Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil, 23. Apr. 2015 - L 1 RS 33/13

ECLI:ECLI:DE:LSGST:2015:0423.L1RS33.13.0A
bei uns veröffentlicht am23.04.2015

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten im Zugunstenverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) über einen Anspruch des Klägers auf Feststellung der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) für die Zeit vom 1. November 1975 bis 30. Juni 1990.

2

Der am ... 1949 geborene Kläger hatte erfolgreich ein Fachschulfernstudium an der Ingenieurschule für Bauwesen E. in der Fachrichtung Heizungs-, Lüftungs-, Sanitärtechnik absolviert. Er war nach der Urkunde vom 1. November 1975 berechtigt, den akademischen Grad eines Ingenieurs zu führen. Bereits seit dem 1. September 1967 war der Kläger beim VEB Technische Gebäudeausrüstung W. (im Folgenden: VEB TGA) beschäftigt. Ab dem 1. September 1975 war er als Technologe, ab dem 1. Februar 1981 als Projektant und vom 5. Dezember 1983 bis 30. Juni 1990 als Gruppenleiter Projektierung HLS eingesetzt. Nach seinen Angaben umfasste sein Arbeitsbereich die technologische Konzeption, Planung, Kundenberatung und Baubetreuung bei der Realisierung von Wärmeübertragungsstationen (WÜST) und Heizhäusern. Dabei erfolgte nach seiner Schilderung zuerst die Kundenberatung, dann die Konstruktion und Zusammenstellung der notwendigen Baugruppen und schließlich aufgrund der Konstruktionspläne deren Produktion nach seinen Vorgaben.

3

Der Bruttoverdienst des Klägers überstieg in den Jahren ab 1974 den Jahresbetrag von 7.200 M. Der Kläger entrichtete im Zeitraum vom 1. Januar 1975 bis 31. Dezember 1980 und vom 1. September 1989 bis 30. Juni 1990 Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR). Er wurde nicht in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) einbezogen.

4

Der VEB TGA war nach dem statistischen Betriebsregister der DDR seit dem 1. Januar 1970 dem wirtschaftsleitenden Organ VEB Kombinat Technische Gebäudeausrüstung L. (TGA) zugeordnet. Dieser bestand aus 19 selbstständigen Betrieben (vgl. Statut des VEB Kombinat Technische Gebäudeausrüstung vom 29. Dezember 1984, gültig ab 1. Januar 1985; Register der volkseigenen Wirtschaft). Der TGA war für die Lieferung von Bauelementen, für Spezialmontagen von Heizungs-, lufttechnischen, Sanitär- und Elektroanlagen sowie für die Organisation der Montage kompletter technischer Gebäudeausrüstungen zuständig (vgl. http://www.archiv.sachsen. e/archive/leipzig/4236 3230373335.htm). Der VEB TGA gehörte zur Wirtschaftsgruppe 20297 "Ausbaubetriebe (Gebäudeausrüstungen)". Diese waren der Wirtschaftsgruppe 2 - Bauwirtschaft - zugeordnet (Auskünfte des Bundesarchivs vom 25. Oktober 2007, 30. Juni 2011 und 11. Dezember 2013). Der Betrieb war nach dem Register der volkseigenen Wirtschaft dem Ministerium für Bauwesen B. unterstellt.

5

Nach dem Statut des VEB Kombinat Technische Gebäudeausrüstung ab dem 1. Januar 1985 war das Kombinat verantwortlich u.a. für Erzeugnisse der Vorfertigungsindustrie der Bauproduktion (Bauelemente, Baueinheiten und Baugruppen der technischen Gebäudeausrüstung), ferner für Leistungen der Bauwirtschaft in Form von Heizungs-, Lüftungs- und Sanitäranlagen, Versorgungsrohrleitungen für das Bauwesen sowie für Elektroanlagen für den Wohnungsbau.

6

Ausweislich der auszugsweise vom Kläger vorgelegten "Auswahlunterlagen für Heizungs- und MSR-Technik", Stand 01/84, wurden WÜST aus verschiedenen Baugruppen der Heizungstechnik je nach der erforderlichen Wärmeleistung zusammengestellt und projektiert. Die WÜST dienten der Wärmeversorgung von VEB, Wohnkomplexen, Pflegeheimen, Hochschulen, Hotels oder etwa Schwimmhallen. Nach den vorliegenden Prospekten (Stand 80er Jahre) wurden WÜST mehr als tausendfach eingesetzt. Die Stationen wurden aus verschiedenen, katalogmäßig erfassten Baugruppen (z.B. Anlagensicherung Dampf/Wasser, Wärmeübertragung Dampf/Wasser, Druckhaltepumpen, Umwälzpumpen, Ventile, Ausdehnungsgefäße, Zuleitungen) zusammengestellt. Die Baugruppen wurden im VEB TGA hergestellt.

7

Die "Auswahlunterlagen" waren zur Produktionsvorbereitung durch die Projektanten, Konstrukteure und Technologen der jeweiligen Auftraggeber einzusetzen. Seitens des Ministeriums für Bauwesen war vorgegeben, die Bauelemente, Baugruppen und Baueinheiten für Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung weitgehend vorzufertigen und zu katalogisieren. Die Information der Projektierungsbetriebe war durch verbindliche Projektierungsrichtlinien, Kataloge und technische Vorschriften zu gewährleisten. Dabei war der VEB TGA als Anwenderzentrum zu konsultieren; dieser hatte auch die Genehmigungen zu erteilen (GBl. I vom 21. Oktober 1985, S. 294).

8

Bei den Baugruppen der MSR-Technik (Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik) wurden Varianten mit unterschiedlicher Größe und Anzahl der Schaltschränke sowie unterschiedlichen Funktionen unterschieden. Dabei wurden Stationen )10 MW durch den VEB TGA selbst projektiert, geliefert und montiert.

9

Der VEB TGA wurde am 11. September 1990 in eine GmbH umgewandelt. Ausweislich des Gründungsberichts vom 23. Mai 1990 umfasste die Produktionspalette seinerzeit die Industrieproduktion (Baugruppen für WÜST, Luftführungselemente aus Stahlblech, Klimageräte (nach Schilderung des Klägers: Zu- und Abluftanlagen für die WÜST)), die Bauproduktion (Montageleistungen (Heizungsanlagen, Heizhäuser, Wärmeerzeuger für Gas, Öl und feste Brennstoffe, Sanitäranlagen, Feuerlöschanlagen, Druckerhöhungsstationen, Versorgungsrohrleitungen für Fernwärme, Heizung, Wasser, Gas, Druckluft und sonstige Medien, Lüftungs- und Klimaanlagen)), Elektromontageleistungen (Projektierung, Lieferung und Montage von elektrotechnischen Anlagen bis zu einer Nennspannung von 30 kV) sowie MSR-Anlagen. Zu diesem Zeitpunkt waren nach dem Gründungsbericht im VEB TAG 885 Mitarbeiter beschäftigt, davon 298 in der Verwaltung. Von der Jahresgesamtproduktion (in TM) sollten prognostisch ca. 43% auf die Bauproduktion, ca. 54% auf die Industrieproduktion und ca. 3% auf nichtindustrielle Leistungen (gemeint: Kleinkundenaufträge) entfallen.

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Nach dem auszugsweise vorliegenden Jahresabschlussbericht 1990 der Rechtsnachfolgerin des VEB TGA waren zum Stichtag 1. Juli 1990 von 846 Arbeitnehmern 268 in der Verwaltung und 571 in der Produktion (271 in der Bauproduktion W. und D., 130 in der Industrieproduktion W. und 170 in der Bau- und Industrieproduktion W. (ELAS = Elektrobau)) tätig gewesen. Dabei seien im 1. Halbjahr 1990 ca. 39% (=28.922 TM) des Umsatzes auf die Bauproduktion und ca. 61% (=45.114 TM) auf die Industrieproduktion entfallen.

11

Mit Bescheid vom 11. Mai 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 2007 hatte die Beklagte die Feststellung der Zugehörigkeit des Klägers zur AVItech abgelehnt. Der Beschäftigungsbetrieb VEB TGA sei am 30. Juni 1990 kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder der Bauwirtschaft i.S.d. Versorgungsordnung und auch kein gleichgestellter Betrieb i.S. der 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 24. Mai 1951 (GBl. Nr. 62, S. 487 - im Folgenden: 2. DB) gewesen. Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hatte mit Gerichtsbescheid vom 18. Juni 2009 die dagegen erhobene Klage abgewiesen (S 1 R 415/07). Nach dem Gesamtbild habe es sich am 30. Juni 1990 um einen handwerklich geprägten Ausbaubetrieb und nicht um einen industriellen Produktionsbetrieb gehandelt. Die Zuordnung des Betriebs zu einem bestimmten Wirtschaftsbereich stelle ein geeignetes Abgrenzungskriterium dar. Der Kläger sei auch nicht in einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Die dagegen eingelegte Berufung (L 1 R 236/09) hatte der Kläger am 22. April 2010 zurückgenommen.

12

Am 6. September 2010 beantragte er die Überprüfung des Anspruchs auf Zusatzversorgung nach dem AAÜG. Er bezog sich u.a. auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15. Juni 2010.

13

Mit Bescheid vom 23. September 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da nach § 44 SGB X eine Aufhebung der bisherigen Bescheide nicht möglich sei. Es handele es sich bei dem VEB TGA nicht um einen volkseigenen Produktionsbetrieb oder einen gleichgestellten Betrieb.

14

In seinem dagegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, der VEB TGA sei ein Produktionsbetrieb des Bauwesens gewesen und habe dem Ministerium für Bauwesen der DDR unterstanden. Massenproduktion habe in Form der industriellen Fertigung von WÜST, dazugehöriger MSR-Schaltschränke sowie Zu- und Abluftbauteilen stattgefunden.

15

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2010 zurück. Sie verwies auf das Urteil des erkennenden Senats vom 28. Januar 2010 (L 1 R 2/06), wonach der VEB TGA kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen sei.

16

Dagegen hat der Kläger am 4. Januar 2011 erneut Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhoben. Er hat ergänzend ausgeführt: Der VEB TGA sei ein volkseigener Produktionsbetrieb des Bauwesens gewesen. Dies könne auch ein Montagebetrieb sein. Bei allen größeren betrieblichen Investitionen in Wohnungsbau, Industrie und Landwirtschaft habe der VEB TGA W. als Anwenderzentrum konsultiert werden müssen. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen sei dann überprüft und festgelegt worden, welche Baugruppen aus der Industriefertigung des VEB TGA einsetzbar gewesen seien (technische Parameter, benötigter Platzbedarf, örtliche Verhältnisse, zahlreiche andere Parameter). Die Einordnung des VEB TGA in das statistische Betriebsregister der DDR stimme mit den tatsächlichen Produktionsrealitäten nicht überein. Neben der industriellen Fertigung der WÜST seien auch Bau- und Montageleistungen erbracht worden. Der VEB TGA sei mit dem Rechtsnachfolger, der TGA W. GmbH, in keiner Weise vergleichbar.

17

Das Sozialgericht hat Unterlagen des Registers der volkseigenen Wirtschaft (sowie des Handelsregisters) beigezogen. Ferner hat es die Auskunft des Bundesarchivs vom 30. Juni 2011 eingeholt.

18

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 19. Juli 2013 abgewiesen. Das AAÜG sei auf den Kläger nicht anwendbar. Er habe weder eine Versorgungszusage gehabt, noch liege eine nachträgliche Rehabilitierungsentscheidung vor. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Einbeziehung nach der vom BSG vorgenommenen Auslegung des § 1 AAÜG. Zum 30. Juni 1990 sei die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt gewesen. Bei dem VEB TGA habe es sich weder um einen volkseigenen Produktionsbetrieb Industrie/Bau noch um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt. Dies folge schon aus der Zuordnung zur Wirtschaftsgruppe 20297, die ausschließlich für Ausbaubetriebe auf dem Gebiet der Gebäudeausrüstung vorgesehen gewesen sei. Möge der Betrieb auch WÜST-Baugruppen produziert haben, hätten diese jedoch der Produktion nicht das Gepräge gegeben. Es sei nicht nachgewiesen, dass diese im Sinn einer industriellen Massenproduktion hergestellt worden seien. Der Hauptzweck seien die Installation von lüftungs-, klima-, heizungs- und sanitärtechnischen Anlagen sowie die Isolierung von Kälte- und Wärmeleitungen gewesen. Die serielle Fertigung bestimmter Güter habe nur dienende Funktion für die Auftragserteilung gehabt. Auch die Erbringung von Bauleistungen (ähnlich einem Baukombinat) habe nicht im Vordergrund der Betriebstätigkeit gestanden.

19

Gegen das ihm am 26. August 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19. September 2013 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass die betriebliche Voraussetzung vorläge. Nach der neueren Auslegung des Merkmals "Produktionsbetrieb" (Urteil des BSG vom 19. Juli 2011, B 5 RS 7/10 R) könnten auch Montagebetriebe die betriebliche Voraussetzung erfüllen. Die organisatorische Zuordnung eines Betriebs sei allenfalls ein Hilfskriterium. Der Hauptzweck des VEB TGA habe in der Massenproduktion von WÜST und der Bauproduktion bestanden.

20

Ergänzend hat der Kläger - unter Vorlage verschiedener Betriebsunterlagen - ausgeführt: der "Monopolstatus" des VEB TGA sei nicht berücksichtigt worden. Aussagen von Geschäftsführern des Nachfolgebetriebs entsprächen nicht der Lebenswirklichkeit am 30. Juni 1990. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe es sich nicht um einen Dienstleistungsbetrieb auf dem Gebiet der Gebäudeausrüstung gehandelt. Die WÜST-Baugruppen, Schaltschränke und Lüftungsteile seien in einer standardisierten Massenproduktion gefertigt worden. Im Bereich des Wohnungsbaus seien eine industrielle Fertigung und Montageleistungen vorgefertigter Bauteile (Zentrale Warmwassererzeugung, Zentralheizung, Gas- oder Elektroherdinstallationen) sowie der Innenausbau der Gewerke HLS (Einbau von Bad oder Dusche) erfolgt.

21

Die industrielle, serielle Produktion von Sachgütern (Wohnungen) habe im Vordergrund der Betriebstätigkeit gestanden. Für jedes Gebäude seien die gleichen standardisierten, vorgefertigten Bauteile und -gruppen verwendet worden.

22

Der Kläger beantragt,

23

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 19. Juli 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Dezember 2010 aufzuheben und diese zu verpflichten, den Bescheid vom 11. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 2007 aufzuheben und den Zeitraum vom 1. November 1975 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungsystem der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Entgelte festzustellen.

24

Die Beklagte beantragt,

25

die Berufung zurückzuweisen.

26

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Aufgabe des VEB TGA habe nicht in der Errichtung von Bauwerken bestanden, sondern in der Komplettierung und Vervollständigung der Gebäudeinfrastruktur. Es habe sich nicht um Montage, sondern um Installation gehandelt. Auch ein industrieller Produktionsbetrieb habe nicht vorgelegen. Die möglicherweise standardisiert und automatisiert gefertigten Baugruppen hätten nicht den Kern der Wertschöpfung des Betriebs ausgemacht. Die Hauptaufgabe habe darin bestanden, ein bereits errichtetes Gebäude durch Ausrüstung funktionstauglich zu machen. Der Kläger habe keine überwiegend serielle Montage im Rahmen der Produktpalette belegt. Er widerspreche sich zudem hinsichtlich der Vergleichbarkeit des Produktionsprofils des VEB TGA und der Rechtsnachfolgerin. Aus den vorgelegten Betriebsunterlagen ergebe sich allenfalls, dass auch Montageleistungen erbracht worden seien. Eine überwiegend serielle Montage oder Massenproduktion standardisierter Produkte sei nicht erkennbar.

27

Der Senat hat die Gerichtsakte L 1 R 2/06 beigezogen. Das Sozialgericht Dessau hatte zwei schriftliche Auskünfte des Geschäftsführers der TGA Energietechnik W. GmbH D. vom 8. November 2004 und 26. September 2005 eingeholt. Danach habe der VEB TGA die Baugruppen für WÜST selbst hergestellt. Diese seien auf den Baustellen für die Beheizung von Wohnkomplexen oder Industrieanlagen hergestellt worden. Die Fertigung der Baugruppen sei aus gekauften Materialien und selbst hergestellten Teilen erfolgt. Zahlen über Produktionsleistungen lägen nicht mehr vor. Der Anteil der Industrieproduktion am Umsatz der Firma habe ca. 60% betragen. Zum 30. September 1990 seien in der Industrieproduktion 134 und in der Bauproduktion 149 Arbeitskräfte beschäftigt gewesen.

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Ferner hatte der erkennende Senat von dem ehemaligen Direktor Produktion des VEB TGA W. H. schriftliche Auskünfte vom 30. November 2006 und vom 30. Januar 2007 eingeholt. Danach seien im 1. Halbjahr 1990 271 Arbeitskräfte in der Bauproduktion und 300 in der in Industrieproduktion tätig gewesen. In der Industrieproduktion seien Baugruppen für Heizungs- und Lüftungstechnik hergestellt sowie die Montage von Elektroanlagen ausgeführt worden. Die Baugruppen seien je nach Bedarf und Leistungsabforderung sowohl in Groß- als auch ggf. in Kleinserien oder als Einzelstücke gefertigt worden. Eine industrielle Regeneration habe nicht stattgefunden. Nichtindustrielle Leistungen seien nach der Wende nicht mehr beauftragt worden. Es sei aber erforderlich gewesen, aus den von den Auftraggebern übergebenen Zeichnungen Arbeitsunterlagen für die Montagekräfte zu erstellen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe

A.

30

Die Berufung ist nach §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch im Übrigen zulässig.

B.

31

Die Berufung hat aber keinen Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 23. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Dezember 2010 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht i.S. der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Er hat nach § 44 Abs. 1 SGB X keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 11. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 2007 und Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungsystem der technischen Intelligenz sowie der in diesem Zeitraum erzielten Entgelte.

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Soweit sich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Die ursprünglichen Feststellungen der Beklagten über die Ablehnung der Einbeziehung in die AVItech nach § 8 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren rechtmäßig.

I.

33

Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt dieses Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002, B 4 RA 31/01 R).

34

Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen in den streitigen Zeiträumen. Ihm ist keine originäre Versorgung nach der AVItech zugesagt worden. Er ist auch nicht aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Fall nicht stattgefunden.

II.

35

Der Senat kann offenlassen, ob er der Rechtsprechung des früheren 4. Senats und des jetzigen 5. Senats des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann, folgt. Denn auch nach dieser Rechtsprechung wären die Voraussetzungen für eine (fiktive) Einbeziehung in die AVItech nicht gegeben.

36

Danach hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. DDR I, Nr. 93 S. 844, im Folgenden: VO-AVItech) i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 2. DB von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich am 30. Juni 1990 vorgelegen haben müssen.

37

Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für

38

Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung), und

39

die entsprechende Tätigkeiten tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar

40

in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

41

Versorgungsrechtlich relevant ist allein die Tätigkeit in einem Produktionsdurchführungsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. An dieser Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG hat der jetzt zuständige 5. Senat festgehalten (BSG, Urteil vom 19. Juli 2011, B 5 RS 7/10 R (24); Urteil vom 9. Oktober 2012, B 5 RS 5/12 R (23); Urteil vom 20. März 2013, B 5 RS 3/12 R (24, 25)).

42

Der Begriff des Produktionsbetriebs der Industrie erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gegeben hat (BSG, Urteil vom 20. März 2013, B 5 RS 3/12 R (24)). Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung ist indes unerheblich, ob der VEB am Stichtag 30. Juni 1990 noch organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet war. Maßgeblich ist vielmehr, ob dem VEB die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hatte. Der Umstand der organisatorischen Zuordnung ist allenfalls als bestätigendes Hilfskriterium heranzuziehen (BSG, Urteil vom 20. März 2013, B 5 RS 3/12 R (25)).

43

Merkmal einer industriellen Massenproduktion ist, dass Sachgüter im Hauptzweck industriell (d.h. serienmäßig wiederkehrend, vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 14/03 R) gefertigt werden. Massenproduktion ist auf die standardisierte und automatisierte Herstellung einer potentiell unbestimmten Zahl von Sachgütern gerichtet. Die Anzahl der produzierten Güter ist nicht von entscheidender Bedeutung. Auch Kleinserien können zur Massenproduktion gehören, wenn diese zwar in einer theoretisch unbestimmten Vielzahl zur Verfügung stehen könnten, aber der Markt nur wenige oder im Extremfall ein einziges Gut abnimmt (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012, B 5 RS 8/11 R (24)). Der Zusammenbau der hergestellten Güter muss mehr oder weniger schematisch anfallen und das Produkt muss einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entsprechen. Dabei kann es sich um nach Art, Aussehen und Bauweise identische Produkte handeln. Darunter können aber auch Sachgüter fallen, die aus mehreren - ihrerseits standardisiert und automatisiert hergestellten - Einzelteilen zusammengesetzt und Teil einer einseitig und abschließend allein vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette sind (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012, B 5 RS 5/12 R (26)). Dann kann auch der Zusammenbau von Einzelteilen zu einem fertigen Produkt Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens sein (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012, B 5 RS 5/11 R (24)). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Bauteile im eigenen oder in einem Drittbetrieb angefertigt worden sind. Maßgebend ist vielmehr, ob auch die Herstellung des Endprodukts durch den Zusammenbau von Bauteilen mehr oder weniger schematisch erfolgt (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012, B 5 RS 5/11 R (24)).

44

Wenn allerdings Gebrauchtteile mit verbaut werden, liegt keine industrielle Massenproduktion vor. Auch wenn individuelle Kundenwünsche in den Vordergrund treten, ist bei einem solchen Zusammenbau der Bezug zu industriellen Massenproduktion entfallen. Dies gilt etwa dann, wenn die Produktionsweise eines Betriebs von vornherein darauf angelegt ist, allein den Vorgaben des Auftraggebers entsprechend Einzelstücke herzustellen, die in einer vorgegebenen Produktpalette so nicht enthalten sind. Dies kann etwa beim Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf die besondere Anforderung des Auftraggebers gefertigten Produkts vorliegen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2012, B 5 RS 8/11 (23)). Werden jedoch Produkte zwar nach individuellen Vorgaben gefertigt, sind diese aber in einer vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette enthalten, ist die Eigenschaft als Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens nicht gefährdet (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012, B 5 RS 5/11 R (24), Urteil vom 9. Oktober 2012, B 5 RS 5/12 R (27)).

45

Hat ein VEB am Stichtag verschiedene Sparten und Produktionsgruppen gehabt, so sind der Hauptzweck des Betriebs und der Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit zu ermitteln. Im Rahmen einer "Geprägeprüfung" sind die jeweiligen Sparten oder Produktionsgruppen nach jeweils einheitlichen Maßstäben zu bewerten und zueinander in Beziehung zu setzen. Dies können etwa Umsatz und Ertrag in den jeweiligen Tätigkeitsbereichen sein (BSG, Urteil vom 9. Oktober 2012, B 5 RS 5/11 R (27)). Bei dem Kriterium der Kopfzahl der Mitarbeiter ist zu beachten, dass diese nicht automatisch auf ein entsprechendes Arbeitsvolumen und einen Anteil an der Wertschöpfung schließen lässt (BSG, Urteil vom 20. März 2013, B 5 RS 3/12 R (26)).

46

Für die Frage der Einordnung als Produktionsbetrieb im Sinne der genannten Rechtsprechung des BSG ist auf den rechtsfähigen Beschäftigungsbetrieb, nicht jedoch das übergeordnete Kombinat abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003, B 4 RA 20/03 R). Etwas anderes kann dann gelten, wenn das Arbeitsverhältnis direkt mit dem Kombinat bestanden hat. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Der Kläger war im streitigen Zeitraum bei dem VEB TGA beschäftigt.

1. a.

47

Der Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass es sich bei der Sparte Bauproduktion des VEB TGA um einen volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich des Bauwesens handelte.

48

Im Bereich des Bauwesens erfasst der Begriff des Produktionsbetriebs nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, deren Hauptzweck in der Massenproduktion von Bauwerken liegt. Diese mussten also standardisierte Produkte massenhaft ausstoßen und eine komplette Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand haben (BSG, Urteil vom 8. Juni 2004, B 4 RA 57/03 R). Nach der VO-AVItech sollte nur die technische Intelligenz in solchen Betrieben privilegiert werden, die durch wissenschaftliche Forschungsarbeit und die Erfüllung technischer Aufgaben in den produzierenden Betrieben einen "schnelleren, planmäßigen Aufbau" der DDR ermöglichen sollten (vgl. Präambel zur VO-AVItech). Dem lag das so genannte fordistische Produktionsmodell zu Grunde, das auf stark standardisierter Massenproduktion und Konstruktion von Gütern mit Hilfe hoch spezialisierter, monofunktionaler Maschinen basierte (BSG, Urteil vom 23. August 2007, B 4 RS 3/06 R (23); nach der neueren Rechtsprechung des BSG soll diesem Begriff bei der Definition der Massenhaftproduktion keine Bedeutung mehr zukommen: BSG, Urteil vom 19. Juli 2011, B 5 RS 1/11 R (23)). Denn der Massenausstoß standardisierter Produkte sollte hohe Produktionsgewinne nach den Bedingungen der Planwirtschaft ermöglichen (BSG, Urteil vom 9. April 2002, B 4 RA 41/01 R). Nur eine unmittelbare industrielle Massenproduktion im Bereich des Bauwesens und nicht das Erbringen von Bauleistungen jeglicher Art war für die Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech von maßgeblicher Bedeutung. Dies spiegelt sich in dem "Beschluss über die Anwendung der Grundsätze des neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung der Volkswirtschaft im Bauwesen" vom 14. Juni 1963 (GBl. II Nr. 63 S. 437) wider. Dort wurde auf die besondere Bedeutung des Bauwesens nach dem Produktionsprinzip - u.a. unter der Zuständigkeit des Ministeriums für Bauwesen - hingewiesen. Mit der Konzentration der Baukapazitäten in großen Bau- und Montagekombinaten sollte ein neuer, selbstständiger Zweig der Volkswirtschaft geschaffen werden, der die Organisierung und Durchführung der kompletten Serienfertigung von gleichartigen Bauwerken zum Gegenstand hatte. Die Bau- und Montagekombinate sollten danach u.a. den Bau kompletter Produktionsanlagen einschließlich der dazugehörigen Wohnkomplexe und Nebenanlagen durchführen. Sie hatten jeweils die betriebsfertigen Anlagen und schlüsselfertigen Bauwerke bei Anwendung der komplexen Fließfertigung, der Schnellbaufließfertigung und des kombinierten und kompakten Bauens zu übergeben. Von wesentlicher Bedeutung war somit das (Massen-)"Produktionsprinzip" in der Bauwirtschaft. Demnach hatte der Gesetzgeber der DDR im Bauwesen selbst zwischen massenhafter Neubauproduktion und sonstiger Bautätigkeit differenziert. Dem gemäß wurde in dem o.g. Beschluss u.a. zwischen der von den Bau- und Montagekombinaten durchzuführenden Erstellung von Bauwerken in Massenproduktion einerseits und andererseits den Baureparaturbetrieben unterschieden. Diese waren im Wesentlichen für die Erhaltung der Bausubstanz, die Durchführung von Um- und Ausbauten sowie von kleineren Neubauten zuständig. Damit sollten nur die Bau- und Montagebetriebe zu Produktionsbetrieben des Bauwesens gehören, die massenhaft Bauwerke errichteten.

49

Von daher zählen nach Auffassung des BSG nicht bereits die Betriebe zu Produktionsbetrieben des Bauwesens, die massenhaft Teilgewerke in ein Bauwerk einbauen. Dem gegenüber setzt die (massenhafte) Produktion von Bauwerken voraus, dass die Gebäude schlüsselfertig erstellt werden, mithin insgesamt für die Auftraggeber nutzbar sind. Deshalb zählen zu den Produktionsbetrieben des Bauwesens nur die Betriebe, die sämtliche zur Errichtung von Bauwerken erforderlichen Gewerke selbst erbringen. Die bisherige Rechtsprechung hat das BSG ausdrücklich im Urteil vom 28. September 2011 bestätigt (B 5 RS 8/10 R - für "Projektierungsbetriebe"). Erfasst seien nur solche Betriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion - und nicht bloße Vorbereitungshandlungen - das Gepräge gegeben haben.

50

Zu einem solchen Produktionsbetrieb des Bauwesens zählte der VEB TGA mit seiner Sparte Bauproduktion nicht.

51

Zur Sparte "Bauproduktion" gehörte nach den Schilderungen des Klägers auch die Montage der Baugruppen für die WÜST vor Ort sowie die Herstellung der jeweiligen Trassen und Zuleitungen. Dies ist keine industrielle Massenproduktion von Bauwerken, sondern eine jeweils individuell auf die konkrete Situation vor Ort abgestimmte Bautätigkeit.

52

Der Betrieb war darüber hinaus nur für den Einbau technischer Teilgewerke innerhalb eines Bauwerks zuständig. Nach dem Gründungsbericht vom 23. Mai 1990 waren Gegenstand der Geschäftsfelder im Bereich der Bauproduktion Montageleistungen für neu zu errichtende Wohngebäude oder sonstige Immobilien (Heizungsanlagen, Heizhäuser, Wärmeerzeuger für Gas, Öl und feste Brennstoffe, Sanitäranlagen, Feuerlöschanlagen, Druckerhöhungsstationen, Versorgungsrohrleitungen für Fernwärme, Heizung, Wasser, Gas, Druckluft und sonstige Medien, Lüftungs- und Klimaanlagen. Auch nach dem Statut des VEB Kombinat Technische Gebäudeausrüstung ab dem 1. September 1985 war das Kombinat verantwortlich u.a. für Erzeugnisse der Vorfertigungsindustrie der Bauproduktion (Bauelemente, Baueinheiten und Baugruppen der technischen Gebäudeausrüstung), sowie für Leistungen der Bauwirtschaft in Form von Heizungs-, Lüftungs- und Sanitäranlagen, Versorgungsrohrleitungen für das Bauwesen und Elektroanlagen für den Wohnungsbau.

53

Zur Überzeugung des Senats handelte es sich nicht um die Errichtung von Bauwerken als solches, sondern um Installationsarbeiten im Sinn einer technischen Ausstattung der Bauwerke.

54

Ob die vom Kläger zunächst angeführten weiteren Tätigkeitsfelder des VEB TGA im Bereich des Bauwesens (Gas- oder Elektroherd-Installationen sowie Einbau von Bad/Dusche in Neubauten) als Teilgewerke einer massenhaften Neubauproduktion ebenfalls als industrielle Bauproduktion angesehen werden müssten, kann hier offen bleiben. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung seine bisherige Darstellung richtig gestellt und geschildert, dass seit den achtziger Jahren sein Betrieb für diese Bauleistung nicht mehr zuständig gewesen war. Diese Leistungen waren vielmehr auf die örtlichen VEB TGA delegiert.

