann ohne weiteres von einer tatbestandsmäßigen Drogenfahrt i.S.d. § 24a II StVG auszugehen, wenn mit der im Blut des Betr. festgestellten Wirkstoffkonzentration der für die jeweilige Substanz in der Rspr. allgemein anerkannte analytische Nachweisgrenzwert (für THC von 1 ng/ml) erreicht wird.

b) Andererseits bleibt auch bei Nichterreichen des Nachweisgrenzwertes eine Ahndung nach § 24a II, III StVG grundsätzlich möglich, sofern neben der konkreten, den Nachweisgrenzwert nicht erreichenden Konzentration des berauschenden Mittels im Blut des Betr. weitere Umstände, namentlich drogenbedingte Verhaltensauffälligkeiten oder rauschmitteltypische Ausfallerscheinungen festgestellt werden, die es als möglich erscheinen lassen, d.h. die den Schluss zulassen, dass der untersuchte Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit durch die Wirkung des berauschenden Mittels eingeschränkt war, was gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe durch das Tatgericht festzustellen ist (vgl. neben OLG Bamberg a.a.O. in diesem Sinne [für Amphetamin] schon OLG München, Beschluss vom 13.03.2006 - 4 St RR 199/05 = NJW 2006, 1606 = DAR 2006, 287 = ZfSch 2006, 290 = NZV 2006, 277 = VRS 110 [2006], 296 = Blutalkohol 43 [2006], 239 = StV 2006, 531; ferner OLG Celle, Beschluss vom 30.03.2009 - 322 SsBs 57/09 = Blutalkohol 46 [2009], 222 = NZV 2009, 300 = VRS 117 [2009], 369 = SVR 2009, 316 = NStZ 2009, 711; vgl. auch König, in: Hentschel/König/Dauer, StVR, 44. Aufl. [2017], § 24a StVG Rn. 21b [mit der treffenden Anm., dass die Lage insoweit „stark der Situation bei der ‚relativen Fahrunsicherheit‘ im Rahmen der §§ 315c, 316 StGB“ ähnele; Hühnermann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Janke/Janker, StVR, 25. Aufl. [2018], § 24a StVG Rn. 5a; Burhoff[Hrsg.]/Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl. [2018], Rn. 798 ff., insbesondere Rn. 801 ff.; BeckOK-OWiG/Euler [Edit. 20, Stand: 01.10.2018] § 24a StVG Rn. 7; Fromm, Verteidigung in Straßenverkehrs-OWi-Verfahren, 2. Aufl. [2014], Kap. 3 M. I. und MüKo-StVR/Funke [2016] § 24a StVG Rn. 50 f., mit der - nicht überzeugendenEinschränkung [a.a.O. Rn. 51], dass dann die Feststellung der bloßen Möglichkeit einer Fahrsicherheitsbeeinträchtigung nicht ausreichend sei, die Verurteilung vielmehr voraussetze, dass die Beeinträchtigung aufgrund drogenbedingter Ausfallerscheinungen sicher feststehe; a.A. aus der Rspr. - soweit ersichtlich - nur noch [mit nichttragenden Gründen] OLG Jena, Beschluss vom 23.02.2012 - 1 Ss Bs 92/11 = StraFo 2012, 336 = VRS 123 [2012], 231 = Blutalkohol 49 [2012], 268 = NStZ 2013, 114 = NZV 2014, 138: „Entscheidung nach dem Prinzip des ‚Entwederoder‘ in Bezug auf das Erreichen der analytischen Grenzwerte“]; dem zustimmend wohl auch noch Freymann/Wellner/Niehaus jurisPK-Straßenverkehrsrecht [Stand: 17.10.2017] § 24a StVG, Rn. 26 f.).

II.

