Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 28. Aug. 2014 - L 7 R 117/12

ECLI:ECLI:DE:LSGSH:2014:0828.L7R117.12.0A
bei uns veröffentlicht am28.08.2014

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 8. August 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Anerkennung weiterer Beitragszeiten in der Rentenversicherung wegen eines Ghetto-Aufenthalts der Klägerin.

2

Die Klägerin ist 1929 in S... in Polen geboren. Sie ist jüdischen Glaubens, wanderte im Januar 1947 in die USA aus und ist US-Staatsbürgerin. Sie ist als Vertriebene nach § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) anerkannt. In dem Antrag auf Entschädigung hatte sie am 14. Oktober 1954 erklärt, sie habe in der Zeit vom 15. April 1940 bis 27. Juli 1944 im Ghetto S... zugebracht. Anschließend sei sie bis zum 16. Januar 1945 in das Konzentrationslager A..., dann bis zum 20. März 1945 in das Konzentrationslager R... und danach bis zum 21. Mai 1945 in das Konzentrationslager Ra... verbracht worden. Hierzu hatte die Klägerin Zeugenbestätigungen beigefügt. In einer Aussage vom 16. November 1954 hatte sie ausgeführt, sie habe im Ghetto S... von März 1940 bis Oktober 1942 gelebt, dann sei das Ghetto liquidiert worden. Von Oktober 1942 bis Juli 1944 habe sie im Arbeitslager S... zugebracht. Am 27. Juli 1944 sei sie nach Auschwitz transportiert worden.

3

Ausweislich einer von der ZRBG-Lenkungsgruppe nach dem Juni 2009 erstellten Liste wurde in S... am 1. Januar 1940 ein offenes Ghetto eingerichtet, das am 2. April 1941 in ein geschlossenes Ghetto umgewandelt wurde. Am 29. Oktober 1942 wurde das Ghetto aufgelöst. Zuvor hatte der Beklagten eine Liste vorgelegen, derzufolge das Ghetto vom 2. April 1941 bis zum 29. Oktober 1942 bestand, parallel dazu waren danach von den Bewohnern bis Juli 1944 in dem Rüstungsbetrieb und Eisenerzbergwerk der Hermann-Göring-Werke Zwangsarbeiten verrichtet worden.

4

Am 6. Oktober 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung der Aufenthaltszeiten in dem Ghetto. Als Beschäftigungszeitraum gab sie die Zeit von 1940 bis 1942 an. Sie teilte mit, sie habe den Bahnhof reinigen und Abfall aufsammeln müssen. Hierfür habe sie Entgelt und Verpflegung (marks and food) erhalten. Die Tätigkeit habe ihr der Judenrat vermittelt. Zum Beweis bezog sie sich auf die Unterlagen des BEG-Verfahrens.

5

Die Landesversicherungsanstalt Hamburg als Rechtsvorgängerin der Beklagten zog diese Unterlagen bei. Mit Bescheid vom 7. Juli 2005 lehnte sie den Rentenantrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe keine Wartezeit für einen Rentenanspruch zurückgelegt. Die Zeit vom 15. April 1940 bis zum 1. April 1941 könne nicht als Zeit einer Beschäftigung in einem Ghetto anerkannt werden, weil das Ghetto noch nicht errichtet gewesen sei. Die Zeit vom 2. April 1941 bis zum 29. Oktober 1942 könne nicht als Beschäftigungszeit anerkannt werden, weil es nicht glaubhaft sei, dass die Klägerin im Kindesalter eine entgeltliche Beschäftigung auf freiwilliger Basis ausgeübt habe. Mit ihrem Widerspruch vom 1. August 2005 trug die Klägerin zum Zeitraum vom 2. April 1941 bis 29. Oktober 1942 vor, die Beklagte habe auch in anderen Verfahren für jüngere Jahrgänge Beschäftigungszeiten anerkannt. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2005 zurück. Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Lübeck (S 20 R 949/05) mit Urteil vom 9. April 2008 ab. In dem darauffolgenden Berufungsverfahren bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (L 12 R 165/08) gab die Beklagte am 7. August 2009 ein Anerkenntnis ab und erkannte die Zeit von April 1941 bis Oktober 1942 als Beschäftigungszeit in einem Ghetto an. Die Klägerin erklärte daraufhin den Rechtsstreit für erledigt.

6

In Ausführung des Anerkenntnisses vom 7. August 2009 erließ die Beklagte am 26. Januar 2010 den angefochtenen Bescheid, mit dem sie der Klägerin ab 1. Oktober 2003 eine Regelaltersrente in Höhe von 190,18 EUR und eine Nachzahlung für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis zum 28. Februar 2010 in Höhe von 15.913,27 EUR gewährte. Dagegen legte die Klägerin am 5. Februar 2010 Widerspruch ein, mit dem sie die Zeit vom 15. April 1940 bis 1. April 1941 als weitere Beschäftigungszeit geltend machte. Sie führte aus, die Beklagte habe in ihrem Anerkenntnis vom 7. August 2009 nur die Zeit ab 2. April 1941 als Beschäftigungszeit anerkannt, die übrige Zeit sei jedoch auch beantragt worden und Gegenstand des Verwaltungsverfahrens gewesen. Die Rechtsauffassung über die Eröffnung des Ghettos in S... habe sich zwischenzeitlich geändert. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2010 als unzulässig zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Bescheid vom 26. Januar 2010 habe lediglich das Anerkenntnis vom 7. August 2009 ausgeführt. Die Klägerin mache über dieses Anerkenntnis hinaus weitere Beitragszeiten geltend, da sich die Erkenntnisse über die Eröffnung des Ghettos inzwischen geändert hätten. Ihr Widerspruchsschreiben solle als Überprüfungsantrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) angesehen werden.

7

Gegen die Entscheidung hat die Klägerin am 28. Dezember 2010 beim Sozialgericht Lübeck Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, das Anerkenntnis der Beklagten habe nur eine verfahrensbeendende und damit prozessrechtliche, jedoch keine materiell-rechtliche Bindungswirkung gehabt. Es stehe nur einer neuen Klage gegen den alten Bescheid entgegen. Es sei jedoch zulässig, jederzeit neue Leistungsanträge zu stellen, über die die Beklagte sachlich zu entscheiden habe. Der Amtsermittlungsgrundsatz zwinge sie dabei, alle aktuellen Kenntnisse in ihre Entscheidung einzubeziehen. Die materielle Wahrheit gebiete die Berücksichtigung der weiteren Zeiten. Anderenfalls müsse die Beklagte sehenden Auges einen falschen Ausführungsbescheid erlassen. Es sei außerdem zu berücksichtigen, dass in den Rentenverfahren wegen Beschäftigungen in einem Ghetto entschädigungsrechtliche Rechtsanwendungsgrundsätze zu berücksichtigen seien. § 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) verweise auf das Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) und damit auf einen Schadensausgleich für nationalsozialistisches Unrecht. Auch das BEG diene dem Entschädigungsgedanken. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) habe der Entschädigungsgedanke Vorrang vor der Wahrung des sozialversicherungsrechtlichen Systems. Der Ausgleich des erlittenen Schadens der Ghettobewohner sei oberster Auslegungsgedanke der übrigen Gesetze. Schon der Bundesgerichtshof (BGH) habe in seiner früheren Rechtsprechung zum Entschädigungsrecht entsprechend entschieden. Auch in der Literatur sei dieser Grundsatz anerkannt. Danach sei jede mögliche Auslegung anderer Leistungsgesetze vorzugswürdig, die die Entschädigung vollziehe. Der Entschädigungsgedanke habe Vorrang vor anderen formalen Bedenken. Der Gesetzgeber habe mit dem grundsätzlichen Rentenbeginn für die Ghetto-Renten ab 1. Juli 1997 eine Grundsatzentscheidung getroffen.

8

Die Klägerin hat beantragt,

9

die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 26. Januar 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2010 zu verurteilen, ihr erhöhte Regelaltersrente unter Anerkennung weiterer Ghetto-Beitragszeiten vom 15. April 1940 bis zum 1. April 1941 ab dem 1. Oktober 2003 zu gewähren,

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ferner die Sprungrevision zuzulassen.

11

Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen

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und sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide bezogen.