55

Nicht von entscheidender Bedeutung ist hingegen, dass der Betrieb im Statistischen Betriebsregister der DDR der Wirtschaftsgruppe 20279 (Ausbaubetriebe (Gebäudeausrüstungen)) zugeordnet war. Zwar deutet dies darauf hin, dass bei dem VEB TGA W. jedenfalls nicht die Massenproduktion von Bauwerken im Vordergrund stand. Allerdings ist nach der neueren Rechtsprechung des BSG unerheblich, ob am Stichtag 30. Juni 1990 noch ein VEB vorlag, der organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet war (BSG, Urteil vom 20. März 2013, B 5 RS 3/12 R (25)).

b.

56

Darüber hinaus geht der Senat aber davon aus, dass zum Stichtag am 1. Juli 1990 die industrielle Bauproduktion dem VEB TGA nicht das Gepräge gegeben hat. Nicht die Bauproduktion war Hauptzweck des Betriebs, sondern die industrielle Produktion.

57

Im Rahmen einer "Geprägeprüfung" hat der Senat die jeweiligen Sparten oder Produktionsgruppen nach einheitlichen Maßstäben bewertet und zueinander in Beziehung gesetzt. Sowohl bei den beschäftigten Arbeitnehmern als auch bei dem Umsatz am 30. Juni 1990 ergibt sich ein deutliches Übergewicht zu Gunsten der industriellen Produktion. Der Hauptzweck des Betriebs war somit die industrielle Produktion. Nach dem Jahresabschlussbericht der Rechtsnachfolgerin des VEB TGA für 1990 betrug der anteilige Umsatz der Bauproduktion am 1. Juli 1990 ca. 39 % und der der industriellen Produktion ca. 61 %. Dies wird bestätigt durch den Gründungsbericht vom 23. Mai 1990, der zwar im Einzelnen etwas veränderte Zahlen (43% zu 54%) ausweist, aber dennoch ein Übergewicht der industriellen Produktion an dem Gesamtumsatz belegt. Auch der Geschäftsführer der TGA Energietechnik W. GmbH D. hatte am 8. November 2004 und 26. September 2005 angegeben, der Anteil der Industrieproduktion am Umsatz der Firma habe ca. 60% betragen. Der Sparte nichtindustrielle Leistungen kam dem gegenüber am 30. Juni 1990 keine wirtschaftliche Bedeutung mehr zu. Der ehemalige Direktor Produktion des VEB TGA W. H. hatte für den Senat überzeugend dargelegt, dass dafür keine Nachfrage mehr bestanden hatte.

58

Dieses Übergewicht der industriellen Produktion wird auch durch die Anzahl der zum 30. Juni 1990 beschäftigten Arbeitnehmer bestätigt. Im Bereich der Bauproduktion waren es 271 Arbeitnehmer und im Bereich der Industrieproduktion 300 Arbeitnehmer. Dies ergibt sich aus dem Jahresabschlussbericht der Rechtsnachfolgerin des VEB TGA für 1990 zum 1. Juli 1990 sowie der Auskünfte des ehemaligen Direktors Produktion des VEB TGA W. H. vom 30. November 2006 und vom 30. Januar 2007. Soweit der Geschäftsführer der TGA Energietechnik W. GmbH D. insoweit abweichend angegeben hat, am 30. September 1990 seien in der Bauproduktion 149 und in der Industrieproduktion 136 Arbeitnehmer beschäftigt gewesen, kommt dem keine Bedeutung zu. Denn diese Zahlen haben keinen Bezug zu der Situation am Stichtag 30. Juni 1990.

2.

59

Die Sparte Industrieproduktion des VEB TGA war zur Überzeugung des Senats kein volkseigener Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie.

60

Zwar lag der Schwerpunkt der eingesetzten Arbeitnehmer, der Umsätze und der Wertschöpfung am 30. Juni 1990 in der Sparte industrielle Fertigung von Sachgütern (s.o.). Jedoch hat nicht eine industrielle Massenproduktion im Sinne der Rechtsprechung des BSG dem insgesamt in den Blick zu nehmenden VGB TGA das Gepräge gegeben. Schon die Wertschöpfung in der Sparte Industrieproduktion wurde zur Überzeugung des Senats nicht ausschließlich oder überwiegend mit einer Massenproduktion von industriellen Sachgütern erzielt.

61

Die Industrieproduktion bestand u.a. aus der Herstellung von Baugruppen für WÜST, Luftführungselementen aus Stahlblech, Zu- und Abluftanlagen sowie dem Zusammenbau von MSR-Anlagen. Es konnte nicht ermittelt werden, welche der Einzelteile für die Baugruppen der WÜST in die industrielle Massenproduktion hergestellt wurden. Der Kläger hat eingeräumt, dass spezielle Teile auch aus Drittländern zugekauft wurden. Es steht somit fest, dass die Herstellung von Baugruppen für WÜST nur einen Teil der industriellen Produktionspalette des VEB TGA ausmachte. Der VEB TGA hatte nach den Bestimmungen der DDR von allen potentiellen Auftraggebern als Anwenderzentrum konsultiert werden müssen. Aufgrund der vorgelegten Unterlagen war dann nach Angaben des Klägers überprüft und festgelegt worden, welche Baugruppen aus der Industriefertigung des VEB TGA einsetzbar waren. Dabei hatten z.B. technische Parameter, benötigter Platzbedarf und örtliche Verhältnisse die Konzipierung der jeweiligen WÜST bestimmt. In diesem Zusammenhang erfolgte für die Auftragnehmer von WÜST zuerst eine Kundenberatung, dann die Konstruktion und Zusammenstellung der notwendigen Baugruppen und schließlich aufgrund der Konstruktionspläne nach den Vorgaben des Klägers deren Produktion.

62

Auch Herr H. hatte in seiner schriftlichen Äußerung vom 30. November 2006 ausdrücklich angegeben, dass die produzierten Sachgüter je nach Bedarf sowohl in Groß- als auch ggf. in Kleinserien oder auch als Einzelstücke gefertigt wurden. Am 30. Januar 2007 hat er - befragt nach "nichtindustriellen Leistungen" - ferner geschildert; diese habe es nach der Wende mangels Nachfrage nicht mehr gegeben.

63

Zwar hat der Kläger insoweit angegeben, dass ab den achtziger Jahren Einzelstückfertigung im Rahmen der Baugruppenproduktion für die WÜST nicht mehr erfolgt sei. Dieser Widerspruch zu den Angaben von Herrn H. kann jedoch ungeklärt bleiben. Denn zur Überzeugung des Senats handelte es sich bei der industriellen Produktion von WÜST nicht um aus Einzelteilen zusammengesetzte Geräte, die Teil einer einseitig und abschließend allein vom VEB TGA vorgegebenen Produktpalette gewesen sind. Das Endprodukt wurde gerade nicht durch den Zusammenbau von Bauteilen mehr oder weniger schematisch hergestellt. Vielmehr standen individuelle Kundenwünsche bzw. die jeweiligen örtlichen und technischen Gegebenheiten am geplanten Standort im Vordergrund. Dies ergab sich schon aus den unterschiedlichsten Anwendungsbereichen wie Schwimmbädern, Wohnkomplexen, Fabrikanlagen oder etwa Universitätsgebäuden. Z.B. konnten bei erhöhtem Wärmebedarf auch mehrere Baugruppen Wärmeübertragung an eine Baugruppe Anlagensicherung angeschlossen werden. Dann waren aber auch die MSR-Anlage und die Kühlwasserkreisläufe entsprechend auszulegen. Nach der Beschreibung des Klägers konnten die WÜST "sehr variabel verbaut werden".

64

Die oben dargestellte Produktionsweise war von vornherein darauf angelegt, Einzelstücke herzustellen, die so in einer Produktpalette - z.B. wie bei einem Hersteller von Automobilen - nicht enthalten waren. Dies ergibt sich schon aus dem vom Kläger selbst und Herrn H. geschilderten vorbereitenden Konsultations- und Konstruktionsaufwand. Es war jeweils im Einzelfall überprüft und festgelegt worden, welche Baugruppen für die konkreten Auftragnehmer in Betracht kamen und zur Fertigstellung der Anlage an den Standort zu liefern waren. Auch die Produktion der einzelnen Baugruppen erfolgte erst, nachdem der Kläger die jeweiligen Planungen erstellt hatte. Zur Vorbereitung der Endmontage der Baugruppen durch die Auftraggeber wurden zusätzlich vom VEB TGA jeweils Arbeitsunterlagen erstellt. Hier stand ganz eindeutig die individuelle Anfertigung von Einzelstücken, angepasst an die jeweilige Bedarfssituation der Auftraggeber, im Vordergrund.

65

Dem Umstand, dass die Bau- und Funktionsweise der WÜST in Prospekten dokumentiert und die verschiedenen zur Verfügung stehenden Baugruppen katalogmäßig erfasst waren ("Auswahlunterlagen"), führt hingegen nicht zum Vorliegen einer "vorgegebenen Produktpalette" i.S.d. BSG. Denn hier erfolgte die Auslieferung der Baugruppen für die WÜST zwar aus standardisierten Einzelteilen. Die jeweiligen Stationen waren so aber vom VEB TGA nicht von vornherein vorgegeben. Maßgebend war vielmehr, dass in jedem Einzelfall die besonderen Anforderungen des Auftraggebers für die Zusammenstellung und Konzipierung der jeweiligen Baugruppen entscheidend waren.

66

Die Anlagen bestanden auch nicht ausschließlich aus seriell hergestellten Teilen. Vielmehr konnte es sein, dass Einzelstücke angefertigt werden mussten, um die Funktion der WÜST am jeweiligen Einsatzort zu gewährleisten.

67

Aber auch die Baugruppen der MSR-Technik wurden nach den vom Kläger vorgelegten "Auswahlunterlagen für Heizungs- und MSR-Technik" in verschiedenen Varianten für die WÜST angeboten. Je nach Anforderungen der Kunden unterschieden sie sich durch unterschiedliche Größen und Anzahl der Schränke sowie ihre Funktionen. Hier stand ebenfalls nicht eine serielle Massenfertigung, sondern die individuelle Anpassung an eine konkrete Bedarfslage im Vordergrund. Der Kläger hat aber auch geschildert, dass die Fertigung von Schaltschränken nicht nur im Rahmen der WÜST, sondern auch als Fremdprojektierung erfolgte. Insoweit konnte es sich bei diesem Teil der Produktionspalette nicht um Massenproduktion handeln. Über den Anteil der Produktion oder Wertschöpfung für solche Produkte konnte der Kläger keine Angaben machen und waren auch von den im vorangegangenen Verfahren gehörten Zeugen keine Angaben mehr möglich.

68

Auch zu der Produktlinie Luftführungselemente aus Stahlblech liegen dem Senat keine Erkenntnisse hinsichtlich Umsatzzahlen oder Beschäftigten vor. Der Kläger hat angegeben, 40 % der Produktion von Luftführungselementen seien nicht für die WÜST, sondern für sonstige Kunden bestimmt gewesen. Auch dieser Teil der Produktion war demnach nicht einer massenhaften seriellen Herstellung nach schematischen Vorgaben zuzuordnen.

69

Die Herren D. und H. konnten insoweit zu den jeweiligen Anteilen an der Produktpalette keine Auskünfte geben oder Unterlagen vorlegen. Auch die vom Kläger eingereichten betrieblichen Unterlagen lassen keinen Rückschluss auf den Umfang der Produktionstätigkeit für diese Produkte zu. Es ist auch nicht ersichtlich, woher zum Stichtag 30. Juni 1990 insoweit noch weitere Unterlagen beigezogen werden könnten.

70

Schließlich lassen auch die vom Kläger vorgelegten weiteren Unterlagen über Produktionszahlen den Schluss einer überwiegend seriellen industriellen Massenproduktion von Produkten im Bereich der Heizungsprojekte nicht zu. Aus der vorgelegten Liste vom 9. März 1989 über Projektauslieferungstermine lässt sich zwar entnehmen, dass in der Zeit zwischen März 1989 und Januar 1990 eine erhebliche Zahl an WÜST zur Auslieferung anstand. Darüber hinaus waren aber auch Trassen, Trinkwasserleitungen, Sanitäranlagen, Heizungsanlagen und Sonstiges zur Fertigstellung vorgesehen.

3.

71

Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers war auch kein gleichgestellter Betrieb i.S.v. § 1 Abs. 2 der 2. DB. Danach wurden den volkseigenen Produktionsbetrieben wissenschaftliche Institute, Forschungsinstitute, Versuchsstationen, Laboratorien, Konstruktionsbüros, technische Hochschulen, technische Schulen, Bauakademie und Bauschulen, Bergakademie und Bergbauschulen, Schulen, Institute und Betriebe der Eisenbahn, Schifffahrt sowie des Post- und Fernmeldewesens, Maschinen-Ausleih-Stationen und volkseigene Güter, Versorgungsbetriebe (Gas, Wasser, Energie), Vereinigungen volkseigener Betriebe, Hauptverwaltungen und Ministerien gleichgestellt. Die in dieser Vorschrift enthaltene Aufzählung ist abschließend (BSG, Urteil vom 9. April 2002, B 4 RA 41/01 R).

72

Der Beschäftigungsbetrieb VEB TGA unterfällt keiner der aufgeführten Institutionen; er war insbesondere kein Konstruktionsbüro im Sinne von § 1 Abs. 2 der 2. DB. Ob ein solches vorliegt, ist nach dem rechtlichen und hilfsweise allgemeinen Sprachgebrauch der DDR zu bestimmen. Eine Legaldefinition dieses Begriffs ist im Recht der DDR nicht bekannt (vgl. LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 8. September 2004, L 4 RA 45/03). Konstruktionsbüros wurden in verschiedenen Vorschriften der DDR den Projektierungsbüros gegenüber gestellt und insoweit sprachlich unterschieden (GBl. 1951, S. 1138; GBl. II 1956, S. 378; GBl. I 1959, S. 71). Nach dem Ökonomischen Lexikon der DDR (Verlag Die Wirtschaft, Berlin 1967) hatte ein Konstruktionsbüro die Aufgabe, im Prozess der technischen Vorbereitung der Produktion die konstruktive Gestaltung der Erzeugnisse auszuarbeiten, die Konstruktionszeichnungen anzufertigen, die Materialstücklisten aufzustellen und die Funktion der Neukonstruktion zu erproben. Unter Projektierung versteht man dagegen nach den Eintragungen im Ökonomischen Lexikon alle Leistungen, die von einem Projektierungsbetrieb oder einer Einrichtung für die Investitionstätigkeit erbracht wurden (Ausarbeitung von Aufgabenstellungen und Projekten, Koordinierung von kooperierten Projektierungsleistungen, Ausarbeitung von Studien und Varianten bei der Planung, Vorbereitung und Durchführung von Investitionen). Diese Aufgabe war nicht auf technische Inhalte beschränkt, sondern schloss die wirtschaftliche Entscheidungsvorbereitung mit ein. Die Aufgaben eines Projektierungsbetriebes waren somit weiter und vielfältiger als die eines Konstruktionsbüros. Dies vorausgesetzt, hat das BSG eine Einbeziehung von Projektierungsbüros oder -betrieben durch eine den Text des Versorgungsrechts erweiternde Auslegung abgelehnt (BSG, Urteil vom 7. September 2006, B 4 RA 41/05 R).

73

Zwar beinhaltete die Tätigkeit nach den Angaben des Klägers sowie den vorgelegten Unterlagen auch die Projektierung von Anlagen wie den WÜST, unter Berücksichtigung der jeweiligen maßgeblichen Parameter. Es handelte sich dabei aber nicht um eine reine Konstruktionstätigkeit. Aus den vorgelegten "Auswahlunterlagen für Heizungs- und MSR-Technik" sowie den Schilderungen des Klägers ergibt sich vielmehr, dass die von den Auftragnehmern bestellten Wärmeübertragungsanlagen anhand der tatsächlichen Wärmebedarfe sowie der katalogmäßig zur Verfügung stehenden Baugruppen zusammengestellt und somit "projektiert" wurden. Darauf weist auch das Statut des VEB Kombinat Technische Gebäudeausrüstung ab dem 1. Januar 1985 hin. Unter § 3 Abs. 1 Nr. 4 sind als Aufgabenfelder ausdrücklich "Projektierungsleistungen" genannt. Auch in dem vorliegenden Gründungsbericht vom 23. Mai 1990 wurde die Arbeitsleistung der Planung als "Projektierung HLS" bezeichnet.

74

Auch der allgemeine Sprachgebrauch zeigt, dass es sich bei den nichtindustriellen Leistungen nicht um Konstruktionstätigkeiten gehandelt hatte: Der vom Senat gehörte Zeuge H. hatte unter dem 30. November 2006 insoweit die Aufgabe als "Planung für Anlagenbau" bezeichnet. Im Einzelnen hatte er dazu ausgeführt: "Auswahl der Baugruppen von Planungsbüros, von den Montagefirmen bestellt und nach Lieferung montiert".

C.

75

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

76

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe i. S. von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen. Insbesondere weicht der Senat nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BSG ab.


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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. August 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der 1943 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom der Lebensmittelindustrie" zu führen (Zeugnis der Ingenieurschule der Lebensmittelindustrie G. vom 15.7.1982). Im Anschluss an die Verleihung dieser Berechtigung war der Kläger bis 30.6.1990 beim VEB S. in folgenden Funktionen tätig:

        

-       

16.7.1982 bis 28.2.1983

Gruppenleiter NS-Schaltgeräte

        

-       

1.3.1983 bis 14.10.1984

Abteilungsleiter Materialplanung und Organisation

        

-       

15.10.1984 bis 31.12.1985

Abteilungsleiter KM

        

-       

1.1.1986 bis 31.12.1988

Objektingenieur

        

-       

1.1.1989 bis 30.6.1990

Abteilungsleiter Objektüberwachung.

3

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht. Seit dem 1.10.2003 bezieht er eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit.

4

Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.7.2003 und Widerspruchsbescheid vom 27.11.2003).

5

Das SG Magdeburg hat die Beklagte mit Urteil vom 18.7.2007 verurteilt, die Zeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 19.8.2010 das Urteil des SG Magdeburg aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gemäß § 8 Abs 3 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets(Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 25.7.1991, BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem. Er unterfalle nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech angehört habe. Dem Kläger sei weder von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt noch sei er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch habe ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft in seinem Fall nicht stattgefunden. Der Rechtsprechung des BSG, nach der die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG ebenso im Wege der Unterstellung vorliegen könne, folge der Senat nicht. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieurökonom die persönliche Voraussetzung und sei auch entsprechend seiner erworbenen Qualifikation tätig gewesen. Zum Stichtag 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Der VEB S. sei - wie der Senat bereits entschieden habe - weder ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie noch ein gleichgestellter Betrieb. Der Begriff des Produktionsbetriebs erfasse nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt hätten. Die industrielle Serienproduktion müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Dies sei hier nicht der Fall. Hauptzweck des VEB S. sei die Herstellung von Schaltschränken als Endprodukt gewesen. Der VEB habe pro Jahr über 10 000 Schaltschränke gefertigt. Nach den Einlassungen des Klägers im Verfahren L 1 R 400/06 habe deren Herstellung individuell nach den jeweils im Einzelfall vorgegebenen Unterlagen erfolgen müssen. Die Schaltschränke seien von ihrem Aufbau her auf die einzelne Anlage bezogen gewesen, deren Versorgung sie dienen sollten und seien deshalb "in hohem Maße den einzelnen Verhältnissen anzupassen" gewesen. Daneben habe der VEB Trafo- und Kabelkompaktstationen in geringer Stückzahl und serienmäßig Schaltschränke für den Waggonbau von ca 600 Einheiten produziert. Gehe man davon aus, dass die Produktion von Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat K. sowie von Kompaktstationen und Schwerpunktlaststationen als Serienproduktion anzusehen seien, kämen maximal 300 Einheiten dazu. Die individualisierte Schaltschrankproduktion überwiege auch dann noch deutlich. Nichts anderes ergebe sich, wenn unterstellt werde, dass die Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat E. seriell produziert worden seien. Denn diese Produktion habe einen jährlichen Warenwert von 20 bis 30 Mio Mark umfasst, also in jedem Fall weniger als 20 % des Gesamtwertes der Warenproduktion, die nach der Aussage des im Verfahren L 1 R 162/07 als Zeugen vernommenen Dr. K. Ende der 80er Jahre 160 Mio Mark betragen habe. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem VEB S. um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt haben könnte, lägen nicht vor.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 8 iVm § 1 Abs 1 AAÜG, die unvollständige Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts und eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG. Hierzu führt er im Wesentlichen aus:

7

Das LSG habe keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen erhoben, um beurteilen zu können, ob der VEB ein Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG gewesen sei. Die vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verfahren L 1 R 400/06 und L 1 R 162/07 enthielten widersprüchliche Sachverhalte. Im Verfahren L 1 R 162/07 sei festgestellt worden, dass im Betrieb Schienensysteme eingebaut gewesen seien, um die Produktion von Schaltschränken durchführen zu können. Die einzelnen Schaltanlagen seien an einer Taktstraße entlang bewegt und zum Schluss in eine Prüfanlage geführt worden. Die Schaltschränke seien von außen immer gleich aufgebaut gewesen, die eingesetzten Module hätten sich aber nach den Anforderungen des Kunden gerichtet. Die Schaltschränke seien dann zu Einheiten von ca 20 Schaltanlagen zusammengesetzt worden. Solche Niederspannungsschaltanlagen seien zu ca 1000 Einheiten pro Monat hergestellt worden. Andererseits habe das LSG festgestellt, dass nach der Aussage des Klägers im Verfahren L 1 R 400/06 die in Taktstraßen hergestellten Schaltschränke individuell nach den jeweils im Einzelfall vorgegebenen Unterlagen anzupassen gewesen seien. Es lasse sich nicht erkennen, welchen dieser sich widersprechenden Sachverhalte das LSG festgestellt und ob es sich einen von diesen mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises zu eigen gemacht habe. Ferner habe das Berufungsgericht am Ende seiner Entscheidung festgestellt, dass die für die Herstellung der Schaltschränke erforderlichen und im Betrieb angefertigten Einzelteile den vom 4. Senat des BSG vorgegebenen Produktionsbegriff erfüllt hätten. Auch angesichts dessen hätte sich das Berufungsgericht zur weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen und dabei ermitteln müssen, wie sich die Herstellung von Einzelteilen und der einzelnen Schaltschränke in Taktstraßen in Zeitaufwand und Materialaufwand zu dem individuellen Zusammensetzen der Schaltschränke zur Auslieferung an den Kunden verhalten habe. Nur insoweit hätte sich der Hauptzweck des VEB S. bzw seine Prägung feststellen lassen.

8

Im Übrigen habe das LSG den Begriff "industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern" vollständig verkannt. Für die Qualifizierung eines Betriebs als Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung sei der Hauptzweck des Betriebs maßgeblich. Die industrielle, dh serienmäßige Produktion von Sachgütern oder Bauwerken müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Nach den Entscheidungsgründen hätten die für die Herstellung der Schaltschränke erforderlichen und im Betrieb hergestellten Einzelteile den Produktionsbegriff in diesem Sinne erfüllt, das Endprodukt nach individueller Zusammenstellung der Schaltschränke aber nicht. Das LSG vertrete offensichtlich die unzutreffende Ansicht, die Produktion der Schaltschränke selbst habe nur eine dienende Funktion gehabt gegenüber der Zusammenstellung der Schaltschränke (individueller Ansatz) zu einer auszuliefernden Anlage. Entscheidend für die Feststellung der betrieblichen Voraussetzung seien vielmehr Materialeinsatz und Zeitanteil der seriellen Produktion der Komponenten, die für sich gesehen ein Endprodukt darstellten, auch wenn sie je nach individuellem Bedarf zu einer Anlage zusammengeschoben und verkabelt worden seien.

9

Soweit das LSG der Rechtsprechung des BSG nicht folge, sei dem nicht zuzustimmen. Die Argumente, die das Berufungsgericht gegen die Rechtsprechung des BSG einwende, griffen nicht durch.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. August 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juli 2007 zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

14

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 123 SGG), das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des SG Magdeburg vom 18.7.2007 wieder herzustellen. Dieses Begehren hat Erfolg, wenn der Bescheid vom 25.7.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2003 aufzuheben und die Beklagte verpflichtet ist, die Beschäftigungszeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte) festzustellen.

15

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG)dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

16

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

17

Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO innehat.

18

A. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

19

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

20

B. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die Bedenken des LSG geben keinen Anlass zu einer erneuten Prüfung. Der Senat weist allerdings nochmals darauf hin, dass er § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit auslegt, und - insofern in der Begründung anders als der 4. Senat - insbesondere nicht Satz 2 der Vorschrift heranzieht. Die diesbezüglich vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken beziehen sich daher auf eine überholte Rechtsprechung.

21

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die Zweite Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

22

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

23

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen und ist am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

24

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB S. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten haben. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest. Die in der Literatur teilweise erhobenen Bedenken (vgl hierzu Schmidt, Die Rentenversicherung 2011, S 141 ff) gegen den hier vertretenen Begriff des Produktionsbetriebs teilt der erkennende Senat nicht.

25

Das Verständnis der Vorschriften der VO-AVItech und der 2. DB erschließt sich stets zunächst und soweit als möglich unmittelbar aus sich heraus. Nur soweit aus bundesrechtlicher Sicht der objektivierte Wortlaut - nicht also die DDR-rechtliche Bewertung -, der interne Sinnzusammenhang und der historische Kontext noch Unklarheiten lassen, kann es zur Ergänzung der so gewonnenen Erkenntnisse und von ihnen ausgehend auf den sonstigen offiziellen Sprachgebrauch der DDR am Stichtag 30.6.1990 ankommen, soweit er einen versorgungsrechtlichen Bezug aufweist. Entwicklungen des Sprachgebrauchs sind daher nur insofern von Bedeutung, als sie sich auf Umstände beziehen, die ihrer Art nach bereits ursprünglich von den Versorgungsordnungen erfasst waren oder durch spätere Änderungen zu deren Bestandteil gemacht wurden (versorgungsrechtlicher Sprachgebrauch). Dagegen sind Entwicklungen des Sprachgebrauchs in sonstigen Bereichen, insbesondere dem Wirtschaftsrecht, ohne Bedeutung (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 67). Das bundesrechtliche Verständnis von einschlägigen Begriffen des Versorgungsrechts darf daher von vornherein nicht etwa in der Weise gewonnen werden, dass zunächst kontextunabhängig und ohne Beschränkung auf den versorgungsrechtlichen Zusammenhang nach einem offiziellen Sprachgebrauch der DDR am 30.6.1990 geforscht wird, um dann das Ergebnis dieser Bemühungen mit dem "Wortlaut" der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen und deren spezifisch versorgungsrechtlichen Anwendungsbereich hiernach zu bestimmen. Von Belang sind vielmehr allein Entwicklungen des versorgungsrechtlich relevanten Sprachgebrauchs. Einzelne Stimmen im Schrifttum basieren auf diesem methodischen Irrtum und vermögen daher auch den auf sie gestützten Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt umso mehr, soweit dort eine Ausdehnung des Produktionsbegriffs befürwortet wird, die die versorgungsrechtliche Gleichstellung von wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betrieben sowie wirtschaftsleitenden Organen im Ergebnis überflüssig machen würde.

26

Vorliegend könnten zwar die Überschrift der VO-AVItech vom 17.8.1950, deren Einleitung und ihr § 1 sowie § 1 Abs 1 2. DB darauf hindeuten, dass deren Voraussetzungen generell durch die einschlägige Beschäftigung von Ingenieuren in allen volkseigenen Betrieben erfüllt werden. Indessen kann der VO an diesen Stellen für den betrieblichen Anwendungsbereich einzelner Teile nichts entnommen werden. Insbesondere zeigt der Wortlaut der Gleichstellungsregelung in § 1 Abs 2 2. DB, dass generell nur volkseigene Produktionsbetriebe erfasst sind. Die "Rechtsfolge" der ausnahmsweisen Gleichstellung der dort im Einzelnen aufgeführten wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betriebe sowie wirtschaftsleitenden Organe bestimmt logisch notwendig Inhalt und Umfang des Grundtatbestands. Versorgungsrechtlich relevant ist damit nur die Beschäftigung in einer Teilmenge der volkseigenen Betriebe.

27

Die positiven Bestimmungsmerkmale der Teilmenge "Produktionsbetriebe" ergeben sich mit hinreichender Bestimmtheit zunächst aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Industrie, auf dessen Einvernehmen es nach § 5 der VO-AVItech vom 17.8.1950 für den Erlass von Durchführungsbestimmungen durch das Ministerium der Finanzen ua ankam. Die Beteiligung gerade dieses damals für Herstellungsvorgänge in den industriellen Fertigungsbetrieben verantwortlichen Ministeriums (so auch in der Präambel der Ersten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 26.9.1950, GBl II Nr 111 S 1043) gibt zu erkennen, dass versorgungsrechtlich grundsätzlich nur diesem Kriterium genügende VEB erfasst sein sollten. Dies wird zudem durch die historische Situation beim Aufbau einer zentralen Planwirtschaft durch das Interesse der Machthaber, qualifizierten Kräften gerade im Bereich der Industrie einen Beschäftigungsanreiz zu bieten, bestätigt. Die herausragende Bedeutung der Industrie, die auch in der DDR im Sinne der Herstellung von Erzeugnissen auf der Basis industrieller Massenproduktion verstanden wurde (vgl hierzu Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, 2004, 370 ff), ist unabhängig davon, ob hierfür der (Wort-)Begriff "fordistisches Pro-duktionsmodell" gebraucht wird. Hiervon wird - ungeachtet ihrer ursprünglichen formellen Zuordnung zum Ministerium für Aufbau - der Sache nach bereits ursprünglich auch die Bauindustrie erfasst. Diese wurde in der DDR zudem in der Folgezeit durchgehend zusammen mit der Industrie den beiden führenden Produktionsbereichen zugeordnet und gemeinsam gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen abgegrenzt. Dies gilt jeweils auch und gerade noch nach dem Sprachgebrauch der am 30.6.1990 maßgeblichen Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8.11.1979 (GBl I Nr 38 S 355).

28

Soweit der Rechtsprechung der Instanzgerichte neben dem damit primär maßgeblichen Umstand, dass die industrielle Fertigung dem VEB das Gepräge gegeben haben muss, konstitutiv auf die Frage der organisatorischen Zuordnung abstellt, ist darauf hinzuweisen, dass sich dies aus der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ergibt. Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11).

29

Entsprechendes gilt, wenn ein Betrieb (auch) Montagearbeiten verrichtet hat.

30

Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend wurde auch in der DDR unter Montage der planmäßige Zusammenbau von Bauteilen zu einem Endprodukt verstanden.

31

Fällt sie in einem Betrieb an, der die Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst herstellt, kann auch der Zusammenbau dieser Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens (vgl BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 3 RdNr 20)sein. Dies wird stets dann der Fall sein, wenn diese Produkte ihrerseits massenhaft hergestellt werden und daher ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch anfällt. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion. In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Betrieb in dem gleichermaßen die industrielle Massenproduktion von Einzelteilen und der individualisierte Zusammenbau von Endprodukten anfallen, sein Gepräge durch den erstgenannten Bereich erhält.

