Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 28. Jan. 2016 - L 3 R 132/13

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2016:0128.L3R132.13.0A
bei uns veröffentlicht am28.01.2016

Tenor

Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. Februar 2013 und der Bescheid der Beklagten vom 1. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2010 geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2016 zu bewilligen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI).

2

Der am ... 1958 geborene Kläger durchlief nach dem Abschluss der zehnten Klasse vom 1. September 1976 bis zum 15. Februar 1979 erfolgreich (mit einer Krankheitszeit vom 29. November 1977 bis zum 28. Februar 1978) die Lehre zum Elektroinstallateur (Facharbeiterzeugnis vom 15. Februar 1979). Ausweislich des Arbeitsvertrages stand der Kläger zuletzt vom 16. Juni 1997 bis zum 31. Dezember 2008 als "Elektromonteur" in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis. Nachfolgend war er vom 2. Februar bis zum 30. April 2009 als "Elektroinstallateur" in einem ursprünglich bis zum 31. Juli 2009 befristeten Arbeitsverhältnis versicherungspflichtig tätig. Nach Angaben des Klägers beinhaltete die Tätigkeit auch das Tragen von häufig bis 30 kg und gelegentlich bis 50 kg, Arbeiten auf Leitern und solche mit Armhaltung über Brusthöhe. Der Kläger bezog bis zum 23. Januar 2012 Arbeitslosengeld und ab dem 1. Februar 2012 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II). Während seiner Arbeitslosigkeit übte er von März 2011 zumindest bis Oktober 2014 eine geringfügige versicherungspflichtige Beschäftigung mit Botengängen und einer Hausmeistertätigkeit für einen Antennenbau- und Fernsehgeräte-Reparaturbetrieb im Umfang von bis zu 15 Wochenstunden aus (drei Stunden am Vormittag).

3

Bei dem Kläger ist seit dem 11. Dezember 2009 ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 anerkannt.

4

Der Kläger beantragte bei seit dem 26. Juni 2009 attestierter Arbeitsunfähigkeit am 15. Februar 2010 bei der Beklagten die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog zunächst den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik E.-S. vom 11. Januar 2010 über die dem Kläger vom 25. November bis zum 16. Dezember 2009 gewährte stationäre Rehabilitationsmaßnahme bei. Nach der Leistungsbeurteilung der Einrichtung besteht bei dem Kläger eine Einsatzfähigkeit als Elektroinstallateur von unter drei Stunden täglich. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne er leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens bestünden für Tätigkeiten, die mit häufig hockender und gebückter Körperhaltung, einem Ersteigen von Leitern und Gerüsten oder mit einem Heben und Tragen von Lasten über 15 kg einhergingen. Zum klinischen Status wird dort in Bezug auf die Augen angegeben: "Pupillen rund, isokor, prompte Reaktion auf Licht und Konvergenz; Visus wird durch Gleitsichtbrille korrigiert". In dem ebenfalls beigezogenen Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Sachsen-Anhalt (MDK) vom 15. Februar 2010 wird auf Grund der schwer einstellbaren arteriellen Hypertonie ein aktuelles Leistungsvermögen des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von unter drei Stunden täglich angegeben.

5

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag ab. Der Kläger könne nicht mehr als Elektroinstallateur tätig sein. Als Facharbeiter sei er sozial und gesundheitlich zumutbar auf eine Tätigkeit als Verdrahtungselektriker (industrielle Schaltschrankmontage) verweisbar. Nach dem Anforderungsprofil hat der Verdrahtungselektriker die Aufgabe, die elektrischen Verbindungen von den auf den Gittern angebrachten Einbauteilen zu Klemmleisten und von Einbauteilen zu anderen Einbauteilen durch Verdrahten (mit Schrauben, Klemmen, Stecken, Quetschen und Löten) herzustellen. An die Wahrnehmungsgenauigkeit, Reaktionsfähigkeit und Aufmerksamkeit würden durchschnittliche Anforderungen gestellt. Des Weiteren sei "ein normales (Farb-)Sehvermögen erforderlich, um die Elektrofarbgebungen der einzelnen Kabel unterscheiden zu können" (Bescheid vom 1. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2010).