14

Mit Urteil vom 8. August 2012 hat das Sozialgericht Lübeck die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Ausführungsbescheid treffe keine eigenständige Regelung, weil er lediglich die Ausführung des Anerkenntnisses umsetze und damit die Regelung wiederhole, die die Beklagte bereits im Anerkenntnis getroffen habe. Der Bescheid regele nichts über das Anerkenntnis hinaus, weil er sich materiell mit weiteren Beitragszeiten nicht auseinandersetze. Ohne eine Regelung über die weiteren Zeiten fehle es dem Bescheid an den Voraussetzungen für eine Anfechtung, die zwingende Zulassungsvoraussetzung einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage sei. Die Klage sei daher unzulässig. Ein Ausführungsbescheid habe ausnahmsweise dann eine Regelungswirkung, wenn er in Ausführung eines Urteils ergehe, das für die Höhe und Dauer des Leistungsanspruchs zu unbestimmt sei und daher noch konkretisiert werden müsse. Dies sei bei dem Bescheid vom 26. Januar 2010 nicht der Fall, da die Beklagte bereits in ihrem Anerkenntnis den Beschäftigungszeitraum angegeben habe. Die nachträglich von der Klägerin geltend gemachte weitere Beitragszeit werde von dem Bescheid nicht berührt, da der darüber keine Entscheidung treffe. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Klägerin dem Ausführungsbescheid mit dem Argument widersprochen hätte, die zugleich anerkannten Ersatzzeiten seien fehlerhaft berechnet worden; diese seien aber zwischen den Beteiligten unstreitig. Mit der Unzulässigkeit der Anfechtungsklage verbinde sich die Unzulässigkeit der unechten Leistungsklage, für die nur dann ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe, wenn über das verfolgte Begehren zuvor eine Verwaltungsentscheidung ergangen sei. Zu Unrecht verweise die Klägerin auf die vorzugswürdige Auslegung durch Gedanken der Wiedergutmachung und durch entschädigungsrechtliche Elemente. Denn hinsichtlich des Gegenstandes des Ausführungsbescheides komme eine andere Auslegung nicht in Betracht. Vielmehr enthalte er nach allen Auslegungsmethoden keine Regelung.

15

Gegen die ihrem Prozessbevollmächtigten am 4. September 2012 zugestellte Entscheidung richtet sich die Berufung der Klägerin, die am 18. September 2012 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Die Klägerin nimmt Bezug auf ihren Vortrag vor dem Sozialgericht und führt ergänzend aus, die Beklagte habe im vorangegangenen Gerichtsverfahren materiell lediglich ein Teilanerkenntnis zur Verfahrenserledigung abgegeben. Ihr Anerkenntnis habe nur die Zeit von April 1941 bis Dezember 1942 betroffen. Nach der Rechtsprechung des BSG seien bei einem Streit um höhere Leistungen grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen. Der Ausführungsbescheid habe eine Regelungsfunktion, wenn er nicht nur das Anerkenntnis ausführe, sondern auch die Höhe der Leistung konkretisiere. Das sei bei dem Bescheid vom 26. Januar 2010 der Fall gewesen. Nach dem Anerkenntnis der Beklagten in dem vorangegangenen Gerichtsverfahren seien die weiteren geltend gemachten Zeiten streitig geblieben. Das Sozialgericht habe in seiner Entscheidung den Wiedergutmachungsgedanken völlig außer Acht gelassen.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 8. August 2012 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 26. Januar 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2010 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihr unter Berücksichtigung der weiteren Beschäftigungszeiten in einem Ghetto von 15. April 1940 bis 1. April 1941 die erhöhte Altersrente ab 1. Juli 1997 zu gewähren.

18

Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

20

Sie bezieht sich auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.

21

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten, die Verfahrensakte S 20 R 949/05 des Sozialgerichts Lübeck = L 12 R 165/08 sowie die Prozessakte vorgelegen. Zur Ergänzung der Einzelheiten wird darauf Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 8. August 2012 ist zulässig. Insbesondere ist sie gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts Lübeck ist sachlich und rechtlich nicht zu beanstanden. Zu Recht hat es entschieden, dass die Klage gegen den Bescheid vom 26. Januar 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2010 unzulässig sei. Insbesondere hat es auch zutreffend entschieden, dass bereits der Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. Januar 2010 der Klägerin unzulässig sei.

23

Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid vom 26. Januar 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2010 im Wege der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Deren Voraussetzungen richten sich nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG. Danach kann durch die Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage setzt danach einen Verwaltungsakt als Verfahrensgegenstand voraus. Ein Verwaltungsakt ist nach § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Maßgeblich in diesem Zusammenhang ist die Regelungsfunktion, die nach dieser Begriffsdefinition wesensgemäße Voraussetzung für einen Verwaltungsakt ist (Waschull in Diering/Timme/Waschull, Sozialgesetzbuch X 3. Aufl. 2011, § 31 Rdn. 27). Solange eine solche Regelung in diesem Sinne nicht getroffen ist, ist eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht zulässig.

24

An diesen Voraussetzungen fehlt es bei dem Bescheid vom 26. Januar 2010. Denn er führt lediglich das von der Klägerin angenommene Anerkenntnis der Beklagten vom 7. August 2009 in dem Verfahren L 12 R 165/08 aus. Klagen gegen Bescheide sind unzulässig, soweit diese lediglich Gerichtsentscheidungen oder abgegebene Anerkenntnisse ausführen, ohne selbst eine Regelung über den bereits in dem Urteil oder in dem Anerkenntnis erfolgten Entscheidungsgegenstand hinaus zu treffen (BSG vom 21. Oktober 1998 – B 6 KA 65/97 R - SozR §-2500 § 85 Nr. 27; BSG vom 18. September 2003 – B 9 V 82/02 B – juris). Denn die Rechtslage wurde in einem derartigen Fall bereits durch das Urteil oder durch das abgegebene Anerkenntnis gestaltet. Der Ausführungsbescheid vollzieht diese Rechtsgestaltung lediglich nach.

25

Der Bescheid vom 26. Januar 2010 ist ein Ausführungsbescheid in diesem vorbezeichneten Sinne. Maßgeblich für seine Qualifikation sind die von den Beteiligten in dem Verfahren L 12 R 165/08 abgegebenen Erklärungen. Hierbei handelte es sich um Prozesserklärungen, deren Inhalt nach den Grundsätzen des § 133 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auszulegen sind (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, Vor § 60 Rz. 11a). Prozesserklärungen sind danach in prozessualem Rahmen abgegebene Willenserklärungen im Sinne des BGB. Der Inhalt dieser Erklärungen ist so auszulegen, wie der Empfänger ihn nach den gesamten Umständen des Einzelfalls verstehen musste. Dabei sind alle Umstände zu beachten, insbesondere der Wortlaut der Erklärungen, die sonstigen Schriftsätze, vorher zu Protokoll gegebene Erklärungen und Verwaltungsvorgänge (Keller, a.a.O., unter Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des BSG, BGH und BVerwG). Die Auslegung ist nicht wortlautgetreu vorzunehmen, hat jedoch die Grundsätze des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz zu beachten. Unter Anwendung dieser Grundsätze ist das Anerkenntnis der Beklagten in dem Verfahren L 12 R 165/08 vom 7. August 2009 dahingehend auszulegen, dass sie den Rechtsstreit in vollem Umfang beenden und den Streitstoff insgesamt durch das Anerkenntnis erfassen wollte. Darauf deutet insbesondere die Übernahme der vollständigen Verfahrenskosten dem Grunde nach durch die Beklagte hin. Von einer Fortführung des Verfahrens L 12 R 165/08 war in dem Anerkenntnis nicht die Rede. Das Anerkenntnis der Beklagten ist danach nach vernünftigen Auslegungsgrundsätzen so auszulegen, dass der Rechtsstreit nicht hinsichtlich weiterer Verfahrensgegenstände fortgeführt werden sollte. So muss auch die Klägerin die Erklärung verstanden haben, die in ihrer Erklärung am 20. August 2009 ausgeführt hat, der Rechtsstreit werde „aufgrund des Anerkenntnisses der Beklagten für erledigt erklärt“. Auch sie hat keine teilweise Erledigungserklärung erwähnt. Somit durfte weder die Klägerin aufgrund der Erklärung der Beklagten noch die Beklagte aufgrund der Erklärung der Klägerin davon ausgehen, dass wegen weiterer geltend gemachter Zeiten der Rechtsstreit fortgeführt werden solle. Auch in der Folgezeit ist die Klägerin offensichtlich nicht davon ausgegangen, denn sie hat das Verfahren L 12 R 165/08 abgerechnet, nicht jedoch auf eine Fortsetzung des Verfahrens gedrängt. Dies wäre jedoch konsequente Folge gewesen, wenn sie ihrerseits von einer Fortsetzung des Rechtsstreits wegen der weiteren Beschäftigungszeit vom 15. April 1940 bis 1. April 1941 als weiterem – noch nicht erledigtem – Verfahrensgegenstand ausgegangen wäre. Allerdings setzt die Erledigung des Rechtsstreits regelmäßig die übereinstimmende Erklärung der Erledigung in der Hauptsache voraus (Keller, a.a.O., § 125 Rdn. 7). In gleicher Weise erledigt nicht die Abgabe einer Anerkenntniserklärung, sondern gemäß § 101 Abs. 2 SGG nur das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs den Rechtsstreit in der Hauptsache. Das bedeutet, dass zwei korrespondierende Erklärungen sowohl für den Fall der Erledigungserklärung als auch für den Fall des Anerkenntnisses vorliegen müssen. Streng genommen fehlt es in dem Rechtsstreit L 12 R 165/08 an zwei derartigen korrespondierenden Erklärungen, jedoch ist nach dem regelrechten Verständnis davon auszugehen, dass die Beklagte bei Abgabe ihres Anerkenntnisses vom 7. August 2009 davon ausging, dass mit der Annahme des Anerkenntnisses der Rechtsstreit erledigt sei. Ebenso ist die Erklärung der Klägerin vom 20. August 2009 so auszulegen, dass sie das abgegebene Anerkenntnis annehme. Jedenfalls das dargestellte Verhalten beider Verfahrensbeteiligter deutet darauf hin, dass sie von einer derartigen Erledigungswirkung ihrer Erklärungen ausgegangen waren. Daher ist davon auszugehen, dass der Rechtsstreit L 12 R 165/08 tatsächlich erledigt war.