32

Ob der VEB S. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen.

33

Nach diesen ist schon unklar, welche Produktion dem VEB das Gepräge gegeben hat. Denn das LSG wechselt bei seiner Bewertung der einzelnen Tätigkeitsbereiche die Maßstäbe, sodass deren jeweilige Bedeutung für den Betrieb nicht beurteilbar ist. Während Schaltschränke, Trafo- und Kabelkompaktstationen, Schaltschränke für den Waggonbau, Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat K., Kompaktstationen und Schwerpunktlaststationen nach Stückzahlen aufgelistet werden, erfolgt eine Betrachtung der Produktion von Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat E. unter Berücksichtigung des jährlichen Warenwerts.

34

Des Weiteren lässt sich nicht entscheiden, ob die Herstellung der Schaltschränke als Endprodukt individuell erfolgt ist. Der Senat ist insoweit an die Feststellungen des LSG nicht nach § 163 SGG gebunden. Das angefochtene Urteil gibt den Sachverhalt diesbezüglich nur undeutlich an; insbesondere wird die pauschale Aussage, die Schaltschränke seien "in hohem Maße den einzelnen Verhältnissen anzupassen" gewesen, nicht mit konkreten Tatsachenangaben untermauert, die eine Überprüfung des Ergebnisses des LSG ermöglichen (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 163).

35

Das LSG wird nunmehr zunächst die Tätigkeitsbereiche des VEB S. am Stichtag festzustellen haben. Diese müssen anschließend nach jeweils einheitlichen Maßstäben bewertet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Insofern bietet sich ein lediglich zahlenmäßiger Vergleich der angefallenen Vorgänge nicht an. Aussagekräftiger dürfte ein Vergleich der jeweiligen Anteile an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag sein. Nach diesen Maßstäben wird das LSG auch die Bedeutung der Montagearbeiten zu würdigen haben. Dabei wird das LSG konkret angeben müssen, wie sich der Zusammenbau der Schaltschränke gestaltet hat, insbesondere, ob sie aus standardisierten oder individuell konzipierten Bestandteilen im oben dargelegten Sinne gefertigt worden sind.

36

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

Vor dem Wirksamwerden des Beitritts ergangene Verwaltungsakte der Deutschen Demokratischen Republik bleiben wirksam. Sie können aufgehoben werden, wenn sie mit rechtsstaatlichen Grundsätzen oder mit den Regelungen dieses Vertrags unvereinbar sind. Im übrigen bleiben die Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten unberührt.

(1) Dieses Gesetz gilt für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs. 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch) erworben worden sind. Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten.

(2) Zusatzversorgungssysteme sind die in Anlage 1 genannten Systeme.

(3) Sonderversorgungssysteme sind die in Anlage 2 genannten Systeme.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. August 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der 1943 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom der Lebensmittelindustrie" zu führen (Zeugnis der Ingenieurschule der Lebensmittelindustrie G. vom 15.7.1982). Im Anschluss an die Verleihung dieser Berechtigung war der Kläger bis 30.6.1990 beim VEB S. in folgenden Funktionen tätig:

        

-       

16.7.1982 bis 28.2.1983

Gruppenleiter NS-Schaltgeräte

        

-       

1.3.1983 bis 14.10.1984

Abteilungsleiter Materialplanung und Organisation

        

-       

15.10.1984 bis 31.12.1985

Abteilungsleiter KM

        

-       

1.1.1986 bis 31.12.1988

Objektingenieur

        

-       

1.1.1989 bis 30.6.1990

Abteilungsleiter Objektüberwachung.

3

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht. Seit dem 1.10.2003 bezieht er eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeit.

4

Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 25.7.2003 und Widerspruchsbescheid vom 27.11.2003).

5

Das SG Magdeburg hat die Beklagte mit Urteil vom 18.7.2007 verurteilt, die Zeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 19.8.2010 das Urteil des SG Magdeburg aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gemäß § 8 Abs 3 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets(Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 25.7.1991, BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem. Er unterfalle nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech angehört habe. Dem Kläger sei weder von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt noch sei er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch habe ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft in seinem Fall nicht stattgefunden. Der Rechtsprechung des BSG, nach der die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG ebenso im Wege der Unterstellung vorliegen könne, folge der Senat nicht. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieurökonom die persönliche Voraussetzung und sei auch entsprechend seiner erworbenen Qualifikation tätig gewesen. Zum Stichtag 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Der VEB S. sei - wie der Senat bereits entschieden habe - weder ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie noch ein gleichgestellter Betrieb. Der Begriff des Produktionsbetriebs erfasse nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt hätten. Die industrielle Serienproduktion müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Dies sei hier nicht der Fall. Hauptzweck des VEB S. sei die Herstellung von Schaltschränken als Endprodukt gewesen. Der VEB habe pro Jahr über 10 000 Schaltschränke gefertigt. Nach den Einlassungen des Klägers im Verfahren L 1 R 400/06 habe deren Herstellung individuell nach den jeweils im Einzelfall vorgegebenen Unterlagen erfolgen müssen. Die Schaltschränke seien von ihrem Aufbau her auf die einzelne Anlage bezogen gewesen, deren Versorgung sie dienen sollten und seien deshalb "in hohem Maße den einzelnen Verhältnissen anzupassen" gewesen. Daneben habe der VEB Trafo- und Kabelkompaktstationen in geringer Stückzahl und serienmäßig Schaltschränke für den Waggonbau von ca 600 Einheiten produziert. Gehe man davon aus, dass die Produktion von Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat K. sowie von Kompaktstationen und Schwerpunktlaststationen als Serienproduktion anzusehen seien, kämen maximal 300 Einheiten dazu. Die individualisierte Schaltschrankproduktion überwiege auch dann noch deutlich. Nichts anderes ergebe sich, wenn unterstellt werde, dass die Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat E. seriell produziert worden seien. Denn diese Produktion habe einen jährlichen Warenwert von 20 bis 30 Mio Mark umfasst, also in jedem Fall weniger als 20 % des Gesamtwertes der Warenproduktion, die nach der Aussage des im Verfahren L 1 R 162/07 als Zeugen vernommenen Dr. K. Ende der 80er Jahre 160 Mio Mark betragen habe. Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei dem VEB S. um einen gleichgestellten Betrieb gehandelt haben könnte, lägen nicht vor.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 8 iVm § 1 Abs 1 AAÜG, die unvollständige Sachverhaltsermittlung des Berufungsgerichts und eine Divergenz zur Rechtsprechung des BSG. Hierzu führt er im Wesentlichen aus:

7

Das LSG habe keine ausreichenden Tatsachenfeststellungen erhoben, um beurteilen zu können, ob der VEB ein Produktionsbetrieb im Sinne der Rechtsprechung des BSG gewesen sei. Die vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Verfahren L 1 R 400/06 und L 1 R 162/07 enthielten widersprüchliche Sachverhalte. Im Verfahren L 1 R 162/07 sei festgestellt worden, dass im Betrieb Schienensysteme eingebaut gewesen seien, um die Produktion von Schaltschränken durchführen zu können. Die einzelnen Schaltanlagen seien an einer Taktstraße entlang bewegt und zum Schluss in eine Prüfanlage geführt worden. Die Schaltschränke seien von außen immer gleich aufgebaut gewesen, die eingesetzten Module hätten sich aber nach den Anforderungen des Kunden gerichtet. Die Schaltschränke seien dann zu Einheiten von ca 20 Schaltanlagen zusammengesetzt worden. Solche Niederspannungsschaltanlagen seien zu ca 1000 Einheiten pro Monat hergestellt worden. Andererseits habe das LSG festgestellt, dass nach der Aussage des Klägers im Verfahren L 1 R 400/06 die in Taktstraßen hergestellten Schaltschränke individuell nach den jeweils im Einzelfall vorgegebenen Unterlagen anzupassen gewesen seien. Es lasse sich nicht erkennen, welchen dieser sich widersprechenden Sachverhalte das LSG festgestellt und ob es sich einen von diesen mit dem Überzeugungsgrad des Vollbeweises zu eigen gemacht habe. Ferner habe das Berufungsgericht am Ende seiner Entscheidung festgestellt, dass die für die Herstellung der Schaltschränke erforderlichen und im Betrieb angefertigten Einzelteile den vom 4. Senat des BSG vorgegebenen Produktionsbegriff erfüllt hätten. Auch angesichts dessen hätte sich das Berufungsgericht zur weiteren Beweiserhebung gedrängt fühlen und dabei ermitteln müssen, wie sich die Herstellung von Einzelteilen und der einzelnen Schaltschränke in Taktstraßen in Zeitaufwand und Materialaufwand zu dem individuellen Zusammensetzen der Schaltschränke zur Auslieferung an den Kunden verhalten habe. Nur insoweit hätte sich der Hauptzweck des VEB S. bzw seine Prägung feststellen lassen.

8

Im Übrigen habe das LSG den Begriff "industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion (fordistisches Produktionsmodell) von Sachgütern" vollständig verkannt. Für die Qualifizierung eines Betriebs als Produktionsbetrieb im Sinne der Versorgungsordnung sei der Hauptzweck des Betriebs maßgeblich. Die industrielle, dh serienmäßige Produktion von Sachgütern oder Bauwerken müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Nach den Entscheidungsgründen hätten die für die Herstellung der Schaltschränke erforderlichen und im Betrieb hergestellten Einzelteile den Produktionsbegriff in diesem Sinne erfüllt, das Endprodukt nach individueller Zusammenstellung der Schaltschränke aber nicht. Das LSG vertrete offensichtlich die unzutreffende Ansicht, die Produktion der Schaltschränke selbst habe nur eine dienende Funktion gehabt gegenüber der Zusammenstellung der Schaltschränke (individueller Ansatz) zu einer auszuliefernden Anlage. Entscheidend für die Feststellung der betrieblichen Voraussetzung seien vielmehr Materialeinsatz und Zeitanteil der seriellen Produktion der Komponenten, die für sich gesehen ein Endprodukt darstellten, auch wenn sie je nach individuellem Bedarf zu einer Anlage zusammengeschoben und verkabelt worden seien.

9

Soweit das LSG der Rechtsprechung des BSG nicht folge, sei dem nicht zuzustimmen. Die Argumente, die das Berufungsgericht gegen die Rechtsprechung des BSG einwende, griffen nicht durch.

10

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 19. August 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juli 2007 zurückzuweisen.

11

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

12

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

14

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 123 SGG), das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des SG Magdeburg vom 18.7.2007 wieder herzustellen. Dieses Begehren hat Erfolg, wenn der Bescheid vom 25.7.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.11.2003 aufzuheben und die Beklagte verpflichtet ist, die Beschäftigungszeit vom 15.7.1982 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte) festzustellen.

15

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG)dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

16

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

17

Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO innehat.

18

A. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

19

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

20

B. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die Bedenken des LSG geben keinen Anlass zu einer erneuten Prüfung. Der Senat weist allerdings nochmals darauf hin, dass er § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit auslegt, und - insofern in der Begründung anders als der 4. Senat - insbesondere nicht Satz 2 der Vorschrift heranzieht. Die diesbezüglich vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken beziehen sich daher auf eine überholte Rechtsprechung.

21

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die Zweite Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

22

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

23

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom" zu führen und ist am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

24

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB S. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten haben. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest. Die in der Literatur teilweise erhobenen Bedenken (vgl hierzu Schmidt, Die Rentenversicherung 2011, S 141 ff) gegen den hier vertretenen Begriff des Produktionsbetriebs teilt der erkennende Senat nicht.

25

Das Verständnis der Vorschriften der VO-AVItech und der 2. DB erschließt sich stets zunächst und soweit als möglich unmittelbar aus sich heraus. Nur soweit aus bundesrechtlicher Sicht der objektivierte Wortlaut - nicht also die DDR-rechtliche Bewertung -, der interne Sinnzusammenhang und der historische Kontext noch Unklarheiten lassen, kann es zur Ergänzung der so gewonnenen Erkenntnisse und von ihnen ausgehend auf den sonstigen offiziellen Sprachgebrauch der DDR am Stichtag 30.6.1990 ankommen, soweit er einen versorgungsrechtlichen Bezug aufweist. Entwicklungen des Sprachgebrauchs sind daher nur insofern von Bedeutung, als sie sich auf Umstände beziehen, die ihrer Art nach bereits ursprünglich von den Versorgungsordnungen erfasst waren oder durch spätere Änderungen zu deren Bestandteil gemacht wurden (versorgungsrechtlicher Sprachgebrauch). Dagegen sind Entwicklungen des Sprachgebrauchs in sonstigen Bereichen, insbesondere dem Wirtschaftsrecht, ohne Bedeutung (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 67). Das bundesrechtliche Verständnis von einschlägigen Begriffen des Versorgungsrechts darf daher von vornherein nicht etwa in der Weise gewonnen werden, dass zunächst kontextunabhängig und ohne Beschränkung auf den versorgungsrechtlichen Zusammenhang nach einem offiziellen Sprachgebrauch der DDR am 30.6.1990 geforscht wird, um dann das Ergebnis dieser Bemühungen mit dem "Wortlaut" der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen und deren spezifisch versorgungsrechtlichen Anwendungsbereich hiernach zu bestimmen. Von Belang sind vielmehr allein Entwicklungen des versorgungsrechtlich relevanten Sprachgebrauchs. Einzelne Stimmen im Schrifttum basieren auf diesem methodischen Irrtum und vermögen daher auch den auf sie gestützten Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt umso mehr, soweit dort eine Ausdehnung des Produktionsbegriffs befürwortet wird, die die versorgungsrechtliche Gleichstellung von wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betrieben sowie wirtschaftsleitenden Organen im Ergebnis überflüssig machen würde.

26

Vorliegend könnten zwar die Überschrift der VO-AVItech vom 17.8.1950, deren Einleitung und ihr § 1 sowie § 1 Abs 1 2. DB darauf hindeuten, dass deren Voraussetzungen generell durch die einschlägige Beschäftigung von Ingenieuren in allen volkseigenen Betrieben erfüllt werden. Indessen kann der VO an diesen Stellen für den betrieblichen Anwendungsbereich einzelner Teile nichts entnommen werden. Insbesondere zeigt der Wortlaut der Gleichstellungsregelung in § 1 Abs 2 2. DB, dass generell nur volkseigene Produktionsbetriebe erfasst sind. Die "Rechtsfolge" der ausnahmsweisen Gleichstellung der dort im Einzelnen aufgeführten wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betriebe sowie wirtschaftsleitenden Organe bestimmt logisch notwendig Inhalt und Umfang des Grundtatbestands. Versorgungsrechtlich relevant ist damit nur die Beschäftigung in einer Teilmenge der volkseigenen Betriebe.

27

Die positiven Bestimmungsmerkmale der Teilmenge "Produktionsbetriebe" ergeben sich mit hinreichender Bestimmtheit zunächst aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Industrie, auf dessen Einvernehmen es nach § 5 der VO-AVItech vom 17.8.1950 für den Erlass von Durchführungsbestimmungen durch das Ministerium der Finanzen ua ankam. Die Beteiligung gerade dieses damals für Herstellungsvorgänge in den industriellen Fertigungsbetrieben verantwortlichen Ministeriums (so auch in der Präambel der Ersten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 26.9.1950, GBl II Nr 111 S 1043) gibt zu erkennen, dass versorgungsrechtlich grundsätzlich nur diesem Kriterium genügende VEB erfasst sein sollten. Dies wird zudem durch die historische Situation beim Aufbau einer zentralen Planwirtschaft durch das Interesse der Machthaber, qualifizierten Kräften gerade im Bereich der Industrie einen Beschäftigungsanreiz zu bieten, bestätigt. Die herausragende Bedeutung der Industrie, die auch in der DDR im Sinne der Herstellung von Erzeugnissen auf der Basis industrieller Massenproduktion verstanden wurde (vgl hierzu Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, 2004, 370 ff), ist unabhängig davon, ob hierfür der (Wort-)Begriff "fordistisches Pro-duktionsmodell" gebraucht wird. Hiervon wird - ungeachtet ihrer ursprünglichen formellen Zuordnung zum Ministerium für Aufbau - der Sache nach bereits ursprünglich auch die Bauindustrie erfasst. Diese wurde in der DDR zudem in der Folgezeit durchgehend zusammen mit der Industrie den beiden führenden Produktionsbereichen zugeordnet und gemeinsam gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen abgegrenzt. Dies gilt jeweils auch und gerade noch nach dem Sprachgebrauch der am 30.6.1990 maßgeblichen Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8.11.1979 (GBl I Nr 38 S 355).

28

Soweit der Rechtsprechung der Instanzgerichte neben dem damit primär maßgeblichen Umstand, dass die industrielle Fertigung dem VEB das Gepräge gegeben haben muss, konstitutiv auf die Frage der organisatorischen Zuordnung abstellt, ist darauf hinzuweisen, dass sich dies aus der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ergibt. Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11).

29

Entsprechendes gilt, wenn ein Betrieb (auch) Montagearbeiten verrichtet hat.

30

Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend wurde auch in der DDR unter Montage der planmäßige Zusammenbau von Bauteilen zu einem Endprodukt verstanden.

31

Fällt sie in einem Betrieb an, der die Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst herstellt, kann auch der Zusammenbau dieser Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens (vgl BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 3 RdNr 20)sein. Dies wird stets dann der Fall sein, wenn diese Produkte ihrerseits massenhaft hergestellt werden und daher ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch anfällt. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion. In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Betrieb in dem gleichermaßen die industrielle Massenproduktion von Einzelteilen und der individualisierte Zusammenbau von Endprodukten anfallen, sein Gepräge durch den erstgenannten Bereich erhält.

32

Ob der VEB S. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen.

33

Nach diesen ist schon unklar, welche Produktion dem VEB das Gepräge gegeben hat. Denn das LSG wechselt bei seiner Bewertung der einzelnen Tätigkeitsbereiche die Maßstäbe, sodass deren jeweilige Bedeutung für den Betrieb nicht beurteilbar ist. Während Schaltschränke, Trafo- und Kabelkompaktstationen, Schaltschränke für den Waggonbau, Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat K., Kompaktstationen und Schwerpunktlaststationen nach Stückzahlen aufgelistet werden, erfolgt eine Betrachtung der Produktion von Schaltanlagen für das Schwermaschinenbaukombinat E. unter Berücksichtigung des jährlichen Warenwerts.

34

Des Weiteren lässt sich nicht entscheiden, ob die Herstellung der Schaltschränke als Endprodukt individuell erfolgt ist. Der Senat ist insoweit an die Feststellungen des LSG nicht nach § 163 SGG gebunden. Das angefochtene Urteil gibt den Sachverhalt diesbezüglich nur undeutlich an; insbesondere wird die pauschale Aussage, die Schaltschränke seien "in hohem Maße den einzelnen Verhältnissen anzupassen" gewesen, nicht mit konkreten Tatsachenangaben untermauert, die eine Überprüfung des Ergebnisses des LSG ermöglichen (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 163).

35

Das LSG wird nunmehr zunächst die Tätigkeitsbereiche des VEB S. am Stichtag festzustellen haben. Diese müssen anschließend nach jeweils einheitlichen Maßstäben bewertet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Insofern bietet sich ein lediglich zahlenmäßiger Vergleich der angefallenen Vorgänge nicht an. Aussagekräftiger dürfte ein Vergleich der jeweiligen Anteile an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag sein. Nach diesen Maßstäben wird das LSG auch die Bedeutung der Montagearbeiten zu würdigen haben. Dabei wird das LSG konkret angeben müssen, wie sich der Zusammenbau der Schaltschränke gestaltet hat, insbesondere, ob sie aus standardisierten oder individuell konzipierten Bestandteilen im oben dargelegten Sinne gefertigt worden sind.

36

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. März 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.9.1974 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der am 1950 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (Urkunde der Ingenieurschule für Anlagenbau G. vom 26.7.1974).

3

Im Anschluss an die Verleihung dieser Berechtigung war der Kläger nach den Feststellungen des LSG ab 1.9.1974 beim VEB Kombinat Rohrleitungen und Isolierungen, Betrieb R. , später VEB Rohrleitungsbau F., Betriebsteil A. sowie ab 1978 beim VEB Rohrleitungsbau A. bis 30.6.1990 als Produktionslenker und zuletzt als Gruppenleiter Preise bzw Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung tätig.

4

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht.

5

Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 29.1.2004, Widerspruchsbescheid vom 14.4.2004).

6

Klage und Berufung des Klägers sind ebenfalls erfolglos geblieben (Urteil des SG Magdeburg vom 24.11.2005; Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.3.2012). Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gemäß § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 AAÜG keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum Zusatzversorgungssystem. Er unterfalle nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech angehört habe. Dem Kläger sei weder von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt noch sei er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch habe ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft in seinem Fall nicht stattgefunden. Der Rechtsprechung des BSG, nach der die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs 1 S 1 AAÜG ebenso im Wege der Unterstellung vorliegen könne, folge der Senat nicht. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieur die persönliche Voraussetzung und sei auch als Gruppenleiter Preise bzw Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung am Stichtag 30.6.1990 entsprechend seiner erworbenen Qualifikation tätig gewesen. Zum 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Fraglich sei schon, ob es am 30.6.1990 überhaupt noch VEB gegeben habe, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR Planwirtschaft zugeordnet gewesen seien. Denn es sei zweifelhaft, ob es im Jahr 1990 eine Planwirtschaft iS des Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR, auf die das BSG abstelle, überhaupt noch gegeben habe. Abgesehen davon erfülle der VEB Rohrleitungsbau A. nicht die Vorgaben des BSG für einen Produktionsbetrieb iS der AVItech. Der VEB sei kein Betrieb gewesen, der Sachgüter im Hauptzweck industriell, dh serienmäßig wiederkehrend gefertigt habe. Der Tätigkeitsschwerpunkt der in der Produktion eingesetzten Beschäftigten lasse sich der Anlage 1 zur "Darstellung des Rohrleitungsbau A. " entnehmen. Danach habe sich für das 2. Halbjahr 1990 folgende Auftragslage ergeben:

-       

Stahlrohre: 16 km mit 16,3 Mio DM

-       

Rohrleitungselemente: 900 t mit 4,5 Mio DM

-       

Behälter: 0,65 Mio DM

-       

Sonstige industrielle Leistungen (Isolierarbeiten, Montagearbeiten, Serviceleistungen): 1 Mio DM.

7

Diese Zahlen verdeutlichten, dass dem VEB in erster Linie die Stahlrohrproduktion das Gepräge gegeben habe. Eine Stahlrohrproduktion von 16 km im Halbjahr bzw - entsprechend der Jahresvorgabe durch die staatliche Plankommission - von 39 km pro Jahr bedeute eine monatliche Fertigung von ca 2700 bis 3300 Metern. Angesichts dieser geringen Zahl könne von industrieller Massenfertigung in serieller Produktion keine Rede sein. Hinzu komme, dass nach Auskunft des ehemaligen Direktors für Produktion bzw für Technik und Produktion des VEB Rohrleitungsbau A. S. der Anteil der wiederholenden Fertigung zwar ca 80 % betragen habe, sich die Produkte, zB Rohre, jedoch regelmäßig in technischen Details unterschieden hätten. Dies bedeute, dass die Produktion zumindest teilweise auch von individuellen Vorgaben abhängig gewesen sein dürfte, was zusätzlich gegen eine serielle Massenproduktion spreche. Hiergegen spreche auch die ausweislich der Betriebsgeschichte offenbar Mitte der 1980er Jahre vorgenommene Fertigung einer Rauchgasanlage für Salzgitter. Dies verdeutliche, dass es nicht zuletzt im Schwerpunktbereich des Betriebes, dem Rohrleitungsbau, zumindest auch eine nennenswerte Produktion nach individuellen Kundenwünschen gegeben habe.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 AAÜG. Hierzu trägt er im Wesentlichen vor: Nach der Rechtsprechung des BSG habe er Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz. Er erfülle nicht nur die persönliche und sachliche Voraussetzung, sondern auch die betriebliche Voraussetzung. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG habe es im Juni 1990 noch eine Planwirtschaft iS von Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR gegeben. Auch sei der VEB Rohrleitungsbau A. ein volkseigener Produktionsbetrieb iS des § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) iVm § 1 Abs 1 S 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487) gewesen. Der Tätigkeitsschwerpunkt des Betriebes habe in erster Linie in der Stahlrohrproduktion gelegen. Die Schlussfolgerung des LSG, dass es sich bei einer monatlichen Fertigung von ca 2700 bis 3300 m nur um eine geringe Zahl gehandelt habe, sei nicht nachvollziehbar. Weder sei erkennbar, woraus das LSG diesen Schluss ziehe, noch welchen Maßstab es hierbei anlege. Ab welcher Fertigungsmenge die vom VEB Rohrleitungsbau A. hergestellten Rohre in den aktenkundigen Abmaßen eine Massenproduktion ergeben hätten, erläutere das LSG ebenso wenig. Aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Anlage 1 zur "Darstellung des Rohrleitungsbau A." ergebe sich, dass im 2. Halbjahr 1990 monatlich ca 150 000 kg Stahl durch den VEB verarbeitet worden seien. Eine derartige Menge an Material könne gerade nicht ohne industrielle und insbesondere serielle Produktionsmethoden verarbeitet werden. Darüber hinaus wäre es nicht verständlich, wenn der Begriff "Massenproduktion" einzig und allein an Stückzahlen oder laufende Meter anknüpfen würde. Ebenso wenig sei die Auffassung des LSG nachvollziehbar, dass auch die im VEB Rohrleitungsbau A. zumindest teilweise von individuellen Vorgaben abhängig gewesene Produktion gegen eine serielle Massenproduktion spreche. Individuelle Vorgaben bedeuteten gerade nicht Einzelanfertigung. Es bedeute vielmehr, dass in der Produktionsvorbereitung des jeweiligen Betriebes Arbeitsschritte notwendig würden, um nach den jeweiligen Aufträgen die vorhandene Maschinerie des Betriebes auf die neue Gegebenheit anzupassen. Nichts anderes passiere, wenn ein Betrieb eine Katalogware herstelle, diese aber in unterschiedlicher Ausführung (sei es nun bezogen auf Farbe, Größe oä). Ob nun völlig kundenunabhängig Sachgüter auf Lager produziert würden oder aber daneben aufgrund besonderer Auftragsstellung die industrielle Taktstraße auftragsbezogen eingerichtet werde, könne für die Beurteilung, ob es sich um einen VEB der seriellen Massenproduktion handele, nicht ausschlaggebend sein. Ebenso wenig stütze die Betriebsgeschichte des VEB das Urteil des LSG. Bei dieser Dokumentation handele es sich um eine Art Chronik des Betriebes, in welcher selbstverständlich nur Besonderheiten Erwähnung fänden.

9

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

        

1. die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. März 2012 und des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. November 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2004 aufzuheben und

        

2. die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. September 1974 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

13

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren, die Beklagte zu verurteilen, seine Beschäftigungszeit vom 1.9.1974 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

14

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anl 1 Nr 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG)dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekanntzugeben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - Juris) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

15

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 RÜG vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2 im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), so dass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

16

Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

17

1. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

18

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

19

2. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die Bedenken des LSG geben keinen Anlass zu einer erneuten Prüfung.

20

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der AVItech in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben am Stichtag 30.6.1990 auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die VO-AVItech und die dazu ergangene 2. DB, soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

21
       

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen:

1. von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),
2. von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.  

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
22

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen, und am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

23

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB Rohrleitungsbau A. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011 und 9.5.2012 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300, 303; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 21) nochmals betont hat.

24

Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung ist unerheblich, ob es am Stichtag 30.6.1990 noch VEB gegeben hat, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren. Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich nach der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung allein danach, ob der Kläger am 30.6.1990 - abgesehen von den gleichgestellten Betrieben - in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen ist, dh einem VEB, dem die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hat. Hingegen ist entgegen der Auffassung des LSG nicht auch konstitutiv auf seine organisatorische Zuordnung abgestellt worden (so schon Hinweis des Senats im Urteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 RdNr 28). Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl BSG Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11). Hat aber die Frage der organisatorischen Zuordnung keine konstitutive Bedeutung, ist unerheblich, ob es am Stichtag noch einen industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft gegeben hat. Vielmehr ist allein die Rechtsform des Betriebs als VEB sowie seine tatsächliche Produktionsweise entscheidungsrelevant.

25

Das LSG hat den Begriff des industriellen Produktionsbetriebes iS des § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs 1 der 2. DB im Ansatz zutreffend bestimmt und ist darüber hinaus zu Recht davon ausgegangen, dass der VEB Rohrleitungsbau A. unter Berücksichtigung der am 1.6.1990 für das 2. Halbjahr 1990 gelisteten Auftragslage hauptsächlich durch die Stahlrohrproduktion geprägt worden ist. Im Übrigen hat das LSG jedoch unrichtige Anforderungen an den industriellen Produktionsbetrieb gestellt und damit die betriebliche Voraussetzung verkannt.

26

Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 23), dass der versorgungsrechtliche Begriff der Massenproduktion im Sinne der AVItech auf die standardisierte Herstellung einer unbestimmten Vielzahl von Sachgütern gerichtet ist. Er ist damit in quantitativer Hinsicht allein durch die potentielle Unbegrenztheit der betrieblichen Produktion gekennzeichnet. Dagegen kommt es nicht auf das konkrete Erreichen einer bestimmten Anzahl von Gütern an, die der Betrieb insgesamt produziert oder an einzelne Kunden abgegeben hat. Ebenso wenig ist maßgeblich, welchen Anteil die Produktion des jeweiligen VEB an der DDR-Gesamtproduktion hatte. In ihrem wesentlichen qualitativen Aspekt unterscheidet sich die Massenproduktion von der auftragsbezogenen Einzelfertigung mit Bezug zu individuellen Kundenwünschen als ihrem Gegenstück (vgl BSGE 108, 300, 305) dadurch, dass der Hauptzweck des Betriebs auf eine industrielle Fertigung standardisierter Produkte in einem standardisierten und automatisierten Verfahren gerichtet ist (so grundlegend BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47; BSG vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 17). Es ist in erster Linie diese Produktionsweise, die den Begriff der Massenproduktion im vorliegenden Zusammenhang kennzeichnet, und die inhaltliche Gesamtbetrachtung des Betriebes, die ihn zu einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens macht. "Standardisiert und automatisiert" in diesem Sinne ist alles hergestellt, was mit einem vom Hersteller vorgegebenen Produkt nach Art, Aussehen und Bauweise identisch ist, aber auch dasjenige Sachgut, das aus mehreren ihrerseits standardisiert und automatisiert hergestellten Einzelteilen zusammengesetzt und Teil einer einseitig und abschließend allein vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette ist.