Nach alledem durfte der Freispruch des Betr. weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen allein auf das Nichterreichen der den analytischen Grenzwert für THC von 1 ng/ml Blut liegende THC-Konzentration gestützt werden. Vielmehr wird das AG nunmehr Feststellungen und Wertungen zu der Frage zu treffen haben, ob es neben der THC-Konzentration etwaige weitere Umstände, insbesondere bestimmte drogenbedingte Verhaltensauffälligkeiten, rauschmitteltypische Ausfallerscheinungen oder sonstige Besonderheiten zumindest als möglich erscheinen lassen, dass der Betr. am Straßenverkehr teilgenommen hat, obwohl seine Fahrtüchtigkeit durch die Wirkung des berauschenden Mittels eingeschränkt war. […]

ra.de-Urteilsbesprechung zu Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 11. Dez. 2018 - 3 Ss OWi 1526/18

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 11. Dez. 2018 - 3 Ss OWi 1526/18

Referenzen - Gesetze

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 11. Dez. 2018 - 3 Ss OWi 1526/18 zitiert 5 §§.

Straßenverkehrsgesetz - StVG | § 24a 0,5 Promille-Grenze


(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalk

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 11. Dez. 2018 - 3 Ss OWi 1526/18 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 11. Dez. 2018 - 3 Ss OWi 1526/18 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Feb. 2017 - 4 StR 422/15

bei uns veröffentlicht am 14.02.2017

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 422/15 vom 14. Februar 2017 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja ––––––––––––––––––––––––––- StVG § 24a Abs. 2 und 3 StPO § 261 Der Tatrichter ist in Fällen, in denen die Fahr

Referenzen

(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.

(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.

(3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.

(4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro geahndet werden.

(5) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit Zustimmung des Bundesrates die Liste der berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage zu dieser Vorschrift zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis im Hinblick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich ist.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 422/15
vom
14. Februar 2017
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
––––––––––––––––––––––––––-
Der Tatrichter ist in Fällen, in denen die Fahrt mit dem Kraftfahrzeug nicht im
zeitlichen Zusammenhang mit einem vorangegangenen Cannabiskonsum erfolgt
, aus Rechtsgründen nicht gehindert, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen
aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert erreichenden
THC-Konzentration im Blut auf ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten
im Sinne des § 24a Abs. 2 und 3 StVG zu schließen.
BGH, Beschluss vom 14. Februar 2017 – 4 StR 422/15 – OLG Oldenburg
in der Bußgeldsache
gegen
wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Wirkung berauschender
Mittel
hier: Vorlagebeschluss des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 4. August
2015
ECLI:DE:BGH:2017:140217B4STR422.15.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Betroffenen am 14. Februar 2017 beschlossen:
Der Tatrichter ist in Fällen, in denen die Fahrt mit dem Kraftfahrzeug nicht in zeitlichem Zusammenhang mit einem vorangegangenen Cannabiskonsum erfolgt, aus Rechtsgründen nicht gehindert , beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert erreichenden THCKonzentration im Blut auf ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten im Sinne des § 24a Abs. 2 und 3 StVG zu schließen.

Gründe:


I.


1
Das Amtsgericht Lingen (Ems) hat den Betroffenen mit Urteil vom 27. März 2015 wegen fahrlässigen Fahrens unter Einwirkung berauschender Mittel zu der Geldbuße von 500 Euro verurteilt und gegen ihn unter Anwendung der Regelung des § 25 Abs. 2a StVG ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.
2
Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen befuhr der Betroffene am 20. Februar 2014 mit einem Pkw eine Straße in L. , wobei er eine Konzentration des Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol (THC) von 1,5 ng/ml im Blut aufwies und infolgedessen unter der Wirkung von Cannabis stand. Zur subjektiven Tatseite ist das Landgericht, ohne sich auf weitere Beweisanzeichen zu stützen, allein aufgrund der festgestellten THC-Konzentration im Blut davon ausgegangen , dass der sich zum Tatvorwurf nicht äußernde Betroffene hinsichtlich der Cannabiswirkung zum Zeitpunkt der Fahrt fahrlässig handelte.
3
Gegen das Urteil des Amtsgerichts Lingen (Ems) hat der Betroffene form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er die Rüge der Verletzung materiellen Rechts erhebt und u.a. geltend macht, die Annahme fahrlässigen Handelns durch das Amtsgericht sei nicht tragfähig begründet.

II.