26

Angesichts dessen ist es unerheblich, ob die geltend gemachte Zeit vom 15. April 1940 bis 1. April 1941 überhaupt Gegenstand des Verfahrens L 12 R 165/08 gewesen ist. Zweifel daran können bereits deshalb aufkommen, weil die Klägerin mit ihrem Widerspruch vom 1. August 2005 gegen den Bescheid vom 7. Juli 2005 lediglich auf eine Versicherungszeit vom 2. April 1941 bis zum 29. Oktober 1942 Bezug genommen hat.

27

Die Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid vom 26. Januar 2010 das Anerkenntnis vom 7. August 2009 ausgeführt, soweit es die Zeiträume der Beschäftigung in einem Ghetto betraf. Insoweit besteht Identität zwischen der Anerkenntniserklärung der Beklagten und den im angefochtenen Bescheid zuerkannten Zeiten. Nach der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.) kann ein Bescheid auch in derartigen Fällen der Ausführung eines Anerkenntnisses Regelungswirkung entfalten, wenn er eine Aussage über weitere Tatbestände trifft, die noch nicht in dem Anerkenntnis – Gleiches gilt für die Ausführung eines Urteils – geregelt waren, beispielsweise wenn es um die Bewertung der anerkannten Zeiten oder die Berechnung einer daraus folgenden Rente geht. Um eine derartige Regelung geht es der Klägerin in diesem Verfahren jedoch nicht, vielmehr wendet sie sich allein gegen den Umfang der anerkannten Versicherungszeiten. Damit fehlt es dem Bescheid an einer Regelung.

28

Die gleichen Grundsätze, die für die Zulässigkeit einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG gelten, gelten auch für die Erhebung eines Widerspruchs. Denn gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG sind vor Erhebung der Anfechtungsklage Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Das Vorverfahren geht einer Anfechtungsklage und gemäß § 78 Abs. 3 SGG einer Verpflichtungsklage als zwingende Verfahrensvoraussetzung voraus. Dieselben Zulässigkeitsanforderungen dieser beiden Klagearten gelten daher auch für das Widerspruchsverfahren.

29

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht zulässig, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens weitere Streitgegenstände einzubringen, die noch nicht Gegenstand des angefochtenen Verwaltungsbescheides waren (BSG vom 30. März 2004 - B 4 RA 48/01 R, juris). Denn eine Widerspruchsbehörde ist funktional und sachlich unzuständig, anstelle der Ausgangsbehörde über ein erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemachtes Begehren „erstinstanzlich“ zu entscheiden. Dies wäre ein Verfahrensfehler im Sinne der §§ 62 Halbsatz 2 und 42 Satz 1 SGB X (BSG vom 23. Juni 1994 – 4 RK 3/93, SozR 3-1500 § 87 Nr. 1). Insbesondere ein Ausführungsbescheid kann danach mit dem Widerspruch nur insoweit angegriffen werden, als es um die richtige Ausführung des angenommenen Anerkenntnisses geht, nicht aber mit zur Begründung eingebrachten weiteren Verfahrensgegenständen.

30

Diese Verfahrensgrundsätze sind auch in Entschädigungsverfahren, insbesondere in Verfahren über Ansprüche im Sinne des § 1 ZRBG anwendbar. Es würde einen Verstoß gegen zwingendes Gesetzesrecht und damit einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz bedeuten, wenn eine Verwaltung oder ein Gericht von ihnen abweichen würde. Zwar ist nicht zu verkennen, dass dem ZRBG infolge seines Verweises in § 1 Abs. 2 auf das WGSVG entschädigungsrechtliche Elemente enthalten sind. Zum Verfolgtengesetz – dem Vorgängergesetz zum WGSVG – und zu dessen Anwendungsgrundsätzen hat das BSG mit Urteil vom 26. Juni 1959 – 1 RA 118/57, BSGE 10, S. 113) ausgeführt: „Das Verfolgtengesetz ist zwar als eine Ergänzung zu den Sozialversicherungsgesetzen erlassen worden, so dass die Schlussfolgerung der Beklagten naheliegt; es gehört ideenmäßig und inhaltlich aber mit zu jenen Gesetzen, die der Wiedergutmachung des durch nationalsozialistische Verfolgungen erlittenen Unrechts dienen. Es ist heute ein wesentlicher Bestandteil des Entschädigungsrechts. Das BEG vom 29. Juni 1956 sieht bei der Regelung von Schäden, die im beruflichen und wirtschaftlichen Fortkommen und in der Alterssicherung eingetreten sind, von eigenen Vorschriften für Schäden in der Sozialversicherung ab und weist stattdessen ausdrücklich auf das Verfolgtengesetz hin (§§ 5, 138 BEG). Die dem Entschädigungsrecht zugrunde liegenden allgemeinen Gedanken müssen deshalb die Auslegung des Verfolgtengesetzes bestimmen. Bei diesem Gesetz gebührt dem Prinzip der Wiedergutmachung der Vorrang gegenüber dem Grundsatz der Wahrung des sozialversicherungsrechtlichen Systems“. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 22. Februar 2001 (IX ZR 113/00, BGH-Report 2001, 372) ausgeführt: „Gleichwohl ist bei der Handhabung der Vorschrift dem mit ihr verfolgten Zweck im Rahmen des Möglichen weitestgehend Rechnung zu tragen. Dies ist umso mehr geboten, als sich nach der Erfahrung des Senats die Regelung des § 35 Abs. 2 BEG unterdessen einseitig zu Lasten der Verfolgten auswirkt. Der Zweck der Entschädigungsgesetzgebung geht dahin, das zugefügte Unrecht sobald und soweit wie irgend möglich wiedergutzumachen. Der Senat hat deshalb wiederholt betont, dass eine Gesetzesauslegung, die möglich ist und diesem Ziel entspricht, den Vorzug gegenüber jeder anderen Auslegung verdient, die die Wiedergutmachung erschwert oder zunichte macht“.

31

Beide Entscheidungen betonen folglich, dass der Entschädigungsgedanke und das mit dem Gesetzeszweck verfolgte Ziel, die Folgen des nationalsozialistischen Unrechts für die Betroffenen auszugleichen oder zu mindern, hochrangiges oder oberstes Ziel bei der Auslegung im Rahmen der Gesetzesanwendung ist. Mit der Vorgabe dieses Rahmens ist aber auch die Grenze für den Entschädigungsgedanken gezogen. Diese liegt dort, wo eine Gesetzesauslegung überschritten und neues normatives Recht geschaffen würde. Der BGH betont ausdrücklich, dass die Auslegung möglich sein müsse. Auch das BSG führt aus, dass der Gesetzeszweck im Wege der Gesetzesauslegung verfolgt werden müsse. Dies bedeutet zugleich, dass die allgemeinen Auslegungsgrundsätze beachtet werden müssen. Keinesfalls kann der Entschädigungsgedanke jedoch dahin gehen, dass gegen Gesetzesrecht verstoßen wird. Dies gilt umso mehr, wenn es sich bei diesem Gesetzesrecht um althergebrachte Verfahrensgrundsätze handelt. Dem entspricht auch die neuere Rechtsprechung des BSG zum ZRBG, insbesondere zur Frage der Anwendbarkeit des § 44 Abs. 4 SGB X und dort der Grenzen der infolge einer Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts gemäß § 44 Abs. 4 SGB X nachzuzahlenden Leistungen (Urteil vom 7. Februar 2012 - B 13 R 40/11 R, SozR 4-5075 § 3 Nr. 2; Urteil vom 10. Dezember 2013 – B 13 R 63/11 R, juris). Trotz des Bezuges zum ZRBG hat dort das BSG die zwingende Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X den Anspruch begrenzend ausgelegt und dies unter Heranziehung höherrangigen Rechts begründet. Die von der Klägerin ergänzend zur Begründung herangezogenen Auslegungsgrundsätze führen daher nicht zu einem weitergehenden Anspruch. Der Senat folgt dieser Rechtsprechung und hält auch in Verfahren mit entschädigungsrechtlichem Inhalt die zwingenden prozessrechtlichen Vorschriften für vorrangig gegenüber der Durchsetzung des materiellen Anspruchs.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

33

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.