27

Nach Auffassung des LSG ist der VEB Rohrleitungsbau A. kein industrieller Produktionsbetrieb gewesen, weil eine Stahlrohrproduktion von 16 km im Halbjahr bzw - entsprechend der Jahresvorgabe durch die staatliche Plankommission - von 39 km pro Jahr lediglich eine monatliche Fertigung von ca 2700 bis 3300 m bedeute und angesichts dieser geringen Zahl von industrieller Massenfertigung in serieller Produktion nicht die Rede sein könne. Nach Maßgabe der oben genannten Anforderungen kommt es indes nicht darauf an, welche Anzahl von Gütern der Betrieb insgesamt produziert hat. Quantitativ maßgeblich ist vielmehr die potentielle Unbegrenztheit der betrieblichen Produktion. Ebenso wenig spricht zwingend gegen eine serielle Massenproduktion, dass sich die wiederkehrend gefertigten Produkte - zB Rohre - nach den Feststellungen des LSG regelmäßig in technischen Details unterschieden haben. Dies stünde nur dann der Annahme einer industriellen Fertigung entgegen, wenn die Produktionsweise des Betriebes von vornherein darauf angelegt war, allein den Wünschen des jeweiligen Auftraggebers entsprechend Einzelstücke herzustellen, die so vom Hersteller nicht vorgesehen waren. Kommt es dagegen zur Abgabe von nach individuellen Vorgaben gefertigten Produkten, die in der vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette enthalten sind, ist die Eigenschaft als Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens nicht gefährdet. Zu Recht weist die Revisionsbegründung darauf hin, dass es nicht ausschlaggebend ist, ob kundenunabhängig Sachgüter auf Lager produziert werden oder aufgrund besonderer Auftragsstellung die industrielle Taktstraße auftragsbezogen aus der Palette des Herstellers eingerichtet wird.

28

Unerheblich ist schließlich, dass der VEB Rohrleitungsbau A. bzw einer seiner Vorgängerbetriebe Mitte der 1980er Jahre eine Rauchgasanlage für Salzgitter (offensichtlich als Einzelstück) hergestellt hat. Die Entscheidung, ob ein industrieller Produktionsbetrieb im Sinne der versorgungsrechtlichen Bestimmungen vorliegt, richtet sich allein nach den Produktionsbedingungen am Stichtag 30.6.1990. Unter Berücksichtigung der vom LSG festgestellten Auftragslage ist zu diesem Zeitpunkt eine individuell konzipierte Großanlage nicht gefertigt worden.

29

Das LSG wird nunmehr zunächst festzustellen haben, ob die Stahlrohrproduktion im VEB Rohrleitungsbau A. durch ihre potentielle Unbegrenztheit gekennzeichnet war. Sollte dies der Fall sein, wird das Berufungsgericht unter Beachtung der genannten Vorgaben zu prüfen haben, ob bzw in welchem Ausmaß die Stahlrohre in einem standardisierten und automatisierten Verfahren erstellt worden sind bzw wie individuelle Kundenwünsche in der Produktion umgesetzt worden sind. Sollten die Produkte teilweise im Wege der industriellen Massenproduktion und teilweise in auftrags- und kundenbezogener Einzelfertigung gefertigt worden sein, sind diese Bereiche jeweils nach einheitlichen Maßstäben zu bewerten und zueinander in Beziehung zu setzen. Insoweit bietet sich ein Vergleich der jeweiligen Anteile am Umsatz oder Ertrag an.

30

Sollte der Kläger am Stichtag 30.6.1990 auch die betriebliche Voraussetzung erfüllen, wird das LSG weiter festzustellen haben, ab welchem Zeitpunkt der Kläger als Gruppenleiter Preise bzw Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung tätig gewesen ist und ob seine davor ausgeübte Beschäftigung ebenfalls der Tätigkeit eines Ingenieurs entsprochen hat. Ferner wird das LSG festzustellen haben, ob auch die Vorgängerbetriebe des VEB Rohrleitungsbau A. industrielle Produktionsbetriebe waren.

31

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 3.5.1971 bis zum 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

2

Der 1946 geborene Kläger erwarb an der Universität R. den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" (Urkunde vom 31.3.1971). Ab dem 3.5.1971 arbeitete er bei verschiedenen Volkseigenen Betrieben (VEB), zuletzt vom 1.2. bis 30.6.1990 beim VEB E.

3

Dort wirkte er als "Fachdirektor Ökonomie" wesentlich an der Umstrukturierung des VEB mit. Dieser produzierte im 1. Halbjahr 1990 mit 107 Arbeitnehmern Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten. Gleichzeitig beschäftigte der VEB in den Bereichen der Elektroinstallation 250, der Verwaltung 78, der Projektierung 20 und der Lagerwirtschaft 8 Mitarbeiter. Der Kläger erhielt keine Versorgungszusage, zahlte aber Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung; eine korrigierende Rehabilitierungsentscheidung wurde nicht getroffen.

4

Den Antrag des Klägers, seine Zusatzversorgungsanwartschaften festzustellen und zu überführen, lehnte die Beklagte ab, weil er die sachliche Voraussetzung nicht erfülle. Denn als "Fachdirektor Ökonomie" sei er nicht entsprechend seiner Qualifikation ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen (Bescheid vom 12.12.2002; Widerspruchsbescheid vom 9.4.2003).

5

Das SG hat dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gewährt und die Klage abgewiesen (Urteil des SG Halle vom 24.3.2005). Die Berufung ist erfolglos geblieben (Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.12.2011): Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024). Denn er falle nicht in den Geltungsbereich des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG, weil er der AVItech weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung angehört habe. Ihm sei weder eine Versorgung zugesagt worden noch liege eine Rehabilitierungsentscheidung oder der rechtsstaatswidrige Entzug einer Versorgungsanwartschaft vor. Die Rechtsprechung des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung erfolgen könne, lehne der Senat ab. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieur die persönliche und als "Fachdirektor Ökonomie" auch die sachliche Voraussetzung. Zum 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Fraglich sei schon, ob es am Stichtag überhaupt noch VEB gegeben habe, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet gewesen seien. Denn es sei zweifelhaft, ob es im Juni 1990 eine Planwirtschaft iS des Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR überhaupt noch gegeben habe. Ungeachtet dessen sei der VEB E. kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen, weil der Schwerpunkt der Betriebstätigkeit nicht in der Produktion (Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten), sondern im Bereich der Elektroinstallation gelegen habe. Denn die Zahl der Beschäftigten in der Elektroinstallation (250) übersteige die Zahl der in der Produktion eingesetzten Mitarbeiter (107) deutlich. Soweit der Senat in dem Verfahren L 1 R 105/08 von nur zehn Mitarbeitern im Bereich der Elektroinstallation ausgegangen sei, könne daran nicht mehr festgehalten werden. Bei der Elektroinstallation würden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, indem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt würden. Insofern könnten Installation und Montage, die den Produktionsbegriff erfüllten, keinesfalls gleichgesetzt werden. Der Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit des VEB sei nicht anhand des Gewinns zu beurteilen, der in den einzelnen Bereichen erzielt worden sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich schon anhand der Verteilung der Arbeitskräfte der Schwerpunkt des Betriebes - wie hier - deutlich herauskristallisiere. Denn auf den Aufwand lasse sich nicht zuletzt durch den jeweiligen Mitarbeitereinsatz schließen. Hingegen sei der Gewinn oder die Bilanz als Gradmesser für den betrieblichen Schwerpunkt problematisch, weil dessen Ermittlung von den systembedingten Vorgaben abhänge und häufig nicht den tatsächlichen Aufwand und Umsatz bzw Ertrag abbilde. So sei in der DDR nach den Bestimmungen der Rechnungsführung und Statistik (RuSt) bilanziert worden. Die durch die RuSt ermittelten Zahlen hätten der Leitung und Planung der Volkswirtschaft der DDR (§ 2 Abs 1 und 2 der Verordnung über Rechnungsführung und Statistik vom 11.7.1985, GBl DDR I 261) und damit einem anderen Zweck gedient als eine handelsrechtliche Bilanz. Das System der RuSt habe den Erfordernissen einer zentralgeleiteten Wirtschaft entsprochen, ein einheitliches Rechnungswesen in der gesamten Volkswirtschaft zu schaffen, das nicht nur die einzelnen Betriebe und Kombinate erfasse, sondern zugleich eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung darstelle. Eine Rechnungslegung nach den Grundsätzen der RuSt sei erforderlich gewesen, um ablesen zu können, ob ein Betrieb seine Planvorgaben erreicht habe.

6

Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt der Kläger insbesondere die Verletzung materiellen Rechts: Soweit das LSG den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit allein anhand der Mitarbeiterzahl pro Abteilung bestimme, verkenne es, dass es nach der Rechtsprechung des BSG allein auf die Anteile an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag ankomme. Der VEB E. habe schwerpunktmäßig Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten produziert. Im Bereich der Elektroinstallation seien nur 10 Mitarbeiter im Außeneinsatz tätig gewesen. Die anderen hätten beispielsweise in industrieller Art und Weise Schaltschrankbau betrieben, und zwar weitestgehend aufgrund gleich gerichteter Anforderungen. Außerdem hätten sie bei der Vorinstallation für Gleich- und Wechselrichter, die im Straßenbahnbau und bei der Montage von Zügen eingesetzt worden seien, vorgefertigte Bauteile im Wege der industriellen Massenproduktion zum fertigen Produkt verbaut. Ferner seien Installationseinrichtungen für den Einsatz in Industrieanlagen vorgefertigt worden, wobei eine ausschließlich spezifische Montage für besondere Anforderungen nur im Ausnahmefall erfolgt sei. Derartige Installationsarbeiten erfüllten - ebenso wie Montagetätigkeiten - den Produktionsbegriff. Entgegen der Ansicht des LSG hätten am 30.6.1990 auch noch der DDR-Planwirtschaft zuzuordnende VEB existiert. Jede andere Auslegung führe die verfassungsgerichtlich bestätigte Rechtsprechung des BSG zur Überführung fiktiver Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen ad absurdum.

7

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

        

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. März 2005 und das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 3. Mai 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die betriebliche Voraussetzung sei nicht erfüllt. Der VEB E. sei kein Produktionsdurchführungsbetrieb gewesen, dem eine industrielle Massenproduktion von Sachgütern in Gestalt von Antennen, Heizkörpern, Plastschweißgeräten und Leuchten das Gepräge gegeben habe. Denn der überwiegende Teil der Beschäftigten sei nicht in der Sachgüterproduktion, sondern mit der Installation von Elektroanlagen beschäftigt gewesen. Elektroinstallationsarbeiten seien immer den individuellen Gegebenheiten und Vorgaben der Kunden anzupassen, weil Leitungen und Verteiler verlegt und Elemente miteinander verbunden werden müssten, was nicht seriell erfolgen könne. Damit unterscheide sich diese Art der Installation auch von der (seriellen) Industriemontage, bei der massenhaft Einzelteile zu einem grundsätzlich gleichen, nur in Details unterschiedlichen neuen industriellen Sachgut in hohen Stückzahlen zusammengesetzt würden.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG), weil weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich sind.

11

Die Klage war zulässig. Das LSG hat zu Recht festgestellt, dass das SG verbindlich Wiedereinsetzung (§ 67 Abs 1 und 4 S 2 SGG) in die versäumte Klagefrist (§ 87 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 SGG) gewährt hat.

12

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Senatsurteil vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - SozR 4-8570 § 7 Nr 3) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

13

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung - Rentenüberleitungsgesetz - vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

14

Auf Grund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "auf Grund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

15

Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

16

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

17

Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "auf Grund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die weiterhin geäußerten Bedenken des LSG geben keinen Anlass zur nochmaligen Prüfung (s dazu bereits Senatsurteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris).

18

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl DDR 844) und die 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl DDR 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

19

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ am Stichtag 30.6.1990 vorliegen müssen,

        

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

        

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

        

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

20

Der Kläger erfüllt die persönliche Voraussetzung, weil er nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) berechtigt ist, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen. Ob der Kläger auch die sachliche (nachfolgend a) und die betriebliche Voraussetzung (nachfolgend b) erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden.

21

a) Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG (Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/07 R - Juris RdNr 18; s auch Urteil vom 31.3.2004 - B 4 RA 31/03 R - Juris RdNr 19 f) und des erkennenden Senats (Urteile vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - Juris RdNr 19 und vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris RdNr 24) erfüllen Ingenieure die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nur dann, wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit entsprechend ihrem Berufsbild im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag und damit die Aufgabenerfüllung geprägt hat. Lag der Schwerpunkt dagegen in anderen Bereichen, zB im wirtschaftlichen bzw kaufmännischen Bereich, waren die Ingenieure nicht schwerpunktmäßig, dh überwiegend, entsprechend ihrem Berufsbild, sondern vielmehr berufsfremd eingesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung bedeutet "berufsfremd" die Ausübung einer Tätigkeit, die nicht schwerpunktmäßig durch die durchlaufene Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist (Senatsurteile aaO).

22

Für die Prüfung der sachlichen Voraussetzung ist demnach von der erworbenen Berufsbezeichnung iS der 2. DB auszugehen und zu ermitteln, welches Berufsbild dieser unter Berücksichtigung der Ausbildung und der im späteren Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen zu Grunde liegt. Im Anschluss hieran ist festzustellen, welche Tätigkeit der Versicherte konkret ausgeübt hat und zu fragen, ob diese im Schwerpunkt dem der Berufsbezeichnung zu Grunde liegenden Berufsbild entspricht. Dies ist zu bejahen, wenn die ausgeübte Tätigkeit überwiegend durch die in der Ausbildung zu einem Beruf iS des § 1 Abs 1 der 2. DB gewonnenen Kenntnisse und Fertigkeiten und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist (Senatsurteile vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - Juris RdNr 20 und vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris RdNr 25; BSG Urteil vom 18.10.2007 - B 4 RS 17/07 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 14 RdNr 44 mwN).

23

Es fehlen hier bereits Feststellungen des LSG zum Berufsbild des "Diplom-Ingenieurs" und zur Tätigkeit, die der Kläger am Stichtag konkret ausgeübt hat. Feststellungen zum Berufsbild und der verrichteten Tätigkeit sind stets auf der Grundlage von Ermittlungen zu treffen, die die individuelle Situation des jeweiligen Anspruchstellers aufklären. Zur Feststellung des Berufsbilds des Klägers ist daher insbesondere dessen absolvierte Ausbildung im Einzelnen zu ermitteln; um das Anforderungsprofil der Tätigkeit festzustellen, die er am Stichtag ausgeübt hat, sind vor allem der einschlägige Funktionsplan heranzuziehen, soweit er noch vorhanden ist, und die dort aufgelisteten Aufgaben zu konkretisieren sowie die Aussagen des Klägers und etwaiger Zeugen auszuwerten. Die bisherigen Ausführungen des LSG erschöpfen sich darin, "dass der Kläger während seiner Beschäftigung beim VEB E. nach seinen glaubhaften Schilderungen im Berufungsverfahren nicht berufsfremd eingesetzt war". Dabei versäumt es das Berufungsgericht jedoch, das Ergebnis seiner Subsumtion unter den Rechtsbegriff "berufsfremd" mit konkreten Tatsachenangaben zu untermauern, die es ermöglichen könnten, den vorangegangenen Subsumtionsschluss (Syllogismus) nachzuvollziehen und zu überprüfen. Im Ansatz zutreffend weist das LSG darauf hin, dass "nicht die Funktionsbezeichnung entscheidend ist, sondern der tatsächliche Tätigkeitsinhalt". Es hätte jedoch - ausgehend von einer detaillierten Stellenbeschreibung - möglichst genau darstellen müssen, welche (Haupt-)Aufgaben, fachlichen Anforderungen und konkreten Verrichtungen mit der Tätigkeit des "Fachdirektors Ökonomie" tatsächlich verbunden waren und im Urteil nachvollziehbar angeben müssen, welche Tatumstände der Kläger im Berufungsverfahren geschildert hat, warum es ihn für glaubwürdig und seine Aussagen für glaubhaft hält (zu den Begriffen der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit vgl BGH Urteil vom 13.3.1991 - IV ZR 74/90 - NJW 1991, 3284). Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG daher im Rahmen der sachlichen Voraussetzung prüfen müssen, ob die am Stichtag tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als "Fachdirektor Ökonomie" mit ihrem Anforderungsprofil dem Berufsbild des Diplom-Ingenieurs schwerpunktmäßig entsprach.

24

b) Ferner lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob der VEB E. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23)fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011, 9.5.2012 und 9.10.2012 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 24; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 21; B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 23) nochmals betont hat.

25

Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung ist unerheblich, ob es am Stichtag 30.6.1990 noch VEB gegeben hat, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren (dazu und zum Folgenden: Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24). Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich nach der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung allein danach, ob der Kläger am 30.6.1990 - abgesehen von den gleichgestellten Betrieben - in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen ist, dh einem VEB, dem die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hat. Hingegen ist entgegen der Auffassung des LSG nicht auch konstitutiv auf seine organisatorische Zuordnung abgestellt worden (so schon Hinweis im Senatsurteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 28). Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl BSG Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11). Hat aber die Frage der organisatorischen Zuordnung keine konstitutive Bedeutung, ist unerheblich, ob es am Stichtag noch einen industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft gegeben hat. Vielmehr ist allein die Rechtsform des Betriebs als VEB sowie seine tatsächliche Produktionsweise entscheidungsrelevant (Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24).

26

Ob der VEB E. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Das LSG bestimmt den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit nach der (Kopf-)Zahl der Mitarbeiter in den Tätigkeitsbereichen "Produktion" und "Elektroinstallation". Damit hat es einen einheitlichen und grundsätzlich geeigneten Maßstab für die Beurteilung der Frage gewählt, ob der VEB E. sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, wobei allerdings einschränkend zu bemerken ist, dass von der bloßen Kopfzahl der Beschäftigten nicht stets automatisch auf ein entsprechendes Arbeitsvolumen und einen entsprechenden Anteil an der Wertschöpfung geschlossen werden darf. Den Feststellungen des LSG lässt sich jedoch - was gleichzeitig unabdingbar erforderlich ist - insbesondere nicht entnehmen, womit konkret der Bereich "Elektroinstallation" (250 Mitarbeiter) befasst war, obwohl es unter anderem wegen der Frage, "ob auch die Installation (wie die Montage) den Produktionsbegriff erfüllen kann", die Revision zugelassen hat. Es unterlegt dem Begriff der "Elektroinstallation" ohne jeden Fallbezug bestenfalls aus sich heraus eine Bedeutung, wenn es ausführt: "Bei der Installation werden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern es werden - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, in dem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt werden". Stattdessen hätte das Berufungsgericht konkret ermitteln und feststellen müssen, welche Aufgaben beim VEB E. im Bereich der "Elektroinstallation" genau anfielen, welche Komponenten wo (innerhalb des VEB oder außerhalb beim Kunden?) verarbeitet ("installiert", "angebracht", "verlegt" oder eingebaut) wurden und ob es sich dabei um eher handwerklich geprägte Individualarbeiten oder industriell geprägte Serienfertigung (ggf unter entsprechendem Maschineneinsatz) handelte. Soweit im Rahmen der Elektroinstallation - ggf seriell hergestellte - Komponenten (wie zB Leuchten und Kabel) angebracht, verlegt oder miteinander verbunden wurden, wird das LSG die Fertigungsart ermitteln und feststellen müssen, ob diese Aggregate mehr oder weniger schematisch nach einem im vorhinein festgelegten Plan standardisiert (zB in Fertigungsstraßen) oder nach bestimmten Kundenwünschen individuell verarbeitet wurden. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris RdNr 18) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion (vgl Senatsurteile vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 31 und vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/11 R - Juris RdNr 24).

27

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 29. März 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.9.1978 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der am 1953 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Diplom-Ingenieurökonom" zu führen. Zuletzt war er bis 30.6.1990 bei dem VEB S. als Abteilungsleiter Materialwirtschaft tätig. Seine Tätigkeit bestand im Wesentlichen in der Organisation der Bevorratung und Lagerversorgung sowie der Leitung der Abteilung Materialwirtschaft und Technischer Einkauf. Der Kläger war anschließend noch bis Ende 1991 bei dem VEB S. bzw der durch Umwandlung in eine GmbH mit Wirkung zum 7.8.1990 geschaffenen Nachfolgefirma beschäftigt.

3

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht.

4

Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14.1.2005 und Widerspruchsbescheid vom 13.5.2005).

5

Das SG Hamburg hat die Beklagte unter Aufhebung der angegriffenen Bescheide mit Urteil vom 11.4.2008 verurteilt, die Zeit der Beschäftigung des Klägers vom 1.9.1978 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech anzuerkennen und die entsprechenden Arbeitsverdienste festzustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Hamburg mit Urteil vom 29.3.2011 das Urteil des SG Hamburg aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Die Vorschriften des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 25.7.1991, BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) fänden auf den Kläger keine Anwendung, weil er Ansprüche aus einem Zusatzversorgungssystem nicht iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben habe. Ihm komme auch nicht die durch die Rechtsprechung des BSG vorgenommene erweiternde verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs 1 AAÜG zugute. Zwar lägen die persönliche und die sachliche Voraussetzung für eine derartige - fiktive - Versorgungsanwartschaft vor. Nicht erfüllt sei hingegen die betriebliche Voraussetzung, da der VEB S. am 30.6.1990 nicht Sachgüter im Hauptzweck industriell und standardisiert gefertigt habe. Hauptzweck des VEB sei die Herstellung von Schaltanlagen und elektronischen Bauteilen gewesen. Die Schaltanlagen seien in der Regel in Kleinserien von bis zu maximal sechs Stück gefertigt worden, bevor dann aufgrund des geänderten Bedarfs Veränderungen des Produkts erforderlich geworden seien. Zudem belege der Umstand, dass für die Bestückung der Schaltschränke der Einsatz von Facharbeitern erforderlich gewesen sei, dass es sich nicht um eine standardisierte Fertigung im Sinne des fordistischen Produktionsmodells gehandelt habe. Die einmalige Produktion einer Großserie von 8000 Stück Leiterplatinen für Kassettenrekorder habe dem VEB S. nicht das Gepräge gegeben.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 1, 5 und 8 AAÜG. In seinem Fall sei auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt. Die vom Berufungsgericht zur Produktion getroffenen Feststellungen erfüllten nicht die Vorgaben aus dem Urteil des BSG vom 19.7.2011 (B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300). Die verhältnismäßig klein wirkende Zahl sechs stehe daher einer Massenproduktion nicht entgegen. Auch der Einsatz von Facharbeitern spreche nicht gegen eine standardisierte Fertigung im Sinne des fordistischen Produktionsmodells, weil eine ausschließlich schematische Zusammenbauweise nicht erforderlich sei.

7

Der Kläger beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 29. März 2011 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 11. April 2008 zurückzuweisen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

11

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren (§§ 165 S 1, 153 Abs 1, 123 SGG), das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des SG Hamburg vom 11.4.2008 wiederherzustellen. Dieses Begehren hat Erfolg, wenn der Bescheid vom 14.1.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.5.2005 aufzuheben und die Beklagte verpflichtet ist, die Beschäftigungszeit vom 1.9.1978 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte) festzustellen.

12

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anl 1 Nr 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG)dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekanntzugeben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

13

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), so dass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

14

Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

15

I. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

16

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

17

II. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt; auch das Berufungsgericht teilt mit zutreffenden Ausführungen und mit eingehender Begründung diese Auslegung.

18

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der AVItech in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben am Stichtag 30.6.1990 auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die Zweite Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl I Nr 62 S 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

19
        

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen:

        

   1.     

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

2. 

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

    3.       

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

20

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Diplom-Ingenieurökonom" zu führen, und am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

21

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB S. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011 sowie am 28.9.2011 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300, 303; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19) nochmals betont hat.

22

Das LSG hat den Begriff des industriellen Produktionsbetriebs iS des § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs 1 der 2. DB im Ausgang zutreffend bestimmt und dessen Voraussetzungen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des 4. sowie des erkennenden Senats festgelegt. Es hat diesen Begriff sodann jedoch in unzutreffender Weise auf den VEB S. angewandt und daher unrichtige Anforderungen an den industriellen Produktionsbetrieb gestellt.

23

Der versorgungsrechtliche Begriff der Massenproduktion iS der AVItech ist auf die standardisierte Herstellung einer unbestimmten Vielzahl von Sachgütern gerichtet. Er ist damit in quantitativer Hinsicht allein durch die potentielle Unbegrenztheit der betrieblichen Produktion gekennzeichnet. Dagegen kommt es nicht auf das konkrete Erreichen einer bestimmten Anzahl an Gütern an, die der Betrieb insgesamt produziert oder an einzelne Kunden abgibt. In ihrem wesentlichen qualitativen Aspekt unterscheidet sich die Massenproduktion von der auftragsbezogenen Einzelfertigung mit Bezug zu individuellen Kundenwünschen als ihrem Gegenstück (vgl BSGE 108, 300, 305) dadurch, dass der Hauptzweck des Betriebs auf eine industrielle Fertigung standardisierter Produkte in einem standardisierten und automatisierten Verfahren gerichtet ist (so grundlegend BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47; BSG vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 17). Es ist in erster Linie diese Produktionsweise, die den Begriff der Massenproduktion im vorliegenden Zusammenhang kennzeichnet, und die inhaltliche Gesamtbetrachtung des Betriebs insofern, die ihn zu einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens macht. "Standardisiert und automatisiert" in diesem Sinne ist alles hergestellt, was mit einem vom Hersteller vorgegebenen Produkt nach Art, Aussehen und Bauweise identisch ist, aber auch dasjenige Sachgut, das aus mehreren ihrerseits standardisiert und automatisiert hergestellten Einzelteilen zusammengesetzt und Teil einer einseitig und abschließend allein vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette ist. Der Senat hat daher bereits entschieden (Urteil vom 19.7.2011, BSGE 108, 300 ff, 305), dass auch der mehr oder weniger schematisch anfallende Zusammenbau von im Wege industrieller Massenproduktion massenhaft (selbst) hergestellten Bauteilen zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens sein kann. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion. In diesem Fall ist zu prüfen, ob der Betrieb, in dem gleichermaßen die industrielle Massenproduktion von Einzelteilen und der individualisierte Zusammenbau von Endprodukten anfallen, sein Gepräge durch den erstgenannten Bereich erhält.

24

Die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, der VEB S. habe "Schaltanlagen in der Regel in Kleinserien von bis zu maximal sechs Stück gefertigt, bevor dann aufgrund des geänderten Bedarfs Veränderungen des Produkts erforderlich wurden", lässt eine eindeutige Zuordnung nicht zu. Das angefochtene Urteil beachtet die gebotene Unterscheidung zwischen Kleinserie als internes Merkmal der betrieblichen Produktionsweise einerseits und als externe Beschreibung des Abnahmeverhaltens von Kunden nicht; dementsprechend blieb auch offen, ob der "geänderte Bedarf" in diesem Sinne interner oder externer Natur war. Die vom LSG festgestellten Tatsachen tragen sein rechtliches Ergebnis nur in Fällen, in denen die Produktionsweise des Betriebs in seiner Gesamtheit von vornherein darauf angelegt ist, auf extern definierte Anforderungen zu reagieren und allein den Wünschen des jeweiligen Auftraggebers entsprechend ein oder mehrere Einzelstücke herzustellen. Kommt es dagegen zur Abgabe von "Kleinserien" deshalb, weil der jeweilige Auftraggeber aus dem betriebsorganisatorisch bzw produktionstechnisch vorgegebenen numerus clausus an Sachgütern, die abstrakt marktorientiert in theoretisch unbestimmter Vielzahl zur Verfügung stehen, nur wenige oder im Extremfall ein einziges abnimmt, gefährdet nicht allein dieser Umstand die Eigenschaft als Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Andernfalls müsste etwa bei Automobilherstellern angenommen werden, dass bei ihnen keine Serienproduktion vorliegt.

25

Entgegen der Auffassung des LSG sind damit auch Betriebe der Investitionsgüter- oder Schwerindustrie, zB des Maschinen- und/oder Anlagenbaus nicht von vornherein ausgeschlossen. Auch bei ihnen kann in Betracht kommen, dass der einzelne Abnehmer aus einer für beliebige Abnehmer in unbestimmter Vielzahl (auf Lager oder "just in time") vorrätig gehaltenen Produktpalette in "Kleinserie" nur ein einzelnes Sachgut abnimmt. Ebenso wenig schließt allein der Umstand einer Beteiligung von Facharbeitern am Produktionsprozess aus, dass es sich bei dem in Frage stehenden VEB um einen Produktionsbetrieb der Industrie handelt.

26

Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung des Berufungsgerichts vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. März 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.9.1974 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der am 1950 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (Urkunde der Ingenieurschule für Anlagenbau G. vom 26.7.1974).

3

Im Anschluss an die Verleihung dieser Berechtigung war der Kläger nach den Feststellungen des LSG ab 1.9.1974 beim VEB Kombinat Rohrleitungen und Isolierungen, Betrieb R. , später VEB Rohrleitungsbau F., Betriebsteil A. sowie ab 1978 beim VEB Rohrleitungsbau A. bis 30.6.1990 als Produktionslenker und zuletzt als Gruppenleiter Preise bzw Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung tätig.

4

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht.

5

Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 29.1.2004, Widerspruchsbescheid vom 14.4.2004).

6

Klage und Berufung des Klägers sind ebenfalls erfolglos geblieben (Urteil des SG Magdeburg vom 24.11.2005; Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.3.2012). Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gemäß § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 AAÜG keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum Zusatzversorgungssystem. Er unterfalle nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech angehört habe. Dem Kläger sei weder von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt noch sei er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch habe ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft in seinem Fall nicht stattgefunden. Der Rechtsprechung des BSG, nach der die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs 1 S 1 AAÜG ebenso im Wege der Unterstellung vorliegen könne, folge der Senat nicht. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieur die persönliche Voraussetzung und sei auch als Gruppenleiter Preise bzw Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung am Stichtag 30.6.1990 entsprechend seiner erworbenen Qualifikation tätig gewesen. Zum 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Fraglich sei schon, ob es am 30.6.1990 überhaupt noch VEB gegeben habe, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR Planwirtschaft zugeordnet gewesen seien. Denn es sei zweifelhaft, ob es im Jahr 1990 eine Planwirtschaft iS des Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR, auf die das BSG abstelle, überhaupt noch gegeben habe. Abgesehen davon erfülle der VEB Rohrleitungsbau A. nicht die Vorgaben des BSG für einen Produktionsbetrieb iS der AVItech. Der VEB sei kein Betrieb gewesen, der Sachgüter im Hauptzweck industriell, dh serienmäßig wiederkehrend gefertigt habe. Der Tätigkeitsschwerpunkt der in der Produktion eingesetzten Beschäftigten lasse sich der Anlage 1 zur "Darstellung des Rohrleitungsbau A. " entnehmen. Danach habe sich für das 2. Halbjahr 1990 folgende Auftragslage ergeben:

-       

Stahlrohre: 16 km mit 16,3 Mio DM

-       

Rohrleitungselemente: 900 t mit 4,5 Mio DM

-       

Behälter: 0,65 Mio DM

-       

Sonstige industrielle Leistungen (Isolierarbeiten, Montagearbeiten, Serviceleistungen): 1 Mio DM.

