Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Beschluss, 28. Dez. 2018 - L 6 AS 191/18 B PKH

bei uns veröffentlicht am28.12.2018

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 5. September 2018 wird verworfen.

Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Gründe

I.

1

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die am 3. Juli 2017 von der zwischenzeitlich am ... 2018 verstorbenen Klägerin beantragte und vom Sozialgericht  Kiel abgelehnte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 43 AS 445/17, mit der die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nach § 23 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) verfolgt hatte.

2

Das Sozialgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit folgender Begründung abgelehnt: Der PKH-Antrag sei mit dem Tod der Klägerin gegenstandslos geworden. Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe dürfe nach dem Tod des jeweiligen Antragstellers nicht mehr erfolgen. Es sei nicht Zweck der Prozesskostenhilfe, dem die Partei vertretenden Anwalt einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen. Maßgeblich sei stets, ob der PKH-Antragsteller der Hilfe aktuell noch bedürfe. Jedenfalls sei der PKH-Antrag aber zu Lebzeiten der Klägerin auch nicht entscheidungsreif gewesen, weil angeforderte Kontoauszüge noch nicht eingereicht worden seien.

3

Mit der Beschwerde macht der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geltend, dass nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts ein zu Lebzeiten gestellter PKH-Antrag nicht allein deshalb abzulehnen sei, weil der Antragsteller verstorben sei (LSG Schleswig, Beschluss vom 17. Februar 2010 – L 9 B 28/09 SO PKH). Vielmehr komme die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausnahmsweise auch nach dem Tod des Antragstellers in Betracht, wenn bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang Prozesskostenhilfe noch zu Lebzeiten hätte bewilligt werden können. So liege der Fall hier, weil die Klägerin ihre Bedürftigkeit bereits mit Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 27. Juni 2017 glaubhaft gemacht habe.

II.

4

Die form- und fristgerecht erhobene (vgl. § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) Beschwerde ist unstatthaft und damit als unzulässig zu verwerfen.

5

Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. a SGG ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Ob die Ablehnungsentscheidung die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe betrifft, ist systematisch anhand der in § 114 Satz 1 ZPO geregelten Grundvoraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu bestimmen. Danach sind die Voraussetzungen des Ausschlussgrundes des § 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. a SGB II dann erfüllt, wenn die Ablehnung nicht aus Gründen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten oder wegen der Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung erfolgt (vgl. Karl in: jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 172 Rn. 171 ff.). Daran gemessen ist hier die Beschwerde ausgeschlossen. Das Sozialgericht hat seine Ablehnungsentscheidung allein damit begründet, dass die Klägerin aufgrund ihres Todes der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht mehr bedürfe; die Ablehnungsentscheidung erging damit auch im Wortsinn wegen der persönlichen Voraussetzungen ohne Rücksicht auf möglicherweise (bis dahin) bestehende Erfolgsaussichten oder die Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung.

6

Damit kann dahinstehen, ob die Beschwerde auch deshalb unstatthaft ist, weil der Beschwerdewert nicht erreicht ist, da in der Hauptsache eine Berufung der Zulassung bedürfte (§ 172 Abs. 3 Nr. 2 lit. b SGB II). Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass ein Mehrbedarf kein selbständiger Streitgegenstand sein kann und deshalb die Ablehnung seiner Berücksichtigung durch Bescheid jeweils – im Sinne der Ablehnung einer Änderungsentscheidung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) – in Beziehung zu setzen ist zur aktuellen Bewilligungsentscheidung über Arbeitslosengeld II (vgl. BSG, Urteil vom 26. Mai 2011 – B 14 AS 146/10 R – BSGE 108, 235 = SozR 4-4200 § 20 Nr 13, juris Rn. 14 ff.). Daran gemessen aber dürfte angesichts des bei Antragstellung noch bis Februar 2017 laufenden Bewilligungszeitraums und der Geltendmachung des Mehrbedarfs nach § 23 Nr. 4 SGB II erst ab September 2016 die Wertgrenze des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II von 750,00 EUR deutlich unterschritten sein.