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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Dieses Gesetz gilt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn

1.
die Beschäftigung
a)
aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist,
b)
gegen Entgelt ausgeübt wurde und
2.
das Ghetto in einem Gebiet des nationalsozialistischen Einflussbereichs lag,
soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird. Als System der sozialen Sicherheit ist jedes System anzusehen, in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen wurden, um sie und ihre Hinterbliebenen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes oder für einen oder mehrere dieser Fälle durch regelmäßig wiederkehrende Geldleistungen zu sichern.

(2) Dieses Gesetz ergänzt die rentenrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung.

(3) Ein Anspruch auf eine Rente besteht auch, wenn die zur Leistungspflicht nach zwischen- oder überstaatlichem Recht erforderliche Mindestanzahl an rentenrechtlichen Zeiten für die Berechnung der Rente nicht vorliegt.

(4) Die auf Grund dieses Gesetzes gezahlten Renten gelten nicht als Leistungen der sozialen Sicherheit.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften.

(1) Um den geltend gemachten Anspruch vollständig oder zum Teil zu erledigen, können die Beteiligten zu Protokoll des Gerichts oder des Vorsitzenden oder des beauftragten oder ersuchten Richters einen Vergleich schließen, soweit sie über den Gegenstand der Klage verfügen können. Ein gerichtlicher Vergleich kann auch dadurch geschlossen werden, dass die Beteiligten einen in der Form eines Beschlusses ergangenen Vorschlag des Gerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters schriftlich oder durch Erklärung zu Protokoll in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht annehmen.

(2) Das angenommene Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs erledigt insoweit den Rechtsstreit in der Hauptsache.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn

1.
ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder
2.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
3.
ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will.

(2) (weggefallen)

(3) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Dieses Gesetz gilt für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, wenn

1.
die Beschäftigung
a)
aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist,
b)
gegen Entgelt ausgeübt wurde und
2.
das Ghetto in einem Gebiet des nationalsozialistischen Einflussbereichs lag,
soweit für diese Zeiten nicht bereits eine Leistung aus einem System der sozialen Sicherheit erbracht wird. Als System der sozialen Sicherheit ist jedes System anzusehen, in das in abhängiger Beschäftigung stehende Personen durch öffentlich-rechtlichen Zwang einbezogen wurden, um sie und ihre Hinterbliebenen für den Fall der Minderung der Erwerbsfähigkeit, des Alters und des Todes oder für einen oder mehrere dieser Fälle durch regelmäßig wiederkehrende Geldleistungen zu sichern.

(2) Dieses Gesetz ergänzt die rentenrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung.

(3) Ein Anspruch auf eine Rente besteht auch, wenn die zur Leistungspflicht nach zwischen- oder überstaatlichem Recht erforderliche Mindestanzahl an rentenrechtlichen Zeiten für die Berechnung der Rente nicht vorliegt.

(4) Die auf Grund dieses Gesetzes gezahlten Renten gelten nicht als Leistungen der sozialen Sicherheit.

(1) Anspruch auf Entschädigung besteht nicht, soweit der Anspruch auf Wiedergutmachung des Schadens seiner Rechtsnatur nach unter besondere, im Geltungsbereich dieses Gesetzes geltende Rechtsvorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts fällt. Rechtsvorschriften im Sinne des Satzes 1 sind insbesondere

die Rechtsvorschriften zur Rückerstattung feststellbarer Vermögensgegenstände und zur Regelung der rückerstattungsrechtlichen Geldverbindlichkeiten des Deutschen Reiches und gleichgestellter Rechtsträger,die Rechtsvorschriften für die Übertragung von Organisationsvermögen,die Rechtsvorschriften zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes,die Rechtsvorschriften zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung und in der Kriegsopferversorgung.

(2) Anspruch auf Entschädigung besteht auch dann nicht, wenn der Anspruch auf Wiedergutmachung des Schadens nur deshalb nicht unter besondere Rechtsvorschriften im Sinne des Absatzes 1 fällt, weil diese in ihrer räumlichen Geltung beschränkt sind oder weil der Verfolgte seinen Anspruch auf Grund besonderer Rechtsvorschriften im Sinne des Absatzes 1 wegen Fristversäumnis nicht mehr geltend machen kann.

(3)

Die Wiedergutmachung für Schaden, den der Verfolgte oder seine Hinterbliebenen in der Sozialversicherung erlitten haben, richtet sich nach den hierfür geltenden besonderen Rechtsvorschriften, insbesondere nach demGesetz über die Behandlung der Verfolgten des Nationalsozialismus in der Sozialversicherung;befristete Anträge nach diesen Rechtsvorschriften können bis zum Ablauf des 30. September 1966 gestellt werden.

(1) Haben sich die Verhältnisse, die der Bemessung der Rente zugrunde gelegt waren, nachträglich so geändert, daß die auf Grund der veränderten Verhältnisse neu errechnete Rente insgesamt um mindestens 10 vom Hundert von der festgesetzten Rente abweicht, so ist die Rente neu festzusetzen.

(2) Hat der Verfolgte das 68. Lebensjahr vollendet, so ist die Rente nur dann neu festzusetzen, wenn die auf Grund der veränderten Verhältnisse errechnete Rente jeweils um mindestens 30 vom Hundert von der festgesetzten Rente abweicht.

(3) § 32 Abs. 2 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24. März 2011 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten für das Klage- und Revisionsverfahren sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen früheren Beginn der Regelaltersrente der Klägerin.

2

Die im Dezember 1924 in Polen geborene Klägerin ist israelische Staatsangehörige und lebt in Israel. Sie ist anerkannte Verfolgte des Nationalsozialismus und hat eine Entschädigung nach dem Bundesentschädigungsgesetz erhalten.

3

Die Klägerin hatte im September 2002 einen Antrag auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung im Ghetto Ostrowiec zurückgelegter Ghetto-Beitragszeiten von Anfang 1940 bis März 1943 nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) gestellt. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 19.11.2004 den Anspruch mit der Begründung abgelehnt, es sei nicht glaubhaft, dass die Klägerin eine entgeltliche Beschäftigung aus freiem Willensentschluss in einem Ghetto ausgeübt habe; bei den behaupteten Arbeiten habe es sich vielmehr um Zwangsarbeiten gehandelt, die nach dem ZRBG nicht zu berücksichtigen seien. Die hier gegen erhobenen Rechtsbehelfe blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24.5.2005; Urteil des SG Düsseldorf vom 22.2.2007 - S 12 (22) R 324/05).

4

Auf den im August 2009 gestellten Antrag der Klägerin auf Überprüfung der ablehnenden Bescheide erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 25.3.2010 den Zeitraum vom 1.4.1941 bis 31.3.1943 als Beitragszeit nach dem ZRBG an; sie gewährte Regelaltersrente ab dem 1.1.2005 mit einem Zugangsfaktor 1,900; es ergab sich eine laufende Rentenzahlung in Höhe von 281,62 Euro monatlich ab April 2010 sowie eine Nachzahlung von 18 924,69 Euro (für die Zeit vom 1.1.2005 bis 31.3.2010). Der auf einen früheren Rentenbeginn gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 5.8.2010). Sie habe ihre ablehnende Entscheidung (Bescheid vom 19.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.5.2005) gemäß § 44 SGB X überprüft und mit dem nun angefochtenen Bescheid die begehrte Rente bewilligt. Nach § 44 Abs 4 SGB X würden bei Rücknahme eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem die Rücknahme beantragt worden sei. Ausgehend von dem am 11.8.2009 gestellten Überprüfungsantrag werde die Rente daher zutreffend ab dem 1.1.2005 geleistet.