7

Diese Zahlen verdeutlichten, dass dem VEB in erster Linie die Stahlrohrproduktion das Gepräge gegeben habe. Eine Stahlrohrproduktion von 16 km im Halbjahr bzw - entsprechend der Jahresvorgabe durch die staatliche Plankommission - von 39 km pro Jahr bedeute eine monatliche Fertigung von ca 2700 bis 3300 Metern. Angesichts dieser geringen Zahl könne von industrieller Massenfertigung in serieller Produktion keine Rede sein. Hinzu komme, dass nach Auskunft des ehemaligen Direktors für Produktion bzw für Technik und Produktion des VEB Rohrleitungsbau A. S. der Anteil der wiederholenden Fertigung zwar ca 80 % betragen habe, sich die Produkte, zB Rohre, jedoch regelmäßig in technischen Details unterschieden hätten. Dies bedeute, dass die Produktion zumindest teilweise auch von individuellen Vorgaben abhängig gewesen sein dürfte, was zusätzlich gegen eine serielle Massenproduktion spreche. Hiergegen spreche auch die ausweislich der Betriebsgeschichte offenbar Mitte der 1980er Jahre vorgenommene Fertigung einer Rauchgasanlage für Salzgitter. Dies verdeutliche, dass es nicht zuletzt im Schwerpunktbereich des Betriebes, dem Rohrleitungsbau, zumindest auch eine nennenswerte Produktion nach individuellen Kundenwünschen gegeben habe.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 AAÜG. Hierzu trägt er im Wesentlichen vor: Nach der Rechtsprechung des BSG habe er Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz. Er erfülle nicht nur die persönliche und sachliche Voraussetzung, sondern auch die betriebliche Voraussetzung. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG habe es im Juni 1990 noch eine Planwirtschaft iS von Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR gegeben. Auch sei der VEB Rohrleitungsbau A. ein volkseigener Produktionsbetrieb iS des § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) iVm § 1 Abs 1 S 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487) gewesen. Der Tätigkeitsschwerpunkt des Betriebes habe in erster Linie in der Stahlrohrproduktion gelegen. Die Schlussfolgerung des LSG, dass es sich bei einer monatlichen Fertigung von ca 2700 bis 3300 m nur um eine geringe Zahl gehandelt habe, sei nicht nachvollziehbar. Weder sei erkennbar, woraus das LSG diesen Schluss ziehe, noch welchen Maßstab es hierbei anlege. Ab welcher Fertigungsmenge die vom VEB Rohrleitungsbau A. hergestellten Rohre in den aktenkundigen Abmaßen eine Massenproduktion ergeben hätten, erläutere das LSG ebenso wenig. Aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Anlage 1 zur "Darstellung des Rohrleitungsbau A." ergebe sich, dass im 2. Halbjahr 1990 monatlich ca 150 000 kg Stahl durch den VEB verarbeitet worden seien. Eine derartige Menge an Material könne gerade nicht ohne industrielle und insbesondere serielle Produktionsmethoden verarbeitet werden. Darüber hinaus wäre es nicht verständlich, wenn der Begriff "Massenproduktion" einzig und allein an Stückzahlen oder laufende Meter anknüpfen würde. Ebenso wenig sei die Auffassung des LSG nachvollziehbar, dass auch die im VEB Rohrleitungsbau A. zumindest teilweise von individuellen Vorgaben abhängig gewesene Produktion gegen eine serielle Massenproduktion spreche. Individuelle Vorgaben bedeuteten gerade nicht Einzelanfertigung. Es bedeute vielmehr, dass in der Produktionsvorbereitung des jeweiligen Betriebes Arbeitsschritte notwendig würden, um nach den jeweiligen Aufträgen die vorhandene Maschinerie des Betriebes auf die neue Gegebenheit anzupassen. Nichts anderes passiere, wenn ein Betrieb eine Katalogware herstelle, diese aber in unterschiedlicher Ausführung (sei es nun bezogen auf Farbe, Größe oä). Ob nun völlig kundenunabhängig Sachgüter auf Lager produziert würden oder aber daneben aufgrund besonderer Auftragsstellung die industrielle Taktstraße auftragsbezogen eingerichtet werde, könne für die Beurteilung, ob es sich um einen VEB der seriellen Massenproduktion handele, nicht ausschlaggebend sein. Ebenso wenig stütze die Betriebsgeschichte des VEB das Urteil des LSG. Bei dieser Dokumentation handele es sich um eine Art Chronik des Betriebes, in welcher selbstverständlich nur Besonderheiten Erwähnung fänden.

9

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

        

1. die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. März 2012 und des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. November 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2004 aufzuheben und

        

2. die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. September 1974 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

13

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren, die Beklagte zu verurteilen, seine Beschäftigungszeit vom 1.9.1974 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

14

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anl 1 Nr 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG)dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekanntzugeben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - Juris) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

15

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 RÜG vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2 im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), so dass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

16

Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

17

1. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

18

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

19

2. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die Bedenken des LSG geben keinen Anlass zu einer erneuten Prüfung.

20

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der AVItech in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben am Stichtag 30.6.1990 auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die VO-AVItech und die dazu ergangene 2. DB, soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

21
       

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen:

1. von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),
2. von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.  

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
22

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen, und am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

23

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB Rohrleitungsbau A. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011 und 9.5.2012 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300, 303; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 21) nochmals betont hat.

24

Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung ist unerheblich, ob es am Stichtag 30.6.1990 noch VEB gegeben hat, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren. Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich nach der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung allein danach, ob der Kläger am 30.6.1990 - abgesehen von den gleichgestellten Betrieben - in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen ist, dh einem VEB, dem die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hat. Hingegen ist entgegen der Auffassung des LSG nicht auch konstitutiv auf seine organisatorische Zuordnung abgestellt worden (so schon Hinweis des Senats im Urteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 RdNr 28). Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl BSG Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11). Hat aber die Frage der organisatorischen Zuordnung keine konstitutive Bedeutung, ist unerheblich, ob es am Stichtag noch einen industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft gegeben hat. Vielmehr ist allein die Rechtsform des Betriebs als VEB sowie seine tatsächliche Produktionsweise entscheidungsrelevant.

25

Das LSG hat den Begriff des industriellen Produktionsbetriebes iS des § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs 1 der 2. DB im Ansatz zutreffend bestimmt und ist darüber hinaus zu Recht davon ausgegangen, dass der VEB Rohrleitungsbau A. unter Berücksichtigung der am 1.6.1990 für das 2. Halbjahr 1990 gelisteten Auftragslage hauptsächlich durch die Stahlrohrproduktion geprägt worden ist. Im Übrigen hat das LSG jedoch unrichtige Anforderungen an den industriellen Produktionsbetrieb gestellt und damit die betriebliche Voraussetzung verkannt.

26

Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 23), dass der versorgungsrechtliche Begriff der Massenproduktion im Sinne der AVItech auf die standardisierte Herstellung einer unbestimmten Vielzahl von Sachgütern gerichtet ist. Er ist damit in quantitativer Hinsicht allein durch die potentielle Unbegrenztheit der betrieblichen Produktion gekennzeichnet. Dagegen kommt es nicht auf das konkrete Erreichen einer bestimmten Anzahl von Gütern an, die der Betrieb insgesamt produziert oder an einzelne Kunden abgegeben hat. Ebenso wenig ist maßgeblich, welchen Anteil die Produktion des jeweiligen VEB an der DDR-Gesamtproduktion hatte. In ihrem wesentlichen qualitativen Aspekt unterscheidet sich die Massenproduktion von der auftragsbezogenen Einzelfertigung mit Bezug zu individuellen Kundenwünschen als ihrem Gegenstück (vgl BSGE 108, 300, 305) dadurch, dass der Hauptzweck des Betriebs auf eine industrielle Fertigung standardisierter Produkte in einem standardisierten und automatisierten Verfahren gerichtet ist (so grundlegend BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47; BSG vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 17). Es ist in erster Linie diese Produktionsweise, die den Begriff der Massenproduktion im vorliegenden Zusammenhang kennzeichnet, und die inhaltliche Gesamtbetrachtung des Betriebes, die ihn zu einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens macht. "Standardisiert und automatisiert" in diesem Sinne ist alles hergestellt, was mit einem vom Hersteller vorgegebenen Produkt nach Art, Aussehen und Bauweise identisch ist, aber auch dasjenige Sachgut, das aus mehreren ihrerseits standardisiert und automatisiert hergestellten Einzelteilen zusammengesetzt und Teil einer einseitig und abschließend allein vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette ist.

27

Nach Auffassung des LSG ist der VEB Rohrleitungsbau A. kein industrieller Produktionsbetrieb gewesen, weil eine Stahlrohrproduktion von 16 km im Halbjahr bzw - entsprechend der Jahresvorgabe durch die staatliche Plankommission - von 39 km pro Jahr lediglich eine monatliche Fertigung von ca 2700 bis 3300 m bedeute und angesichts dieser geringen Zahl von industrieller Massenfertigung in serieller Produktion nicht die Rede sein könne. Nach Maßgabe der oben genannten Anforderungen kommt es indes nicht darauf an, welche Anzahl von Gütern der Betrieb insgesamt produziert hat. Quantitativ maßgeblich ist vielmehr die potentielle Unbegrenztheit der betrieblichen Produktion. Ebenso wenig spricht zwingend gegen eine serielle Massenproduktion, dass sich die wiederkehrend gefertigten Produkte - zB Rohre - nach den Feststellungen des LSG regelmäßig in technischen Details unterschieden haben. Dies stünde nur dann der Annahme einer industriellen Fertigung entgegen, wenn die Produktionsweise des Betriebes von vornherein darauf angelegt war, allein den Wünschen des jeweiligen Auftraggebers entsprechend Einzelstücke herzustellen, die so vom Hersteller nicht vorgesehen waren. Kommt es dagegen zur Abgabe von nach individuellen Vorgaben gefertigten Produkten, die in der vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette enthalten sind, ist die Eigenschaft als Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens nicht gefährdet. Zu Recht weist die Revisionsbegründung darauf hin, dass es nicht ausschlaggebend ist, ob kundenunabhängig Sachgüter auf Lager produziert werden oder aufgrund besonderer Auftragsstellung die industrielle Taktstraße auftragsbezogen aus der Palette des Herstellers eingerichtet wird.

28

Unerheblich ist schließlich, dass der VEB Rohrleitungsbau A. bzw einer seiner Vorgängerbetriebe Mitte der 1980er Jahre eine Rauchgasanlage für Salzgitter (offensichtlich als Einzelstück) hergestellt hat. Die Entscheidung, ob ein industrieller Produktionsbetrieb im Sinne der versorgungsrechtlichen Bestimmungen vorliegt, richtet sich allein nach den Produktionsbedingungen am Stichtag 30.6.1990. Unter Berücksichtigung der vom LSG festgestellten Auftragslage ist zu diesem Zeitpunkt eine individuell konzipierte Großanlage nicht gefertigt worden.

29

Das LSG wird nunmehr zunächst festzustellen haben, ob die Stahlrohrproduktion im VEB Rohrleitungsbau A. durch ihre potentielle Unbegrenztheit gekennzeichnet war. Sollte dies der Fall sein, wird das Berufungsgericht unter Beachtung der genannten Vorgaben zu prüfen haben, ob bzw in welchem Ausmaß die Stahlrohre in einem standardisierten und automatisierten Verfahren erstellt worden sind bzw wie individuelle Kundenwünsche in der Produktion umgesetzt worden sind. Sollten die Produkte teilweise im Wege der industriellen Massenproduktion und teilweise in auftrags- und kundenbezogener Einzelfertigung gefertigt worden sein, sind diese Bereiche jeweils nach einheitlichen Maßstäben zu bewerten und zueinander in Beziehung zu setzen. Insoweit bietet sich ein Vergleich der jeweiligen Anteile am Umsatz oder Ertrag an.

30

Sollte der Kläger am Stichtag 30.6.1990 auch die betriebliche Voraussetzung erfüllen, wird das LSG weiter festzustellen haben, ab welchem Zeitpunkt der Kläger als Gruppenleiter Preise bzw Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung tätig gewesen ist und ob seine davor ausgeübte Beschäftigung ebenfalls der Tätigkeit eines Ingenieurs entsprochen hat. Ferner wird das LSG festzustellen haben, ob auch die Vorgängerbetriebe des VEB Rohrleitungsbau A. industrielle Produktionsbetriebe waren.

31

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Dezember 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.9.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der 1956 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (Urkunde der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik B. vom 20.7.1979).

3

Vom 1.9.1979 bis 31.12.1985 übte er beim VEB Starkstromanlagenbau C. und vom 1.1.1986 bis 30.6.1990 bei dem Nachfolgebetrieb VEB Automatisierungsanlagen C. folgende Tätigkeiten aus:

-       

1.9.1979 bis 31.12.1983

Bereichsingenieur Montage

-       

1.1.1984 bis 30.6.1990

Leitkraft Chefmontage Ausland

-       

ab 23.3.1987

in der Funktion eines Inbetriebsetzungsingenieurs.

4

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht.

5

Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 10.1.2005 und Widerspruchsbescheid vom 29.3.2005).

6

Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Cottbus vom 5.4.2007; Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 8.12.2010). Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz einschließlich der erzielten Arbeitsentgelte. Er erfülle nicht die ausdrücklich in § 1 Abs 1 AAÜG genannten Tatbestände. Auch sei der Kläger nicht aufgrund einer Verwaltungs- oder Rehabilitierungsentscheidung in das Versorgungssystem einbezogen worden. Ebenso wenig sei er Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft. Dabei könne offen bleiben, ob der Senat der diesbezüglichen Rechtsprechung des BSG folge. Denn die höchstrichterlich aufgestellten Voraussetzungen für eine fiktive Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz lägen nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als "Ingenieur" die persönliche Voraussetzung und sei am Stichtag 30.6.1990 als "Leitkraft Chefmontage Ausland" bzw "Inbetriebnahmeingenieur" im Rahmen seines Berufsbildes tätig gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Der VEB Automatisierungsanlagen C. sei kein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen. Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasse nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt hätten. Die industrielle Serienproduktion müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Dies sei hier nicht der Fall. Der "ubw-Bericht" vom 25.6.1990, der das Unternehmen analysiert und bewertet habe, unterscheide zwischen folgenden Sparten: Tagebaugeräte einschließlich frei programmierbarer Steuerungen (im Folgenden Planumsatz 1990: 161 Mio), Prozessautomaten (68 Mio), Kraftwerksautomation (71 Mio), Industrie- und Stromverteilungsanlagen (38 Mio) und eigene Erzeugnisse (70 Mio). Letztere Sparte falle gegenüber den anderen minder ins Gewicht. Danach stelle sich der VEB Automatisierungsanlagen C. als Industrieausrüster der Investitionsgüterindustrie dar. Diese Beurteilung werde gestützt durch die Planumsätze und Nettoproduktion 1990 (in Mio M-DDR). Hierbei werde zwischen der Produktgruppe "Anlagen" und der Produktgruppe "Produkte" differenziert. Zur Produktgruppe "Anlagen" zählten Tagebaugeräte, Tagesanlagen, Energieverteilung, Brikettfabriken, Beleuchtung, Steuerung und Regelung, MSR (Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik) Kraftwerke, MSR Wasseraufbereitung, MSR Chemie, MSR Speziallösungen, MSR Siloanlagen, MSR Brauereien, MSR Glasindustrie und sonstige Industrieanlagen. Der gesamte Planumsatz dieser Produktgruppe sei mit 310,7 Mio - beispielhaft für das Absatzgebiet in der DDR - angegeben worden. Zur Produktgruppe "Produkte" gehörten Druckluftsteuergeräte, transportable Umspannstationen, Pumpensteuerungen, Innenraumschaltanlagen, Zentraleinrichtungen MSR, frei programmierbare Steuerungen für Tagebaugeräte und "sonstige Niederspannung". Der gesamte Planumsatz dieser Produktgruppe sei für 1990 - wiederum beispielhaft für den Absatz in der DDR - mit 60,5 Mio angegeben worden. Die in der Produktgruppe "Anlagen" verzeichneten Wirtschaftsgüter hätten nicht zum Bereich der serienmäßig wiederkehrenden Fertigung, Herstellung, Anfertigung oder Fabrikation von Sachgütern gehört. Diese Produkte seien jeweils auf die konkreten betrieblichen Bedürfnisse der einzelnen Industrie(groß)kunden - etwa im Bereich des Braunkohletagebaus, der Braunkohleveredelung (Brikettfabriken) und der Braunkohleverstromung - hin entworfen und geliefert worden. Sie seien nicht nach der vom BSG geforderten "fordistischen" Produktionsweise in großen Massen für einen anonymen Markt in gleicher Ausführung und Beschaffenheit hergestellt worden wie dies im Bereich der Leichtgüterindustrie für Bedarfe in privaten Haushalten typisch sei. Dies möge allenfalls - in Teilen - auf die Produktgruppe "Produkte" zutreffen. Diese habe indes einen deutlich weniger gewichtigen Teil der Wertschöpfung des Betriebes dargestellt und ihm daher nicht das Gepräge gegeben. Die vom Kläger für eine standardisierte Fließfertigung angeführten Beispiele stellten sich lediglich als Teilefertigung für Vorprodukte dar. Diese innerbetriebliche Fertigung häufig und vielseitig verwendbarer Montageteile und deren typische Bestückung in elektrotechnischer Hinsicht sei eine dem jeweiligen Endprodukt nach Tiefe und Breite vorgelagerte Hilfstätigkeit. Der VEB Automatisierungsanlagen C. sei schließlich auch kein gleichgestellter Betrieb gewesen.

7

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 1, 5, 8 AAÜG sowie der §§ 103, 128 SGG. Hierzu trägt er im Wesentlichen vor: Das LSG habe den Begriff "Produktionsbetrieb" iS des § 1 Abs 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe (VO-AVItech) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487) falsch verstanden und damit gleichzeitig § 1 Abs 1 AAÜG verletzt. Stelle ein Betrieb Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst her, könne nach dem Urteil des BSG vom 19.7.2011 (B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300) auch der Zusammenbau dieser Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion sein. Dies werde stets der Fall sein, wenn diese Produkte ihrerseits massenhaft hergestellt würden und ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch anfalle. Danach habe das LSG zu Unrecht die im VEB Automatisierungsanlagen C. vorgenommene innerbetriebliche Fertigung von Montageteilen bei der Bewertung des Betriebes als Produktionsbetrieb unberücksichtigt gelassen. Der Bezug zur industriellen Massenproduktion entfalle beim Zusammenbau massenhaft hergestellter Einzelteile nach dem og Urteil nur dann, wenn individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderung gefertigten Produkts, in den Vordergrund träten. Derartige Feststellungen habe das LSG aber nicht getroffen. Angesichts dessen entbehre die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Produktgruppe "Produkte" gegenüber der Produktgruppe "Anlagen" im VEB Automatisierungsanlagen C. einen deutlich weniger gewichtigen Teil der Wertschöpfung ausgemacht habe, der Grundlage. In diesem Zusammenhang seien die Feststellungen des Berufungsgerichts zudem widersprüchlich, weil es einerseits von den aus dem Wirtschaftsbericht übernommenen Werten des "Planumsatzes 1990" ausgegangen sei, diese dann aber in das Verhältnis der "Wertschöpfung", also des Ertrags gesetzt habe. Darüber hinaus habe das LSG den Begriff der industriellen Produktion im Sinne der versorgungsrechtlichen Vorschriften auch insoweit verkannt, als es deren Vorliegen von einer Produktionsweise in "großen" Massen für einen "anonymen Markt" abhängig gemacht habe. Nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2012 (B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 23 f) könne der Zusammenbau im Wege industrieller Produktion hergestellter Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion sein, ohne dass es auf eine bestimmte Stückzahl ("Kleinserie oder große Masse") ankomme. Hinsichtlich der Beschäftigung des Klägers in der Zeit vom 1.9.1979 bis 31.12.1985 beim VEB Starkstromanlagenbau C. fehle es hinsichtlich der betrieblichen Voraussetzung an jeglichen Feststellungen des LSG. Gleichwohl habe das Berufungsgericht auch über diesen Zeitraum entschieden. Damit seien die verfahrensrechtlichen Garantien der §§ 103 und 128 SGG verletzt. Insoweit seien weder die Entscheidungsgrundlagen erkennbar noch habe sich der Kläger hierzu äußern können.

8

Der Kläger beantragt,

        

1.    

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Dezember 2010 und des Sozialgerichts Cottbus vom 5. April 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2005 aufzuheben und

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. September 1979 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

12

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren, die Beklagte zu verurteilen, seine Beschäftigungszeit vom 1.9.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

13

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekanntzugeben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - Juris) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

14

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 RÜG vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigung), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

15

Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

16

1. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

17

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

18

2. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anlage II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die VO-AVItech vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die hierzu ergangene 2. DB, soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

19

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,

        

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

        

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

        

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

20

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen und ist am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

21

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB Automatisierungsanlagen C. ein VEB der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 22) fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011 und 9.5.2012 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300, 303; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 21) nochmals betont hat.

22

Ob der VEB Automatisierungsanlagen C. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen.

23

Nach diesen verfügte der VEB über die Sparten Tagebaugeräte einschließlich frei programmierbarer Steuerungen (Planumsatz 1990: 161 Mio), Prozessautomaten (68 Mio), Kraftwerksautomation (71 Mio), Industrie- und Stromverteilungsanlagen (38 Mio) und eigene Erzeugnisse (Planumsatz 1990: 70 Mio) bzw die Produktgruppe "Anlagen" (Planumsatz für das Absatzgebiet der DDR: 310,7 Mio M-DDR) und die hiervon zu unterscheidende Produktgruppe "Produkte" (Planumsatz für den Absatz in der DDR: 60,5 Mio M-DDR). Aufgrund des Vergleichs der verschiedenen Sparten ist das LSG zu dem Ergebnis gelangt, dass der VEB Automatisierungsanlagen C. kein industrieller Produktionsbetrieb sei, und hat diese Beurteilung durch die zwei unterschiedlichen Produktgruppen bestätigt gesehen. Diese Einschätzung ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Es ist bereits nicht klar erkennbar, inwieweit die genannten "Sparten" den aufgeführten "Produktgruppen" entsprechen. So gehört etwa die Sparte "Tagebaugeräte einschließlich frei programmierbarer Steuerungen" nach dem Berufungsurteil wohl nicht zum Bereich der industriellen Produktion. Denn diese steht neben der Sparte "eigene Erzeugnisse", die nach Auffassung des LSG offensichtlich den Bereich der industriellen Produktion kennzeichnet. Zu einem (jedenfalls teilweise) anderen Ergebnis führt dagegen eine Betrachtung der Produktgruppen. Hier sind "die frei programmierbaren Steuerungen für Tagebaugeräte" der Produktgruppe "Produkte" zugeordnet, in der nach dem Berufungsurteil "in Teilen" industriell produziert worden sein dürfte.

24

Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, welche genauen Tätigkeiten in den genannten Sparten bzw Produktgruppen erfolgt sind. Sollten - wofür die Ausführungen im Berufungsurteil sprechen - zB in der Produktgruppe "Anlagen" Montagearbeiten angefallen sein, wäre festzustellen, ob bzw in welchem Umfang die montierten Bauteile in dem VEB selbst - oder ggf in einem anderen Betrieb (BSG Urteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 1/11 R - Juris RdNr 27) - im Wege der industriellen Massenproduktion hergestellt worden sind, und ob ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch angefallen ist sowie das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entsprochen hat. In diesem Fall wäre auch der Zusammenbau der Einzelteile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens. Nur wenn Gebrauchtteile mit verbaut worden oder individuelle Kundenwünsche - wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderung gefertigten Produkts - in den Vordergrund getreten sind, wäre beim Zusammenbau der Bezug zur industriellen Massenproduktion entfallen (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 RdNr 31).

25

An die Feststellungen des LSG, die in der Produktgruppe "Anlagen" verzeichneten Wirtschaftsgüter gehörten nicht zum Bereich der industriell serienmäßig wiederkehrenden Fertigung, Herstellung, Anfertigung oder Fabrikation von Sachgütern, ist der Senat nicht nach § 163 SGG gebunden. Das angefochtene Urteil gibt den Sachverhalt diesbezüglich nur undeutlich an; insbesondere wird die pauschale Aussage, die Produkte würden jeweils auf die konkreten betrieblichen Bedürfnisse der einzelnen Industrie(groß)kunden hin entworfen und geliefert, nicht mit konkreten Tatsachenangaben untermauert, die eine Überprüfung des Ergebnisses des LSG ermöglichten (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 163 SGG).

26

Zudem geht das LSG von falschen Voraussetzungen aus, wenn es ausführt, die in der Produktgruppe "Anlagen" verzeichneten Wirtschaftsgüter seien nicht nach der vom BSG geforderten "fordistischen" Produktionsweise in großen Massen für einen anonymen Markt in gleicher Ausführung und Beschaffenheit hergestellt worden. Der Senat hat bereits klargestellt (Urteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 23), dass der versorgungsrechtliche Begriff der Massenproduktion im Sinne der AVItech auf die standardisierte Herstellung einer unbestimmten Vielzahl von Sachgütern gerichtet ist. Er ist damit in quantitativer Hinsicht allein durch die potentielle Unbegrenztheit der betrieblichen Produktion gekennzeichnet. Dagegen kommt es nicht auf das konkrete Erreichen einer bestimmten Anzahl von Gütern an, die der Betrieb insgesamt produziert oder an einzelne Kunden abgegeben hat. Ebenso wenig ist maßgeblich, welchen Anteil die Produktion des jeweiligen VEB an der DDR-Gesamtproduktion hatte. In ihrem wesentlichen qualitativen Aspekt unterscheidet sich die Massenproduktion von der auftragsbezogenen Einzelfertigung mit Bezug zu individuellen Kundenwünschen als ihrem Gegenstück (vgl BSGE 108, 300, 305) dadurch, dass der Hauptzweck des Betriebs auf eine industrielle Fertigung standardisierter Produkte in einem standardisierten und automatisierten Verfahren gerichtet ist (so grundlegend BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47; BSG Urteil vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 17). Es ist in erster Linie diese Produktionsweise, die den Begriff der Massenproduktion im vorliegenden Zusammenhang kennzeichnet, und die inhaltliche Gesamtbetrachtung des Betriebes, die ihn zu einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens macht. "Standardisiert und automatisiert" in diesem Sinn ist alles hergestellt, was mit einem vom Hersteller vorgegebenen Produkt nach Art, Aussehen und Bauweise identisch ist, aber auch dasjenige Sachgut, das aus mehreren ihrerseits standardisiert und automatisiert hergestellten Einzelteilen zusammengesetzt und Teil einer einseitig und abschließend allein vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette ist.

27

Das Berufungsgericht wird nunmehr zunächst die konkreten Tätigkeiten des VEB Automatisierungsanlagen C. in den jeweiligen Sparten oder Produktgruppen am Stichtag festzustellen haben. Diese müssen anschließend nach jeweils einheitlichen Maßstäben - zB Umsatz oder Ertrag - bewertet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Sollte sich hierbei etwa ergeben, dass die Produktgruppe "Anlagen" den Hauptzweck des Betriebs bestimmte, wird das LSG konkret angeben müssen, wie sich der Zusammenbau der Anlagen gestaltet hat, insbesondere ob sie aus standardisierten oder individuell konzipierten Bestandteilen im oben dargelegten Sinne gefertigt worden sind. Sollte die Prüfung des LSG ergeben, dass die einzelnen Bauteile im Wege der industriellen Massenproduktion - im VEB selbst oder einem anderen Betrieb - hergestellt worden sind, die Endprodukte dagegen individualisiert zusammengebaut worden sind, wird es zu prüfen haben, durch welchen dieser Bereiche der VEB Automatisierungsanlagen C. sein Gepräge erhalten hat. Dabei kann im Rahmen der Geprägeprüfung allerdings nur die Produktion solcher Bauteile Berücksichtigung finden, die im jeweiligen VEB selbst hergestellt worden sind.

28

Hat der Kläger am Stichtag neben der persönlichen und sachlichen Voraussetzung auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, wird das LSG weiter zu prüfen haben, ob die betriebliche Voraussetzung gleichfalls in der Zeit vom 1.9.1979 bis 31.12.1985 vorgelegen hat, in der der Kläger beim Vorgängerbetrieb, dem VEB Starkstromanlagen C. beschäftigt gewesen ist. Ggf wird das Berufungsgericht außerdem festzustellen haben, ob der Kläger in der Zeit vom 1.9.1979 bis 31.12.1983 in seiner Tätigkeit als Bereichsingenieur Montage ebenso die sachliche Voraussetzung erfüllt hat.

29

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. März 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.9.1974 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der am 1950 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (Urkunde der Ingenieurschule für Anlagenbau G. vom 26.7.1974).

3

Im Anschluss an die Verleihung dieser Berechtigung war der Kläger nach den Feststellungen des LSG ab 1.9.1974 beim VEB Kombinat Rohrleitungen und Isolierungen, Betrieb R. , später VEB Rohrleitungsbau F., Betriebsteil A. sowie ab 1978 beim VEB Rohrleitungsbau A. bis 30.6.1990 als Produktionslenker und zuletzt als Gruppenleiter Preise bzw Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung tätig.

4

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht.

5

Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 29.1.2004, Widerspruchsbescheid vom 14.4.2004).

6

Klage und Berufung des Klägers sind ebenfalls erfolglos geblieben (Urteil des SG Magdeburg vom 24.11.2005; Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.3.2012). Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe gemäß § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 AAÜG keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum Zusatzversorgungssystem. Er unterfalle nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech angehört habe. Dem Kläger sei weder von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt noch sei er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch habe ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft in seinem Fall nicht stattgefunden. Der Rechtsprechung des BSG, nach der die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs 1 S 1 AAÜG ebenso im Wege der Unterstellung vorliegen könne, folge der Senat nicht. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieur die persönliche Voraussetzung und sei auch als Gruppenleiter Preise bzw Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung am Stichtag 30.6.1990 entsprechend seiner erworbenen Qualifikation tätig gewesen. Zum 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Fraglich sei schon, ob es am 30.6.1990 überhaupt noch VEB gegeben habe, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR Planwirtschaft zugeordnet gewesen seien. Denn es sei zweifelhaft, ob es im Jahr 1990 eine Planwirtschaft iS des Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR, auf die das BSG abstelle, überhaupt noch gegeben habe. Abgesehen davon erfülle der VEB Rohrleitungsbau A. nicht die Vorgaben des BSG für einen Produktionsbetrieb iS der AVItech. Der VEB sei kein Betrieb gewesen, der Sachgüter im Hauptzweck industriell, dh serienmäßig wiederkehrend gefertigt habe. Der Tätigkeitsschwerpunkt der in der Produktion eingesetzten Beschäftigten lasse sich der Anlage 1 zur "Darstellung des Rohrleitungsbau A. " entnehmen. Danach habe sich für das 2. Halbjahr 1990 folgende Auftragslage ergeben:

-       

Stahlrohre: 16 km mit 16,3 Mio DM

-       

Rohrleitungselemente: 900 t mit 4,5 Mio DM

-       

Behälter: 0,65 Mio DM

-       

Sonstige industrielle Leistungen (Isolierarbeiten, Montagearbeiten, Serviceleistungen): 1 Mio DM.