7

Die Beschwerde wäre überdies auch unbegründet, weil das Sozialgericht zu Recht davon ausgegangen ist, dass die Prozesskostenhilfe angesichts der vom Sozialgericht am 22. Dezember 2017 und damit noch vor dem Tod verfügten Beibringung aktueller Kontoauszüge noch nicht bewilligungsreif war (zur Bewilligungsreife vgl. den Senatsbeschluss vom 5. Mai 2014 – L 6 AS 269/13 B PKH – juris Rn. 11), während die Klägerin im Zeitpunkt der Bewilligungsreife am 3. April 2018 (Eingang der Kontoauszüge) bereits verstorben war.

8

Auch in der Sache dürfte die Rechtsverfolgung keine hinreichenden Erfolgsaussichten gehabt haben. Der Mehrbedarf nach § 23 Nr. 4 SGB II kann allein Sozialgeldberechtigten zustehen, also nicht erwerbsfähigen Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben. Eine erwerbsfähige leistungsberechtigte Person, die der Klägerin im Falle ihrer Erwerbsunfähigkeit den Zugang zu SGB-II-Leistungen hätte vermitteln können ist aber jedoch nicht ersichtlich weshalb nicht hinreichend wahrscheinlich ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Berücksichtigung des Mehrbedarfs gegen den Beklagten überhaupt hätte bestehen können. Die Zuständigkeit für die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (untere Berücksichtigung des Mehrbedarfs, vgl. § 30 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch [SGB XII]) hätte daher allenfalls beim örtlichen Träger der Sozialhilfe gelegen.

9

Außergerichtliche Kosten sind im Prozesskostenhilfebeschwerdeverfahren nicht zu erstatten (§ 127 Abs. 4 ZPO).

10

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 127 Entscheidungen


(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig.

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 48 Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung bei Änderung der Verhältnisse


(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltun

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 23 Besonderheiten beim Bürgergeld für nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte


Beim Bürgergeld nach § 19 Absatz 1 Satz 2 gelten ergänzend folgende Maßgaben:1.Als Regelbedarf wird bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres ein Betrag in Höhe der Regelbedarfsstufe 6, vom Beginn des siebten bis zur Vollendung des 14. Lebensjahre

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Bundessozialgericht Urteil, 26. Mai 2011 - B 14 AS 146/10 R

bei uns veröffentlicht am 26.05.2011

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

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(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Dezember 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem beigeladenen Träger der Sozialhilfe die Erstattung von Kosten für Medikamente, die auf Grundlage von ärztlichen Privatrezepten verordnet worden sind.

2

Die im Jahre 1962 geborene Klägerin lebt mit ihrem 1949 geborenen Ehemann, der von der Beigeladenen Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) erhält, sowie ihren 1989 und 1996 geborenen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Die Klägerin und ihre Kinder erhalten seit 2005 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), unter anderem für den Bewilligungsabschnitt vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2006 (Bescheid vom 20.6.2006).

3

Mit Schreiben vom 7.9.2006 (Eingang bei dem Beklagten am 11.9.2006) machte die Klägerin bei dem Beklagten einen Mehrbedarf "für die chronischen Erkrankungen, chronischen Kopfschmerzen sowie Hautallergie" geltend. Die Kosten für die von ihren Ärzten ausgestellten Privatrezepte seien im Regelsatz nicht enthalten. Am 14.9.2006 beantragte sie zudem einen Mehrbedarf wegen "kostenaufwändiger Ernährung" bei Osteoporose und wies mit Schreiben vom 21.12.2006 auf einen bestehenden Eisenmangel hin. Antrag und Widerspruch blieben ohne Erfolg (Bescheid vom 4.10.2006; Widerspruchsbescheid vom 19.1.2007). Die hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht (SG) Berlin legte das SG dahin aus, dass die Klägerin die Übernahme der auf Grundlage der vorgelegten privatärztlichen Rezepte sowie die fortlaufenden Kosten für ein Medikament gegen Eisenmangel in Höhe von 14,67 Euro monatlich begehre, und wies die Klage mit Urteil vom 29.8.2008 ab.