5

Das SG hat die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 25.3.2010, des Widerspruchsbescheids vom 5.8.2010 verurteilt, unter Rücknahme des Bescheids vom 19.11.2004 und des Widerspruchsbescheids vom 24.5.2005, die Regelaltersrente der Klägerin insofern nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen neu festzustellen, als die Rente bereits am 1.7.1997 beginne und dementsprechend eine weitere Nachzahlung für die Zeit vom 1.7.1997 bis 31.12.2004 zu leisten sei (Urteil vom 24.3.2011): Es lägen die Voraussetzungen einer Neufeststellung der Altersrente gemäß § 44 Abs 1 SGB X vor. Unter Berücksichtigung der geänderten Rechtsprechung des BSG vom 2. und 3.6.2009 (BSG <13. Senat> vom 2.6.2009 - BSGE 103, 190 = SozR 4-5075 § 1 Nr 7; BSGE 103, 201 = SozR 4-5075 § 1 Nr 5 und B 13 R 85/08 R; BSG <5. Senat> vom 3.6.2009 - BSGE 103, 220 = SozR 4-5075 § 1 Nr 8; B 5 R 66/08 R) könne die Klägerin auf ihren im September 2002 gestellten Rentenantrag bereits ab 1.7.1997 Altersrente beanspruchen. Dies folge aus § 3 Abs 1 ZRBG iVm § 99 Abs 1 SGB VI, wonach ein vor Juli 2003 gestellter Rentenantrag als schon am 18.6.1997 gestellt gelte. Auch aus den Gesetzesmaterialien (Hinweis auf BT-Drucks 14/8583, S 3 und 6) folge, dass eine rückwirkende Rentenzahlung ab 1.7.1997 sichergestellt werden sollte. Diesem Anspruch stünden weder § 44 Abs 4 SGB X noch § 100 Abs 4 SGB VI entgegen, die aus Gründen der allgemeinen Gleichbehandlung(Art 3 Abs 1 GG) im Wege verfassungskonformer Auslegung nicht anzuwenden seien. Vorrangig seien vielmehr die speziellen Vorschriften von § 99 Abs 1 S 2 SGB VI iVm § 3 Abs 1 und Abs 2 ZRBG einschlägig.

6

Diese Gesetzesauslegung sei geboten, weil ansonsten die Gruppe der "Vorkämpfer" für Ghetto-Renten ungerechtfertigt von den Vorteilen der geänderten Rechtsprechung zum ZRBG ausgeschlossen bliebe. Diese Konstellation sei mit jener vergleichbar, wie sie dem Urteil des BSG vom 3.5.2005 (BSGE 94, 294 = SozR 4-2600 § 306 Nr 1) zur Nichtanwendung von § 306 SGB VI bei Bestandsrentnern, die in Ghettos gearbeitet haben, zu Grunde gelegen habe. Es sei nicht hinzunehmen, dass ein Teil der Gruppe, die ihren Rentenantrag fristgerecht noch vor Juli 2003 gestellt habe, Leistungen erst ab Januar 2005 erhalte, während der andere Teil derselben Gruppe Rentenleistungen rückwirkend schon ab 1.7.1997 erhalte. Dieser Teil profitiere nur davon, dass über die Rentenanträge nicht mehr vor den Urteilen des BSG vom 2. und 3.6.2009 (aaO) rechtskräftig entschieden worden sei. Diese Ungleichbehandlung beruhe letztendlich auf der zufälligen Dauer der Verwaltungs- bzw Gerichtsverfahren.

7

Eine solche Ungleichbehandlung gleichgelagerter Sachverhalte sei nicht zu rechtfertigen. Dies werde durch die Rechtsprechung des BSG vom 2. und 3.6.2009 (aaO) und die Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 14/8583 S 6) bestätigt, wonach möglichst alle Verfolgten, die in einem Ghetto eine Beschäftigung ausgeübt haben, in den Genuss der nach dem ZRBG vorgesehenen Rentenzahlungen kommen sollten. Dies gebiete zudem der in den Gesetzesmaterialien (aaO) zum Ausdruck kommende Entschädigungsgedanke. Einer diesem Zweck Geltung verschaffende Gesetzesauslegung sei der Vorzug gegenüber jeder anderen Gesetzesinterpretation zu geben, die die Wiedergutmachung erschwere oder zunichte mache. Diese Auslegungsregel folge insbesondere aus der Entscheidung des BGH vom 22.2.2001 (IX ZR 113/00 - LM BEG 1956 § 35 Nr 37) und des BSG vom 3.5.2005 (BSGE 94, 294 = SozR 4-2600 § 306 Nr 1).

8

Mit ihrer vom SG zugelassenen Sprungrevision, deren Einlegung die Klägerin zugestimmt hat, rügt die Beklagte die Verletzung von § 44 Abs 4 SGB X, § 99 Abs 1 S 2 SGB VI iVm § 3 Abs 1 S 1 ZRBG. Der Anwendung von § 44 Abs 4 SGB X stünden keine spezialgesetzlichen Sonderregelungen entgegen. Insbesondere treffe § 3 Abs 1 S 1 ZRBG keine von § 44 Abs 4 SGB X abweichende Regelung. Demnach gelte ein bis zum 30.6.2003 gestellter Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als am 18.6.1997 gestellt. Der Überprüfungsantrag vom 12.8.2009 sei daher verfristet iS von § 3 Abs 1 S 1 ZRBG. Der Rentenantrag vom September 2002 sei unmaßgeblich, weil er nach § 77 SGG bindend abgelehnt worden sei. Gegen die Annahme, dass auf einen außerhalb der Frist von § 3 Abs 1 S 1 ZRBG gestellten Überprüfungsantrag die Rente immer rückwirkend zum 1.7.1997 gezahlt werden müsse, sprächen der eindeutige Wortlaut der Norm, die Gesetzesbegründung und Entstehungsgeschichte des ZRBG. Eine verfassungskonforme Auslegung unter Rückgriff auf Art 3 Abs 1 GG scheide daher aus. Der sachliche Grund für die Ungleichbehandlung der vom SG gegenübergestellten Vergleichsgruppen sei die bestandskräftige Ablehnung des ersten Rentenantrags. Die vom SG herangezogene zufällige Verfahrensdauer sei unbeachtlich. Das Verfassungsrecht gewichte die Bestandskraft einer Entscheidung grundsätzlich höher als deren Rechtswidrigkeit. Anhaltspunkte für eine willkürliche Rechtsanwendung lägen nicht vor, weil sich die als rechtswidrig erkannten Verwaltungsentscheidungen an dem Urteil des BSG vom 18.6.1997 (BSGE 80, 250 = SozR 3-2200 § 1248 Nr 15) orientiert hätten. Die Klägerin könne aus dem Urteil des BSG vom 3.5.2005 (BSGE 94, 294 = SozR 4-2600 § 306 Nr 1) mangels vergleichbarer Fallgestaltung kein für sie günstigeres Ergebnis herleiten. Es liege auch keine planwidrige Gesetzeslücke vor, die im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung durch die Nichtanwendung von § 44 Abs 4 SGB X zu schließen sei. Bei Verabschiedung des ZRBG sei dem Gesetzgeber die Vorschrift von § 44 SGB X bekannt gewesen, dessen Anwendung er im Geltungsbereich des ZRBG nicht ausgeschlossen habe.

9

Die Beklagte beantragt,

        

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24. März 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

10

Die Klägerin beantragt,

        

die Revision zurückzuweisen.

11

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und verweist ergänzend darauf, dass die Klägerin eine Altersrente von der israelischen Nationalversicherungsanstalt beziehe. Der dieser Rentengewährung zu Grunde liegende Rentenantrag berechtige - unter Berücksichtigung des Senatsurteils vom 19.4.2011 (B 13 R 20/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-6840 Art 27 Nr 1 vorgesehen) - zum rückwirkenden Rentenbezug ab 1.7.1997, unabhängig von der Anwendung von § 44 Abs 4 SGB X.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG die angefochtenen Bescheide der Beklagten abgeändert und die Altersrente bereits ab 1.7.1997 zugesprochen.

13

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung ihrer Altersrente auch für die Zeit vor dem 1.1.2005. Die übrigen im Bescheid vom 25.3.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5.8.2010 enthaltenen Regelungen sind nicht angefochten.

14

Die Bescheide der Beklagten sind im streitigen Umfang nicht rechtswidrig. Eine weitergehende Rückwirkung der im Bescheid vom 25.3.2010 bewilligten Rentenzahlung als, wie dort geregelt, ab 1.1.2005 steht der Klägerin nicht zu.

15

1. In ihrem Falle sind die Voraussetzungen für eine Rücknahme des die Rente nach dem ZRBG ablehnenden Bescheids vom 19.11.2004 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.5.2005) mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 44 Abs 1 SGB X erfüllt. Denn im Sinne des Satzes 1 der Vorschrift hatte sich ergeben, dass bei Erlass des Ablehnungsbescheids das Recht unrichtig angewandt worden war und deshalb Sozialleistungen (hier: die Rente) zu Unrecht nicht erbracht worden waren.

16

Damit war nach Abs 4 S 1 bis 3 der Vorschrift die in der Vergangenheit zu Unrecht nicht gezahlte Rente "längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren" ab Beginn des Jahres der Stellung des Antrags auf Rücknahme zu erbringen. Da die Klägerin den Rücknahme-(Überprüfungs-)Antrag im August 2009 gestellt hatte, ergab sich ein Beginn der rückwirkenden Rentenzahlung am 1.1.2005.

