Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 14. Sept. 2004 - L 2 VS 13/03

ECLI:ECLI:DE:LSGSH:2004:0914.L2VS13.03.0A
bei uns veröffentlicht am14.09.2004

Tenor

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 12. Februar 2003 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Tod des Ehemannes der Klägerin zu 1. bzw. des Vaters des Klägers zu 2. 1990 Folge einer Wehrdienstbeschädigung (WDB) im Sinne des § 81 Soldatenversorgungsgesetz (SVG) ist und ob die Kläger deshalb als Hinterbliebene Anspruch auf Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) haben.

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Die 1953 geborene Klägerin zu 1. ist die Witwe des 1944 geborenen und 1990 verstorbenen H. R. Dieser diente seit 1969 bei der Bundeswehr, zuletzt als Führer eines Flugabwehrkampfverbandes im Rang eines Majors. Aus der 1984 geschlossenen Ehe der Klägerin zu 1. mit dem Verstorbenen ist der 1985 geborene gemeinsame Sohn K. (Kläger zu 2.) hervorgegangen.

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1990 befand sich der Verstorbene mit seiner Familie im Urlaub in B./E.kreis. An diesem Tag verließ er gegen 16:30 Uhr das Haus, um für ca. eine Stunde zu joggen. Kurz nach 18:00 Uhr wurde er in Rückenlage auf einem geteerten Verbindungsweg zwischen zwei Straßen leblos aufgefunden.

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Die Klägerin beantragte am 19. März 1990 für sich und ihren Sohn K. Versorgung nach dem SVG i. V. m. dem BVG. Der Beklagte zog die Akten der für den Verstorbenen zuständigen Wehrbereichsverwaltung bei. Diese enthielten u.a. Befunde des Arztes für innere Medizin, Kardiologie und Sportmedizin Dr. S. über Untersuchungen des Verstorbenen seit 1986 einschließlich Elektrokardiogrammen und Echokardiogrammen sowie das rechtsmedizinische Todesursachengutachten der Prof. Dr. Sa. und Prof. Dr. H. vom Institut für Rechtsmedizin der Universität zu K. vom 12. März 1990 einschließlich eines Sektionsprotokolls vom 1. März 1990. Als Todesursache wird ein Herzversagen bei krankhafter Veränderung des Herzens, eitriger Bronchitis und physischer Belastung durch den Waldlauf angegeben. Ferner enthalten die Akten der Wehrbereichsverwaltung ein internistisch-kardiologisches Gutachten von Dr. F. und Dr. Ea. vom Bundeswehrzentralkrankenhaus Ka. vom 5.6.1991, eine gutachtliche Stellungnahme der Medizinaldirektorin W. Sb. vom Sanitätsamt der Bundeswehr vom 5. Juli 1991, ein Gutachten des Arztes für innere Medizin, Kardiologie und Nephrologie Dr. L. von der A.-Sc.-Klinik in Kb./Sch. vom 25. Januar 1993. Außerdem befinden sich in den beigezogenen Akten Befehle für die Sportausbildung des Flugabwehrregiments 10, dem der Verstorbene zuletzt angehört hat. Nach einer dienstlichen Erklärung des letzten Dienstvorgesetzten des Verstorbenen, Ha., vom 5. März 1990 war dem Verstorbenen regelmäßiges Training zur Steigerung und Erhaltung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit in Dienstpausen, während des Dienstes, nach eigener Maßgabe und nach Dienst, auch außerhalb der Kaserne, genehmigt worden. Dies wurde damit begründet, dass er engagierter Marathon-Läufer sei und das Regiment bei zivilen und militärischen Sportveranstaltungen vertreten habe. Ein ständiges in Übung halten und Training sei daher aus dienstlichen Gründen erforderlich gewesen.

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Der Beklagte veranlasste gutachtliche Stellungnahmen des Arztes für innere Medizin Dr. Sd. vom 12. November 1993 und vom 16. Dezember 1993, eine ärztliche Stellungnahme des Arztes für innere Medizin Dr. A. sowie Stellungnahmen des Leitenden Arztes des Landesversorgungsamtes Schleswig-Holstein Dr. V. von der Versorgungsärztlichen Untersuchungsstelle N. vom 10. und vom 14. Dezember 1993. Dres. A. und V. gelangen danach zu der Auffassung, dass der Tod des Ehemannes der Klägerin ohne den Geländelauf nicht eingetreten wäre. Das Ausmaß der vorliegenden Herzerkrankung des Verstorbenen, wie es bei der Sektion offenbar geworden sei, habe zu seinen Lebzeiten mit klinischen Mitteln nicht erkannt werden können.

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Dann entschied zunächst die Wehrbereichsverwaltung gegenüber der Klägerin zu 1. mit Bescheid vom 23. März 1994 und Widerspruchsbescheid vom 24. April 1996 sowie gegenüber dem Kläger zu 2. mit Bescheid vom 23. März 1994, dass die Gesundheitsstörung „Herz-Kreislaufversagen", die 1990 zum Tod des Ehemannes bzw. Vaters geführt hätten, nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG sei.