6

Mit seiner am 25. August 2010 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Neben den bereits in dem Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik E.-S. genannten Erkrankungen leide er unter Grauem Star. Er könne nicht mehr so gut sehen mit der Folge von Problemen insbesondere bei Feinheiten. Zu der Verrichtung der von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeit gehöre z.B. das Lesen von Schaltplänen und technischen Angaben an kleinen und kleinsten elektrischen bzw. elektronischen Bauteilen.

7

Das Sozialgericht hat Befundberichte eingeholt. Die Fachärztin für Augenheilkunde Dr. B. hat in ihrem Befundbericht vom 18. Juli 2011 ausgeführt, der Visus des Klägers betrage auf beiden Augen 0,5, die Tension (Augeninnendruck) beidseits 16 Torr. Als Diagnosen lägen beidseits eine Cataracta sinilis provecta ("Grauer Star", fortgeschrittene Form der Trübung der Augenlinse bei älteren Menschen), eine mittlere Myopie, ein Astigmatismus, eine Presbyopie und allgemein ein Typ II Diabetes mellitus vor. Der Befund sei gleichbleibend. Unter Berücksichtigung des augenärztlichen Fachgebietes könne der Kläger noch sechs Stunden täglich leichte körperliche Arbeiten mit zusätzlichen qualitativen Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten. Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 37 bis 51, 52 bis 71, 72 bis 73 und 75 bis 80 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

8

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 20. Februar 2013 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung oder einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Er sei noch in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sechs Stunden und mehr täglich zu arbeiten. In seiner letzten Tätigkeit als Elektroinstallateur sei der Kläger in die Gruppe der Facharbeiter einzustufen. Trotz der bestehenden gesundheitlichen Einschränkungen könne er eine Tätigkeit als Verdrahtungselektriker (in der industriellen Schaltschrankmontage) ausüben. Diese überwiegend körperlich leichte Tätigkeit ohne Heben und Tragen schwerer Lasten werde vorwiegend im Sitzen ausgeübt. Der Graue Star hindere den Kläger nicht an der Ausübung dieser Tätigkeit, für die "nur die normalen Anforderungen an das Sehvermögen" gestellt würden.

9

Der Kläger hat gegen das ihm am 15. März 2013 zugestellte Urteil am 11. April 2013 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt, mit der er nur noch die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit verfolgt. Zur Begründung des Rechtsmittels führt er im Wesentlichen aus, neben dem Augenleiden sehe er sich in seiner Leistungsfähigkeit durch die orthopädischen Beschwerden, den insulinpflichtigen Diabetes sowie die Bluthochdruckerkrankung eingeschränkt. Bei einer Verrichtung der von der Beklagten benannten Verweisungstätigkeit sei auf Grund seiner Schwierigkeiten beim Sehen davon auszugehen, dass Fehler zu einer Gefahr für Leib und Leben für die eigene Person oder Dritte führen könnten.

10

Der Kläger beantragt,

11

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 20. Februar 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 1. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2010 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Februar 2010 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu bewilligen.

12

Die Beklagte beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

15

Im Rahmen des Berufungsverfahrens sind Befundberichte von den behandelnden Ärzten eingeholt worden. Nach dem Arztbrief des Internisten/Kardiologen Dr. P. vom 2. Dezember 2013, auf den dieser Arzt in seinem Befundbericht vom 8. Januar 2014 verwiesen hat, ist dem Kläger im Dezember 2013 eine Belastung in der Fahrradergometrie bis 125 Watt möglich gewesen. Der Abbruch sei wegen Hypertonie und Knieproblemen erfolgt. Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 142 bis 149, 150 bis 153, 179 bis 182 und 184 Bd. I der Gerichtsakten Bezug genommen.