7

Diese Zahlen verdeutlichten, dass dem VEB in erster Linie die Stahlrohrproduktion das Gepräge gegeben habe. Eine Stahlrohrproduktion von 16 km im Halbjahr bzw - entsprechend der Jahresvorgabe durch die staatliche Plankommission - von 39 km pro Jahr bedeute eine monatliche Fertigung von ca 2700 bis 3300 Metern. Angesichts dieser geringen Zahl könne von industrieller Massenfertigung in serieller Produktion keine Rede sein. Hinzu komme, dass nach Auskunft des ehemaligen Direktors für Produktion bzw für Technik und Produktion des VEB Rohrleitungsbau A. S. der Anteil der wiederholenden Fertigung zwar ca 80 % betragen habe, sich die Produkte, zB Rohre, jedoch regelmäßig in technischen Details unterschieden hätten. Dies bedeute, dass die Produktion zumindest teilweise auch von individuellen Vorgaben abhängig gewesen sein dürfte, was zusätzlich gegen eine serielle Massenproduktion spreche. Hiergegen spreche auch die ausweislich der Betriebsgeschichte offenbar Mitte der 1980er Jahre vorgenommene Fertigung einer Rauchgasanlage für Salzgitter. Dies verdeutliche, dass es nicht zuletzt im Schwerpunktbereich des Betriebes, dem Rohrleitungsbau, zumindest auch eine nennenswerte Produktion nach individuellen Kundenwünschen gegeben habe.

8

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 AAÜG. Hierzu trägt er im Wesentlichen vor: Nach der Rechtsprechung des BSG habe er Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz. Er erfülle nicht nur die persönliche und sachliche Voraussetzung, sondern auch die betriebliche Voraussetzung. Entgegen der Rechtsauffassung des LSG habe es im Juni 1990 noch eine Planwirtschaft iS von Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR gegeben. Auch sei der VEB Rohrleitungsbau A. ein volkseigener Produktionsbetrieb iS des § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) iVm § 1 Abs 1 S 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487) gewesen. Der Tätigkeitsschwerpunkt des Betriebes habe in erster Linie in der Stahlrohrproduktion gelegen. Die Schlussfolgerung des LSG, dass es sich bei einer monatlichen Fertigung von ca 2700 bis 3300 m nur um eine geringe Zahl gehandelt habe, sei nicht nachvollziehbar. Weder sei erkennbar, woraus das LSG diesen Schluss ziehe, noch welchen Maßstab es hierbei anlege. Ab welcher Fertigungsmenge die vom VEB Rohrleitungsbau A. hergestellten Rohre in den aktenkundigen Abmaßen eine Massenproduktion ergeben hätten, erläutere das LSG ebenso wenig. Aus der vom Berufungsgericht herangezogenen Anlage 1 zur "Darstellung des Rohrleitungsbau A." ergebe sich, dass im 2. Halbjahr 1990 monatlich ca 150 000 kg Stahl durch den VEB verarbeitet worden seien. Eine derartige Menge an Material könne gerade nicht ohne industrielle und insbesondere serielle Produktionsmethoden verarbeitet werden. Darüber hinaus wäre es nicht verständlich, wenn der Begriff "Massenproduktion" einzig und allein an Stückzahlen oder laufende Meter anknüpfen würde. Ebenso wenig sei die Auffassung des LSG nachvollziehbar, dass auch die im VEB Rohrleitungsbau A. zumindest teilweise von individuellen Vorgaben abhängig gewesene Produktion gegen eine serielle Massenproduktion spreche. Individuelle Vorgaben bedeuteten gerade nicht Einzelanfertigung. Es bedeute vielmehr, dass in der Produktionsvorbereitung des jeweiligen Betriebes Arbeitsschritte notwendig würden, um nach den jeweiligen Aufträgen die vorhandene Maschinerie des Betriebes auf die neue Gegebenheit anzupassen. Nichts anderes passiere, wenn ein Betrieb eine Katalogware herstelle, diese aber in unterschiedlicher Ausführung (sei es nun bezogen auf Farbe, Größe oä). Ob nun völlig kundenunabhängig Sachgüter auf Lager produziert würden oder aber daneben aufgrund besonderer Auftragsstellung die industrielle Taktstraße auftragsbezogen eingerichtet werde, könne für die Beurteilung, ob es sich um einen VEB der seriellen Massenproduktion handele, nicht ausschlaggebend sein. Ebenso wenig stütze die Betriebsgeschichte des VEB das Urteil des LSG. Bei dieser Dokumentation handele es sich um eine Art Chronik des Betriebes, in welcher selbstverständlich nur Besonderheiten Erwähnung fänden.

9

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

        

1. die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. März 2012 und des Sozialgerichts Magdeburg vom 24. November 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 29. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2004 aufzuheben und

        

2. die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. September 1974 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

10

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

13

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren, die Beklagte zu verurteilen, seine Beschäftigungszeit vom 1.9.1974 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

14

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anl 1 Nr 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG)dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekanntzugeben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - Juris) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

15

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 RÜG vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2 im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), so dass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

16

Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

17

1. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

18

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

19

2. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die Bedenken des LSG geben keinen Anlass zu einer erneuten Prüfung.

20

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der AVItech in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben am Stichtag 30.6.1990 auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die VO-AVItech und die dazu ergangene 2. DB, soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

21
       

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen:

1. von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),
2. von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.  

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
22

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen, und am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

23

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB Rohrleitungsbau A. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011 und 9.5.2012 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300, 303; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 21) nochmals betont hat.

24

Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung ist unerheblich, ob es am Stichtag 30.6.1990 noch VEB gegeben hat, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren. Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich nach der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung allein danach, ob der Kläger am 30.6.1990 - abgesehen von den gleichgestellten Betrieben - in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen ist, dh einem VEB, dem die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hat. Hingegen ist entgegen der Auffassung des LSG nicht auch konstitutiv auf seine organisatorische Zuordnung abgestellt worden (so schon Hinweis des Senats im Urteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 RdNr 28). Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl BSG Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11). Hat aber die Frage der organisatorischen Zuordnung keine konstitutive Bedeutung, ist unerheblich, ob es am Stichtag noch einen industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft gegeben hat. Vielmehr ist allein die Rechtsform des Betriebs als VEB sowie seine tatsächliche Produktionsweise entscheidungsrelevant.

25

Das LSG hat den Begriff des industriellen Produktionsbetriebes iS des § 1 VO-AVItech iVm § 1 Abs 1 der 2. DB im Ansatz zutreffend bestimmt und ist darüber hinaus zu Recht davon ausgegangen, dass der VEB Rohrleitungsbau A. unter Berücksichtigung der am 1.6.1990 für das 2. Halbjahr 1990 gelisteten Auftragslage hauptsächlich durch die Stahlrohrproduktion geprägt worden ist. Im Übrigen hat das LSG jedoch unrichtige Anforderungen an den industriellen Produktionsbetrieb gestellt und damit die betriebliche Voraussetzung verkannt.

26

Der Senat hat bereits entschieden (Urteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 23), dass der versorgungsrechtliche Begriff der Massenproduktion im Sinne der AVItech auf die standardisierte Herstellung einer unbestimmten Vielzahl von Sachgütern gerichtet ist. Er ist damit in quantitativer Hinsicht allein durch die potentielle Unbegrenztheit der betrieblichen Produktion gekennzeichnet. Dagegen kommt es nicht auf das konkrete Erreichen einer bestimmten Anzahl von Gütern an, die der Betrieb insgesamt produziert oder an einzelne Kunden abgegeben hat. Ebenso wenig ist maßgeblich, welchen Anteil die Produktion des jeweiligen VEB an der DDR-Gesamtproduktion hatte. In ihrem wesentlichen qualitativen Aspekt unterscheidet sich die Massenproduktion von der auftragsbezogenen Einzelfertigung mit Bezug zu individuellen Kundenwünschen als ihrem Gegenstück (vgl BSGE 108, 300, 305) dadurch, dass der Hauptzweck des Betriebs auf eine industrielle Fertigung standardisierter Produkte in einem standardisierten und automatisierten Verfahren gerichtet ist (so grundlegend BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47; BSG vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 17). Es ist in erster Linie diese Produktionsweise, die den Begriff der Massenproduktion im vorliegenden Zusammenhang kennzeichnet, und die inhaltliche Gesamtbetrachtung des Betriebes, die ihn zu einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens macht. "Standardisiert und automatisiert" in diesem Sinne ist alles hergestellt, was mit einem vom Hersteller vorgegebenen Produkt nach Art, Aussehen und Bauweise identisch ist, aber auch dasjenige Sachgut, das aus mehreren ihrerseits standardisiert und automatisiert hergestellten Einzelteilen zusammengesetzt und Teil einer einseitig und abschließend allein vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette ist.

27

Nach Auffassung des LSG ist der VEB Rohrleitungsbau A. kein industrieller Produktionsbetrieb gewesen, weil eine Stahlrohrproduktion von 16 km im Halbjahr bzw - entsprechend der Jahresvorgabe durch die staatliche Plankommission - von 39 km pro Jahr lediglich eine monatliche Fertigung von ca 2700 bis 3300 m bedeute und angesichts dieser geringen Zahl von industrieller Massenfertigung in serieller Produktion nicht die Rede sein könne. Nach Maßgabe der oben genannten Anforderungen kommt es indes nicht darauf an, welche Anzahl von Gütern der Betrieb insgesamt produziert hat. Quantitativ maßgeblich ist vielmehr die potentielle Unbegrenztheit der betrieblichen Produktion. Ebenso wenig spricht zwingend gegen eine serielle Massenproduktion, dass sich die wiederkehrend gefertigten Produkte - zB Rohre - nach den Feststellungen des LSG regelmäßig in technischen Details unterschieden haben. Dies stünde nur dann der Annahme einer industriellen Fertigung entgegen, wenn die Produktionsweise des Betriebes von vornherein darauf angelegt war, allein den Wünschen des jeweiligen Auftraggebers entsprechend Einzelstücke herzustellen, die so vom Hersteller nicht vorgesehen waren. Kommt es dagegen zur Abgabe von nach individuellen Vorgaben gefertigten Produkten, die in der vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette enthalten sind, ist die Eigenschaft als Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens nicht gefährdet. Zu Recht weist die Revisionsbegründung darauf hin, dass es nicht ausschlaggebend ist, ob kundenunabhängig Sachgüter auf Lager produziert werden oder aufgrund besonderer Auftragsstellung die industrielle Taktstraße auftragsbezogen aus der Palette des Herstellers eingerichtet wird.

28

Unerheblich ist schließlich, dass der VEB Rohrleitungsbau A. bzw einer seiner Vorgängerbetriebe Mitte der 1980er Jahre eine Rauchgasanlage für Salzgitter (offensichtlich als Einzelstück) hergestellt hat. Die Entscheidung, ob ein industrieller Produktionsbetrieb im Sinne der versorgungsrechtlichen Bestimmungen vorliegt, richtet sich allein nach den Produktionsbedingungen am Stichtag 30.6.1990. Unter Berücksichtigung der vom LSG festgestellten Auftragslage ist zu diesem Zeitpunkt eine individuell konzipierte Großanlage nicht gefertigt worden.

29

Das LSG wird nunmehr zunächst festzustellen haben, ob die Stahlrohrproduktion im VEB Rohrleitungsbau A. durch ihre potentielle Unbegrenztheit gekennzeichnet war. Sollte dies der Fall sein, wird das Berufungsgericht unter Beachtung der genannten Vorgaben zu prüfen haben, ob bzw in welchem Ausmaß die Stahlrohre in einem standardisierten und automatisierten Verfahren erstellt worden sind bzw wie individuelle Kundenwünsche in der Produktion umgesetzt worden sind. Sollten die Produkte teilweise im Wege der industriellen Massenproduktion und teilweise in auftrags- und kundenbezogener Einzelfertigung gefertigt worden sein, sind diese Bereiche jeweils nach einheitlichen Maßstäben zu bewerten und zueinander in Beziehung zu setzen. Insoweit bietet sich ein Vergleich der jeweiligen Anteile am Umsatz oder Ertrag an.

30

Sollte der Kläger am Stichtag 30.6.1990 auch die betriebliche Voraussetzung erfüllen, wird das LSG weiter festzustellen haben, ab welchem Zeitpunkt der Kläger als Gruppenleiter Preise bzw Leiter der Abteilung Preise und Abrechnung tätig gewesen ist und ob seine davor ausgeübte Beschäftigung ebenfalls der Tätigkeit eines Ingenieurs entsprochen hat. Ferner wird das LSG festzustellen haben, ob auch die Vorgängerbetriebe des VEB Rohrleitungsbau A. industrielle Produktionsbetriebe waren.

31

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Dezember 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.9.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der 1956 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen (Urkunde der Ingenieurschule für Maschinenbau und Elektrotechnik B. vom 20.7.1979).

3

Vom 1.9.1979 bis 31.12.1985 übte er beim VEB Starkstromanlagenbau C. und vom 1.1.1986 bis 30.6.1990 bei dem Nachfolgebetrieb VEB Automatisierungsanlagen C. folgende Tätigkeiten aus:

-       

1.9.1979 bis 31.12.1983

Bereichsingenieur Montage

-       

1.1.1984 bis 30.6.1990

Leitkraft Chefmontage Ausland

-       

ab 23.3.1987

in der Funktion eines Inbetriebsetzungsingenieurs.

4

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht.

5

Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 10.1.2005 und Widerspruchsbescheid vom 29.3.2005).

6

Klage und Berufung des Klägers sind erfolglos geblieben (Urteil des SG Cottbus vom 5.4.2007; Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 8.12.2010). Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz einschließlich der erzielten Arbeitsentgelte. Er erfülle nicht die ausdrücklich in § 1 Abs 1 AAÜG genannten Tatbestände. Auch sei der Kläger nicht aufgrund einer Verwaltungs- oder Rehabilitierungsentscheidung in das Versorgungssystem einbezogen worden. Ebenso wenig sei er Inhaber einer fingierten Versorgungsanwartschaft. Dabei könne offen bleiben, ob der Senat der diesbezüglichen Rechtsprechung des BSG folge. Denn die höchstrichterlich aufgestellten Voraussetzungen für eine fiktive Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz lägen nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als "Ingenieur" die persönliche Voraussetzung und sei am Stichtag 30.6.1990 als "Leitkraft Chefmontage Ausland" bzw "Inbetriebnahmeingenieur" im Rahmen seines Berufsbildes tätig gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Der VEB Automatisierungsanlagen C. sei kein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen. Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasse nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt hätten. Die industrielle Serienproduktion müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Dies sei hier nicht der Fall. Der "ubw-Bericht" vom 25.6.1990, der das Unternehmen analysiert und bewertet habe, unterscheide zwischen folgenden Sparten: Tagebaugeräte einschließlich frei programmierbarer Steuerungen (im Folgenden Planumsatz 1990: 161 Mio), Prozessautomaten (68 Mio), Kraftwerksautomation (71 Mio), Industrie- und Stromverteilungsanlagen (38 Mio) und eigene Erzeugnisse (70 Mio). Letztere Sparte falle gegenüber den anderen minder ins Gewicht. Danach stelle sich der VEB Automatisierungsanlagen C. als Industrieausrüster der Investitionsgüterindustrie dar. Diese Beurteilung werde gestützt durch die Planumsätze und Nettoproduktion 1990 (in Mio M-DDR). Hierbei werde zwischen der Produktgruppe "Anlagen" und der Produktgruppe "Produkte" differenziert. Zur Produktgruppe "Anlagen" zählten Tagebaugeräte, Tagesanlagen, Energieverteilung, Brikettfabriken, Beleuchtung, Steuerung und Regelung, MSR (Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik) Kraftwerke, MSR Wasseraufbereitung, MSR Chemie, MSR Speziallösungen, MSR Siloanlagen, MSR Brauereien, MSR Glasindustrie und sonstige Industrieanlagen. Der gesamte Planumsatz dieser Produktgruppe sei mit 310,7 Mio - beispielhaft für das Absatzgebiet in der DDR - angegeben worden. Zur Produktgruppe "Produkte" gehörten Druckluftsteuergeräte, transportable Umspannstationen, Pumpensteuerungen, Innenraumschaltanlagen, Zentraleinrichtungen MSR, frei programmierbare Steuerungen für Tagebaugeräte und "sonstige Niederspannung". Der gesamte Planumsatz dieser Produktgruppe sei für 1990 - wiederum beispielhaft für den Absatz in der DDR - mit 60,5 Mio angegeben worden. Die in der Produktgruppe "Anlagen" verzeichneten Wirtschaftsgüter hätten nicht zum Bereich der serienmäßig wiederkehrenden Fertigung, Herstellung, Anfertigung oder Fabrikation von Sachgütern gehört. Diese Produkte seien jeweils auf die konkreten betrieblichen Bedürfnisse der einzelnen Industrie(groß)kunden - etwa im Bereich des Braunkohletagebaus, der Braunkohleveredelung (Brikettfabriken) und der Braunkohleverstromung - hin entworfen und geliefert worden. Sie seien nicht nach der vom BSG geforderten "fordistischen" Produktionsweise in großen Massen für einen anonymen Markt in gleicher Ausführung und Beschaffenheit hergestellt worden wie dies im Bereich der Leichtgüterindustrie für Bedarfe in privaten Haushalten typisch sei. Dies möge allenfalls - in Teilen - auf die Produktgruppe "Produkte" zutreffen. Diese habe indes einen deutlich weniger gewichtigen Teil der Wertschöpfung des Betriebes dargestellt und ihm daher nicht das Gepräge gegeben. Die vom Kläger für eine standardisierte Fließfertigung angeführten Beispiele stellten sich lediglich als Teilefertigung für Vorprodukte dar. Diese innerbetriebliche Fertigung häufig und vielseitig verwendbarer Montageteile und deren typische Bestückung in elektrotechnischer Hinsicht sei eine dem jeweiligen Endprodukt nach Tiefe und Breite vorgelagerte Hilfstätigkeit. Der VEB Automatisierungsanlagen C. sei schließlich auch kein gleichgestellter Betrieb gewesen.

7

Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 1, 5, 8 AAÜG sowie der §§ 103, 128 SGG. Hierzu trägt er im Wesentlichen vor: Das LSG habe den Begriff "Produktionsbetrieb" iS des § 1 Abs 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung (2. DB) zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe (VO-AVItech) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487) falsch verstanden und damit gleichzeitig § 1 Abs 1 AAÜG verletzt. Stelle ein Betrieb Bauteile im Wege industrieller Massenproduktion selbst her, könne nach dem Urteil des BSG vom 19.7.2011 (B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300) auch der Zusammenbau dieser Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion sein. Dies werde stets der Fall sein, wenn diese Produkte ihrerseits massenhaft hergestellt würden und ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch anfalle. Danach habe das LSG zu Unrecht die im VEB Automatisierungsanlagen C. vorgenommene innerbetriebliche Fertigung von Montageteilen bei der Bewertung des Betriebes als Produktionsbetrieb unberücksichtigt gelassen. Der Bezug zur industriellen Massenproduktion entfalle beim Zusammenbau massenhaft hergestellter Einzelteile nach dem og Urteil nur dann, wenn individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderung gefertigten Produkts, in den Vordergrund träten. Derartige Feststellungen habe das LSG aber nicht getroffen. Angesichts dessen entbehre die Feststellung des Berufungsgerichts, dass die Produktgruppe "Produkte" gegenüber der Produktgruppe "Anlagen" im VEB Automatisierungsanlagen C. einen deutlich weniger gewichtigen Teil der Wertschöpfung ausgemacht habe, der Grundlage. In diesem Zusammenhang seien die Feststellungen des Berufungsgerichts zudem widersprüchlich, weil es einerseits von den aus dem Wirtschaftsbericht übernommenen Werten des "Planumsatzes 1990" ausgegangen sei, diese dann aber in das Verhältnis der "Wertschöpfung", also des Ertrags gesetzt habe. Darüber hinaus habe das LSG den Begriff der industriellen Produktion im Sinne der versorgungsrechtlichen Vorschriften auch insoweit verkannt, als es deren Vorliegen von einer Produktionsweise in "großen" Massen für einen "anonymen Markt" abhängig gemacht habe. Nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2012 (B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 23 f) könne der Zusammenbau im Wege industrieller Produktion hergestellter Teile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion sein, ohne dass es auf eine bestimmte Stückzahl ("Kleinserie oder große Masse") ankomme. Hinsichtlich der Beschäftigung des Klägers in der Zeit vom 1.9.1979 bis 31.12.1985 beim VEB Starkstromanlagenbau C. fehle es hinsichtlich der betrieblichen Voraussetzung an jeglichen Feststellungen des LSG. Gleichwohl habe das Berufungsgericht auch über diesen Zeitraum entschieden. Damit seien die verfahrensrechtlichen Garantien der §§ 103 und 128 SGG verletzt. Insoweit seien weder die Entscheidungsgrundlagen erkennbar noch habe sich der Kläger hierzu äußern können.

8

Der Kläger beantragt,

        

1.    

die Urteile des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. Dezember 2010 und des Sozialgerichts Cottbus vom 5. April 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. März 2005 aufzuheben und

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, die Zeit vom 1. September 1979 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

9

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

10

Sie hält die angefochtene Entscheidung im Ergebnis für zutreffend.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

12

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren, die Beklagte zu verurteilen, seine Beschäftigungszeit vom 1.9.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

13

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekanntzugeben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - Juris) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

14

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 RÜG vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigung), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

15

Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

16

1. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

17

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

18

2. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anlage II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die VO-AVItech vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die hierzu ergangene 2. DB, soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

19

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,

        

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

        

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

        

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

20

Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) erfüllt der Kläger die persönliche und sachliche Voraussetzung. Er ist berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" zu führen und ist am Stichtag entsprechend seiner Qualifikation tätig gewesen.

21

Ob der Kläger auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden. Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der VEB Automatisierungsanlagen C. ein VEB der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 22) fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011 und 9.5.2012 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300, 303; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 21) nochmals betont hat.

22

Ob der VEB Automatisierungsanlagen C. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen.

23

Nach diesen verfügte der VEB über die Sparten Tagebaugeräte einschließlich frei programmierbarer Steuerungen (Planumsatz 1990: 161 Mio), Prozessautomaten (68 Mio), Kraftwerksautomation (71 Mio), Industrie- und Stromverteilungsanlagen (38 Mio) und eigene Erzeugnisse (Planumsatz 1990: 70 Mio) bzw die Produktgruppe "Anlagen" (Planumsatz für das Absatzgebiet der DDR: 310,7 Mio M-DDR) und die hiervon zu unterscheidende Produktgruppe "Produkte" (Planumsatz für den Absatz in der DDR: 60,5 Mio M-DDR). Aufgrund des Vergleichs der verschiedenen Sparten ist das LSG zu dem Ergebnis gelangt, dass der VEB Automatisierungsanlagen C. kein industrieller Produktionsbetrieb sei, und hat diese Beurteilung durch die zwei unterschiedlichen Produktgruppen bestätigt gesehen. Diese Einschätzung ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Es ist bereits nicht klar erkennbar, inwieweit die genannten "Sparten" den aufgeführten "Produktgruppen" entsprechen. So gehört etwa die Sparte "Tagebaugeräte einschließlich frei programmierbarer Steuerungen" nach dem Berufungsurteil wohl nicht zum Bereich der industriellen Produktion. Denn diese steht neben der Sparte "eigene Erzeugnisse", die nach Auffassung des LSG offensichtlich den Bereich der industriellen Produktion kennzeichnet. Zu einem (jedenfalls teilweise) anderen Ergebnis führt dagegen eine Betrachtung der Produktgruppen. Hier sind "die frei programmierbaren Steuerungen für Tagebaugeräte" der Produktgruppe "Produkte" zugeordnet, in der nach dem Berufungsurteil "in Teilen" industriell produziert worden sein dürfte.

24

Abgesehen davon ist nicht ersichtlich, welche genauen Tätigkeiten in den genannten Sparten bzw Produktgruppen erfolgt sind. Sollten - wofür die Ausführungen im Berufungsurteil sprechen - zB in der Produktgruppe "Anlagen" Montagearbeiten angefallen sein, wäre festzustellen, ob bzw in welchem Umfang die montierten Bauteile in dem VEB selbst - oder ggf in einem anderen Betrieb (BSG Urteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 1/11 R - Juris RdNr 27) - im Wege der industriellen Massenproduktion hergestellt worden sind, und ob ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch angefallen ist sowie das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entsprochen hat. In diesem Fall wäre auch der Zusammenbau der Einzelteile zum fertigen Produkt seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens. Nur wenn Gebrauchtteile mit verbaut worden oder individuelle Kundenwünsche - wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderung gefertigten Produkts - in den Vordergrund getreten sind, wäre beim Zusammenbau der Bezug zur industriellen Massenproduktion entfallen (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 RdNr 31).

25

An die Feststellungen des LSG, die in der Produktgruppe "Anlagen" verzeichneten Wirtschaftsgüter gehörten nicht zum Bereich der industriell serienmäßig wiederkehrenden Fertigung, Herstellung, Anfertigung oder Fabrikation von Sachgütern, ist der Senat nicht nach § 163 SGG gebunden. Das angefochtene Urteil gibt den Sachverhalt diesbezüglich nur undeutlich an; insbesondere wird die pauschale Aussage, die Produkte würden jeweils auf die konkreten betrieblichen Bedürfnisse der einzelnen Industrie(groß)kunden hin entworfen und geliefert, nicht mit konkreten Tatsachenangaben untermauert, die eine Überprüfung des Ergebnisses des LSG ermöglichten (vgl BSG SozR Nr 6 zu § 163 SGG).

26

Zudem geht das LSG von falschen Voraussetzungen aus, wenn es ausführt, die in der Produktgruppe "Anlagen" verzeichneten Wirtschaftsgüter seien nicht nach der vom BSG geforderten "fordistischen" Produktionsweise in großen Massen für einen anonymen Markt in gleicher Ausführung und Beschaffenheit hergestellt worden. Der Senat hat bereits klargestellt (Urteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 23), dass der versorgungsrechtliche Begriff der Massenproduktion im Sinne der AVItech auf die standardisierte Herstellung einer unbestimmten Vielzahl von Sachgütern gerichtet ist. Er ist damit in quantitativer Hinsicht allein durch die potentielle Unbegrenztheit der betrieblichen Produktion gekennzeichnet. Dagegen kommt es nicht auf das konkrete Erreichen einer bestimmten Anzahl von Gütern an, die der Betrieb insgesamt produziert oder an einzelne Kunden abgegeben hat. Ebenso wenig ist maßgeblich, welchen Anteil die Produktion des jeweiligen VEB an der DDR-Gesamtproduktion hatte. In ihrem wesentlichen qualitativen Aspekt unterscheidet sich die Massenproduktion von der auftragsbezogenen Einzelfertigung mit Bezug zu individuellen Kundenwünschen als ihrem Gegenstück (vgl BSGE 108, 300, 305) dadurch, dass der Hauptzweck des Betriebs auf eine industrielle Fertigung standardisierter Produkte in einem standardisierten und automatisierten Verfahren gerichtet ist (so grundlegend BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47; BSG Urteil vom 6.5.2004 - B 4 RA 44/03 R - Juris RdNr 17). Es ist in erster Linie diese Produktionsweise, die den Begriff der Massenproduktion im vorliegenden Zusammenhang kennzeichnet, und die inhaltliche Gesamtbetrachtung des Betriebes, die ihn zu einem Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens macht. "Standardisiert und automatisiert" in diesem Sinn ist alles hergestellt, was mit einem vom Hersteller vorgegebenen Produkt nach Art, Aussehen und Bauweise identisch ist, aber auch dasjenige Sachgut, das aus mehreren ihrerseits standardisiert und automatisiert hergestellten Einzelteilen zusammengesetzt und Teil einer einseitig und abschließend allein vom Hersteller vorgegebenen Produktpalette ist.

27

Das Berufungsgericht wird nunmehr zunächst die konkreten Tätigkeiten des VEB Automatisierungsanlagen C. in den jeweiligen Sparten oder Produktgruppen am Stichtag festzustellen haben. Diese müssen anschließend nach jeweils einheitlichen Maßstäben - zB Umsatz oder Ertrag - bewertet und zueinander in Beziehung gesetzt werden. Sollte sich hierbei etwa ergeben, dass die Produktgruppe "Anlagen" den Hauptzweck des Betriebs bestimmte, wird das LSG konkret angeben müssen, wie sich der Zusammenbau der Anlagen gestaltet hat, insbesondere ob sie aus standardisierten oder individuell konzipierten Bestandteilen im oben dargelegten Sinne gefertigt worden sind. Sollte die Prüfung des LSG ergeben, dass die einzelnen Bauteile im Wege der industriellen Massenproduktion - im VEB selbst oder einem anderen Betrieb - hergestellt worden sind, die Endprodukte dagegen individualisiert zusammengebaut worden sind, wird es zu prüfen haben, durch welchen dieser Bereiche der VEB Automatisierungsanlagen C. sein Gepräge erhalten hat. Dabei kann im Rahmen der Geprägeprüfung allerdings nur die Produktion solcher Bauteile Berücksichtigung finden, die im jeweiligen VEB selbst hergestellt worden sind.

28

Hat der Kläger am Stichtag neben der persönlichen und sachlichen Voraussetzung auch die betriebliche Voraussetzung erfüllt, wird das LSG weiter zu prüfen haben, ob die betriebliche Voraussetzung gleichfalls in der Zeit vom 1.9.1979 bis 31.12.1985 vorgelegen hat, in der der Kläger beim Vorgängerbetrieb, dem VEB Starkstromanlagen C. beschäftigt gewesen ist. Ggf wird das Berufungsgericht außerdem festzustellen haben, ob der Kläger in der Zeit vom 1.9.1979 bis 31.12.1983 in seiner Tätigkeit als Bereichsingenieur Montage ebenso die sachliche Voraussetzung erfüllt hat.

29

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 3.5.1971 bis zum 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

2

Der 1946 geborene Kläger erwarb an der Universität R. den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" (Urkunde vom 31.3.1971). Ab dem 3.5.1971 arbeitete er bei verschiedenen Volkseigenen Betrieben (VEB), zuletzt vom 1.2. bis 30.6.1990 beim VEB E.

3

Dort wirkte er als "Fachdirektor Ökonomie" wesentlich an der Umstrukturierung des VEB mit. Dieser produzierte im 1. Halbjahr 1990 mit 107 Arbeitnehmern Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten. Gleichzeitig beschäftigte der VEB in den Bereichen der Elektroinstallation 250, der Verwaltung 78, der Projektierung 20 und der Lagerwirtschaft 8 Mitarbeiter. Der Kläger erhielt keine Versorgungszusage, zahlte aber Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung; eine korrigierende Rehabilitierungsentscheidung wurde nicht getroffen.