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Mit (zwei) Bescheiden vom 21. April 1994 lehnte auch der Beklagte die Anträge der Klägerin zu 1. und des Klägers zu 2. auf Hinterbliebenenversorgung mit der Begründung ab, dass er an die Entscheidung der Wehrbereichsverwaltung zum Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung gebunden sei.

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Im Verlauf des anschließenden gerichtlichen Verfahrens, das die Bescheide der Wehrbereichsverwaltung zum Gegenstand hatte, gelangten die Klägerin und der Beklagte des vorliegenden Verfahrens (damals: Beigeladener) übereinstimmend zu der Auffassung, dass nicht die Wehrbereichsverwaltung, sondern allein der Beklagte des vorliegenden Verfahrens gem. § 88 Abs. 1 Satz 2 BVG für die Entscheidung über den geltend gemachten Anspruch auf Versorgung zuständig sei. Zur Beendigung des Verfahrens schlossen die Beteiligten im Berufungsverfahren L 2 V 73/00 am 18. September 2001 den folgenden Vergleich: a) Die Beklagte (WBV V) hebt den Bescheid vom 23. März 1994 und den Widerspruchsbescheid vom 24. April 1996 auf. b) Die Klägerin nimmt die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. März 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24. April 1996 zurück. c) Das beigeladene Land Schleswig-Holstein verpflichtet sich, das mit Widerspruch der Klägerin vom 9. Mai 1994 gegen den Bescheid des Versorgungsamtes Kiel vom 21. April 1994 angestrengte Vorverfahren bevorzugt bis zum 31. Dezember 2001 zu erledigen. Gleichzeitig wird das beigeladene Land über den Versorgungsanspruch des Sohnes K. entscheiden. d) Die Beklagte übernimmt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Widerspruchsverfahren und für beide gerichtlichen Instanzen.

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Mit Bescheid vom 23. Oktober 2001 entschied der Beklagte in Ausführung des o.g. Vergleichs (erneut) über den am 19. März 1990 eingegangenen Antrag des Klägers zu 2. und lehnte die Gewährung von Hinterbliebenenversorgung im wesentlichen mit der Begründung ab, dass kein versorgungsrechtlich geschützter Tatbestand i.S. des § 81 SVG vorliege, weil sein Vater bei einer sportlichen Betätigung in seiner Freizeit verstorben sei und zu diesem Zeitpunkt keinen Wehrdienst geleistet habe.

10

Zur Begründung der gegen die Bescheide des Beklagten vom 21. April 1994 (Klägerin zu 1.) und vom 23. Oktober 2001 (Kläger zu 2.) gerichteten Widersprüche machten die Kläger im Wesentlichen geltend, es habe sich bei der Durchführung des Waldlaufs, der zum Tode ihres Ehemannes geführt habe, um eine dienstliche Tätigkeit im Sinne von § 81 SVG gehandelt.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2001 (an die Klägerin zu 1.) und Widerspruchsbescheid vom 30. November 2001 (an den Kläger zu 2.) wies der Beklagte die Widersprüche zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Ein versorgungsrechtlich geschützter Tatbestand liege nicht vor. Der Verstorbene habe zum Zeitpunkt seines Todes keinen Wehrdienst verrichtet. Der Tod sei während des Waldlaufes im Urlaub eingetreten. In der Freizeit werde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts regelmäßig kein militärischer Dienst geleistet, auch dann nicht, wenn sich die vom Soldaten gewählte Beschäftigung im Rahmen des dienstlich Erwünschten halte. Das gelte gleichermaßen für sportliche Betätigungen. Diese könnten aber ausnahmsweise unter ganz bestimmten Voraussetzungen dienstliche Veranstaltungen sein. Das sei der Fall, wenn sie den dienstlichen Interessen dienten und durch organisatorische Maßnahmen sachlicher und persönlicher Art in den weisungsgebundenen Dienstbereich einbezogen seien. Die Zuordnung zum „weiteren Dienstbereich" setze einerseits eine „materielle Dienstbezogenheit" und andererseits eine „formelle Organisation" durch den Dienstherrn oder einen von ihm Beauftragten voraus. Für den sportlichen Bereich würden die diesbezüglichen Anforderungen durch den Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 8. Juni 1962 über die Versorgung bei gesundheitlichen Schädigungen in Ausübung dienstlichen oder außerdienstlichen Sports (sog. Sporterlass) konkretisiert. Nach Nr. 3 dieses Erlasses sei eine Wehrdienstbeschädigung auch die gesundheitliche Schädigung, die durch eine freiwillige sportliche Betätigung oder durch einen dabei erlittenen Unfall eingetreten sei, wenn der Sport von dem zuständigen Disziplinarvorgesetzten aus dienstlichen Gründen genehmigt und von einem von ihm beauftragten Soldaten oder einer von ihm bestellten Zivilperson, die in einem Dienstverhältnis zur Bundeswehr stehe, verantwortlich geleitet worden sei. Ergänzend heiße es dort: „Der Disziplinarvorgesetzte darf eine solche Genehmigung nur erteilen, wenn für die betreffende Sportart einwandfreie Geräte vorhanden sind, die Einhaltung der in Betracht kommenden Sicherheitsbestimmungen gewährleistet ist und mit der Aufsicht eine Person betraut wird, die aufgrund ihrer Persönlichkeit und ihrer Fachkenntnis in dieser Sportart für die Leitung und Überwachung geeignet ist." Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt, weil der Waldlauf nicht unter Leitung eines vom Disziplinarvorgesetzten beauftragten Soldaten oder einer von ihm bestellten Zivilperson stattgefunden habe. Auch für Marathonläufer gebe es Trainer und Betreuer, die den Läufer z.B. mit dem Fahrrad begleiteten und ihm Anweisungen erteilten. Gerade wegen der enormen gesundheitlichen Belastung, denen ein Langstreckenläufer ausgesetzt sei, handele es sich nicht um eine Sportart, die im Rahmen des Wehrdienstes allein ausgeübt werden dürfe. Da der Verstorbene Urlaub gehabt habe, habe er allein bestimmen können, wann, wo und wie lange er trainiere. Dadurch sei eine uneingeschränkte räumliche, organisatorische und materielle Trennung vom Wehrdienst eingetreten.