16

Der Senat hat sodann das Gutachten von der Fachärztin für Innere Medizin, Sozialmedizin und Betriebsmedizin Dr. H. vom 12. Dezember 2014 eingeholt, das auf der Grundlage der ambulanten Untersuchung des Klägers am 21. Oktober 2014 erstattet worden ist. Der Kläger habe angegeben, unter ständigen Schmerzen zu leiden (im Sitzen weniger und beim Aufstehen und Gehen zunehmend). Eine Treppe zur Wohnung schaffe er ohne Pause. Oben angelangt, müsse er sich ausruhen. Einen Kilometer könne er gehen, aber unter starken Schmerzen; 500 m seien wahrscheinlich möglich. Zu der einen Kilometer entfernten Einkaufsstätte fahre er immer mit dem Pkw. Er stehe zwischen 5.30 und 6.00 Uhr auf, kümmere sich um die Hauswirtschaft in der Wohnung und übe vormittags für drei Stunden einen Hausmeister-Job aus, im Rahmen dessen er z.B. Papier aufsammle oder Schlösser im Auftrag einer Immobilienfirma repariere. Nach dem Mittagessen ruhe er sich circa eine halbe Stunde aus. Am Nachmittag hole er die zweijährige Enkelin vom Kindergarten ab und beschäftige sich mit ihr. Zum Abendbrot sei er wieder zu hause. Der Graue Star sei seit der Kindheit bekannt. Seit 2008 spritze er Insulin, nehme am Vorsorgeprogramm der Internistin teil und gehe einmal jährlich zum Augenarzt. Als Gesundheitsstörungen, die das Leistungsvermögen des Klägers im Erwerbsleben beeinflussten, lägen vor:

17

Minderbelastbarkeit des linken Kniegelenkes bei sekundärer Arthrose durch Kniebinnenschaden (Außenmeniskusschaden und Zustand nach vorderer Kreuzbandruptur) mit leichtgradigen Funktionsstörungen.

18

Minderbelastbarkeit des rechten Schultergelenkes durch Eckgelenkarthrose und degenerativ bedingte Rotatorenmanschettenläsion mit leichtgradigen Funktionsstörungen.

19

Belastungsabhängiges Schmerzsyndrom des linken Sprunggelenkes nach Distorsion 2009.

20

Ellenbogengelenkschmerzsyndrom bei Sehnenansatzstörung, rechtsdominant, ohne Funktionsstörungen.

21

Chronisches Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen mit leichtgradigen Funktionsstörungen ohne sensomotorische Ausfälle.

22

Belastungsabhängiges Schmerzsyndrom des linken Handgelenkes ohne Funktionsstörungen, Dupuytren´sche Kontraktur der linken Hand in Projektion auf den vierten Finger und leichte Beugefehlstellung des rechten Mittelfinger-Endgliedes nach Fraktur ohne Beeinträchtigung der Greiffunktion.

23

Bluthochdruck mit Linksherzbeteiligung (konzentrische Linksherzhypertrophie) ohne Störung der Pumpleistung der linken Herzkammer.

24

Diabetes mellitus, insulintherapiert, ohne diabetische Retinopathie, periphere Neuropathie oder Nephropathie und ohne Neigung zur Hypoglykämie.

25

Schlafbezogene Atemstörung, Atemtherapie geplant ab 2015.

26

Minderung des Sehvermögens durch Grauen Star, Kurz-, Stab- und Alterssichtigkeit, Sehleistung rechts bzw. links 0,5 (Fundus altersgerecht).

27

Die geklagten Schmerzen an einzelnen Bereichen des Stütz- und Bewegungsapparates seien zum größten Teil mit entsprechenden klinischen und apparativen Befunden zu begründen. Die mehr bewegungsabhängigen Schmerzen des linken Kniegelenkes seien auf den traumatisch entstandenen Kniebinnenschaden (Meniskus- und Kreuzbandverletzung) mit sekundärer Arthrose zurückzuführen, welche mit dem diskret links hinkenden Gangbild des Klägers als Folgen des Motorradunfalls des Klägers 1981 verblieben seien. Der Kläger könne noch sechs Stunden täglich leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten im gelegentlichen Wechsel der Haltungsarten, z.B. auch leichte Sortier- oder Büroarbeiten, verrichten. Zu vermeiden seien häufige einseitige körperliche Belastungen oder Zwangshaltungen, häufiges Bücken, Hocken oder Knien, Heben, Tragen oder Bewegen von mehr als leichten Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Arbeiten mit Einwirkung von Zugluft, Nässe, Temperaturschwankungen, an laufenden Maschinen, auf Leitern und Gerüsten, unter Zeitdruck, im Akkord, am Fließband, in Wechsel- oder Nachtschicht sowie Arbeiten mit Eigen- oder Fremdgefährdung. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände des Klägers sei nicht maßgebend eingeschränkt. An die geistigen und psychischen Fähigkeiten seien durchschnittliche Anforderungen zu stellen. Die Gehfähigkeit des Klägers sei nicht relevant eingeschränkt. Er könne auch öffentliche Verkehrsmittel und seinen Pkw für den Weg zur Arbeit nutzen. Die festgestellte Einschränkung der Leistungsfähigkeit bestehe auf Dauer. Eine wesentliche Verschlechterung der Gesundheitsstörungen mit Auswirkungen auf das qualitative Leistungsvermögen sei anhand der klinischen und apparativen Befunde nicht zu objektivieren. Der Sachverhalt sei in medizinischer Hinsicht geklärt.