4

Den Antrag des Klägers, seine Zusatzversorgungsanwartschaften festzustellen und zu überführen, lehnte die Beklagte ab, weil er die sachliche Voraussetzung nicht erfülle. Denn als "Fachdirektor Ökonomie" sei er nicht entsprechend seiner Qualifikation ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen (Bescheid vom 12.12.2002; Widerspruchsbescheid vom 9.4.2003).

5

Das SG hat dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gewährt und die Klage abgewiesen (Urteil des SG Halle vom 24.3.2005). Die Berufung ist erfolglos geblieben (Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.12.2011): Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024). Denn er falle nicht in den Geltungsbereich des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG, weil er der AVItech weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung angehört habe. Ihm sei weder eine Versorgung zugesagt worden noch liege eine Rehabilitierungsentscheidung oder der rechtsstaatswidrige Entzug einer Versorgungsanwartschaft vor. Die Rechtsprechung des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung erfolgen könne, lehne der Senat ab. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieur die persönliche und als "Fachdirektor Ökonomie" auch die sachliche Voraussetzung. Zum 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Fraglich sei schon, ob es am Stichtag überhaupt noch VEB gegeben habe, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet gewesen seien. Denn es sei zweifelhaft, ob es im Juni 1990 eine Planwirtschaft iS des Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR überhaupt noch gegeben habe. Ungeachtet dessen sei der VEB E. kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen, weil der Schwerpunkt der Betriebstätigkeit nicht in der Produktion (Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten), sondern im Bereich der Elektroinstallation gelegen habe. Denn die Zahl der Beschäftigten in der Elektroinstallation (250) übersteige die Zahl der in der Produktion eingesetzten Mitarbeiter (107) deutlich. Soweit der Senat in dem Verfahren L 1 R 105/08 von nur zehn Mitarbeitern im Bereich der Elektroinstallation ausgegangen sei, könne daran nicht mehr festgehalten werden. Bei der Elektroinstallation würden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, indem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt würden. Insofern könnten Installation und Montage, die den Produktionsbegriff erfüllten, keinesfalls gleichgesetzt werden. Der Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit des VEB sei nicht anhand des Gewinns zu beurteilen, der in den einzelnen Bereichen erzielt worden sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich schon anhand der Verteilung der Arbeitskräfte der Schwerpunkt des Betriebes - wie hier - deutlich herauskristallisiere. Denn auf den Aufwand lasse sich nicht zuletzt durch den jeweiligen Mitarbeitereinsatz schließen. Hingegen sei der Gewinn oder die Bilanz als Gradmesser für den betrieblichen Schwerpunkt problematisch, weil dessen Ermittlung von den systembedingten Vorgaben abhänge und häufig nicht den tatsächlichen Aufwand und Umsatz bzw Ertrag abbilde. So sei in der DDR nach den Bestimmungen der Rechnungsführung und Statistik (RuSt) bilanziert worden. Die durch die RuSt ermittelten Zahlen hätten der Leitung und Planung der Volkswirtschaft der DDR (§ 2 Abs 1 und 2 der Verordnung über Rechnungsführung und Statistik vom 11.7.1985, GBl DDR I 261) und damit einem anderen Zweck gedient als eine handelsrechtliche Bilanz. Das System der RuSt habe den Erfordernissen einer zentralgeleiteten Wirtschaft entsprochen, ein einheitliches Rechnungswesen in der gesamten Volkswirtschaft zu schaffen, das nicht nur die einzelnen Betriebe und Kombinate erfasse, sondern zugleich eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung darstelle. Eine Rechnungslegung nach den Grundsätzen der RuSt sei erforderlich gewesen, um ablesen zu können, ob ein Betrieb seine Planvorgaben erreicht habe.

6

Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt der Kläger insbesondere die Verletzung materiellen Rechts: Soweit das LSG den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit allein anhand der Mitarbeiterzahl pro Abteilung bestimme, verkenne es, dass es nach der Rechtsprechung des BSG allein auf die Anteile an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag ankomme. Der VEB E. habe schwerpunktmäßig Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten produziert. Im Bereich der Elektroinstallation seien nur 10 Mitarbeiter im Außeneinsatz tätig gewesen. Die anderen hätten beispielsweise in industrieller Art und Weise Schaltschrankbau betrieben, und zwar weitestgehend aufgrund gleich gerichteter Anforderungen. Außerdem hätten sie bei der Vorinstallation für Gleich- und Wechselrichter, die im Straßenbahnbau und bei der Montage von Zügen eingesetzt worden seien, vorgefertigte Bauteile im Wege der industriellen Massenproduktion zum fertigen Produkt verbaut. Ferner seien Installationseinrichtungen für den Einsatz in Industrieanlagen vorgefertigt worden, wobei eine ausschließlich spezifische Montage für besondere Anforderungen nur im Ausnahmefall erfolgt sei. Derartige Installationsarbeiten erfüllten - ebenso wie Montagetätigkeiten - den Produktionsbegriff. Entgegen der Ansicht des LSG hätten am 30.6.1990 auch noch der DDR-Planwirtschaft zuzuordnende VEB existiert. Jede andere Auslegung führe die verfassungsgerichtlich bestätigte Rechtsprechung des BSG zur Überführung fiktiver Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen ad absurdum.

7

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

        

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. März 2005 und das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 3. Mai 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die betriebliche Voraussetzung sei nicht erfüllt. Der VEB E. sei kein Produktionsdurchführungsbetrieb gewesen, dem eine industrielle Massenproduktion von Sachgütern in Gestalt von Antennen, Heizkörpern, Plastschweißgeräten und Leuchten das Gepräge gegeben habe. Denn der überwiegende Teil der Beschäftigten sei nicht in der Sachgüterproduktion, sondern mit der Installation von Elektroanlagen beschäftigt gewesen. Elektroinstallationsarbeiten seien immer den individuellen Gegebenheiten und Vorgaben der Kunden anzupassen, weil Leitungen und Verteiler verlegt und Elemente miteinander verbunden werden müssten, was nicht seriell erfolgen könne. Damit unterscheide sich diese Art der Installation auch von der (seriellen) Industriemontage, bei der massenhaft Einzelteile zu einem grundsätzlich gleichen, nur in Details unterschiedlichen neuen industriellen Sachgut in hohen Stückzahlen zusammengesetzt würden.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG), weil weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich sind.

11

Die Klage war zulässig. Das LSG hat zu Recht festgestellt, dass das SG verbindlich Wiedereinsetzung (§ 67 Abs 1 und 4 S 2 SGG) in die versäumte Klagefrist (§ 87 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 SGG) gewährt hat.

12

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Senatsurteil vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - SozR 4-8570 § 7 Nr 3) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

13

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung - Rentenüberleitungsgesetz - vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

14

Auf Grund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "auf Grund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

15

Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

16

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

17

Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "auf Grund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die weiterhin geäußerten Bedenken des LSG geben keinen Anlass zur nochmaligen Prüfung (s dazu bereits Senatsurteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris).

18

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl DDR 844) und die 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl DDR 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

19

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ am Stichtag 30.6.1990 vorliegen müssen,

        

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

        

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

        

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

20

Der Kläger erfüllt die persönliche Voraussetzung, weil er nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) berechtigt ist, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen. Ob der Kläger auch die sachliche (nachfolgend a) und die betriebliche Voraussetzung (nachfolgend b) erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden.

21

a) Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG (Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/07 R - Juris RdNr 18; s auch Urteil vom 31.3.2004 - B 4 RA 31/03 R - Juris RdNr 19 f) und des erkennenden Senats (Urteile vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - Juris RdNr 19 und vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris RdNr 24) erfüllen Ingenieure die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nur dann, wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit entsprechend ihrem Berufsbild im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag und damit die Aufgabenerfüllung geprägt hat. Lag der Schwerpunkt dagegen in anderen Bereichen, zB im wirtschaftlichen bzw kaufmännischen Bereich, waren die Ingenieure nicht schwerpunktmäßig, dh überwiegend, entsprechend ihrem Berufsbild, sondern vielmehr berufsfremd eingesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung bedeutet "berufsfremd" die Ausübung einer Tätigkeit, die nicht schwerpunktmäßig durch die durchlaufene Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist (Senatsurteile aaO).

22

Für die Prüfung der sachlichen Voraussetzung ist demnach von der erworbenen Berufsbezeichnung iS der 2. DB auszugehen und zu ermitteln, welches Berufsbild dieser unter Berücksichtigung der Ausbildung und der im späteren Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen zu Grunde liegt. Im Anschluss hieran ist festzustellen, welche Tätigkeit der Versicherte konkret ausgeübt hat und zu fragen, ob diese im Schwerpunkt dem der Berufsbezeichnung zu Grunde liegenden Berufsbild entspricht. Dies ist zu bejahen, wenn die ausgeübte Tätigkeit überwiegend durch die in der Ausbildung zu einem Beruf iS des § 1 Abs 1 der 2. DB gewonnenen Kenntnisse und Fertigkeiten und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist (Senatsurteile vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - Juris RdNr 20 und vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris RdNr 25; BSG Urteil vom 18.10.2007 - B 4 RS 17/07 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 14 RdNr 44 mwN).

23

Es fehlen hier bereits Feststellungen des LSG zum Berufsbild des "Diplom-Ingenieurs" und zur Tätigkeit, die der Kläger am Stichtag konkret ausgeübt hat. Feststellungen zum Berufsbild und der verrichteten Tätigkeit sind stets auf der Grundlage von Ermittlungen zu treffen, die die individuelle Situation des jeweiligen Anspruchstellers aufklären. Zur Feststellung des Berufsbilds des Klägers ist daher insbesondere dessen absolvierte Ausbildung im Einzelnen zu ermitteln; um das Anforderungsprofil der Tätigkeit festzustellen, die er am Stichtag ausgeübt hat, sind vor allem der einschlägige Funktionsplan heranzuziehen, soweit er noch vorhanden ist, und die dort aufgelisteten Aufgaben zu konkretisieren sowie die Aussagen des Klägers und etwaiger Zeugen auszuwerten. Die bisherigen Ausführungen des LSG erschöpfen sich darin, "dass der Kläger während seiner Beschäftigung beim VEB E. nach seinen glaubhaften Schilderungen im Berufungsverfahren nicht berufsfremd eingesetzt war". Dabei versäumt es das Berufungsgericht jedoch, das Ergebnis seiner Subsumtion unter den Rechtsbegriff "berufsfremd" mit konkreten Tatsachenangaben zu untermauern, die es ermöglichen könnten, den vorangegangenen Subsumtionsschluss (Syllogismus) nachzuvollziehen und zu überprüfen. Im Ansatz zutreffend weist das LSG darauf hin, dass "nicht die Funktionsbezeichnung entscheidend ist, sondern der tatsächliche Tätigkeitsinhalt". Es hätte jedoch - ausgehend von einer detaillierten Stellenbeschreibung - möglichst genau darstellen müssen, welche (Haupt-)Aufgaben, fachlichen Anforderungen und konkreten Verrichtungen mit der Tätigkeit des "Fachdirektors Ökonomie" tatsächlich verbunden waren und im Urteil nachvollziehbar angeben müssen, welche Tatumstände der Kläger im Berufungsverfahren geschildert hat, warum es ihn für glaubwürdig und seine Aussagen für glaubhaft hält (zu den Begriffen der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit vgl BGH Urteil vom 13.3.1991 - IV ZR 74/90 - NJW 1991, 3284). Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG daher im Rahmen der sachlichen Voraussetzung prüfen müssen, ob die am Stichtag tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als "Fachdirektor Ökonomie" mit ihrem Anforderungsprofil dem Berufsbild des Diplom-Ingenieurs schwerpunktmäßig entsprach.

24

b) Ferner lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob der VEB E. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23)fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011, 9.5.2012 und 9.10.2012 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 24; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 21; B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 23) nochmals betont hat.

25

Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung ist unerheblich, ob es am Stichtag 30.6.1990 noch VEB gegeben hat, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren (dazu und zum Folgenden: Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24). Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich nach der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung allein danach, ob der Kläger am 30.6.1990 - abgesehen von den gleichgestellten Betrieben - in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen ist, dh einem VEB, dem die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hat. Hingegen ist entgegen der Auffassung des LSG nicht auch konstitutiv auf seine organisatorische Zuordnung abgestellt worden (so schon Hinweis im Senatsurteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 28). Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl BSG Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11). Hat aber die Frage der organisatorischen Zuordnung keine konstitutive Bedeutung, ist unerheblich, ob es am Stichtag noch einen industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft gegeben hat. Vielmehr ist allein die Rechtsform des Betriebs als VEB sowie seine tatsächliche Produktionsweise entscheidungsrelevant (Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24).

26

Ob der VEB E. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Das LSG bestimmt den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit nach der (Kopf-)Zahl der Mitarbeiter in den Tätigkeitsbereichen "Produktion" und "Elektroinstallation". Damit hat es einen einheitlichen und grundsätzlich geeigneten Maßstab für die Beurteilung der Frage gewählt, ob der VEB E. sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, wobei allerdings einschränkend zu bemerken ist, dass von der bloßen Kopfzahl der Beschäftigten nicht stets automatisch auf ein entsprechendes Arbeitsvolumen und einen entsprechenden Anteil an der Wertschöpfung geschlossen werden darf. Den Feststellungen des LSG lässt sich jedoch - was gleichzeitig unabdingbar erforderlich ist - insbesondere nicht entnehmen, womit konkret der Bereich "Elektroinstallation" (250 Mitarbeiter) befasst war, obwohl es unter anderem wegen der Frage, "ob auch die Installation (wie die Montage) den Produktionsbegriff erfüllen kann", die Revision zugelassen hat. Es unterlegt dem Begriff der "Elektroinstallation" ohne jeden Fallbezug bestenfalls aus sich heraus eine Bedeutung, wenn es ausführt: "Bei der Installation werden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern es werden - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, in dem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt werden". Stattdessen hätte das Berufungsgericht konkret ermitteln und feststellen müssen, welche Aufgaben beim VEB E. im Bereich der "Elektroinstallation" genau anfielen, welche Komponenten wo (innerhalb des VEB oder außerhalb beim Kunden?) verarbeitet ("installiert", "angebracht", "verlegt" oder eingebaut) wurden und ob es sich dabei um eher handwerklich geprägte Individualarbeiten oder industriell geprägte Serienfertigung (ggf unter entsprechendem Maschineneinsatz) handelte. Soweit im Rahmen der Elektroinstallation - ggf seriell hergestellte - Komponenten (wie zB Leuchten und Kabel) angebracht, verlegt oder miteinander verbunden wurden, wird das LSG die Fertigungsart ermitteln und feststellen müssen, ob diese Aggregate mehr oder weniger schematisch nach einem im vorhinein festgelegten Plan standardisiert (zB in Fertigungsstraßen) oder nach bestimmten Kundenwünschen individuell verarbeitet wurden. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris RdNr 18) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion (vgl Senatsurteile vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 31 und vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/11 R - Juris RdNr 24).

27

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. Dezember 2010 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.10.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der 1954 geborene Kläger ist berechtigt, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen (Zeugnis der Hochschule für Verkehrswesen "F." vom 26.10.1979). Vom 1.9.1979 bis 30.6.1981 war er als Projektierungs- und Entwicklungsingenieur beim VEB W. und anschließend bis mindestens 30.6.1990 als Haupttechnologe beim VEB T. L. (nachfolgend: VEB T. L.) tätig. Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht.

3

Den Antrag des Klägers auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 27.10.2004). Den hiergegen am 9.3.2005 eingelegten Widerspruch wertete die Beklagte als Antrag nach § 44 SGB X, den sie ebenfalls ablehnte(Bescheid vom 30.3.2005; Widerspruchsbescheid 22.6.2005).

4

Das SG Halle hat die Beklagte mit Urteil vom 11.6.2007 verurteilt, die Zeit vom 1.10.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG Sachsen-Anhalt mit Urteil vom 16.12.2010 das Urteil des SG Halle aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X lägen nicht vor. Die Beklagte habe bei Erlass des Bescheides vom 27.10.2004 weder das Recht unrichtig angewandt noch sei sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Der Kläger habe gemäß § 8 Abs 3 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets(Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz vom 25.7.1991, BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) keinen Anspruch auf die beantragte Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem. Er unterfalle nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der AVItech angehört habe. Dem Kläger sei weder von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt noch sei er auf Grund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch habe ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft in seinem Fall nicht stattgefunden. Der Rechtsprechung des BSG, nach der die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG ebenso im Wege der Unterstellung vorliegen könne, folge der Senat nicht. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers am Stichtag 30.6.1990, der VEB T. L., sei weder ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens noch ein gleichgestellter Betrieb gewesen. Der Begriff des Produktionsbetriebs erfasse nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt hätten. Die industrielle Serienproduktion müsse dem Betrieb das Gepräge gegeben haben. Dies sei hier nicht der Fall. Die Haupttätigkeit des VEB T. L. habe nicht in der industriellen Serienproduktion gelegen. Dagegen spreche schon die Vielseitigkeit des betrieblichen Aufgabenspektrums. Ausweislich der Darstellung der derzeitigen Marktsituation und Chancen (ohne Datum) habe der VEB T. L. einerseits Montageleistungen und andererseits Fertigungsleistungen erbracht. Die Montageleistungen hätten sich in Rohrleitungsmontagen, Fördertechnik, Stahlbaumontagen, Montageleistungen allgemeiner Maschinenbau sowie Montage von Elektrofiltern (Umweltschutz) gegliedert. Gegen eine serielle Produktion spreche bereits der Umstand, dass im Bereich Rohrleitungsmontagen überwiegend Reparaturleistungen in Gestalt des Austausches von verschlissenen Rohrleitungen und Aggregaten durchgeführt worden seien. Die Montageleistungen insbesondere im Bereich des allgemeinen Maschinenbaus seien überdies sehr breit gefächert gewesen, was bereits an den vielen verschiedenen Montagestellen deutlich werde. So seien die Montageleistungen auf die ständigen Montagestellen Zementwerk K., Zuckerfabrik A., Hydrierwerk W., Chemiewerk B., Brikettfabrik D. usw verteilt. Einen weiteren Schwerpunkt habe die Rekonstruktion von Spanplattenwerken in G. und B. sowie Montageleistungen für den VEB Märkische Ölwerke W. und den VEB Öl- und Fettwerke M. gebildet. In der Fachrichtung Fertigungsbetrieb seien überwiegend Behälter für die chemische Verfahrenstechnik sowie Batterietröge für die Elektroindustrie und Behälter und Entaschungsanlagen gefertigt worden. Die geschilderte Vielseitigkeit der Aufgaben lasse sich durch serielle Produktion nicht erfüllen, sodass der Senat die Frage, ob die Montage überhaupt dem Produktionsbegriff des BSG unterfalle, nicht entscheiden müsse. Die Aufgabenvielfalt werde auch ua durch die technisch-technologische Niveau-Analyse der Produktion und Sanierungserfordernisse (ohne Datum) bestätigt. Danach sei die Erzeugnispalette des Betriebs durch die Fertigung von Druckbehältern und drucklosen Behältern, Batterietrögen sowie Elektrofiltern und deren Komponenten charakterisiert. Die Montageleistungen hätten den Stahlbau, die Fördertechnik, den Rohrleitungsbau sowie sonstige Montagen erfasst, wobei überwiegend keine eigenen Lieferungen montiert worden seien.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 1 Abs 1 AAÜG. Hierzu führt er im Wesentlichen aus: Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sei § 1 Abs 1 AAÜG erweiternd auszulegen. Auch unterfalle er dem Anwendungsbereich der solchermaßen verstandenen Norm. Die betriebliche Voraussetzung für die Einbeziehung in die fiktive Versorgung sei dann gegeben, wenn der Betreffende am 30.6.1990 in einem volkseigenen Betrieb gearbeitet habe, der schwerpunktmäßig die Aufgaben der industriellen Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw Produktion von Sachgütern wahrgenommen habe. Der Industriebegriff diene hauptsächlich der Unterscheidung zu den Dienstleistungs-, Handwerks- und Landwirtschaftsbetrieben. Der weitergehenden Eingrenzung des Begriffs "Produktionsbetrieb" durch die Forderung des BSG nach einer industriellen Massenproduktion auf der Grundlage des fordistischen Produktionsmodells sei dagegen nicht zu folgen. Diese Einschränkung sei versorgungsrechtlich nicht zu begründen und werde auch nicht den Gegebenheiten der ehemaligen DDR gerecht. Dem Produktionsbegriff im dargestellten Sinne werde auch ein Montagebetrieb gerecht. Dabei könne es keinen Unterschied machen, ob Sachgüter nahtlos von Beginn bis Fertigstellung in einem Betrieb hergestellt würden oder die Herstellung unter Verwendung von in einem anderen Betrieb vorgefertigten Bestandteilen erfolge. Der VEB T. L., dessen Aufgabenbereich die Fertigung und Montage von Sachgütern umfasst habe, sei ein Produktionsbetrieb im hier maßgeblichen Sinne. Der Betrieb habe maschinell und unter Verwendung standardisierter Verfahren und Bauteile Sachgüter gleicher Art zur Deckung spezieller Bedarfe im industriellen Ausmaß hergestellt. Es habe sich weder um eine Einzelproduktion noch handwerkliche Produktion gehandelt. Dass die Ausführung der Herstellung an verschiedenen Orten erfolgt sei, sei nicht ausschlaggebend.

6

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 16. Dezember 2010 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Juni 2007 zurückzuweisen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Eine Entscheidung in der Sache kann der Senat nicht treffen, weil hierzu weitere Tatsachenfeststellungen des LSG erforderlich sind.

10

Der Kläger begehrt im Revisionsverfahren (§ 165 Satz 1, § 153 Abs 1, § 123 SGG), das Berufungsurteil aufzuheben und das Urteil des SG Halle vom 11.6.2007 wiederherzustellen. Dieses Begehren hat Erfolg, wenn der Bescheid vom 30.3.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.6.2005 aufzuheben und die Beklagte verpflichtet ist, unter Rücknahme des Bescheids vom 27.10.2004 gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X die Beschäftigungszeit vom 1.10.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur AVItech (nebst der dabei erzielten Arbeitsentgelte) festzustellen.

11

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG)dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

12

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

13

Aufgrund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO innehat.

14

A. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

15

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

16

B. Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die Bedenken des LSG geben keinen Anlass zu einer erneuten Prüfung. Der Senat weist allerdings nochmals darauf hin, dass er § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG aus sich heraus weit auslegt, und - insofern in der Begründung anders als der 4. Senat - insbesondere nicht Satz 2 der Vorschrift heranzieht. Die diesbezüglich vom Berufungsgericht geäußerten Bedenken beziehen sich daher auf eine überholte Rechtsprechung.

17

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands (Einigungsvertrag - EinigVtr, BGBl II 1990, 889) Anlage II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnungen über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die Zweite Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

18

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 RdNr 23), die kumulativ vorliegen müssen,

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

19

Das LSG hat zu der persönlichen und sachlichen Voraussetzung keinerlei Feststellungen getroffen und die betriebliche Voraussetzung verneint.

20

Aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich indes nicht beurteilen, ob der VEB T. L. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, die ihr Gepräge durch die Massenproduktion erhalten haben. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23) fest. Die in der Revisionsbegründung und teilweise in der Literatur erhobenen Bedenken (vgl hierzu Schmidt, Die Rentenversicherung 2011, S 141 ff) gegen den hier vertretenen Begriff des Produktionsbetriebs teilt der erkennende Senat nicht.

21

Das Verständnis der Vorschriften der VO-AVItech und der 2. DB erschließt sich stets zunächst und soweit als möglich unmittelbar aus sich heraus. Nur soweit aus bundesrechtlicher Sicht der objektivierte Wortlaut - nicht also die DDR-rechtliche Bewertung -, der interne Sinnzusammenhang und der historische Kontext noch Unklarheiten lassen, kann es zur Ergänzung der so gewonnenen Erkenntnisse und von ihnen ausgehend auf den sonstigen offiziellen Sprachgebrauch der DDR am Stichtag 30.6.1990 ankommen, soweit er einen versorgungsrechtlichen Bezug aufweist. Entwicklungen des Sprachgebrauchs sind daher nur insofern von Bedeutung, als sie sich auf Umstände beziehen, die ihrer Art nach bereits ursprünglich von den Versorgungsordnungen erfasst waren oder durch spätere Änderungen zu deren Bestandteil gemacht wurden (versorgungsrechtlicher Sprachgebrauch). Dagegen sind Entwicklungen des Sprachgebrauchs in sonstigen Bereichen, insbesondere dem Wirtschaftsrecht, ohne Bedeutung (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 7 S 67). Das bundesrechtliche Verständnis von einschlägigen Begriffen des Versorgungsrechts darf daher von vornherein nicht etwa in der Weise gewonnen werden, dass zunächst kontextunabhängig und ohne Beschränkung auf den versorgungsrechtlichen Zusammenhang nach einem offiziellen Sprachgebrauch der DDR am 30.6.1990 geforscht wird, um dann das Ergebnis dieser Bemühungen mit dem "Wortlaut" der einschlägigen versorgungsrechtlichen Regelungen gleichzusetzen und deren spezifisch versorgungsrechtlichen Anwendungsbereich hiernach zu bestimmen. Von Belang sind vielmehr allein Entwicklungen des versorgungsrechtlich relevanten Sprachgebrauchs. Einzelne Stimmen im Schrifttum basieren auf diesem methodischen Irrtum und vermögen daher auch den auf sie gestützten Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dies gilt umso mehr, soweit dort eine Ausdehnung des Produktionsbegriffs befürwortet wird, die die versorgungsrechtliche Gleichstellung von wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betrieben sowie wirtschaftsleitenden Organen im Ergebnis überflüssig machen würde.

22

Vorliegend könnten zwar die Überschrift der VO-AVItech vom 17.8.1950, deren Einleitung und ihr § 1 sowie § 1 Abs 1 der 2. DB darauf hindeuten, dass deren Voraussetzungen generell durch die einschlägige Beschäftigung von Ingenieuren in allen volkseigenen Betrieben erfüllt werden. Indessen kann der VO an diesen Stellen für den betrieblichen Anwendungsbereich einzelner Teile nichts entnommen werden. Insbesondere zeigt der Wortlaut der Gleichstellungsregelung in § 1 Abs 2 der 2. DB, dass generell nur volkseigene Produktionsbetriebe erfasst sind. Die "Rechtsfolge" der ausnahmsweisen Gleichstellung der dort im Einzelnen aufgeführten wissenschaftlichen Einrichtungen, Bildungseinrichtungen, Betriebe sowie wirtschaftsleitenden Organe bestimmt logisch notwendig Inhalt und Umfang des Grundtatbestands. Versorgungsrechtlich relevant ist damit nur die Beschäftigung in einer Teilmenge der volkseigenen Betriebe.

23

Die positiven Bestimmungsmerkmale der Teilmenge "Produktionsbetriebe" ergeben sich mit hinreichender Bestimmtheit zunächst aus dem sachlichen Zuständigkeitsbereich des Ministeriums für Industrie, auf dessen Einvernehmen es nach § 5 der VO-AVItech vom 17.8.1950 für den Erlass von Durchführungsbestimmungen durch das Ministerium der Finanzen ua ankam. Die Beteiligung gerade dieses damals für Herstellungsvorgänge in den industriellen Fertigungsbetrieben verantwortlichen Ministeriums (so auch in der Präambel der Ersten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 26.9.1950, GBl Nr 111 S 1043) gibt zu erkennen, dass versorgungsrechtlich grundsätzlich nur diesem Kriterium genügende VEB erfasst sein sollten. Dies wird zudem durch die historische Situation beim Aufbau einer zentralen Planwirtschaft durch das Interesse der Machthaber, qualifizierten Kräften gerade im Bereich der Industrie einen Beschäftigungsanreiz zu bieten, bestätigt. Die herausragende Bedeutung der Industrie, die auch in der DDR im Sinne der Herstellung von Erzeugnissen auf der Basis industrieller Massenproduktion verstanden wurde (vgl hierzu Abelshauser, Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945, 2004, 370 ff), ist unabhängig davon, ob hierfür der (Wort-)Begriff "fordistisches Produktionsmodell" gebraucht wird. Hiervon wird - ungeachtet ihrer ursprünglichen formellen Zuordnung zum Ministerium für Aufbau - der Sache nach bereits ursprünglich auch die Bauindustrie erfasst. Diese wurde in der DDR zudem in der Folgezeit durchgehend zusammen mit der Industrie den beiden führenden Produktionsbereichen zugeordnet und gemeinsam gegenüber anderen Wirtschaftsbereichen abgegrenzt. Dies gilt jeweils auch und gerade noch nach dem Sprachgebrauch der am 30.6.1990 maßgeblichen Verordnung über die volkseigenen Kombinate, Kombinatsbetriebe und volkseigenen Betriebe vom 8.11.1979 (GBl I Nr 38 S 355).

24

Soweit der Rechtsprechung der Instanzgerichte neben dem damit primär maßgeblichen Umstand, dass die industrielle Fertigung dem VEB das Gepräge gegeben haben muss, konstitutiv auf die Frage der organisatorischen Zuordnung abstellt, ist darauf hinzuweisen, dass sich dies aus der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ergibt. Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11).

25

Entsprechendes gilt, wenn ein Betrieb (auch) Montagearbeiten verrichtet hat.

26

Dem allgemeinen Sprachgebrauch folgend wurde auch in der DDR unter Montage der planmäßige Zusammenbau von Bauteilen zu einem Endprodukt verstanden.

27

Der Zusammenbau von im Wege industrieller Massenproduktion vorgefertigten Bauteilen zum fertigen Produkt kann seinerseits Teil der industriellen Produktion einschließlich des Bauwesens (vgl BSG SozR 4-8570 § 1 Nr 3 RdNr 20)sein, wobei unerheblich ist, ob die Bauteile im eigenen oder einem Drittbetrieb angefertigt worden sind. Von einer industriellen Produktion der Endprodukte ist dann auszugehen, wenn diese ihrerseits massenhaft hergestellt werden und daher ihr Zusammenbau mehr oder weniger schematisch anfällt. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion.

28

Ob der VEB T. L. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen.

29

Allein die Vielfältigkeit des Angebots und die Leistungserbringung an verschiedenen Orten sprechen nicht gegen das Vorliegen von Massenproduktion. Vielmehr erfordern gerade sie Feststellungen zum Gepräge. Diese können schlüssig nur durch eine Feststellung der Tätigkeitsbereiche eines Betriebs, ihrer jeweiligen Zugehörigkeit zur industriellen Produktion oder einem anderen Bereich und ihres quantitativen Verhältnisses zueinander nach einem einheitlichen Maßstab erfolgen. Insoweit bietet sich insbesondere ein Vergleich nach dem jeweiligen Anteil an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag an.

30

Sollte sich danach ergeben, dass der VEB T. L. ein volkseigener Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens gewesen ist, wird das Berufungsgericht ferner Feststellungen zur persönlichen und sachlichen Voraussetzung zu treffen haben.

31

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung durch das LSG vorbehalten.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. August 2010 aufgehoben. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Februar 2007 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Feststellung der Zeit vom 1.3.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) sowie der während dieser Zeit erzielten Arbeitsentgelte hat.