4
Das Oberlandesgericht Oldenburg möchte die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gemäß § 79 Abs. 5 OWiG verwerfen, sieht sich daran aber durch Entscheidungen der Oberlandesgerichte Celle vom 29. Dezember 2014 (Blutalkohol 52, 150), Karlsruhe – 1. Senat für Bußgeldsachen – vom 10. Mai 2013 (StV 2014, 622), Stuttgart vom 10. Februar 2011 (DAR 2011, 218) und Saarbrücken vom 29. November 2006 (NJW 2007, 309) gehindert. Es hat daher mit Beschluss vom 4. August 2015 (VRS 129, 18) die Sache gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG dem Bundesgerichtshof zur Beantwortung folgender Rechtsfrage vorgelegt: Ist auf eine Sorgfaltspflichtverletzung und den subjektiven Sorgfaltsverstoß bezüglich des Fahrens unter Einwirkung berauschender Mittel zu schließen, wenn der analytische Grenzwert von 1,0 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) bei der Fahrt erreicht ist, solange nicht reale Anhaltspunkte vorliegen, die den Rückschluss vom Überschreiten des analytischen Grenzwertes auf eine Sorgfaltspflichtverletzung und den subjektiven Sorgfaltsverstoß entkräf- ten, und das Tatgericht veranlassen müssen, sich mit der Möglichkeit eines abweichenden Tatverlaufs auseinanderzusetzen?
5
Der Generalbundesanwalt ist der Rechtsauffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts beigetreten und beantragt zu beschließen: Bei Überschreiten des analytischen Grenzwertes von 1,0 ng/ml Tetrahydrocannabinol (THC) ist auf eine Sorgfaltspflichtverletzung und den subjektiven Sorgfaltspflichtverstoß bezüglich des Fahrens unter Einwirkung berauschender Mittel zu schließen, solange nicht reale Anhaltspunkte vorliegen, die den Rückschluss vom Überschreiten des analytischen Grenzwertes auf eine Sorgfaltspflichtverletzung und den subjektiven Sorgfaltsverstoß entkräften und das Tatgericht veranlassen müssen, sich mit der Möglichkeit eines anderen Tatverlaufs auseinanderzusetzen.

III.