4

Die Berufung der Klägerin zum Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg blieb ohne Erfolg (Urteil vom 17.12.2009). Zulässiger Streitgegenstand sei vorliegend allein der Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf durch die entstandenen Kosten für aufgrund von Privatrezepten erworbene Medikamente wegen Kopfschmerzen, Hautallergie und Osteoporose. Der Beklagte habe mit den angefochtenen Bescheiden die Übernahme von Medikamentenkosten nach dem SGB II insoweit versagt, sodass über den geltend gemachten Anspruch vom 7.9.2006 bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG (am 17.12.2009) zu entscheiden sei. Dagegen habe die Klägerin erst mit Schreiben vom 21.12.2006 auf den Eisenmangel hingewiesen, ohne dies erkennbar mit einem Antrag auf Hilfeleistungen zu verbinden. Insoweit sei ein Vorverfahren nicht durchgeführt worden und die Klage also unzulässig. Gegenüber dem Beklagten bestehe ein Anspruch nicht. Die Voraussetzungen nach § 21 SGB II (insbesondere eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II) lägen nicht vor, da ein sonstiger, nicht ernährungsbedingter medizinischer Bedarf, der von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht abgedeckt werde, in § 21 SGB II nicht genannt und daher kein Mehrbedarf in diesem Sinne sei(Hinweis auf BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 2). Unabhängig davon, ob die Klägerin eine darlehensweise Gewährung von Leistungen nach § 23 SGB II überhaupt begehre, liege ein unabweisbarer Bedarf iS des § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II nicht vor. Erst wenn eine Gefährdungslage für das sozialstaatlich unabdingbar gebotene Leistungsniveau entstehe, könne ein Anspruch nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB II entstehen. Zwar seien nach § 34 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen, nach Satz 2 dieser Vorschrift gelte aber eine Ausnahme bei bestimmten nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gälten und zur Anwendung bei dieser Erkrankung mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden könnten. Schon die Tatsache, dass der Klägerin die Arzneimittel nicht aufgrund der vorgenannten Vorschrift verordnet worden seien, spreche gegen eine Bedarfsunterdeckung im vorgenannten Sinne.

5

Auch ein Anspruch gegen den Beigeladenen nach § 73 SGB XII bestehe nicht. Aufgrund der nach den Angaben der Klägerin vollständig aktenkundigen ärztlichen Privatrezepte und Apothekenquittungen für Medikamente sei weder eine Verletzung der klägerischen Grundrechte auf körperliche Unversehrtheit (Art 2 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz ) noch aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip ersichtlich. Den streitgegenständlichen Bereich betreffe lediglich ein Privatrezept über Paracetamol Stada 500 (im Wert von ca 1,38 Euro für 20 Stück) sowie für Cetirizin vom 10.7.2009 (5,16 Euro für 20 Stück) und eine Apothekenquittung vom 19.2.2008 (Cetirizin Ratiopharm, 20 Stück für 6,65 Euro). Vor diesem Hintergrund ergäben sich auch keine Anhaltspunkte zu weiteren Ermittlungen.

6

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision. Die Klägerin macht einen Anspruch lediglich noch aus § 73 SGB XII gegen die Beigeladene geltend. Vorliegend streite Art 2 Abs 2 GG für eine analoge Anwendung von § 73 SGB XII. Sie leide unter vielfältigen chronischen Erkrankungen und habe einen atypischen Bedarf an nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, deren Kosten von der Krankenkasse nicht übernommen würden. Solche Kosten für chronisch Kranke seien in der Regelleistung nach § 20 SGB II nicht ausreichend abgebildet. Der für die Gesundheitspflege vorgesehene Anteil sei nicht dazu gedacht, den besonderen notwendigen Bedarf für nicht verschreibungspflichtige Medikamente in einem für chronisch Kranke notwendigen Umfang zu decken. Es sei mit dem Recht auf körperliche Unversehrtheit nicht vereinbar, ihr die benötigten, jedoch nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgeführten Medikamente dauerhaft vorzuenthalten. Der Anspruch sei auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich um Bagatellbedürfnisse handele. Es handele sich um regelmäßig anfallende Kosten, weil es um die Behandlung chronischer Leiden gehe.