17

2. Einer Anwendung der dargestellten Regelung steht nicht entgegen, dass die Klägerin Berechtigte nach dem ZRBG ist.

18

a) Wie sie zu Recht vorträgt, konnte die Klägerin ihre Ansprüche erst aufgrund der Urteile des BSG vom Juni 2009 (BSG <13. Senat> vom 2.6.2009 - BSGE 103, 190 = SozR 4-5075 § 1 Nr 7; BSGE 103, 201 = SozR 4-5075 § 1 Nr 5 und B 13 R 85/08 R; BSG <5. Senat> vom 3.6.2009 - BSGE 103, 220 = SozR 4-5075 § 1 Nr 8; B 5 R 66/08 R) durchsetzen, die entgegenstehende frühere Rechtsprechung aufgegeben hatten. Wäre zu diesem Zeitpunkt über ihren ursprünglichen Antrag vom September 2002 noch nicht bindend (hier: durch Urteil des SG vom 22.2.2007) - negativ - entschieden gewesen, hätte sie die Zahlung ihrer Rente rückwirkend ab 1.7.1997 (Inkrafttreten des ZRBG nach Art 3 Abs 2 des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto und zur Änderung des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch vom 20.6.2002, BGBl I 2074) beanspruchen können. Aus diesen Umständen kann die Klägerin jedoch keine weitergehenden Ansprüche als nach § 44 SGB X ableiten.

19

Nach § 77 SGG ist ein Verwaltungsakt für die Beteiligten in der Sache bindend, wenn der dagegen eingelegte Rechtsbehelf erfolglos geblieben ist, "soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist". Als gesetzliche Regelung, mit deren Hilfe die Klägerin die Bindungswirkung des Ablehnungsbescheids vom November 2004 überwinden kann, kommt lediglich die Vorschrift des § 44 SGB X in Betracht.

20

Sie gilt für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Behörden, die nach dem SGB ausgeübt wird (§ 1 Abs 1 S 1 SGB X). Hierzu gehört auch die Ausführung des ZRBG, das der Gesetzgeber als Spezialregelung zu dem im SGB VI geregelten Recht der gesetzlichen Rentenversicherung konzipiert hat. Dies geht insbesondere aus der Regelung des § 1 Abs 2 ZRBG hervor, wonach dieses Gesetz "die rentenrechtlichen Vorschriften des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung" (WGSVG) ergänzt; nach § 7 WGSVG ergänzen jedoch wiederum diese Vorschriften "zugunsten von Verfolgten die allgemein anzuwendenden Vorschriften des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch". Nichts anderes ergibt sich aus den in § 3 ZRBG in Bezug genommenen Begriffen des Rechts der gesetzlichen Rentenversicherung("Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung", "Zugangsfaktor", "Wartezeit", "Rente wegen Alters").

21

b) Eigene einschlägige Bestimmungen, die zugunsten der Klägerin als Spezialregelung dem § 44 SGB X vorgehen könnten, enthält das ZRBG nicht.

22

Eine solche Bestimmung ist insbesondere nicht die Regelung des § 3 Abs 1 S 1 ZRBG. Nach dieser Vorschrift gilt "ein bis zum 30. Juni 2003 gestellter Antrag auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung (…) als am 18. Juni 1997 gestellt". Die Vorschrift regelt schon nach ihrem Wortlaut - anders als etwa § 17c WGSVG - nicht selbst unmittelbar den Rentenbeginn, sondern modifiziert bzw fingiert lediglich den maßgeblichen Zeitpunkt der Antragstellung(vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU/CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, BT-Drucks 14/8583 S 1: "Die Antragstellung auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird fiktiv auf den Tag der BSG-Entscheidung am 18. Juni 1997 festgesetzt" - inhaltsgleich der Gesetzentwurf der Fraktion der PDS, BT-Drucks 14/8602 S 1: "Die Antragstellung auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wird auf den Tag der BSG-Entscheidung am 18. Juni 1997 fingiert"). Sie ist mithin (nur) für eines von mehreren Tatbestandsmerkmalen, die nach § 99 Abs 1 SGB VI für den Beginn einer Altersrente maßgeblich sind, von Bedeutung und führt lediglich "im Zusammenwirken"(so BT-Drucks 14/8583 bzw 14/8602, jeweils S 6 - zu Art 1, zu § 3) mit anderen Regelungen zu einem Rentenbeginn frühestens ab 1.7.1997. Einem solchen Verständnis steht auch die amtliche Überschrift des § 3 Abs 1 ZRBG("Besonderheiten beim Rentenbeginn") nicht entgegen; diese verdeutlicht vielmehr, dass die Regelung nicht selbst den Rentenbeginn für "Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto" festlegt, sondern lediglich Besonderheiten hinsichtlich eines einzelnen für den Rentenbeginn nach § 99 SGB VI bedeutsamen Umstands - des Zeitpunkts der Antragstellung - normiert.

23

Hiernach galt zwar der ursprüngliche Rentenantrag der Klägerin vom September 2002 gemäß § 3 Abs 1 S 1 ZRBG als am 18.6.1997 gestellt. Wie oben ausgeführt, ist jedoch die daraufhin mit Bescheid vom 19.11.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.5.2005 - wenn auch zu Unrecht - erfolgte Ablehnung für die Klägerin bindend geworden. Von dieser Bindungswirkung kann lediglich nach näherer Maßgabe des § 44 SGB X abgewichen werden, und damit mit keiner längeren als der in dessen Abs 4 geregelten Rückwirkung.

24

3. Dies ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

25

Insbesondere folgt im Fall der Klägerin aus dem von ihr herangezogenen allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) kein Verfassungsverstoß. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist Art 3 Abs 1 GG dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (vgl zB BVerfG vom 27.2.2007 - BVerfGE 117, 272, 301 = SozR 4-2600 § 58 Nr 7 RdNr 70 mwN).

26

Hier jedoch besteht der ausschlaggebende Unterschied zwischen jenen Berechtigten nach dem ZRBG, denen gegenüber im Zeitpunkt der Rechtsprechungsänderung durch das BSG im Juni 2009 noch keine bindende Ablehnung erfolgt war, und jenen, bei denen (wie bei der Klägerin) eine solche bereits vorlag, aus eben diesem Umstand. Hieran ändert nichts, dass es, wie die Klägerin aufzeigt, angesichts der Vielzahl der bis zum Stichtag nach § 3 Abs 1 ZRBG eingegangenen Anträge nach dem ZRBG oft von Zufällen abhing, ob im Zeitpunkt der Urteile des BSG vom Juni 2009 bereits eine unanfechtbare Entscheidung ergangen war.

27

Denn zu den tragenden Prinzipien des Rechtsstaats gehört der Grundsatz, dass nach Abschluss eines Verfahrens durch unanfechtbare Entscheidung allenfalls ausnahmsweise eine neue Entscheidung in der Sache möglich ist. Demgemäß ist die öffentliche Gewalt von Verfassung wegen nicht verpflichtet, rechtswidrige Verwaltungsakte ohne Rücksicht auf ihren formellen Rechtsbestand auf Antrag oder von Amts wegen zu beseitigen (vgl BVerfG vom 11.10.1966 - BVerfGE 20, 230, 235; BVerfG vom 27.2.2007 - BVerfGE 117, 302, 315 = SozR 4-8100 Art 19 Nr 1 RdNr 32). Vielmehr hat der Gesetzgeber bei der Regelung der Rechtsbeständigkeit unanfechtbarer Verwaltungsakte zwischen dem Prinzip der Rechtssicherheit und dem Grundsatz der (materiellen) Gerechtigkeit abzuwägen. Zwar kommt im Wiedergutmachungsrecht dem Prinzip der materiellen Gerechtigkeit größeres Gewicht zu. Dennoch fordert das GG selbst hier (lediglich) einen Anspruch darauf, dass die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen darüber entscheidet, ob sie in eine erneute Nachprüfung eines unanfechtbaren ablehnenden Bescheids eintreten will (BVerfG vom 17.12.1969 - BVerfGE 27, 297, 305 ff).

28

Über das hiernach verfassungsrechtlich Gebotene ist der Gesetzgeber des SGB X, in Kraft seit 1.1.1981, bereits weit hinausgegangen, hat er doch zugunsten der Sozialleistungsberechtigten die auch im Fall der Klägerin angewandte Regelung des § 44 Abs 1 SGB X(hierzu oben unter 1.) geschaffen. Dieser enthält auch gegenüber der Parallelvorschrift in § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) günstigere Regelungen, weil dort die Überprüfung bindender Verwaltungsakte - wie vom BVerfG für das Wiedergutmachungsrecht gefordert - in das Ermessen der Verwaltungsbehörde gestellt ist, was damit auch für den Umfang der Rückwirkung gilt. Demgegenüber ist nach § 44 Abs 1 SGB X ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine Sozialleistung zu Unrecht verweigert hat, zurückzunehmen, ohne dass der Verwaltung insoweit ein Ermessen zustünde; nach Abs 4 der Vorschrift sind ferner die vorenthaltenen Leistungen zwingend für vier Jahre rückwirkend zu erbringen. Diese Regelung kommt auch der Klägerin zugute.