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Hiergegen haben beide Kläger am 21. Dezember 2001 bei dem Sozialgericht Kiel Klage erhoben. Das Sozialgericht hat beide Verfahren mit Beschluss vom 9. Januar 2003 verbunden. Zur Begründung der Klagen haben die Kläger im Wesentlichen vorgetragen, der Geländelauf ihres Ehemannes, der als dienstlich ausgeübt anzusehen sei, habe zu seinem Tode geführt. Dies ergebe sich aus den vorliegenden Befehlen. Der damalige Disziplinarvorgesetzte Ha. habe in seiner dienstlichen Erklärung vom 5. März 1990 angegeben, dass dem Verstorbenen regelmäßiges Training in Dienstpausen, während des Dienstes, nach eigener Maßgabe und nach Dienst, auch außerhalb der Kaserne zur Steigerung und Erhaltung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit genehmigt worden sei. Außerdem sei bestätigt worden, dass der Verstorbene engagierter Marathonläufer gewesen sei, das Regiment bei zivilen und militärischen Sportveranstaltungen vertreten habe und dass aus diesem Grund ein ständiges in Übung halten und Training aus dienstlichen Gründen erforderlich gewesen sei. Darüber hinaus habe der 1990 durchgeführte Waldlauf auf einer dienstlichen Anordnung des zuständigen Disziplinarvorgesetzten beruht. Insofern haben die Kläger auf eine schriftliche Erklärung des ehemaligen Dienstvorgesetzten des Verstorbenen, Ha., vom 14. Juni 1999 Bezug genommen. Nach Nr. 2 des Erlasses des Bundesministeriums der Verteidigung vom 8. Juni 1962 zur Versorgung bei gesundheitlicher Schädigung in Ausübung dienstlichen oder außerdienstlichen Sports sei sportliche Betätigung auch außerhalb des Dienstplans Wehrdienst, wenn sie auf einer ständigen dienstlichen Anordnung des zuständigen Disziplinarvorgesetzten beruhe. Diese Voraussetzung sei unter Zugrundelegung der Ausführungen des damaligen Disziplinarvorgesetzten Ha. erfüllt. Dieser habe den Verstorbenen unmittelbar vor seinem Urlaubsantritt angewiesen, das anlässlich eines Lehrgangs in Se. versäumte Training im Urlaub „aufzuholen", um sich auf die anstehenden Wettkämpfe vorzubereiten. Die vorliegenden ärztlichen Gutachten stellten übereinstimmend fest, dass die Gesundheitsbeschädigung „Herz-Kreislaufversagen" auf Grund des Waldlaufs eingetreten sei. Damit stehe auch fest, dass die Gesundheitsbeschädigung durch die dienstliche Verrichtung hervorgerufen worden sei.

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Die Kläger haben beantragt, a) den Bescheid des Beklagten vom 21. April 1994 und den Widerspruchsbescheid vom 29. November 2001 (betreffend die Klägerin) aufzuheben b) sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. Oktober 2001 und den Widerspruchsbescheid vom 30. November 2001 (betreffend den Kläger) aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, a) der Klägerin eine Hinterbliebenenversorgung - Witwenversorgung - b) dem Kläger eine Hinterbliebenenversorgung - Halbwaisenversorgung -

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nach dem Soldatenversorgungsgesetz beginnend ab dem 1. März 1990 zu gewähren.

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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

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Er hat zur Begründung im Wesentlichen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide verwiesen.

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Das Sozialgericht hat die das Verfahren der Klägerin zu 1. gegen die Bundesrepublik Deutschland - Wehrbereichsverwaltung - betreffende Gerichtsakte (S 11 V 145/96, L 2 V 73/00) einschließlich eines in diesem Verfahren eingeholten Gutachtens des Arztes für innere Medizin und Kardiologie Prof. Dr. Sf. von der Universität zu Kc. vom 3. Mai 1999 und einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 11. April 2000 beigezogen.