7

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Dezember 2009 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. August 2008 sowie den Bescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2007 aufzuheben und den Beigeladenen zu verurteilen, der Klägerin die Kosten für die auf Grundlage von ärztlichen Privatrezepten verordneten Medikamente zu erstatten.

8

Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe in seiner Entscheidung vom 24.3.2010 (1 BvR 395/09 - SozR 4-4200 § 20 Nr 1) klargestellt, dass die sogenannte Härtefallregelung nicht für Zeiten vor der Entscheidung am 9.2.2010 gelten solle. Ansprüche gegenüber dem Beklagten bestünden deshalb nicht.

10

Der Beigeladene beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Sollte es sich bei den begehrten, von den Krankenkassen nicht abgedeckten Leistungen um einen verfassungsrechtlich geschützten Bedarf handeln, sei allein zu prüfen, ob die Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung verfassungskonform auszulegen seien. Wenn die Klägerin tatsächlich einen besonderen Bedarf habe, könne sie diesen mittlerweile nach § 21 Abs 6 SGB II geltend machen. Eine Regelung, wonach solche Kosten von den Trägern der Sozialhilfe zu übernehmen seien, sei nicht ersichtlich.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Revision ist unbegründet. Allerdings stellt sich die Klage entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nur teilweise als zulässig dar (dazu unter 1.). Soweit die Klägerin zulässigerweise die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 7.9.2006 bis zum 31.12.2006 geltend macht, steht ihr ein Anspruch nicht zu, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben (dazu unter 2.).

13

1. Das von der Klägerin zutreffend im Wege der Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgte Ziel, zusätzlich zur Regelleistung einen Mehrbedarf wegen der Kosten für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel zu erhalten, ist wegen der Leistungsklage nur teilweise, nämlich hinsichtlich des Zeitraums vom 7.9.2006 bis zum 31.12.2006, zulässig.

14

a) In der Sache macht die Klägerin höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts geltend. Die Gewährung eines Mehrbedarfs kann von der Klägerin entgegen der Auffassung des LSG nicht zulässigerweise zum isolierten Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens bestimmt werden, denn die Regelungen der Beklagten über die laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (mit Ausnahme der Kosten der Unterkunft) lassen sich in rechtlich zulässiger Weise nicht in weitere Streitgegenstände aufspalten (vgl etwa BSGE 104, 48 = SozR 4-1500 § 71 Nr 2, RdNr 11; BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 9 RdNr 11). Um laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt es sich auch dann, wenn - wie hier - im Laufe des Verfahrens der Anspruch materiell-rechtlich allein noch auf § 73 SGB XII gestützt wird und sich also insoweit gegen den Beigeladenen richtet(zuletzt BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 44/09 R - juris RdNr 13 und Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 3 RdNr 12). Die weitere Auslegung des Klagebegehrens durch SG und LSG dahin, dass nur die Klägerin, nicht dagegen die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft höhere laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts begehren, erweist sich als zutreffend (dazu BSG SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 15). Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG fließt der Bedarfsgemeinschaft kein weiteres, nach § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II zu berücksichtigendes Einkommen zu, sodass die Höhe der Ansprüche der Kinder der Klägerin nicht von der Höhe des Bedarfs der Mutter abhängt(vgl § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II).