2

Der im Jahre 1953 geborene Kläger ist berechtigt, die Berufsbezeichnung Hochschulingenieur und den akademischen Grad Diplom-Ingenieur zu führen. Vom 1.3.1979 bis 30.6.1990 war er beim VEB W. C., Kombinatsbetrieb Projektierung, tätig, zuletzt als Abteilungsleiter Elementeprojektierung.

3

Eine förmliche Versorgungszusage erhielt der Kläger zur Zeit der DDR nicht.

4

Seinen Antrag auf Feststellung von Zusatzversorgungsanwartschaften lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 22.2.2002 und Widerspruchsbescheid vom 7.5.2003).

5

Während das SG Cottbus die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26.2.2007 abgewiesen hat, hat das LSG Berlin-Brandenburg die Beklagte mit Urteil vom 26.8.2010 verurteilt, die Zeit vom 1.3.1979 bis 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz und die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe ein fiktiver bundesrechtlicher Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage im Sinne der Rechtsprechung des BSG zu. Ein derartiger Anspruch setze voraus, dass die persönliche, sachliche und betriebliche Voraussetzung erfüllt sei, von denen hier allein die betriebliche im Streit stehe. Diese liege vor, wenn der Anspruchsteller am Stichtag 30.6.1990 eine Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einem gleichgestellten Betrieb ausgeübt habe. Ersteres sei hier der Fall. Der konkrete Beschäftigungsbetrieb des Klägers, der Kombinatsbetrieb Projektierung, auf den abzustellen sei, sei zwar nicht mit der eigentlichen Bauwerkserrichtung betraut gewesen. Als Produktionsbetrieb im Bereich des Bauwesens sei aber auch ein solcher Kombinatsbetrieb zu qualifizieren, dessen Aufgabe elementarer Bestandteil - wenn auch vorgelagert - der eigentlichen Errichtung von Bauwerken im Großserienverfahren sei und bei unterbliebener Ausgliederung von den mit der Bauwerkserrichtung betrauten Kombinatsbetrieben in Eigenregie durchgeführt, also nicht typischerweise durch externe Auftragnehmer erbracht werde. Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers habe Planungsaufgaben in so engem Zusammenhang mit der eigentlichen Bauwerkserrichtung erfüllt, dass sie als deren elementarer Bestandteil anzusehen seien.

6

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte sinngemäß insbesondere eine Verletzung des § 1 Abs 1 AAÜG und eine Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. Das LSG habe zu Unrecht das Vorliegen der sog betrieblichen Voraussetzung bejaht. Das Berufungsgericht verkenne, dass für die Prüfung dieser Voraussetzung ausschließlich auf den Hauptzweck desjenigen Betriebs abzustellen sei, mit dem der Versicherte in einem Arbeitsrechtsverhältnis gestanden habe und nicht auf das wirtschaftsleitende Organ (Kombinat). Der Arbeitgeber des Klägers, der Kombinatsbetrieb Projektierung, habe keine eigene Bauleistung erbracht. Mit seinen Überlegungen ua arbeitsorganisatorischer Art entwickele das LSG eine Sichtweise, die nicht mit dem oberstgerichtlichen Grundsatz in Einklang stehe, wonach Betriebe des Bauwesens nur solche seien, die Bauleistungen mit den eigenen betrieblichen, personellen und materiellen Ressourcen unmittelbar selbst erbringen würden.

7

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 26. August 2010 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 26. Februar 2007 zurückzuweisen.

8

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten gewesen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.

10

Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Nr 1 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024) in Betracht. Nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG)dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

11

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anl 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (Satz 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (Satz 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

12

Der Kläger ist vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG nicht erfasst. Er hat weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß Satz 2 aaO inne und hatte am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht auch keine "aufgrund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft.

13

A. Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrags zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

14

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 Satz 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

15

B. Der Kläger hat auch nicht "aufgrund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 Satz 1 AAÜG erworben. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt.

16

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl I Nr 93 S 844) und die Zweite Durchführungsbestimmung zu dieser Verordnung (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl Nr 62 S 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

17

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ vorliegen müssen,

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

18

Feststellungen zum Vorliegen der persönlichen und sachlichen Voraussetzung hat das LSG nicht getroffen. Eine Zurückverweisung der Sache insoweit ist indes nicht erforderlich, da der Kläger jedenfalls die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt.

19

Der Beschäftigungsbetrieb des Klägers am Stichtag 30.6.1990 war kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens. Die Auffassung des LSG, unter einem Produktionsbetrieb im Bereich des Bauwesens sei auch ein solcher Kombinatsbetrieb zu verstehen, dessen Aufgabe elementarer Bestandteil - wenn auch vorgelagert - der eigentlichen Errichtung von Bauwerken im Großserienverfahren sei und bei unterbliebener Ausgliederung von den mit der Bauwerkserrichtung betrauten Kombinatsbetrieben in Eigenregie durchgeführt, also nicht typischerweise durch externe Auftragnehmer erbracht werde, steht mit der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht in Einklang. Zuletzt hat der erkennende Senat in mehreren am 19.7.2011 verkündeten Urteilen (ua B 5 RS 7/10 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) nochmals betont, dass nur solche Betriebe erfasst sind, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion - und nicht bloße Vorbereitungshandlungen - das Gepräge gibt. Dies kann nach den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen vorliegend nicht bejaht werden.

20

Ebenso wenig hat es sich nach den Feststellungen des LSG bei dem Kombinatsbetrieb Projektierung des VEB W. C. um einen gleichgestellten Betrieb iS von § 1 Abs 2 2. DB gehandelt.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Zeit vom 3.5.1971 bis zum 30.6.1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech) einschließlich der dabei erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

2

Der 1946 geborene Kläger erwarb an der Universität R. den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" (Urkunde vom 31.3.1971). Ab dem 3.5.1971 arbeitete er bei verschiedenen Volkseigenen Betrieben (VEB), zuletzt vom 1.2. bis 30.6.1990 beim VEB E.

3

Dort wirkte er als "Fachdirektor Ökonomie" wesentlich an der Umstrukturierung des VEB mit. Dieser produzierte im 1. Halbjahr 1990 mit 107 Arbeitnehmern Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten. Gleichzeitig beschäftigte der VEB in den Bereichen der Elektroinstallation 250, der Verwaltung 78, der Projektierung 20 und der Lagerwirtschaft 8 Mitarbeiter. Der Kläger erhielt keine Versorgungszusage, zahlte aber Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung; eine korrigierende Rehabilitierungsentscheidung wurde nicht getroffen.

4

Den Antrag des Klägers, seine Zusatzversorgungsanwartschaften festzustellen und zu überführen, lehnte die Beklagte ab, weil er die sachliche Voraussetzung nicht erfülle. Denn als "Fachdirektor Ökonomie" sei er nicht entsprechend seiner Qualifikation ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen (Bescheid vom 12.12.2002; Widerspruchsbescheid vom 9.4.2003).

5

Das SG hat dem Kläger Wiedereinsetzung in die versäumte Klagefrist gewährt und die Klage abgewiesen (Urteil des SG Halle vom 24.3.2005). Die Berufung ist erfolglos geblieben (Urteil des LSG Sachsen-Anhalt vom 15.12.2011): Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung von Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 8 Abs 3 S 1 iVm Abs 2 und § 1 Abs 1 S 1 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1606, seither mehrfach geändert, zuletzt durch das Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 19.12.2007, BGBl I 3024). Denn er falle nicht in den Geltungsbereich des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG, weil er der AVItech weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung angehört habe. Ihm sei weder eine Versorgung zugesagt worden noch liege eine Rehabilitierungsentscheidung oder der rechtsstaatswidrige Entzug einer Versorgungsanwartschaft vor. Die Rechtsprechung des BSG, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem auch im Wege der Unterstellung erfolgen könne, lehne der Senat ab. Abgesehen davon lägen auch die vom BSG aufgestellten Voraussetzungen für eine fingierte Versorgungsanwartschaft nicht vor. Zwar erfülle der Kläger als Ingenieur die persönliche und als "Fachdirektor Ökonomie" auch die sachliche Voraussetzung. Zum 30.6.1990 sei er jedoch nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Fraglich sei schon, ob es am Stichtag überhaupt noch VEB gegeben habe, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet gewesen seien. Denn es sei zweifelhaft, ob es im Juni 1990 eine Planwirtschaft iS des Art 9 Abs 3 der Verfassung der DDR überhaupt noch gegeben habe. Ungeachtet dessen sei der VEB E. kein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens gewesen, weil der Schwerpunkt der Betriebstätigkeit nicht in der Produktion (Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten), sondern im Bereich der Elektroinstallation gelegen habe. Denn die Zahl der Beschäftigten in der Elektroinstallation (250) übersteige die Zahl der in der Produktion eingesetzten Mitarbeiter (107) deutlich. Soweit der Senat in dem Verfahren L 1 R 105/08 von nur zehn Mitarbeitern im Bereich der Elektroinstallation ausgegangen sei, könne daran nicht mehr festgehalten werden. Bei der Elektroinstallation würden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, indem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt würden. Insofern könnten Installation und Montage, die den Produktionsbegriff erfüllten, keinesfalls gleichgesetzt werden. Der Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit des VEB sei nicht anhand des Gewinns zu beurteilen, der in den einzelnen Bereichen erzielt worden sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn sich schon anhand der Verteilung der Arbeitskräfte der Schwerpunkt des Betriebes - wie hier - deutlich herauskristallisiere. Denn auf den Aufwand lasse sich nicht zuletzt durch den jeweiligen Mitarbeitereinsatz schließen. Hingegen sei der Gewinn oder die Bilanz als Gradmesser für den betrieblichen Schwerpunkt problematisch, weil dessen Ermittlung von den systembedingten Vorgaben abhänge und häufig nicht den tatsächlichen Aufwand und Umsatz bzw Ertrag abbilde. So sei in der DDR nach den Bestimmungen der Rechnungsführung und Statistik (RuSt) bilanziert worden. Die durch die RuSt ermittelten Zahlen hätten der Leitung und Planung der Volkswirtschaft der DDR (§ 2 Abs 1 und 2 der Verordnung über Rechnungsführung und Statistik vom 11.7.1985, GBl DDR I 261) und damit einem anderen Zweck gedient als eine handelsrechtliche Bilanz. Das System der RuSt habe den Erfordernissen einer zentralgeleiteten Wirtschaft entsprochen, ein einheitliches Rechnungswesen in der gesamten Volkswirtschaft zu schaffen, das nicht nur die einzelnen Betriebe und Kombinate erfasse, sondern zugleich eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung darstelle. Eine Rechnungslegung nach den Grundsätzen der RuSt sei erforderlich gewesen, um ablesen zu können, ob ein Betrieb seine Planvorgaben erreicht habe.

6

Mit der Revision, die das LSG zugelassen hat, rügt der Kläger insbesondere die Verletzung materiellen Rechts: Soweit das LSG den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit allein anhand der Mitarbeiterzahl pro Abteilung bestimme, verkenne es, dass es nach der Rechtsprechung des BSG allein auf die Anteile an Aufwand und Umsatz bzw Ertrag ankomme. Der VEB E. habe schwerpunktmäßig Antennen, Heizkörper, Plastschweißgeräte und Leuchten produziert. Im Bereich der Elektroinstallation seien nur 10 Mitarbeiter im Außeneinsatz tätig gewesen. Die anderen hätten beispielsweise in industrieller Art und Weise Schaltschrankbau betrieben, und zwar weitestgehend aufgrund gleich gerichteter Anforderungen. Außerdem hätten sie bei der Vorinstallation für Gleich- und Wechselrichter, die im Straßenbahnbau und bei der Montage von Zügen eingesetzt worden seien, vorgefertigte Bauteile im Wege der industriellen Massenproduktion zum fertigen Produkt verbaut. Ferner seien Installationseinrichtungen für den Einsatz in Industrieanlagen vorgefertigt worden, wobei eine ausschließlich spezifische Montage für besondere Anforderungen nur im Ausnahmefall erfolgt sei. Derartige Installationsarbeiten erfüllten - ebenso wie Montagetätigkeiten - den Produktionsbegriff. Entgegen der Ansicht des LSG hätten am 30.6.1990 auch noch der DDR-Planwirtschaft zuzuordnende VEB existiert. Jede andere Auslegung führe die verfassungsgerichtlich bestätigte Rechtsprechung des BSG zur Überführung fiktiver Ansprüche aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen ad absurdum.

7

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

        

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 24. März 2005 und das Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. April 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Zeit vom 3. Mai 1971 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

9

Die betriebliche Voraussetzung sei nicht erfüllt. Der VEB E. sei kein Produktionsdurchführungsbetrieb gewesen, dem eine industrielle Massenproduktion von Sachgütern in Gestalt von Antennen, Heizkörpern, Plastschweißgeräten und Leuchten das Gepräge gegeben habe. Denn der überwiegende Teil der Beschäftigten sei nicht in der Sachgüterproduktion, sondern mit der Installation von Elektroanlagen beschäftigt gewesen. Elektroinstallationsarbeiten seien immer den individuellen Gegebenheiten und Vorgaben der Kunden anzupassen, weil Leitungen und Verteiler verlegt und Elemente miteinander verbunden werden müssten, was nicht seriell erfolgen könne. Damit unterscheide sich diese Art der Installation auch von der (seriellen) Industriemontage, bei der massenhaft Einzelteile zu einem grundsätzlich gleichen, nur in Details unterschiedlichen neuen industriellen Sachgut in hohen Stückzahlen zusammengesetzt würden.

Entscheidungsgründe

10

Die Revision ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG), weil weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich sind.

11

Die Klage war zulässig. Das LSG hat zu Recht festgestellt, dass das SG verbindlich Wiedereinsetzung (§ 67 Abs 1 und 4 S 2 SGG) in die versäumte Klagefrist (§ 87 Abs 1 S 1 iVm Abs 2 SGG) gewährt hat.

12

Ob die Beklagte die begehrten rechtlichen Feststellungen hätte treffen müssen, lässt sich ohne weitere Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAÜG in Betracht. Nach § 8 Abs 3 S 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr 1 bis 27(§ 8 Abs 4 Nr 1 AAÜG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat folgende Daten zu enthalten (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10): Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem, das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, die Arbeitsausfalltage sowie - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des 2. AAÜG-ÄndG zum 3.8.2001 (vgl hierzu Senatsurteil vom 14.12.2011 - B 5 R 2/10 R - SozR 4-8570 § 7 Nr 3) - alle Tatumstände, die erforderlich sind, um eine besondere Beitragsbemessungsgrenze anzuwenden (§§ 6, 7 AAÜG).

13

Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 10 und Nr 6 S 37). Den Anwendungsbereich des AAÜG, das am 1.8.1991 in Kraft getreten ist (Art 42 Abs 8 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung - Rentenüberleitungsgesetz - vom 25.7.1991, BGBl I 1606), regelt dessen seither unveränderter § 1 Abs 1. Danach gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften (= Versorgungsberechtigungen), die auf Grund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen (Versorgungssysteme iS der Anlage 1 und 2) im Beitrittsgebiet (§ 18 Abs 3 SGB IV) erworben worden sind (S 1). Soweit die Regelungen der Versorgungssysteme einen Verlust der Anwartschaften bei einem Ausscheiden aus dem Versorgungssystem vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Verlust als nicht eingetreten (S 2), sodass das AAÜG auch in diesen Fällen Geltung beansprucht.

14

Auf Grund der Feststellungen des LSG kann nicht entschieden werden, ob der Kläger vom persönlichen Anwendungsbereich des AAÜG erfasst ist, weil er am 1.8.1991 aus bundesrechtlicher Sicht eine "auf Grund der Zugehörigkeit" zur AVItech "erworbene" Anwartschaft hatte. Hierauf kommt es deshalb entscheidend an, weil der Kläger weder einen "Anspruch" iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG noch eine fiktive Anwartschaft gemäß S 2 aaO innehat.

15

Der Ausdruck "Anspruch" umfasst in seiner bundesrechtlichen Bedeutung das (Voll-)Recht auf Versorgung, wie die in § 194 BGB umschriebene Berechtigung, an die auch § 40 SGB I anknüpft, vom Versorgungsträger (wiederkehrend) Leistungen, nämlich die Zahlung eines bestimmten Geldbetrages zu verlangen. Dagegen umschreibt "Anwartschaft" entsprechend dem bundesdeutschen Rechtsverständnis eine Rechtsposition unterhalb der Vollrechtsebene, in der alle Voraussetzungen für den Anspruchserwerb bis auf den Eintritt des Versicherungs- bzw Leistungsfalls (Versorgungsfall) erfüllt sind (BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 38 und Nr 7 S 54).

16

Ausgehend von diesem bundesrechtlichen Begriffsverständnis hat der Kläger schon deshalb keinen "Anspruch" auf Versorgung iS des § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben, weil bei ihm bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.8.1991 kein Versorgungsfall (Alter, Invalidität) eingetreten war. Zu seinen Gunsten begründet auch nicht ausnahmsweise § 1 Abs 1 S 2 AAÜG eine (gesetzlich) fingierte Anwartschaft ab dem 1.8.1991, weil der Kläger in der DDR nie konkret in ein Versorgungssystem einbezogen worden war und diese Rechtsposition deshalb später auch nicht wieder verlieren konnte (vgl dazu BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 15 und Nr 3 S 20 f; SozR 4-8570 § 1 Nr 4 RdNr 8 f).

17

Dagegen kann auf der Grundlage der bisherigen Tatsachenfeststellungen nicht entschieden werden, ob der Kläger "auf Grund der Zugehörigkeit" zu einem Zusatzversorgungssystem eine "Anwartschaft" auf Versorgung iS von § 1 Abs 1 S 1 AAÜG erworben hat. Der erkennende Senat hat die Rechtsprechung des 4. Senats des BSG (vgl SozR 3-8570 § 1 Nr 7) zum Stichtag 30.6.1990 und zur sog erweiternden Auslegung im Ergebnis in seinen Entscheidungen vom 15.6.2010 (vgl nur BSGE 106, 160 = SozR 4-8570 § 1 Nr 17) ausdrücklich fortgeführt. Die weiterhin geäußerten Bedenken des LSG geben keinen Anlass zur nochmaligen Prüfung (s dazu bereits Senatsurteil vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris).

18

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Frage einer fiktiven Zugehörigkeit zum System der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben auf der Grundlage des am 1.8.1991 geltenden Bundesrechts am Stichtag 30.6.1990 sind die "Regelungen" für die Versorgungssysteme, die gemäß Anl II Kap VIII Sachgebiet H Abschn III Nr 9 des Vertrags zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (BGBl II 889) mit dem Beitritt am 3.10.1990 zu - sekundärem - Bundesrecht geworden sind. Dies sind insbesondere die Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (VO-AVItech) vom 17.8.1950 (GBl DDR 844) und die 2. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben (2. DB) vom 24.5.1951 (GBl DDR 487), soweit sie nicht gegen vorrangiges originäres Bundesrecht oder höherrangiges Recht verstoßen.

19

Nach § 1 VO-AVItech und der dazu ergangenen 2. DB hängt das Bestehen einer fingierten Versorgungsanwartschaft von folgenden drei Voraussetzungen ab (vgl BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 2 S 14, Nr 5 S 33, Nr 6 S 40 f, Nr 7 S 60; SozR 4-8570 § 1 Nr 9 S 48), die kumulativ am Stichtag 30.6.1990 vorliegen müssen,

        

1.    

von der Berechtigung, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung),

        

2.    

von der Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit (sachliche Voraussetzung),

        

3.    

und zwar in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens (§ 1 Abs 1 der 2. DB) oder in einem durch § 1 Abs 2 der 2. DB gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).

20

Der Kläger erfüllt die persönliche Voraussetzung, weil er nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) berechtigt ist, den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" zu führen. Ob der Kläger auch die sachliche (nachfolgend a) und die betriebliche Voraussetzung (nachfolgend b) erfüllt, konnte der Senat nicht abschließend entscheiden.

21

a) Nach der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG (Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 2/07 R - Juris RdNr 18; s auch Urteil vom 31.3.2004 - B 4 RA 31/03 R - Juris RdNr 19 f) und des erkennenden Senats (Urteile vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - Juris RdNr 19 und vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris RdNr 24) erfüllen Ingenieure die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung in das Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz nur dann, wenn der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit entsprechend ihrem Berufsbild im produktionsbezogenen ingenieurtechnischen Bereich lag und damit die Aufgabenerfüllung geprägt hat. Lag der Schwerpunkt dagegen in anderen Bereichen, zB im wirtschaftlichen bzw kaufmännischen Bereich, waren die Ingenieure nicht schwerpunktmäßig, dh überwiegend, entsprechend ihrem Berufsbild, sondern vielmehr berufsfremd eingesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung bedeutet "berufsfremd" die Ausübung einer Tätigkeit, die nicht schwerpunktmäßig durch die durchlaufene Ausbildung und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist (Senatsurteile aaO).

22

Für die Prüfung der sachlichen Voraussetzung ist demnach von der erworbenen Berufsbezeichnung iS der 2. DB auszugehen und zu ermitteln, welches Berufsbild dieser unter Berücksichtigung der Ausbildung und der im späteren Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen zu Grunde liegt. Im Anschluss hieran ist festzustellen, welche Tätigkeit der Versicherte konkret ausgeübt hat und zu fragen, ob diese im Schwerpunkt dem der Berufsbezeichnung zu Grunde liegenden Berufsbild entspricht. Dies ist zu bejahen, wenn die ausgeübte Tätigkeit überwiegend durch die in der Ausbildung zu einem Beruf iS des § 1 Abs 1 der 2. DB gewonnenen Kenntnisse und Fertigkeiten und die im Ausbildungsberuf typischerweise gewonnenen Erfahrungen geprägt ist (Senatsurteile vom 9.10.2012 - B 5 RS 9/11 R - Juris RdNr 20 und vom 9.5.2012 - B 5 RS 7/11 R - Juris RdNr 25; BSG Urteil vom 18.10.2007 - B 4 RS 17/07 R - SozR 4-8570 § 1 Nr 14 RdNr 44 mwN).

23

Es fehlen hier bereits Feststellungen des LSG zum Berufsbild des "Diplom-Ingenieurs" und zur Tätigkeit, die der Kläger am Stichtag konkret ausgeübt hat. Feststellungen zum Berufsbild und der verrichteten Tätigkeit sind stets auf der Grundlage von Ermittlungen zu treffen, die die individuelle Situation des jeweiligen Anspruchstellers aufklären. Zur Feststellung des Berufsbilds des Klägers ist daher insbesondere dessen absolvierte Ausbildung im Einzelnen zu ermitteln; um das Anforderungsprofil der Tätigkeit festzustellen, die er am Stichtag ausgeübt hat, sind vor allem der einschlägige Funktionsplan heranzuziehen, soweit er noch vorhanden ist, und die dort aufgelisteten Aufgaben zu konkretisieren sowie die Aussagen des Klägers und etwaiger Zeugen auszuwerten. Die bisherigen Ausführungen des LSG erschöpfen sich darin, "dass der Kläger während seiner Beschäftigung beim VEB E. nach seinen glaubhaften Schilderungen im Berufungsverfahren nicht berufsfremd eingesetzt war". Dabei versäumt es das Berufungsgericht jedoch, das Ergebnis seiner Subsumtion unter den Rechtsbegriff "berufsfremd" mit konkreten Tatsachenangaben zu untermauern, die es ermöglichen könnten, den vorangegangenen Subsumtionsschluss (Syllogismus) nachzuvollziehen und zu überprüfen. Im Ansatz zutreffend weist das LSG darauf hin, dass "nicht die Funktionsbezeichnung entscheidend ist, sondern der tatsächliche Tätigkeitsinhalt". Es hätte jedoch - ausgehend von einer detaillierten Stellenbeschreibung - möglichst genau darstellen müssen, welche (Haupt-)Aufgaben, fachlichen Anforderungen und konkreten Verrichtungen mit der Tätigkeit des "Fachdirektors Ökonomie" tatsächlich verbunden waren und im Urteil nachvollziehbar angeben müssen, welche Tatumstände der Kläger im Berufungsverfahren geschildert hat, warum es ihn für glaubwürdig und seine Aussagen für glaubhaft hält (zu den Begriffen der Glaubhaftigkeit und Glaubwürdigkeit vgl BGH Urteil vom 13.3.1991 - IV ZR 74/90 - NJW 1991, 3284). Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das LSG daher im Rahmen der sachlichen Voraussetzung prüfen müssen, ob die am Stichtag tatsächlich ausgeübte Tätigkeit als "Fachdirektor Ökonomie" mit ihrem Anforderungsprofil dem Berufsbild des Diplom-Ingenieurs schwerpunktmäßig entsprach.

24

b) Ferner lässt sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob der VEB E. ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens ist. Hierunter fallen nur Produktionsdurchführungsbetriebe, denen unmittelbar die industrielle Massenproduktion von Sachgütern das Gepräge gibt. Der erkennende Senat hält auch insoweit an der Rechtsprechung des 4. Senats (vgl etwa BSG SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 46 f sowie SozR 4-8570 § 1 Nr 16 RdNr 21 und 23)fest, was er zuletzt in mehreren am 19.7.2011, 28.9.2011, 9.5.2012 und 9.10.2012 verkündeten Urteilen (ua BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 24; B 5 RS 8/10 R - Juris RdNr 19; B 5 RS 8/11 R - Juris RdNr 21; B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 23) nochmals betont hat.

25

Für das Vorliegen der betrieblichen Voraussetzung ist unerheblich, ob es am Stichtag 30.6.1990 noch VEB gegeben hat, die organisatorisch dem industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft zugeordnet waren (dazu und zum Folgenden: Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24). Ob die betriebliche Voraussetzung iS der VO-AVItech iVm der 2. DB erfüllt ist, bestimmt sich nach der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung allein danach, ob der Kläger am 30.6.1990 - abgesehen von den gleichgestellten Betrieben - in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens beschäftigt gewesen ist, dh einem VEB, dem die industrielle Fertigung das Gepräge gegeben hat. Hingegen ist entgegen der Auffassung des LSG nicht auch konstitutiv auf seine organisatorische Zuordnung abgestellt worden (so schon Hinweis im Senatsurteil vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 28). Bereits im Urteil vom 9.4.2002 (B 4 RA 41/01 R - SozR 3-8570 § 1 Nr 6 S 47 f) hatte der 4. Senat des BSG eine derartige Bedeutung allenfalls - ausdrücklich nicht tragend - nur als möglich in Erwägung gezogen. Schon in der Entscheidung vom 6.5.2004 (B 4 RA 52/03 R - Juris RdNr 29) wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass allein die fehlende Zuordnung zu einem Industrieministerium nicht genügt, einen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens abzulehnen. Dementsprechend zieht auch die spätere Rechtsprechung den Umstand der organisatorischen Zuordnung durchgehend als weder notwendiges noch hinreichendes Hilfskriterium allenfalls bestätigend heran (vgl BSG Beschluss vom 13.2.2008 - B 4 RS 133/07 B - Juris RdNr 11). Hat aber die Frage der organisatorischen Zuordnung keine konstitutive Bedeutung, ist unerheblich, ob es am Stichtag noch einen industriellen Produktionssektor der DDR-Planwirtschaft gegeben hat. Vielmehr ist allein die Rechtsform des Betriebs als VEB sowie seine tatsächliche Produktionsweise entscheidungsrelevant (Senatsurteil vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/12 R - Juris RdNr 24).

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Ob der VEB E. nach diesen Maßgaben sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, lässt sich den Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Das LSG bestimmt den Schwerpunkt der betrieblichen Tätigkeit nach der (Kopf-)Zahl der Mitarbeiter in den Tätigkeitsbereichen "Produktion" und "Elektroinstallation". Damit hat es einen einheitlichen und grundsätzlich geeigneten Maßstab für die Beurteilung der Frage gewählt, ob der VEB E. sein Gepräge durch die industrielle Massenproduktion erhalten hat, wobei allerdings einschränkend zu bemerken ist, dass von der bloßen Kopfzahl der Beschäftigten nicht stets automatisch auf ein entsprechendes Arbeitsvolumen und einen entsprechenden Anteil an der Wertschöpfung geschlossen werden darf. Den Feststellungen des LSG lässt sich jedoch - was gleichzeitig unabdingbar erforderlich ist - insbesondere nicht entnehmen, womit konkret der Bereich "Elektroinstallation" (250 Mitarbeiter) befasst war, obwohl es unter anderem wegen der Frage, "ob auch die Installation (wie die Montage) den Produktionsbegriff erfüllen kann", die Revision zugelassen hat. Es unterlegt dem Begriff der "Elektroinstallation" ohne jeden Fallbezug bestenfalls aus sich heraus eine Bedeutung, wenn es ausführt: "Bei der Installation werden keine neuen Produkte seriell hergestellt, sondern es werden - ggf seriell hergestellte - Sachgüter verarbeitet, in dem zB Leuchten und Kabel angebracht bzw verlegt werden". Stattdessen hätte das Berufungsgericht konkret ermitteln und feststellen müssen, welche Aufgaben beim VEB E. im Bereich der "Elektroinstallation" genau anfielen, welche Komponenten wo (innerhalb des VEB oder außerhalb beim Kunden?) verarbeitet ("installiert", "angebracht", "verlegt" oder eingebaut) wurden und ob es sich dabei um eher handwerklich geprägte Individualarbeiten oder industriell geprägte Serienfertigung (ggf unter entsprechendem Maschineneinsatz) handelte. Soweit im Rahmen der Elektroinstallation - ggf seriell hergestellte - Komponenten (wie zB Leuchten und Kabel) angebracht, verlegt oder miteinander verbunden wurden, wird das LSG die Fertigungsart ermitteln und feststellen müssen, ob diese Aggregate mehr oder weniger schematisch nach einem im vorhinein festgelegten Plan standardisiert (zB in Fertigungsstraßen) oder nach bestimmten Kundenwünschen individuell verarbeitet wurden. Unter diesen Voraussetzungen ist insbesondere auch eine größere Produktpalette oder eine Vielzahl potenziell zu verbindender Einzelteile kein Hindernis, solange das Produkt einer vom Hersteller standardmäßig angebotenen Palette entspricht. Werden dagegen Gebrauchtteile mit verbaut (vgl BSG Urteil vom 24.4.2008 - B 4 RS 31/07 R - Juris RdNr 18) oder treten individuelle Kundenwünsche, wie der zusätzliche Einbau von besonders gefertigten Teilen oder der Bau eines zwar aus standardisierten Einzelteilen bestehenden, so aber vom Hersteller nicht vorgesehenen und allein auf besondere Anforderungen gefertigten Produkts, in den Vordergrund, entfällt der Bezug zur industriellen Massenproduktion (vgl Senatsurteile vom 19.7.2011 - B 5 RS 7/10 R - BSGE 108, 300 = SozR 4-8570 § 1 Nr 18, RdNr 31 und vom 9.10.2012 - B 5 RS 5/11 R - Juris RdNr 24).

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Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des LSG vorbehalten.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.