6
Die Vorlage ist gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 121 Abs. 2 GVG zulässig. Sie betrifft insbesondere eine Rechtsfrage.
7
1. Gegenstand der Divergenz zwischen dem vorlegenden Oberlandesgericht Oldenburg und den Oberlandesgerichten Karlsruhe – 1. Senat für Bußgeldsachen –, Stuttgart und Saarbrücken ist die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Tatrichter bei der Prüfung einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert erreichenden THC-Konzentration im Blut auf ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten des Betroffenen bezüglich einer fortdauernden Cannabiswirkung im Körper schließen darf.
8
Während das vorlegende Oberlandesgericht Oldenburg davon ausgeht, dass allein die Feststellung einer mindestens den analytischen Grenzwert erreichenden THC-Konzentration im Blut den tatrichterlichen Schluss auf ein insoweit sorgfaltswidriges Verhalten des Betroffenen tragen kann (ebenso OLG Celle, VRS 128, 297; KG, VRS 127, 244; HansOLG Bremen, DAR 2014, 588; OLG Koblenz, Blutalkohol 51, 351; OLG Frankfurt [Senat für Bußgeldsachen], NStZ-RR 2013, 47; vgl. auch OLG Hamm [3. Strafsenat], Blutalkohol 48, 288 zu Amphetamin; OLG Karlsruhe [2. Senat für Bußgeldsachen], DAR 2015, 401), vertreten die Oberlandesgerichte Karlsruhe – 1. Senat für Bußgeldsachen –, Stuttgart und Saarbrücken – letzteres tragend in dem Beschluss vom 16. März 2007 (NJW 2007, 1373) – die Auffassung, es könne bei einer „längere Zeit“ nach dem Cannabiskonsum unternommenen Fahrt an der Erkennbarkeit der fortdauernden Cannabiswirkung für den Betroffenen fehlen, so dass aus einer festgestellten THC-Konzentration im Blut, die den analytischen Grenzwert erreicht , nur bei Vorliegen weiterer Beweisanzeichen auf ein im Sinne des § 24a Abs. 2 und 3 StVG fahrlässiges Verhalten des Betroffenen gefolgert werden dürfe (ebenso OLG Hamm [2. Senat für Bußgeldsachen], StraFo 2012, 287; OLG Karlsruhe [3. Senat für Bußgeldsachen], Blutalkohol 49, 108 und NZV 2011, 413; OLG Braunschweig, Blutalkohol 47, 298 – nicht tragend; OLG Zweibrücken , Blutalkohol 46, 99; OLG Frankfurt [3. Strafsenat], NStZ-RR 2007, 249; OLG Hamm [4. Senat für Bußgeldsachen], NZV 2005, 428).
9
Die Vorlegungsfrage betrifft die rechtlichen Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung nach § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 261 StPO, mithin eine Rechtsfrage (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. August 1974 – 4 StR 171/74, BGHSt 25, 365, 366; vom 13. Januar 1970 – 4 StR 438/69, BGHSt 23, 213, 216; Quentin in Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 2. Aufl., § 121 GVG Rn. 16).
10
2. Das Oberlandesgericht Oldenburg kann nicht wie beabsichtigt entscheiden , ohne von den Entscheidungen der Oberlandesgerichte Karlsruhe – 1. Senat für Bußgeldsachen –, Stuttgart und Saarbrücken abzuweichen. Das Oberlandesgericht Celle hat seine entgegenstehende Rechtsauffassung mit Beschluss vom 30. April 2015 (VRS 128, 297) aufgegeben.
11
3. Die Vorlegungsfrage ist allerdings zu weit gefasst. Denn in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung besteht – soweit ersichtlich – Einigkeit darüber, dass derjenige fahrlässig handelt, der in zeitlicher Nähe zum Fahrtantritt Cannabis konsumiert hat und dennoch ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt, ohne sich bewusst zu machen, dass das Rauschmittel noch nicht unter den analytischen Grenzwert von 1,0 ng/ml abgebaut ist. In diesen Fällen wird der tatrichterliche Schluss von der festgestellten THC-Konzentration im Blut auf ein insoweit fahrlässiges Verhalten übereinstimmend für zulässig gehalten. Die für die Vorlegungssache entscheidungserhebliche Divergenz betrifft ausschließlich die Fälle, in denen das Führen des Kraftfahrzeugs nicht im zeitlichen Zusammenhang mit einem vorangegangenen Cannabiskonsum erfolgt. Darüber hinaus bedarf die Vorlegungsfrage einer Präzisierung, weil aus tatsächlichen Umständen unmittelbar nur auf Tatsachen nicht auf eine rechtliche Bewertung geschlossen werden kann.
12
Der Senat fasst die Vorlegungsfrage daher wie folgt: Ist der Tatrichter in Fällen, in denen die Fahrt mit dem Kraftfahrzeug nicht im zeitlichen Zusammenhang mit einem vorangegangenen Cannabiskonsum erfolgt, aus Rechtsgründen gehindert, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert erreichenden THC-Konzentra- tion im Blut auf ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten im Sinne des § 24a Abs. 2 und 3 StVG zu schließen?

IV.