28

Dr. B. hat in dem nachfolgend eingeholten Befundbericht vom 9. April 2015 einen Visus rechts von 0,8 pp und links von 0,7 pp angegeben. Der Augeninnendruck betrage beidseits 15 Torr. Änderungen im Gesundheitszustand des Klägers seien nicht eingetreten. Im Übrigen wird bezüglich der Einzelheiten auf Blatt 247 bis 248 Bd. II der Gerichtsakte Bezug genommen.

29

Der Kläger ist in der nicht-öffentlichen Sitzung des Berichterstatters am 28. Juli 2015 auch zu der Entwicklung seines Sehvermögens befragt worden. Er hat hierzu ausgeführt, bei seiner letzten Tätigkeit bis 2009 im Wesentlichen mit der noch vorliegenden Sehbeeinträchtigung gearbeitet zu haben. Allerdings habe er im Rahmen der vorgenannten Tätigkeit nur größere Teile handhaben müssen, sodass die Einschränkung der Sehfähigkeit sich nicht ausgewirkt habe. Er befinde sich in regelmäßiger augenärztlicher Kontrolle; dies schließe die Prüfung seiner Fahrtauglichkeit ein. Bezüglich der Einzelheiten wird im Übrigen auf die Sitzungsniederschrift, Blatt 256 Bd. II der Gerichtsakten, Bezug genommen.

30

Auf die gerichtliche Anfrage mit Richterbrief vom 30. Juli 2015 zu der nach Auffassung der Beklagten unbeeinträchtigten Sehfähigkeit des Klägers in einem Nahbereich von circa 80 cm hat Dr. B. unter dem 8. Oktober 2015 nochmals im Einzelnen die Visuswerte des Klägers vom 7. Oktober 2015 mitgeteilt:

31

- ohne Korrektur: rechts 0,15 links 0,15

32

- mit Korrektur: rechts -7,75-1,75/128°=0,7 links -6,5-2,0/60°=0,6

33

- Nahvisus 40 cm Leseabstand: rechts -5,0-1,75/131°=0,5 links -3,0-2,0/60°=0,5

34

Der Nahbereich von 60 bis 80 cm entspreche Bildschirmleseabstand und werde mit Lesebrille von dem Kläger nicht erkannt. Bei dem Kläger liege kein Glaukom vor, sondern ein Cataracta seniles provecta.

35

Die Beklagte hat eine Beendigung des Rechtsstreits im Rahmen eines Vergleichs abgelehnt und hält die Verweisungstätigkeit weiterhin für zumutbar unter Hinweis auf die Stellungnahme der Prüf-/Gutachterärztin Dr. K. vom 2. Dezember 2015, nach der bei dem Lesen am Bildschirm ggfs. die Schriftgröße anzupassen oder eine Lesebrille zu benutzen sei. Auch für eine Tätigkeit als Verdrahtungselektriker bestehe eine ausreichende Eignung. Darüber hinaus gebe es Behandlungsmöglichkeiten für den Grauen Star.

36

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

37

Die Berufung ist ganz überwiegend begründet.

38

Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, soweit dem Kläger eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gänzlich versagt worden ist. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) als er Anspruch auf Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit vom 1. Juli 2010 bis zum 30. Juni 2016 hat.

39

Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf eine solche Rente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.

40

Der Kläger erfüllt die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Er ist nach dem maßgebenden Stichtag geboren und berufsunfähig.

41

Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (Satz 2). Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die der Versicherte durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden ist (Satz 3). Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (Satz 4).