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Mit Urteil vom 12. Februar 2003 hat das Sozialgericht Kiel der Klage stattgegeben. Der Tod des verstorbenen Ehemanns bzw. Vaters der Kläger sei nach dem Ergebnis der im vorangegangenen Verfahren durchgeführten Beweisaufnahme zwar nicht auf eine fehlerhafte ärztliche Behandlung zurückzuführen, sodass die im Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 10. Dezember 1986 (Bundesversorgungsblatt 1987 Nr. 1 bis 5 Seite 3 - OP-Erlass) genannten Voraussetzungen nicht vorlägen. Die Hinterbliebenen hätten aber Anspruch auf Versorgung, weil es sich bei dem Waldlauf 1990 um einen von der Bundeswehr geförderten und geforderten Sport gehandelt habe. Der Tod bei dem Waldlauf sei durch dienstliche Belange verursacht worden. Nach allgemeiner Kenntnis sei es als Marathonläufer notwendig, sich ständig mit größeren und kleineren Trainingseinheiten fit zu halten. Auch im Urlaub müssten solche Trainingseinheiten absolviert werden. Der Disziplinarvorgesetzte des Klägers, Ha., habe bestätigt, das sich der Verstorbene im Vorbereitungstraining für einen Geländelauf beim französischen Patenverband sowie zur Teilnahme am Berlin-Marathon befunden habe. Für beide Ereignisse habe der Verstorbene die Genehmigung und den Auftrag gehabt, sich soweit irgend möglich auch außerdienstlich und über die normale Sportausbildung hinaus vorzubereiten. Die entsprechenden Befehle hätten im Regiment vorgelegen und seien im Rahmen der Untersuchungen nach dem Todesfall auch durch die Division geprüft worden. Zwar stehe die Ausübung von Sport ohne Begleitung im Widerspruch zum Sporterlass. Vorliegend handele es sich jedoch um ganz besondere Umstände. Selbstverständlich sei Sport grundsätzlich unter Aufsicht oder zumindest in Begleitung von anderen Soldaten notwendig, um Versicherungsschutz zu erlangen. Etwas anderes müsse aber für Marathonläufer und deren Vorbereitung gelten. Insoweit sei es ausschließlich dem einzelnen Läufer zu überlassen, welche Strecke er in welchem Tempo laufe. Ein Begleiter, der wiederum sein eigenes Tempo und seine eigene Strecke laufe, könne nicht ständig an der Seite sein. Gerade beim Marathonlauf handele es sich um eine Sportart, die in der Regel alleine ausgeübt werden müsse. Auch eine Begleitung mit dem Fahrrad könne nicht immer und schon gar nicht im Wald erfolgen. Bei dienstlich auch in der Freizeit angeordnetem Sport sei eine Begleitung kaum möglich, da dem Läufer i.d.R. kein Soldat in der Freizeit zur Begleitung beim Training zugeteilt werden könne. Im Übrigen sei die Auffassung des Klägers nachvollziehbar, nach der die Voraussetzungen der Nr. 2 des sog. Sporterlasses vorlägen. Insoweit werde auf die schriftlichen Ausführungen des Disziplinarvorgesetzten Ha. vom 14. Juni 1999 Bezug genommen.

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Gegen dieses ihm am 19. Februar 2003 zugestellte Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner am 11. März 2003 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingelegten Berufung. Er trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Der Verstorbene habe nicht die Voraussetzungen nach Nr. 3. des sog. Sporterlasses erfüllt, weil der Waldlauf nicht unter Leitung eines vom Disziplinarvorgesetzten beauftragten Soldaten oder einer von ihm bestellten Zivilperson stattgefunden habe. Der Auffassung des Gerichts, dass diese Maßstäbe für Marathonläufer und deren Vorbereitung nicht gelten würden, könne nicht gefolgt werden. Auch für Marathonläufer gebe es Trainer und Betreuer, die den Läufer z.B. mit dem Fahrrad begleiteten und ihm Anweisungen erteilten. Auch die Voraussetzungen der Nr. 2 des sog. Sporterlasses lägen nicht vor. Etwas anderes lasse sich weder aus der dienstlichen Erklärung des zuständigen Vorgesetzten des Verstorbenen, Ha., vom 5. März 1990 noch aus dessen neun Jahre später gefertigtem Schreiben vom 14. Juni 1999 herleiten. Zwar habe der Dienstvorgesetzte des Verstorbenen diesen angewiesen, sich auch im Urlaub für seine spätere dienstliche Verwendung außerdienstlich vorzubereiten. Allerdings verkenne das Sozialgericht den Begriff des Befehls. Ein Befehl sei die Anweisung zu einem bestimmten Verhalten, die ein militärischer Vorgesetzter seinem Untergebenen allgemein oder für den Einzelfall mit dem Anspruch auf Gehorsam erteile. Ein solcher Befehl sei dem Verstorbenen in Bezug auf das Training nicht erteilt worden. Die Aufforderung, auch außerhalb des Dienstes und im Urlaub zu trainieren, sei nicht bestimmt genug gewesen, um den zur freien Verfügung stehenden Urlaub durch ein weisungsbestimmtes und am Gehorsam orientiertes Verhalten zu unterbrechen und den Verstorbenen dadurch vorübergehend wieder für die Trainingszeiten in den militärischen Dienst einzuordnen. Der Soldat übe nämlich bei Unterbrechung oder Abbruch des Urlaubs erst dann wieder Dienst aus, wenn er sein Verhalten nicht selbst bestimmen dürfe, sondern nach militärischem Befehl richten müsse. Unter diesem Zwang habe der Verstorbene jedenfalls nicht im Unfallzeitpunkt gestanden. Ihm sei weder ein bestimmter Ort noch eine bestimmte Zeit für sein Training oder ein bestimmtes Trainingspensum vorgeschrieben worden. Auch sei keine Vorsorge für eine Überwachung oder Kontrolle des Trainings getroffen worden. Selbst wenn der Auffassung des Sozialgerichts gefolgt werde, dass ein versorgungsrechtlich geschützter Tatbestand vorliege, genüge zur Anerkennung des Versorgungsanspruchs nicht - wie bei einem Unfall - der zeitliche Zusammenhang, sondern das zum Tode führende plötzliche Herzversagen müsse mit dem Wehrdienst in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Dazu fehle in der Entscheidung des Sozialgerichts jegliche Begründung.