15

b) Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 4.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.1.2007, mit dem der Beklagte den zusätzlich zur Regelleistung geltend gemachten Mehrbedarf abgelehnt hat. Das Vorbringen der Klägerin in ihrem Schreiben vom 7.9.2006 ist dabei dahin auszulegen, dass sie die Notwendigkeit der Gewährung eines Mehrbedarfs wegen der Kosten, die aufgrund der chronischen Erkrankungen behauptet werden, und damit eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen von diesem Zeitpunkt an geltend macht. Auf diesen Antrag hin hat der Beklagte in der Sache die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung mit Wirkung ab Zeitpunkt der geltend gemachten Änderung überprüft. Der Bescheid des Beklagten vom 4.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.1.2007 lässt zwar eine ausdrückliche Bezugnahme auf die mit Bescheid vom 20.6.2006 erfolgte Bewilligung für den Bewilligungsabschnitt vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2006 nicht erkennen. Dies allein lässt aber - aus der insoweit für die Auslegung maßgeblichen Sicht eines verständigen Beteiligten, der in Kenntnis der tatsächlichen Zusammenhänge den wirklichen Willen der Behörde erkennen kann (BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2 S 11) - nicht den Schluss zu, der Beklagte habe abschließend für die Zukunft über den geltend gemachten Mehrbedarf entscheiden wollen. Zu einer solchen Entscheidung mit Bindungswirkung für die Zukunft wäre er wegen der in § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II vorgesehenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen nicht berechtigt gewesen(im Einzelnen Urteil des Senats vom 24.2.2011 - B 14 AS 49/10 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, RdNr 14). Die Bewilligungsentscheidungen wegen der Folgezeiträume weisen dementsprechend jeweils eigenständige Entscheidungen über "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (inkl Mehrbedarfe)" aus.

16

In zeitlicher Hinsicht kann sich die Leistungsklage der Klägerin damit zulässigerweise nur auf höhere laufende Leistungen für den Bewilligungsabschnitt vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2006 ab der geltend gemachten Änderung der Verhältnisse (hier ab dem 7.9.2006) richten. Die Bewilligungsentscheidungen wegen der Folgezeiträume in den Jahren 2007 und 2008, die nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht Gegenstand des Klage- bzw Berufungsverfahrens nach § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geworden sind(vgl nur BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 30), hat die Klägerin im Hinblick auf die Höhe der Regelleistung einschließlich der Mehrbedarfe nicht fristgerecht mit einem Rechtsbehelf angegriffen. Sie sind nach Aktenlage bestandskräftig geworden (vgl § 77 SGG), ihre Einbeziehung in das laufende Klage- bzw Berufungsverfahren im Wege der Klageänderung (§ 99 SGG, dazu BSG aaO) scheidet aus. Gleiches gilt schließlich für die Bewilligungsabschnitte für das Jahr 2009, weil die Klägerin insoweit gesonderte Verfahren wegen der Höhe der Regelleistung unter dem Gesichtspunkt eines (seit dem 1.1.2009 von dem Beklagten nicht mehr anerkannten) ernährungsbedingten Mehrbedarfs nach § 21 Abs 5 SGB II anhängig gemacht hat und sie deswegen das vorliegende Verfahren nicht zulässigerweise um den bereits anderweitig rechtshängigen Streit wegen der Höhe der Regelleistung einschließlich der Mehrbedarfe erweitern kann.

17

2. Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides misst sich an § 40 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch und § 48 Abs 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, hier also der Bescheid vom 20.6.2006 über die Bewilligung der laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt. Dabei sind bei der Frage, ob bzw inwieweit eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dazu führt, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid (vom 20.6.2006) abzuändern ist, grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl nur BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 38 RdNr 12 mwN) .

18

Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 SGB X liegen jedoch nicht vor. Die Klägerin, die nach den Feststellungen des LSG Berechtigte iS des § 7 Abs 1 SGB II idF des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004 (BGBl I 2014) ist, hat neben einem Anspruch auf Regelleistung, der nach den Feststellungen des LSG und dem Vortrag der Beteiligten dem Grunde und der Höhe nach nicht zweifelhaft ist, keine weiteren Ansprüche auf laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts wegen der von ihr geltend gemachten Belastungen mit Kosten für nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Eine wesentliche Änderung ist damit nicht eingetreten, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben.