29

Ohne dass dies für die Entscheidung des Senats ein tragender Grund ist, wirkt sich zu Gunsten der Klägerin weiterhin aus, dass die Beklagte für den Zugangsfaktor (§ 77 Abs 2 S 1 Nr 2 Buchst b SGB VI) davon ausgegangen ist, dass die Klägerin die Altersrente nach Erreichen der Regelaltersgrenze erst zum 1.1.2005 in Anspruch genommen und die Rente daher auch nach einem höheren Zugangsfaktor (1,900) als bei einem (begehrten) Rentenbeginn zum 1.7.1997 (1,450) berechnet hat (vgl § 3 Abs 2 ZRBG).

30

Wenn aber, wie aufgezeigt, die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden nicht gegen das GG verstoßen hat, besteht in keinerlei Hinsicht ein Anlass, im vorliegenden Fall die Vorschriften des § 3 Abs 1 ZRBG und § 44 Abs 4 SGB X im Sinne des Klageantrags "verfassungskonform" anzuwenden.

31

4. Der Fall der Klägerin ist entgegen ihrer Meinung nicht mit der Konstellation vergleichbar, die zum Senatsurteil vom 3.5.2005 (B 13 RJ 34/04 R - BSGE 94, 294 = SozR 4-2600 § 306 Nr 1) geführt hat. Denn im vorliegenden Fall führt der neue Antrag nach Unanfechtbarkeit des früheren Bescheids - anders als damals - nicht dazu, dass die Klägerin von einem Rentenanspruch nach dem ZRBG vollständig (und auf Dauer) ausgeschlossen wird, sondern lediglich zu einer nur eingeschränkten Rückwirkung.

32

5. Etwas anderes lässt sich nicht aus der Antwort der Bundesregierung vom 8.8.2003 auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andreas Storm ua und der Fraktion der CDU/CSU zu Frage 6 (BT-Drucks 15/1475 S 4) ableiten; denn diese erläutert, dass auf Rentenanträge, die nach dem 30.6.2003 gestellt wurden, die Zahlung mit dem Antragsmonat beginnt. Zur Frage, ob bei Überprüfungsanträgen nach § 44 SGB X nach Ablauf des 30.6.2003 die Vier-Jahres-Frist nach dessen Abs 4 (nicht) gelten soll, nimmt sie keine Stellung (vgl hierzu aber die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke ua und der Fraktion DIE LINKE zu Frage 10 , die die Anwendung des § 44 Abs 4 SGB X bejaht).

33

Auch aus dem Urteil des Senats vom 31.1.2002 (B 13 RJ 23/01 R - BSGE 89, 151 = SozR 3-1300 § 44 Nr 34) ergibt sich nichts Abweichendes. Denn diese Entscheidung ist zum Übergang eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruchs auf Ersatz von Beiträgen zur Rentenversicherung ergangen und daher für den vorliegenden Sachverhalt von vornherein nicht einschlägig.

34

6. Ob die Klägerin vor dem 30.6.2003 weitere Rentenanträge zB bei einem israelischen Versicherungsträger (mit Wirkung für die deutsche gesetzliche Rentenversicherung: s hierzu Senatsurteil vom 19.4.2011 - B 13 R 20/10 R - zur Veröffentlichung in SozR 4-6480 Art 27 Nr 1 vorgesehen) gestellt hat, kann im vorliegenden Verfahren dahingestellt bleiben. Denn solche Anträge hätten sich auch dann mit Erlass des Bescheids der Beklagten vom 19.11.2004 erledigt, wenn sie der Beklagten nicht bekannt waren. Denn dieser Bescheid ist mit Eintritt seiner Bestandskraft nach § 77 SGG "in der Sache" bindend geworden(vgl zur Bindungswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte bereits BSG vom 21.9.1962 - BSGE 18, 22, 26 = SozR Nr 35 zu § 77 SGG). Nach der Rücknahme des Ablehnungsbescheids vom 19.11.2004 nach § 44 SGB X ist daher auch insoweit die rückwirkende Rentenzahlung durch § 44 Abs 4 SGB X beschränkt.

35

7. a) Unerheblich ist, in welchem Maße rechtswidrig die ablehnenden ursprünglichen Entscheidungen der Beklagten und der Gerichte waren. Dass sie sich überhaupt als rechtswidrig erwiesen haben, ist bereits Voraussetzung der Anwendung der Vorschrift des § 44 Abs 1 SGB X. Diese macht keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Graden der Rechtswidrigkeit. Jedenfalls kann keine Nichtigkeit (§ 40 Abs 1 SGB X)der genannten Bescheide festgestellt werden. Es lag kein "besonders schwerwiegenden Fehler" vor, der "bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich" gewesen wäre; insbesondere lässt sich dies den Urteilen des BSG vom 2. und 3.6.2009 nicht entnehmen.

36

Im Übrigen führt noch nicht einmal die vom BVerfG festgestellte Nichtigkeit eines verfassungswidrigen Gesetzes automatisch zur Rücknahme unanfechtbarer, auf diesem Gesetz beruhender Verwaltungsentscheidungen (§ 79 Abs 2 BVerfGG), geschweige denn zu rückwirkender Leistungsgewährung.

37

b) Auch der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht der Anwendung des § 44 Abs 4 SGB X nicht entgegen. Denn § 44 Abs 4 SGB X ist beim Vorliegen seiner Voraussetzungen ohne weiteres anwendbar, ohne dass der Leistungsträger eine Einrede zu erheben bräuchte und vor allem ohne dass gegen die Anwendung der Vorschrift der Einwand unzulässiger Rechtsausübung oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben geltend gemacht werden könnte(BSG vom 23.7.1986 - BSGE 60, 158, 160 = SozR 1300 § 44 Nr 23 S 53; BSG vom 26.5.1987 - BSGE 62, 10, 14 = SozR 2200 § 1254 Nr 7 S 18). Unerheblich ist, ob den Versicherungsträger an der Rechtswidrigkeit des nach § 44 Abs 1 SGB X zurückgenommenen Verwaltungsakts ein Verschulden trifft(BSG vom 11.4.1985 - SozR 1300 § 44 Nr 17, Leits 1).

38

c) Zugunsten der Klägerin wirkt sich schließlich nicht der vom BGH zum Entschädigungsrecht entwickelte Grundsatz aus, dass eine Gesetzesauslegung, die möglich ist und dem Ziel entspricht, das zugefügte Unrecht so bald und so weit wie irgend möglich wiedergutzumachen, den Vorzug gegenüber jeder anderen Auslegung verdient, die die Wiedergutmachung erschwert oder zunichte macht (stRspr, zB BGH vom 22.11.1954 - IV ZR 107/54 - RzW 1955, 55, 57; aus neuerer Zeit BGH vom 22.2.2001 - IX ZR 113/00 - LM BEG 1956 § 35 Nr 37 unter II 2 c der Gründe; BGH vom 1.12.1994 - IX ZR 63/94 - LM BEG 1956 § 35 Nr 34 unter II 2 der Gründe).

39

Zwar ist hiervon bei der Auslegung einschlägiger Vorschriften auch das BSG ausgegangen (zB BSG vom 28.2.1984 - SozR 5070 § 9 Nr 7 S 14; BSG vom 25.8.1982 - SozR 5070 § 10 Nr 20 S 46; BSG vom 12.10.1979 - SozR 5070 § 10a Nr 2 S 3; BSG vom 26.10.1976 - SozR 5070 § 9 Nr 1 S 3).

40

Die von der Klägerin erstrebte Rechtsanwendung ist jedoch, wie bereits erläutert, nicht möglich:

41

Der Gesetzgeber hat mit dem ZRBG zur Wiedergutmachung erlittenen Unrechts Rentenzeiten, die mit in einem Ghetto verrichteter Arbeit erworben wurden, unabhängig von weiteren Voraussetzungen (insbesondere nach dem FRG) als Regelaltersrente zahlbar gemacht. Anders als etwa bei der Zuerkennung eines festen Entschädigungsbetrags handelt es sich damit bei den auf der Grundlage des ZRBG gezahlten Leistungen um Renten, die dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem SGB VI folgen. Die aus dieser Konzeption folgenden Konsequenzen, wie etwa im vorliegenden Fall aus der Bestandskraft eines ablehnenden Bescheids, treten bei allen Renten ein. Sie widersprechen insbesondere nicht dem Wiedergutmachungsgedanken (s hierzu oben unter 3.).