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Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 12. Februar 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und trägt zur Begründung im Wesentlichen vor: Das Sozialgericht habe das Vorliegen der Voraussetzungen nach Nr. 3 des sog. Sporterlasses rechtsfehlerfrei bejaht. Überdies lägen die Voraussetzungen der Nr. 2 des sog. Sporterlasses vor. Die sportliche Betätigung sei nicht nur genehmigt gewesen, sondern habe auf einer dienstlichen Anordnung des Disziplinarvorgesetzten des Verstorbenen beruht. Der Beklagte übersehe, dass Nr. 2 des Sporterlasses tatbestandlich nicht einen Befehl, sondern einen Auftrag voraussetze. Außerdem habe der Dienstvorgesetzte Ha. ausweislich der vorliegenden schriftlichen Stellungnahme vom 14. Juni 1999 die Form des Befehls gewählt und der Verstorbene habe dies auch so verstanden. Dem Untergebenen könne nicht die Verpflichtung auferlegt werden, erteilte Anweisungen auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Der Beklagte rüge zu Unrecht, dass das erstinstanzliche Urteil keine Aussagen zur Kausalität zwischen Wehrdienstverrichtung und Schädigungsfolge enthalte. Es stehe fest, dass der Waldlauf ursächlich für den Tod geworden sei. Die Kausalität beschreibe den rein naturgesetzlichen Zusammenhang zwischen einer Ursache und einer Wirkung in der Umwelt. Dieser Kausalzusammenhang bestehe, wenn die Ursache nicht hinweggedacht werden könne, ohne dass die Wirkung in ihrer konkreten Gestalt entfalle. Dass der Verstorbene nicht in dem Wald an einem Herzversagen gestorben wäre, wenn er den Waldlauf nicht unternommen hätte, sei jedoch nicht zweifelhaft. Im übrigen sei der Tod auch bei einer wertenden Betrachtung ursächlich auf die aus dem Waldlauf herrührende besondere Belastung und nicht auf die gesundheitliche Vorschädigung zurückzuführen.

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Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

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Die die Kläger betreffenden Akten des Beklagten, die Akten der Wehrbereichsverwaltung des Bundes und die Gerichtsakte zum vorliegenden Verfahren sowie die Gerichtsakte des Verfahrens der Klägerin zu 1. gegen die Bundesrepublik Deutschland (S 11 V 145/96, L 2 V 73/00) haben dem Senat vorgelegen. Der Inhalt dieser Akten ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung gewesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf ihren Inhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die statthafte (§ 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) - und fristgerecht eingelegte (§ 151 SGG) Berufung ist zulässig. Sie ist auch begründet. Das Sozialgericht hat die angefochtenen Bescheide des Beklagten zu Unrecht aufgehoben. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die geltend gemachte Versorgung.

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Der Anspruch der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) auf die geltend gemachte Versorgung richtet sich nach § 80 Satz 2 Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Danach erhalten u.a. Hinterbliebene eines Soldaten, der eine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat, Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG).

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Bezogen auf den Kläger zu 2. könnte der geltend gemachte Anspruch wegen eines ihm gegenüber ergangenen bestandskräftigen ablehnenden Bescheides des Beklagten vom 21. April 1994 auch von der Erfüllung der in § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X geregelten Voraussetzungen abhängen. Das kann aber dahingestellt bleiben, weil auch dieser Bescheid nicht zu beanstanden ist und der Beklagte die beantragten Leistungen im Ergebnis zu Recht abgelehnt hat.

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Dem Anspruch der Kläger steht entgegen, dass der Verstorbene keine Wehrdienstbeschädigung erlitten hat. Eine Wehrdienstbeschädigung ist gemäß § 81 Abs. 1 BVG eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die den Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist.