19

a) Ein Anspruch auf den geltend gemachten Mehrbedarf ist dabei unter allen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Entgegen der Auffassung des LSG bleiben insbesondere die Aufwendungen wegen des behaupteten Eisenmangels nicht deshalb außer Betracht, weil sie nicht beantragt worden sind. Es genügt, dass die Klägerin auf die bei ihr bestehenden chronischen Erkrankungen und damit auf gesundheitliche Einschränkungen hingewiesen hat, aus denen die geltend gemachten Kosten erwachsen. Ein Mehrbedarf, bei dem es sich um eine laufende Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt, muss nicht gesondert beantragt werden (vgl nur Urteil des Senats vom 6.5.2010 - B 14 AS 3/09 R - SozR 4-4200 § 28 Nr 3 RdNr 14 mwN).

20

b) Der Senat geht im Anschluss an die Rechtsprechung des 7b. Senats des BSG (BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1)davon aus, dass die Regelungen des SGB II in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung keine Erhöhung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts über die gesetzliche Pauschale hinaus zulassen (zuletzt Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 44/09 R - juris RdNr 17 zu Kosten, die aufgrund einer Behinderung entstehen; Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 3 RdNr 14 zu Kosten eines Hygienemehrbedarfs bei AIDS und Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 15 RdNr 17 zu Mehrkosten einer Schülermonatskarte ). Insbesondere scheidet § 21 Abs 5 SGB II als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Mehrbedarf aus, weil die Klägerin auch hinsichtlich der bestehenden Osteoporose im Ergebnis ihres Vortrages keine kostenaufwändige Ernährungsweise, sondern die Notwendigkeit der ergänzenden Einnahme von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln geltend macht. Ein solcher Anspruch ist von § 21 Abs 5 SGB II nicht erfasst(vgl bereits BSG SozR 4-4200 § 21 Nr 2 RdNr 31). § 23 Abs 1 SGB II als Rechtsgrundlage scheidet ebenfalls aus, weil es sich bei den geltend gemachten zusätzlichen Bedarfen um wiederkehrende Bedarfe handelt, die einer darlehensweisen Gewährung nicht zugänglich sind(vgl BSG Urteil vom 19.8.2010, aaO, unter Hinweis auf SozR 4-4200 § 7 Nr 15). Der Senat geht schließlich davon aus, dass der vom BVerfG geforderte verfassungsrechtliche Anspruch bei unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarfen (vgl BVerfGE 125, 175, 252 ff = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 204 ff)nur dann eingreift, wenn nicht bereits aufgrund einfachgesetzlicher Regelungen eine Leistungsgewährung möglich ist (BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 3 RdNr 23; im Einzelnen sogleich).

21

c) Der Klägerin steht aber auch gegen den Beigeladenen ein Anspruch aus § 73 SGB XII nicht zu. Hiernach können Leistungen auch in sonstigen Lebenslagen erbracht werden, wenn sie den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigen. Voraussetzung eines Anspruchs nach § 73 SGB XII ist nach der Rechtsprechung des 7b. Senats, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, eine besondere Bedarfslage, die eine gewisse Nähe zu den speziell in den §§ 47 bis 74 SGB XII geregelten Bedarfslagen aufweist und deren Sicherstellung zugleich aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten ist(vgl BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, RdNr 22 f; BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 3 RdNr 19 f).

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Wie der Senat bereits entschieden hat und wovon auch die Vorinstanzen ausgehen, kann es sich hinsichtlich der geltend gemachten Bedarfe dem Grunde nach um Bedürfnisse mit Grundrechtsbezug handeln (hierzu Urteil des Senats vom 28.10.2009 - B 14 AS 44/08 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 15 RdNr 21). Durch eine nicht ausreichende Versorgung mit Arzneimitteln könnte das Recht der Klägerin auf Leben (Gesundheit) und körperliche Unversehrtheit gemäß Art 2 Abs 2 GG berührt sein (zur Bedeutung dieses Grundrechts im Sozialrecht vgl insbesondere BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Im Hinblick auf die streitigen Kosten einer Krankenbehandlung (hier die Versorgung mit Arzneimitteln) sind jedoch - anders als etwa hinsichtlich der Bedarfe für besondere Hygienemaßnahmen (vgl BSG Urteil vom 19.8.2010 - B 14 AS 13/10 R - SozR 4-3500 § 73 Nr 3 RdNr 17) - unabweisbare Bedarfe, die nicht entweder durch das System des SGB V (dazu unter aa) oder (ergänzend) durch die Regelleistung abgedeckt werden (dazu unter bb), nicht ersichtlich.