42

d) Damit lässt sich auch kein anderes Ergebnis aus § 2 Abs 2 Halbs 2 SGB I ableiten, wonach bei der Auslegung der Vorschriften des SGB "sicherzustellen (ist), dass die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden". Im Übrigen enthält § 44 SGB X bereits eine Konkretisierung des in dieser Vorschrift allgemein geregelten Effektuierungsgedankens(BSG vom 31.5.1988 - BSGE 63, 214, 218 = SozR 1300 § 44 Nr 34 S 95; Steinbach in Hauck/Noftz, SGB I, K § 2 RdNr 36, Stand Einzelkommentierung Dezember 2005).

43

8. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18. April 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über einen früheren Beginn der Regelaltersrente des verstorbenen Klägers.

2

Der 1918 in Polen geborene und 2013 in Israel verstorbene vormalige Kläger war anerkannter Verfolgter des Nationalsozialismus. Er hatte im Februar 2003 einen Antrag auf Regelaltersrente unter Berücksichtigung im Ghetto Krasnik zurückgelegter Ghetto-Beitragszeiten von Juli 1940 bis November 1942 nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) gestellt. Die Beklagte hatte mit Bescheid vom 16.6.2003 den Anspruch mit der Begründung abgelehnt, es sei nicht glaubhaft, dass der vormalige Kläger eine entgeltliche Beschäftigung aus freiem Willensentschluss in einem Ghetto ausgeübt habe; bei den behaupteten Arbeiten habe es sich vielmehr um Zwangsarbeiten gehandelt, die nach dem ZRBG nicht zu berücksichtigen seien. Die hiergegen erhobenen Rechtsbehelfe blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 18.12.2003; Urteil des SG Düsseldorf vom 9.12.2005 - S 53 (15) RJ 8/04).

3

Auf den im Juni 2009 gestellten Antrag des vormaligen Klägers auf Überprüfung des ablehnenden Bescheids erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 8.4.2010 den Zeitraum vom 1.8.1940 bis zum 2.11.1942 als Beitragszeit nach dem ZRBG an; sie gewährte Regelaltersrente ab dem 1.1.2005 mit einem Zugangsfaktor 2,290; es ergab sich eine laufende Rentenzahlung iHv 543,08 Euro monatlich ab April 2010 sowie eine Nachzahlung von 36 426,55 Euro für die Zeit vom 1.1.2005 bis 31.3.2010. Der auf einen früheren Rentenbeginn gerichtete Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24.6.2010). Die Beklagte habe ihre ablehnende Entscheidung (Bescheid vom 16.6.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2003) gemäß § 44 SGB X überprüft und mit dem nun angefochtenen Bescheid die begehrte Rente bewilligt. Nach § 44 Abs 4 SGB X würden bei Rücknahme eines Verwaltungsakts mit Wirkung für die Vergangenheit Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht, vom Beginn des Jahres an gerechnet, in dem die Rücknahme beantragt worden sei. Ausgehend von den mit Schriftsatz vom 18.6.2009 gestellten Überprüfungsantrag werde die Rente daher zutreffend ab dem 1.1.2005 geleistet.

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 18.4.2011): Der Zahlungsanspruch bestehe erst ab 1.1.2005. Dies folge aus der Vier-Jahres-Frist des § 44 Abs 1 S 1 SGB X. Die Vorschrift werde nicht durch eine Spezialregelung verdrängt. Der Rentenbeginn zum 1.7.1997 gelte gemäß § 3 Abs 1 S 1 ZRBG nur für bis zum 30.6.2003 gestellte Rentenanträge; aus einem Antrag von Februar 2003 könne der vormalige Kläger wegen der bestandskräftigen Ablehnung nichts mehr herleiten. Auch verstoße es nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG), dass Verfolgte, deren ursprünglicher (fristgemäßer) Rentenantrag noch nicht bestandskräftig abgelehnt worden sei, regelmäßig unter Berücksichtigung der Urteile des BSG vom Juni 2009 Rente ab dem 1.7.1997 bezögen, während Verfolgte, wie der vormalige Kläger, bei zuvor rechtskräftiger Ablehnung ihres ursprünglichen Rentenantrags im Rahmen von Überprüfungsbescheiden immer nur rückwirkend für die letzten vier Kalenderjahre Rente erhielten.

5

Mit seiner vom SG zugelassenen Sprungrevision, deren Einlegung die Beklagte zugestimmt hat, rügt der vormalige Kläger in seiner Revisionsbegründung vom 1.7.2011 eine Verletzung von § 3 Abs 1 ZRBG, von § 99 Abs 1 SGB VI und von Art 3 Abs 1 GG. Zu Unrecht gehe das SG davon aus, dass § 44 Abs 4 SGB X den geltend gemachten Anspruch auf Zahlung der Rente ab dem 1.7.1997 ausschließe. Dem stehe hier die spezialgesetzliche Rückwirkungsregelung in § 3 Abs 1 ZRBG entgegen, nach der ein bis zum 30.6.2003 gestellter Antrag als am 18.6.1997 gestellt gelte. Zudem verletze die Anwendung von § 44 Abs 4 SGB X den allgemeinen Gleichheitssatz, denn bei einem vergleichbaren Verfolgungsschicksal sei eine Differenzierung des Rentenbeginns nach dem Zeitpunkt der Antragstellung nicht vertretbar(Hinweis auf das Senatsurteil vom 3.5.2005 - B 13 RJ 34/04 R). Ebenso wenig sei dies mit der Intention des Gesetzgebers vereinbar, durch das ZRBG eine letzte Lücke im Recht der Wiedergutmachung zu schließen. Der Entschädigungsgedanke gebiete es vielmehr, für die Neufeststellung von ZRBG-Renten den Rentenbeginn auf den 1.7.1997 festzulegen.

6

Der Kläger ist am 11.7.2013 verstorben; die Klägerin, seine Witwe, verfolgt seine Ansprüche weiter.

7

Sie beantragt sinngemäß,

        

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 18. April 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 8. April 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2010 zu verurteilen, die Regelaltersrente bereits ab 1.7.1997 zu gewähren sowie die Nachzahlung zu verzinsen.

8

Die Beklagte beantragt,

        

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

Sie hält an ihren Entscheidungen fest und verteidigt das angefochtene Urteil.

10

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2, § 153 Abs 1, § 165 S 1 SGG).

Entscheidungsgründe

11

Die Revision hat keinen Erfolg. Sie wird nach dem Tod des vormaligen Klägers während des Revisionsverfahrens nunmehr von seiner Witwe fortgesetzt, die hinsichtlich des hier streitigen Anspruchs auf höhere monatliche Rentenzahlung Sonderrechtsnachfolgerin ist (§ 56 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I). Ein solcher Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes enthält keine Klageänderung iS der §§ 99, 168 S 1 SGG(BSGE 110, 93 = SozR 4-3500 § 19 Nr 3, RdNr 13 mwN), sondern führt von Amts wegen zu einer Berichtigung des Rubrums (vgl BSGE 90, 27, 28 = SozR 3-2600 § 307b Nr 9 S 92; vgl auch Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 99 RdNr 7a).

12

Der Senat sieht sich an einer Sachentscheidung nicht gehindert. Auch wenn die Klägerin die Ruhendstellung des Verfahrens (§ 202 SGG iVm § 251 ZPO; vgl dazu BSG SozR 1750 § 251 Nr 1) beantragt hat (unter Hinweis auf die Entschließung des Bundesrates "Rentenzahlungen für Beschäftigungen in einem Ghetto rückwirkend ab 1997 ermöglichen" und den Entwurf des Koalitionsvertrags zwischen der CDU, CSU und SPD, "Deutschlands Zukunft gestalten", 18. Legislaturperiode) und die Beklagte dem zugestimmt hat, liegt kein wichtiger Grund vor, der das Ruhen dieses Verfahrens unter Berücksichtigung der allgemeinen Prozessförderungspflicht der Beteiligten und des Gerichts zweckmäßig erscheinen ließe (vgl auch BSG vom 15.8.2007 - B 12 P 2/07 B - Juris RdNr 4).

13

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der Regelaltersrente des verstorbenen Ehegatten bereits ab 1.7.1997.

14

Der Senat verweist zur Begründung seiner Entscheidung im Einzelnen auf sein - den Beteiligten bereits bekanntes - Urteil vom 7.2.2012 (BSGE 110, 97 = SozR 4-5075 § 3 Nr 2) wie auch auf das des 5. Senats vom 8.2.2012 (BSG SozR 4-5075 § 3 Nr 1). Das BVerfG hat die gegen zwei Entscheidungen des 5. Senats in Parallelfällen (Urteile vom 8.2.2012 - B 5 R 42/11 R und B 5 R 76/11 R) gerichteten Verfassungsbeschwerden ohne nähere Begründung nicht zur Entscheidung angenommen (Beschlüsse vom 2.7.2013 - 1 BvR 1444/12 bzw vom 17.6.2013 - 1 BvR 1008/12).

15

Die Entscheidung über die Kosten folgt dem Verfahrensausgang (§ 193 SGG).

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.