28

Als dem Wehrdienst eigentümliche Verhältnisse wird nach ständiger Rechtsprechung die von der Behandlung der Zivilisten abweichende truppenärztliche Behandlung (insbesondere ohne freie Arztwahl) angesehen, so dass nachteilige gesundheitliche Folgen einer truppenärztlichen Behandlung einen Anspruch auf Versorgung auslösen können (vgl. BSG, Urteil vom 12. April 2000, SozR 3-1750 § 411 Nr. 1, m.w.N.; Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 10. Dezember 1986 - Bundesversorgungsblatt 1987 Nr. 1 bis 5 Seite 3 - sog. OP-Erlass). Nach dem im Verfahren der Klägerin gegen die Bundesrepublik Deutschland - Wehrbereichsverwaltung - (S 11 V 145/96) eingeholten überzeugenden Gutachten des Prof. Dr. Sf., Klinik für Kardiologie der C.-Ab.-Universität zu Kc., vom 3. Mai 1999 und dessen ergänzender Stellungnahme vom 11. April 2000 muss jedoch davon ausgegangen werden, dass die Schädigung des Herzens zu Lebzeiten nicht erkennbar war und dass deshalb auch keine erforderliche medizinische Behandlung versäumt wurde. Todesursache war wahrscheinlich ein sogenannter „Sekundenherztod", der durch eine Herzrhythmusstörung mit konsekutivem Herz-Kreislaufversagen bei Entzündung der oberen Luftwege und schleimig eitriger Bronchitis und gleichzeitiger physischer Belastung durch den Waldlauf ausgelöst wurde. Als Grunderkrankung hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine sogenannte hypertrophe, nicht obstruktive Kardiomyopathie vorgelegen, die zu einer erheblichen Wandhypertrophie und Herzvergrößerung geführt hat. Allerdings ist es schwierig, die bei Leistungssportlern ebenfalls vorliegende Verdickung der linken Herzkammer von einer krankhaften Wandverdickung bei Kardiomyopathie abzugrenzen. Auch das EKG oder andere klinische Parameter geben insoweit keinen Aufschluss. Belastungsuntersuchungen bis zu 300 Watt hatte der Verstorbene ohne Beschwerden toleriert. Die ST-Strecken-Senkungen im EKG, die sich bei der Belastungsuntersuchung ergeben hatten, waren nicht als eindeutig pathologisch einzustufen. Sein Blutdruck war bei mehreren kardiologischen Untersuchungen sowohl unter Belastung als auch in Ruhe normal. Insgesamt haben die bei dem Verstorbenen zu Lebzeiten durchgeführten Untersuchungen keine Befunde ergeben, die eine Erkrankung des Herzens nahegelegt hätten. Daher bestand auch kein Anlass zu weitergehenden Untersuchungen oder Behandlungen. In Übereinstimmung mit dieser Beurteilung haben Prof. Dr. Sa. und Prof. Dr. H. in ihrem rechtsmedizinischen Gutachten zur Klärung der Todesursache eine feingewebliche Zusatzuntersuchung für erforderlich gehalten. Erst als Ergebnis dieser Zusatzuntersuchung konnten u.a. eine Herzmuskelverschwielung und Herzmuskelfasernekrosen festgestellt werden. Wegen der Bronchitis, die zum Eintritt des Todes beigetragen haben dürfte, hat sich der Kläger nach dem Ergebnis der von der Wehrbereichsverwaltung durchgeführten Ermittlungen nicht in ärztliche Behandlung begeben, sodass auch im Hinblick auf diese Erkrankung kein Zusammenhang zu den wehrdiensteigentümlichen Besonderheiten der truppenärztlichen Versorgung hergestellt werden kann. Nachteilige gesundheitliche Folgen der truppenärztlichen Versorgung werden von den Klägern im Berufungsverfahren im Übrigen nicht geltend gemacht.

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Eine Wehrdienstbeschädigung kann auch nicht mit der Begründung angenommen werden, dass die dienstliche Belastung des Verstorbenen wesentlich zu der Herzerkrankung beigetragen hätte, die schließlich zu dessen Tod geführt hat. Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich die sportlichen Aktivitäten im Hinblick auf die Vorschädigung ungünstig auf die Herzerkrankung ausgewirkt haben. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich der versorgungsrechtlich geschützte Bereich nach dem SVG bei unfallunabhängigen Krankheiten nach dem Vorbild des Berufskrankheitenrechts bestimmt (BSG, Urteil vom 5. Mai 1993, SozR 3-3200 § 81 Nr. 8), es sei denn es handelt sich um besondere außerordentliche Belastungen, die typischerweise nur unter den Bedingungen des Krieges auftreten. Ob eine Krankheit auf bestimmte Einwirkungen zurückzuführen ist, denen der Soldat im Dienst ausgesetzt war, lässt sich wegen der Vielfalt möglicher Ursachen und der begrenzten Leistungsfähigkeit auch der medizinischen Wissenschaft nur allgemein und nicht mit Hilfe medizinischer Sachverständigengutachten im Einzelfall entscheiden (BSG, Beschluss vom 11. Oktober 1994 - 9 BV 55/94 - HVBG-INFO 1995, 970). Eine solche allgemeine Antwort hat der Gesetzgeber für das Gebiet der Berufskrankheit mit der Berufskrankheiten-Verordnung gegeben. Das Berufskrankheitenrecht ist danach auch Modell für die Abgrenzung des versorgungsrechtlich geschützten Bereichs im Recht der Soldatenversorgung.