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aa) Das sozialrechtlich zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG umfasst auch die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung (BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 - BVerfGE 125, 175 ff, 223 = SozR 4-4200 § 20 Nr 12 RdNr 135; BSG Urteil vom 22.4.2008 - B 1 KR 10/07 R - BSGE 100, 221 = SozR 4-2500 § 62 Nr 6, RdNr 31; BSG Urteil vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, RdNr 33). Der Anspruch auf Existenzsicherung insoweit wird im Fall der Klägerin - wie für den ganz überwiegenden Teil der Hilfebedürftigen - in erster Linie durch ihre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl § 5 Abs 2a SGB V) abgedeckt, deren Beiträge der Träger der Grundsicherung zahlt (§ 252 Abs 1 Satz 2 SGB V) und der Bund trägt (§ 46 Abs 1 SGB II). Die Klägerin hat als Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern(vgl § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V); vom Anspruch auf Krankenbehandlung ist die Versorgung mit Arzneimitteln erfasst (§ 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V). Apothekenpflichtige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel (sog OTC-Präparate; OTC = over the counter), deren Kosten die Klägerin vorliegend geltend macht, sind seit dem 1.1.2004 zwar grundsätzlich von der Versorgung nach §§ 31, 34 Abs 1 Satz 1 SGB V ausgeschlossen. Dies gilt allerdings auch hinsichtlich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nicht schlechthin und ausnahmslos, denn § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V ermächtigt den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung des Vertragsarztes ausnahmsweise verordnet werden können. Hiervon hat der G-BA Gebrauch gemacht und seine Arzneimittel-Richtlinien mit Beschluss vom 16.3.2004 um einen Abschnitt F ergänzt (vgl BAnz 2004 S 8905, nunmehr § 12 der Arzneimittel-Richtlinien). Die Verordnung dieser Arzneimittel ist danach ausnahmsweise zulässig, wenn die Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Dabei gilt eine Krankheit als schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Ausdrücklich genannt sind (mittlerweile in der Anlage I zu den genannten Richtlinien; zuvor in Abschnitt F 16.4.9 und 16.4.14) verschiedene nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel, die unter anderem bei den Krankheiten Osteoporose und Eisenmangelanämie (die bei der Klägerin nach ihrem Vortrag vorliegen) unter bestimmten weiteren Voraussetzungen als Therapiestandard gelten (zum Ganzen BSG Urteil vom 6.11.2008 - B 1 KR 6/08 R - BSGE 102, 30 = SozR 4-2500 § 34 Nr 4).

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Damit ist ohne weitere Ermittlungen seitens der Träger der Grundsicherung davon auszugehen, dass grundrechtsrelevante Beeinträchtigungen durch eine nicht ausreichende Krankenbehandlung, die durch ergänzende Leistungen der Grundsicherung abzuwenden wären, ausscheiden. Im Grundsatz ist eine Behandlung ua von Osteoporose und Eisenmangelanämie auch durch OTC-Präparate zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung dann gesichert, wenn die Erkrankung lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt. Gesetzliche oder auf Gesetz beruhende Leistungsausschlüsse und Leistungsbegrenzungen nach dem SGB V und damit insbesondere die Frage, ob sich § 34 Abs 1 SGB V im Einzelnen als verfassungsgemäß darstellt, können nur innerhalb dieses Leistungssystems daraufhin überprüft werden, ob sie im Rahmen des Art 2 Abs 1 GG gerechtfertigt sind(dazu BVerfGE 115, 25 ff = SozR 4-2500 § 27 Nr 5). Die Frage, ob die Kosten für Arzneimittel als Teil einer Krankenbehandlung übernommen werden, muss der Hilfebedürftige gegenüber seiner Krankenkasse klären. Hinsichtlich der therapeutischen Notwendigkeit einer bestimmten Krankenbehandlung und den Anforderungen an ihren Nachweis gelten für Leistungsempfänger nach dem SGB II keine anderen Voraussetzungen als für die übrigen Versicherten nach dem SGB V, die Versicherungsschutz insbesondere aufgrund abhängiger Beschäftigung erlangen (vgl bereits Urteil des Senats vom 15.12.2010 - B 14 AS 44/09 R - juris RdNr 21).