13
Der Senat beantwortet die Vorlegungsfrage wie aus dem Tenor ersichtlich.
14
Ein Kraftfahrer ist nach vorangegangenem bewussten Konsum von Cannabis verpflichtet, vor Antritt der Fahrt durch gehörige Selbstprüfung – soweit erforderlich – nach Einholung fachkundigen Rats und notfalls, sofern eine eindeutige Beurteilungsgrundlage nicht zu erlangen ist, durch Abstandnahme von der Fahrt sicherzustellen, dass er nicht unter der Wirkung einer den analytischen Grenzwert zumindest erreichenden THC-Konzentration im Blut ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt (1.). Der Tatrichter ist aus Rechtsgründen nicht gehindert, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen allein aus der Feststellung einer entsprechenden THC-Konzentration im Blut auf ein objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten im Sinne des § 24a Abs. 2 und 3 StVG zu schließen (2.).
15
1. a) Nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG in Verbindung mit der Anlage zu dieser Vorschrift handelt unter anderem ordnungswidrig, wer unter der Wirkung von Cannabis im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, wobei gemäß § 24a Abs. 2 Satz 2 StVG eine solche Wirkung vorliegt, wenn im Blut des Fahrers eine mindestens den analytischen Grenzwert erreichende Konzentration des Wirkstoffs Tetrahydrocannabinol nachgewiesen wird. Der Fahrlässigkeitsvorwurf des § 24a Abs. 3 StVG bezieht sich auf die Wirkung des Cannabis im Zeitpunkt der Fahrt. Hierfür ist nicht erforderlich, dass der Betroffene spürbare Auswirkungen des konsumierten Cannabis wahrnehmen kann oder zu einer näheren physiologischen oder biochemischen Einordnung der Wirkungen von Cannabis in der Lage ist (vgl. König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht , 44. Aufl., § 24a StVG Rn. 25b mwN). Es reicht vielmehr aus, dass der Betroffene bei der ihm möglichen Beachtung der gebotenen Sorgfalt zu der Erkenntnis gelangen kann, unter der Wirkung einer zumindest den analytischen Grenzwert erreichenden THC-Konzentration im Blut zu stehen.
16
b) Fahrlässiges Handeln im Sinne des § 10 OWiG setzt voraus, dass der Betroffene die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen und seinen persönlichen Fähigkeiten verpflichtet und im Stande ist, und deshalb entweder die Verwirklichung des Tatbestands nicht erkennt oder die Möglichkeit einer Tatbestandsverwirklichung zwar realisiert, aber auf ihr Ausbleiben vertraut. Erforderlich ist ein objektiver Pflichtverstoß, der in subjektiver Hinsicht dem Betroffenen nach seinen persönlichen Kenntnissen und Fähigkeiten zum Vorwurf gereicht (vgl. Rengier in KK-OWiG, 4. Aufl., § 10 Rn. 18, 40 mwN).
17
aa) Mit Blick auf die vielfältigen Gefahren, die aus dem Führen eines Kraftfahrzeugs im Straßenverkehr für Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer erwachsen können, ergeben sich für einen Kraftfahrzeugführer strenge Sorgfaltspflichten , die auch das Verhalten vor Antritt der Fahrt betreffen (vgl. BGH, Urteile vom 17. November 1994 – 4 StR 441/94, BGHSt 40, 341, 343; vom 20. Oktober 1987 – VI ZR 280/86, VRS 74, 83, 84 ff. mwN; BayObLGSt 1996, 5). Nach den Regelungen in § 2 Abs. 1 FeV und § 31 Abs. 1 StVZO hat der Führer eines Kraftfahrzeugs vor Antritt der Fahrt für seine körperliche und geistige Leistungsfähigkeit umfassend Sorge zu tragen. Er muss sich, bevor er ein Kraftfahrzeug führt, stets durch sorgfältige kritische Selbstbeobachtung vergewissern , ob er nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten überhaupt in der Lage ist, den Erfordernissen des Straßenverkehrs zu genügen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 1987 – VI ZR 280/86, aaO mwN). Bei der Einnahme von Medikamenten ist er nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen verpflichtet, sich über mögliche Auswirkungen des Medikaments auf seine Fahrtüchtigkeit zu informieren (vgl. OLG Köln, VRS 32, 349, 350 f.; OLG Braunschweig , DAR 1964, 170 f.; König in LK-StGB, 12. Aufl., § 316 Rn. 208, 219, 223 mwN).
18