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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe kommt die Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung wegen der dienstlichen Belastung durch das sportliche Training nicht in Betracht: Gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit erleiden. Die dazu erlassene Berufskrankheiten-Verordnung bezeichnet keine Herzerkrankungen aufgrund körperlicher Belastungen. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Herzerkrankung des Verstorbenen nach § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit anzuerkennen wäre. Entsprechende neue medizinische Erkenntnisse sind nicht ersichtlich. Auch gibt es keine Hinweise darauf, dass der Verstorbene Belastungen ausgesetzt gewesen wäre, die typischerweise nur unter den Bedingungen des Krieges auftreten. Daher hat der Senat keine Veranlassung gesehen, durch die Einholung eines medizinischen Gutachtens zu klären, ob die dienstlichen sportlichen Aktivitäten wesentlich zu der Herzerkrankung des Verstorbenen beigetragen haben.

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Der Verstorbene hat bei der Ausübung des Waldlaufs während seines Urlaubs 1990 auch keinen Wehrdienst verrichtet. Sein Tod ist deshalb nicht „durch eine Wehrdienstverrichtung" oder „durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall" herbeigeführt worden. Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung von dem Grundsatz aus, dass während der Freizeit regelmäßig kein militärischer Dienst geleistet wird, selbst wenn sich die vom Soldaten gewählte Beschäftigung im Rahmen des dienstlich Erwünschten hält (BSG, Urteil vom 8. August 1984, SozR 3200 § 81 Nr. 19; BSG, Urteil vom 22. April 1998, SozR 3-3200 § 81 Nr. 15; BSG, Urteil vom 15. Juli 1992, SozR 3-3200 § 81 Nr. 4). Dies gilt gleichermaßen für sportliche Betätigungen (BSG, a.a.O). Während des Urlaubs ist der Soldat in seiner Selbstbestimmung grundsätzlich nicht durch militärische Befehle oder Aufsicht eingeschränkt. Etwas Anderes gilt nach ständiger Rechtsprechung nur, wenn die sportliche Betätigung sowohl den dienstlichen Interessen dient als auch durch organisatorische Maßnahmen sachlicher und persönlicher Art in den weisungsgebundenen Dienstbereich einbezogen worden ist (BSG, a.a.O.). Bei Unterbrechung oder Abbruch des Urlaubs übt der Soldat erst dann wieder Dienst aus, wenn er sein Verhalten nicht mehr selbst bestimmen darf, sondern nach militärischem Befehl richten muss (vgl. BSG, Urteil vom 11. Mai 1976, SozR 3200 § 81 Nr. 6). Die Zuordnung zum „weiteren Dienstbereich" setzt danach einerseits eine materielle Dienstbezogenheit und andererseits eine „formelle Organisation" durch den Dienstherrn oder einen von ihm Beauftragten voraus. Für den sportlichen Bereich werden diese Kriterien durch den Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom 8. Juni 1962 über die Versorgung bei gesundheitlichen Schädigungen in Ausübung dienstlichen oder außerdienstlichen Sports (Sporterlass) konkretisiert. Der Erlass stellt zwar keine authentische Interpretation des Gesetzes dar und hat auch nicht selbst den Charakter einer Rechtsnorm. Er bindet die Gerichte nur, soweit er mit dem Gesetz übereinstimmt. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Bundeswehr bzw. das Bundesministerium der Verteidigung im Rahmen der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften durch Verwaltungsvorschriften und darauf beruhende Anordnungen grundsätzlich selbst bestimmen kann, was zum Dienst gehört bzw. als dienstliche Veranstaltung anzusehen ist. Insoweit hat die Verwaltung einen gewissen Spielraum, den sie unter Abwägung der Interessen der Soldaten und des Dienstherrn ausüben muss (BSG, Urteil vom 22. April 1998, a.a.O.).