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bb) Die übrigen Kosten für Gesundheitspflege, die unter anderem für medizinisch notwendige, aber nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse abgedeckte OTC-Präparate unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortung der GKV-Versicherten auch von Hilfebedürftigen nach dem SGB II selbst zu zahlen sind, sind in der Regelleistung abgebildet und lösen damit grundsätzlich keinen Bedarf nach § 73 SGB XII aus. Im streitigen Zeitraum wird für die Abteilung 06 (Gesundheitspflege) auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 1998 ein Gesamtbetrag in Höhe von 13,19 Euro berücksichtigt (vgl BR-Drucks 206/04). Soweit die Klägerin wegen ihrer chronischen Erkrankungen geltend macht, dieser Betrag reiche nicht aus, richtet sich dieser Angriff im Kern gegen die Höhe der Regelleistung. Bezogen auf die Zeit vor dem 1.1.2011 hat das BVerfG (aaO, RdNr 210 ff) hinsichtlich der Höhe der Regelleistung klargestellt, dass deren rückwirkende Erhöhung ausscheidet. Ohnehin macht die Klägerin wegen der Erkrankungen, die nicht schon in der Anlage I der Arzneimittel-Richtlinien erfasst sind, nach den Feststellungen des LSG keine Kosten geltend, die den in der Regelleistung enthaltenen Betrag übersteigen. Allein die Tatsache, dass auch die weiteren Erkrankungen chronisch sein mögen, führt jedenfalls nicht zu einem Anspruch auf einen höheren Bedarf. Ob der seit dem 1.1.2011 geltende Regelbedarf unter Berücksichtigung (auch) der vom Leistungsberechtigten nach dem SGB II selbst zu tragenden Kosten für Gesundheitspflege ausreichend hoch bestimmt ist, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Entscheidungen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ergehen ohne mündliche Verhandlung. Zuständig ist das Gericht des ersten Rechtszuges; ist das Verfahren in einem höheren Rechtszug anhängig, so ist das Gericht dieses Rechtszuges zuständig. Soweit die Gründe der Entscheidung Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei enthalten, dürfen sie dem Gegner nur mit Zustimmung der Partei zugänglich gemacht werden.

(2) Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe kann nur nach Maßgabe des Absatzes 3 angefochten werden. Im Übrigen findet die sofortige Beschwerde statt; dies gilt nicht, wenn der Streitwert der Hauptsache den in § 511 genannten Betrag nicht übersteigt, es sei denn, das Gericht hat ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint. Die Notfrist beträgt einen Monat.

(3) Gegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe findet die sofortige Beschwerde der Staatskasse statt, wenn weder Monatsraten noch aus dem Vermögen zu zahlende Beträge festgesetzt worden sind. Die Beschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Partei gemäß § 115 Absatz 1 bis 3 nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Zahlungen zu leisten oder gemäß § 116 Satz 3 Beträge zu zahlen hat. Die Notfrist beträgt einen Monat und beginnt mit der Bekanntgabe des Beschlusses. Nach Ablauf von drei Monaten seit der Verkündung der Entscheidung ist die Beschwerde unstatthaft. Wird die Entscheidung nicht verkündet, so tritt an die Stelle der Verkündung der Zeitpunkt, in dem die unterschriebene Entscheidung der Geschäftsstelle übermittelt wird. Die Entscheidung wird der Staatskasse nicht von Amts wegen mitgeteilt.

(4) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.