bb) Vergleichbare Sorgfaltsanforderungen gelten im Rahmen der Vorschrift des § 24a Abs. 2 und 3 StVG, die vom Gesetzgeber als abstrakter Gefährdungstatbestand ausgestaltet worden ist (vgl. Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes, BT-Drucks. 13/3764, S. 6) und den Schutz wichtiger Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit und Eigentum der Verkehrsteilnehmer bezweckt (vgl. BVerfG, DAR 2005, 70, 72). Ein Kraftfahrer, der weiß, dass er Cannabis konsumiert hat und dem die näheren Umstände seines Konsums bekannt sind, hat Anlass, sich vor Fahrtantritt mit der Möglichkeit einer fortdauernden Cannabiswirkung auseinanderzusetzen. Er ist daher verpflichtet, durch gehörige Selbstprüfung und gegebenenfalls durch Einholung fachkundigen Rats sicherzustellen, dass er nicht unter der Wirkung einer den analytischen Grenzwert mindestens erreichenden THCKonzentration im Blut ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr führt. Kann er etwa wegen der von den individuellen Konsumgewohnheiten abhängenden Unwägbarkeiten beim Abbau von THC (vgl. KG, VRS 127, 244, 251 mwN) diesbezüglich keine Gewissheit erlangen, ist er gehalten, von der Fahrt Abstand zu nehmen (vgl. König, NStZ 2009, 425, 427).
19
cc) Diesen an einen vorangegangenen bewussten Cannabiskonsum anknüpfenden Sorgfaltsanforderungen kann ein Kraftfahrzeugführer nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen in aller Regel ohne weiteres nach- kommen, so dass bei einer Pflichtverletzung – von besonderen Ausnahmekonstellationen abgesehen – auch ein subjektiv vorwerfbares Verhalten gegeben ist.
20
2. Die Entscheidung, ob dem Führen eines Kraftfahrzeugs unter der Wirkung von Cannabis ein im dargelegten Sinne objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten zugrunde liegt, hat der Tatrichter gemäß § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 261 StPO nach dem aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnenen Beweisergebnis in freier richterlicher Beweiswürdigung zu treffen. Die richterliche Überzeugung bedarf einer tragfähigen, verstandesmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage, die aus rationalen Gründen den Schluss erlaubt, dass das festgestellte Geschehen mit der Wirklichkeit übereinstimmt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 – 4 StR 487/10 Rn. 9 mwN, insoweit in NStZ-RR 2011, 275 nicht abgedruckt; Beschluss vom 24. Juni 1982 – 4 StR 183/82, NStZ 1982, 478; vgl. auch BVerfG, NJW 2008, 3346, 3347 f.; Sander in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261 Rn. 42). Die auf einer solchen Tatsachengrundlage gezogenen Schlussfolgerungen des Tatrichters brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind. An Beweisregeln ist der Tatrichter nicht gebunden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20; Urteil vom 9. April 2015 – 4 StR 401/14, NStZ 2015, 464, 465). Sachverhaltsvarianten, für die das aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung geschöpfte Beweisergebnis keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat, sind für die tatrichterliche Entscheidung ohne Belang (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 9. April 2015 – 4 StR 401/14, aaO; vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14, NStZ-RR 2015, 148 mwN).
21
Nach diesen allgemein für die richterliche Überzeugungsbildung nach § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 261 StPO geltenden Grundsätzen ist es dem Tatrichter aus Rechtsgründen nicht verwehrt, beim Fehlen gegenläufiger Beweisanzeichen allein aus der Feststellung einer den analytischen Grenzwert mindestens erreichenden THC-Konzentration im Blut des Betroffenen auf ein im Sinne des § 24a Abs. 2 und 3 StVG objektiv und subjektiv sorgfaltswidriges Verhalten zu schließen. Ohne hierfür sprechende konkrete tatsächliche Anhaltspunkte besteht für den Tatrichter keine Veranlassung, etwa eine nur unbewusste Cannabisaufnahme zu unterstellen oder davon auszugehen, dass der Betroffene seinen Selbstprüfungs- und Erkundigungspflichten ordnungsgemäß nachgekommen ist.
Sost-Scheible Cierniak Franke
RiBGH Dr. Quentin ist urlaubsbedingt an der Beifügung der Unterschrift gehindert. Bender Sost-Scheible

(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.

(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.

(3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.

(4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro geahndet werden.

(5) Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz mit Zustimmung des Bundesrates die Liste der berauschenden Mittel und Substanzen in der Anlage zu dieser Vorschrift zu ändern oder zu ergänzen, wenn dies nach wissenschaftlicher Erkenntnis im Hinblick auf die Sicherheit des Straßenverkehrs erforderlich ist.