42

Für die Frage, ob ein Versicherter berufsunfähig ist, ist sein "bisheriger Beruf" maßgebend. Wenn er diesen aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben kann, ist die Zumutbarkeit einer anderen Tätigkeit zu prüfen. Bisheriger Beruf im Sinne des § 240 SGB VI ist grundsätzlich die zuletzt ausgeübte und auf Dauer angelegte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Diese muss also mit dem Ziel verrichtet werden, sie bis zur Erreichung der Altersgrenze auszuüben. Dieser Grundsatz gilt jedenfalls dann, wenn die Tätigkeit zugleich die qualitativ höchste im Berufsleben der Versicherten gewesen ist (vgl. z.B. Nazarek in JurisPraxiskommentar SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 240 RdNr. 35 m.w.N.).

43

Der bisherige Beruf des Klägers ist der des Elektroinstallateurs/Elektromonteurs, der in den aktuellen Ausbildungsberufen des Systemelektronikers und des Elektrotechnikers aufgegangen ist, gleichwohl weiterhin eine gängige Berufsbezeichnung auf dem Arbeitsmarkt ist.

44

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger seinen bisherigen Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten kann. Dies ergibt sich bereits aus der mit der letzten Tätigkeit regelmäßig verbundenen Tragebelastung mit mittelschweren bis schweren Gewichten, die mit der Beschränkung des Leistungsbildes auf leichte körperliche Arbeiten, das zuletzt Dr. H. in ihrem Gutachten vom 12. Dezember 2014 schlüssig und überzeugend dargelegt hat, nicht vereinbar ist.

45

Der bisherige Beruf begründet für den Kläger einen Berufsschutz auf der Ebene der Facharbeiter im Sinne des Mehrstufenschemas des Bundessozialgerichts (BSG). Einem Versicherten ist die Ausübung einer ungelernten Arbeitstätigkeit nur zuzumuten, wenn sein bisheriger Beruf entweder dem Leitberuf des angelernten oder ungelernten Arbeiters zuzuordnen ist. Bei den angelernten Arbeitern ist weiter zu differenzieren: Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von bis zu einem Jahr (sog. untere Angelernte) sind auf alle ungelernten Tätigkeiten verweisbar. Demgegenüber können Angelernte mit einer Regelausbildungszeit von mehr als einem Jahr bis zu zwei Jahren (sog. obere Angelernte) nur auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden, die sich durch bestimmte Qualitätsmerkmale auszeichnen. Facharbeiter, d.h. Versicherte, die einen anerkannten Ausbildungsberuf i.S. des § 25 Berufsbildungsgesetzes mit einer mehr als zweijährigen Ausbildung erlernt und ausgeübt haben, sind nur auf Tätigkeiten verweisbar, die zumindest eine echte betriebliche Ausbildung von wenigstens drei Monaten erfordern (vgl. hierzu z.B. Niesel in: Kasseler Kommentar, § 43 SGB VI a.F. RdNr. 109 m.w.N.). Versicherte, die in der DDR ihre Berufsausbildung absolviert haben, erhalten den Facharbeiterstatus, wenn der Beruf auch im alten Bundesgebiet den Status des Facharbeiters erfüllt, auch wenn die Ausbildungszeit nur zwei Jahre betrug (vgl. z.B. Nazarek in JurisPraxiskommentar, 2. Aufl. 2013, § 240 RdNr. 58). Der bisherige Beruf des Klägers ist der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen, weil der Kläger eine zweijährige betriebliche Ausbildung nach den maßgebenden Bedingungen des Berufsbildes des Elektroinstallateurs der DDR durchlaufen hat und zuletzt in dem erlernten Facharbeiterberuf beschäftigt gewesen ist.

46

Die Beklagte hat einen geeigneten, d.h. sozial und gesundheitlich zumutbaren, Verweisungsberuf nicht benannt. Die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit des Verdrahtungselektrikers (in der industriellen Schaltschrankmontage) ist dem Kläger gesundheitlich nicht zumutbar. Dabei ist auf die von der behandelnden Augenärztin wiedergegebenen Augenbefunde abzustellen. Eine zur Vermeidung der Rente zumutbare Behandlungsmöglichkeit des Grauen Stars ist von der Beklagten nicht aufgezeigt worden. Die Beklagte hat nicht konkretisiert, welche Behandlungsmöglichkeiten sie für diese Augenerkrankung annimmt. Soweit sie insoweit auf eine Augenoperation abstellen sollte, wäre der Kläger nicht verpflichtet, sich einer solchen Maßnahme zu unterziehen. Ohne Bedeutung ist auch, ob der Kläger im Rahmen seiner letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit die gesundheitlichen Anforderungen an die damals ausgeübte Tätigkeit allgemein erfüllt hätte. Der Kläger hat insoweit auch überzeugend dargelegt, dass er im Wesentlichen größere Teile handhaben musste, sodass die Einschränkungen seines Sehvermögens keine Beeinträchtigung darstellte.

47

Die benannte Verweisungstätigkeit verlangt bereits aus Sicherheitsgründen für den Kläger und die Allgemeinheit ein normales Sehvermögen, das sowohl - wie bereits von der Beklagten im Rahmen des Widerspruchsbescheides vom 5. August 2010 ausgeführt - ein unbeeinträchtigtes Farbsehvermögen und ein normales Nahsehvermögen erfordert. Diese Anforderung drängt sich auf, ergibt sich aber z.B. im Sinne einer konkreten gutachterlichen Feststellung aus dem für das Sozialgericht N. von der Gutachterin S. erstatteten berufskundlichen Gutachten vom 17. Mai 2002. Der Senat sieht keine Veranlassung, hiervon abzuweichen. Die Beklagte hat trotz mehrfacher Aufforderung, zum berufskundlichen Sachverhalt weiter vorzutragen, keine Ergänzungen zu dem von ihr bereits im Widerspruchsverfahren zugrunde gelegten Anforderungsprofil vorgenommen, welches die Rechtsauffassung des Senats stützt.

48

Die Rente beginnt hier nach § 101 Abs. 1 SGB VI mit dem siebten Monat nach der eingetretenen Leistungsminderung, die für den Abschluss der Rehabilitationsmaßnahme in der Rehabilitationsklinik E-S. im Dezember 2009 mit hinreichender Gewissheit dokumentiert ist. Der Senat legt für die Dauer der Rente den Drei-Jahres-Zeitraum ab dem 1. Juli 2010 mit einer Weitergewährung von drei Jahren nach § 102 Abs. 2 Satz 2 und 3 SGB VI zugrunde. Das Ende des zweiten Drei-Jahres-Zeitraums in zeitlicher Nähe zu der mündlichen Verhandlung des Senats rechtfertigt nicht die Weiterbewilligung für weitere drei Jahre. Die Gewährung einer Dauerrente kommt nicht in Betracht, da der Zustand nach einer ggf. doch von dem Kläger unternommenen operativen Behandlung des Grauen Stars derzeit nicht absehbar ist.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

50

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


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Referenzen - Gesetze

Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 28. Jan. 2016 - L 3 R 132/13 zitiert 11 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 240 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit


(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die 1. vor dem 2. Januar 1961 geboren und2. berufsunfähigsind. (2) Berufsunfähig

Berufsbildungsgesetz - BBiG 2005 | § 25 Unabdingbarkeit


Eine Vereinbarung, die zuungunsten Auszubildender von den Vorschriften dieses Teils des Gesetzes abweicht, ist nichtig.

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 102 Befristung und Tod


(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden. (2) Renten wegen vermind

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 101 Beginn und Änderung in Sonderfällen


(1) Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet. (1a) Befristete Renten wegen voller Erwerbsminderung, auf die Anspruch un

Referenzen

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die

1.
vor dem 2. Januar 1961 geboren und
2.
berufsunfähig
sind.

(2) Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Eine Vereinbarung, die zuungunsten Auszubildender von den Vorschriften dieses Teils des Gesetzes abweicht, ist nichtig.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

(1) Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.

(1a) Befristete Renten wegen voller Erwerbsminderung, auf die Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet, wenn

1.
entweder
a)
die Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Träger der Rentenversicherung zur Folge hat, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld entfällt, oder
b)
nach Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit durch den Träger der Rentenversicherung ein Anspruch auf Krankengeld nach § 48 des Fünften Buches oder auf Krankentagegeld von einem privaten Krankenversicherungsunternehmen endet und
2.
der siebte Kalendermonat nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit noch nicht erreicht ist.
In diesen Fällen werden die Renten von dem Tag an geleistet, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Krankentagegeld endet.

(2) Befristete große Witwenrenten oder befristete große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet.

(3) Ist nach Beginn der Rente ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird die Rente der leistungsberechtigten Person von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Bei einer rechtskräftigen Abänderung des Versorgungsausgleichs gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt nach § 226 Abs. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit abzustellen ist. § 30 des Versorgungsausgleichsgesetzes bleibt unberührt.

(3a) Hat das Familiengericht über eine Abänderung der Anpassung nach § 33 des Versorgungsausgleichsgesetzes rechtskräftig entschieden und mindert sich der Anpassungsbetrag, ist dieser in der Rente der leistungsberechtigten Person von dem Zeitpunkt an zu berücksichtigen, der sich aus § 34 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes ergibt. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(3b) Der Rentenbescheid der leistungsberechtigten Person ist aufzuheben

1.
in den Fällen des § 33 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt
a)
des Beginns einer Leistung an die ausgleichsberechtigte Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 33 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes),
b)
des Beginns einer Leistung an die ausgleichspflichtige Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 33 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes) oder
c)
der vollständigen Einstellung der Unterhaltszahlungen der ausgleichspflichtigen Person (§ 34 Abs. 5 des Versorgungsausgleichsgesetzes),
2.
in den Fällen des § 35 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns einer Leistung an die ausgleichspflichtige Person aus einem von ihr im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht (§ 36 Abs. 4 des Versorgungsausgleichsgesetzes) und
3.
in den Fällen des § 37 Abs. 3 des Versorgungsausgleichsgesetzes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Aufhebung der Kürzung des Anrechts (§ 37 Abs. 1 des Versorgungsausgleichsgesetzes).
Die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden.

(4) Ist nach Beginn der Rente ein Rentensplitting durchgeführt, wird die Rente von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn das Rentensplitting durchgeführt ist. Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Entsprechendes gilt bei einer Abänderung des Rentensplittings.

(5) Ist nach Beginn einer Waisenrente ein Rentensplitting durchgeführt, durch das die Waise nicht begünstigt ist, wird die Rente erst zu dem Zeitpunkt um Abschläge oder Zuschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dem eine Rente aus der Versicherung des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners, der durch das Rentensplitting begünstigt ist, beginnt. Der Rentenbescheid der Waise ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden. Entsprechendes gilt bei einer Abänderung des Rentensplittings.

(1) Sind Renten befristet, enden sie mit Ablauf der Frist. Dies schließt eine vorherige Änderung oder ein Ende der Rente aus anderen Gründen nicht aus. Renten dürfen nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden.

(2) Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit und große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann; hiervon ist nach einer Gesamtdauer der Befristung von neun Jahren auszugehen. Wird unmittelbar im Anschluss an eine auf Zeit geleistete Rente diese Rente unbefristet geleistet, verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(2a) Werden Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben erbracht, ohne dass zum Zeitpunkt der Bewilligung feststeht, wann die Leistung enden wird, kann bestimmt werden, dass Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit mit Ablauf des Kalendermonats enden, in dem die Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben beendet wird.

(3) Große Witwenrenten oder große Witwerrenten wegen Kindererziehung und Erziehungsrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem die Kindererziehung voraussichtlich endet. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(4) Waisenrenten werden auf das Ende des Kalendermonats befristet, in dem voraussichtlich der Anspruch auf die Waisenrente entfällt. Die Befristung kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn.

(5) Renten werden bis zum Ende des Kalendermonats geleistet, in dem die Berechtigten gestorben sind.

(6) Renten an Verschollene werden längstens bis zum Ende des Monats geleistet, in dem sie nach Feststellung des Rentenversicherungsträgers als verstorben gelten; § 49 gilt entsprechend. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen die Feststellung des Rentenversicherungsträgers haben keine aufschiebende Wirkung. Kehren Verschollene zurück, lebt der Anspruch auf die Rente wieder auf; die für den Zeitraum des Wiederauflebens geleisteten Renten wegen Todes an Hinterbliebene sind auf die Nachzahlung anzurechnen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.