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Die Kläger begründen ihr Begehren in erster Linie unter Bezugnahme auf Nr. 2 des Sporterlasses. Danach wird der sportlichen Betätigung im Rahmen eines Dienstplans gleichgestellt „.. eine sportliche Betätigung außerhalb des Dienstplans, wenn sie auf einer dienstlichen Anordnung des zuständigen Disziplinarvorgesetzten beruht." Die Kläger beziehen sich insoweit auf die von der Wehrbereichsverwaltung beigezogenen Befehle, aus denen u.a. hervorgeht, dass freiwilliger Sport als Freizeitsport aller Soldaten auch im Hinblick auf die Teilnahme an militärischen und/oder zivilen Sportwettkämpfen, die der allgemeinen Sportausbildung zuzurechnen sind, durch die Disziplinarvorgesetzten zu fördern und anzuordnen sind. Zusätzlicher freiwilliger Sport werde als dienstlicher Sport genehmigt. Sie machen geltend, dass eine Anordnung des Dienstvorgesetzten des Verstorbenen vorgelegen habe und beziehen sich dabei insbesondere auf die schriftliche Stellungnahme des ehemaligen Dienstvorgesetzten Oberst Ha. vom 14. Juni 1999. Aus dieser Stellungnahme geht hervor, dass sich der Verstorbene in der Vorbereitung auf die Teilnahme an einem Geländelauf beim französischen Patenverband befand und dass er das Vorbereitungstraining zur Teilnahme am Berlin-Marathon absolvierte. Der Verstorbene habe die Genehmigung und den Auftrag gehabt, sich soweit irgend möglich auch außerdienstlich auf beide Ereignisse vorzubereiten. Dabei stand seine Teilnahme an dem Marathonlauf allerdings offenbar noch nicht fest. Vielmehr wird mitgeteilt, dass zunächst geprüft werde, ob er als Vertreter des Regiments gemeldet werden könne. Dass sich der Verstorbene noch nicht unmittelbar auf den Berlin-Marathon vorbereitet haben dürfte, erscheint auch deshalb naheliegend, weil dieser erst mehr als 7 Monate später am 30. September 1990 stattgefunden hat.

33

Bei diesem „Auftrag" des Dienstvorgesetzten handelte es sich jedoch nicht um eine dienstliche Anordnung im Sinne der Nr. 2 des o.g. Sporterlasses. Eine dienstliche Anordnung in diesem Sinne setzt eine Äußerung oder ein Verhalten des Dienstvorgesetzten voraus, dass nach seinem objektiven Erklärungswert zu einem Handeln oder Unterlassen rechtlich verpflichten will. Sie muss klar und verbindlich sein. Mit dieser Auslegung des Begriffs der dienstlichen Anordnung bezieht sich der Senat auf die zum Beamtenrecht ergangene Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2000, NJW 2001, 3280; BVerwG, Urteil vom 29. September 1967, BVerwGE 33, 106). Der Begriff der dienstlichen Anordnung wird ebenfalls bezogen auf das Dienstverhältnis von Berufssoldaten oder von Zivildienstleistenden gebraucht; er bezeichnet auch hier rechtlich verpflichtende Äußerungen von Vorgesetzten (vgl. § 18 Soldatengesetz, § 30 Zivildienstgesetz), deren Nichtbeachtung dienst- oder strafrechtliche Konsequenzen haben kann. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Begriff der dienstlichen Anordnung in Nr. 2 des o.g. Sporterlasses anders zu verstehen wäre.

34

Dafür, dass nur eine inhaltlich hinreichend bestimmte klare und rechtlich verpflichtende Anordnung als dienstliche Anordnung i.S.d. Nr. 2 des Sporterlasses angesehen werden kann, spricht im Übrigen der erkennbare Zweck und der inhaltliche Zusammenhang, in dem die Regelung steht: Wie ausgeführt ist Voraussetzung für die Einbeziehung einer sportlichen Betätigung in den „weiteren Dienstbereich", dass sie nicht nur den dienstlichen Interessen dient, sondern darüber hinaus auch durch organisatorische Maßnahmen sachlicher und persönlicher Art in den weisungsgebundenen Dienstbereich einbezogen worden ist. Der Sporterlass kann diese Voraussetzungen nicht abändern, sondern nur konkretisieren. Der Erlass geht dementsprechend in Nr. 1 zunächst von der sportlichen Betätigung im Rahmen des Dienstplans aus. Die organisatorische Einbindung in den Dienstbereich ist unter diesen Umständen unproblematisch. Dieser sportlichen Betätigung im Rahmen des Dienstplans wird die sportliche Betätigung außerhalb des Dienstplans in Abs. 2 gleichgestellt, wenn sie auf einer dienstlichen Anordnung des zuständigen Dienstvorgesetzten beruht. Das Bundesministerium der Verteidigung ist dabei erkennbar davon ausgegangen, dass die organisatorische Einbindung in diesem Fall in vergleichbarer Weise sichergestellt wird, wie bei der Betätigung im Rahmen des Dienstplans. Auch aus diesem Grund kann nur eine Anordnung, die Vorgaben hinsichtlich Art, Umfang, Ort oder Zeit der sportlichen Betätigung enthält, als eine Anordnung i.S.d. Nr. 2 des Sporterlasses angesehen werden, nicht jedoch ein „Auftrag", der die Ausgestaltung der sportlichen Betätigung ganz in das Belieben des Soldaten stellt. Anderenfalls wäre die in Nr. 2 genannte sportliche Betätigung aufgrund dienstlicher Anordnung nicht mehr von dem nur genehmigten Sport (der nur bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen als Wehrdienst anzusehen ist) und dem unter Nr. 4 genannten Sport „in der Freizeit aus eigenem Entschluss" (der nicht als Wehrdienst anzusehen ist) zu unterscheiden.

35

Der von dem ehemaligen Dienstvorgesetzten des Verstorbenen, Ha., erteilte „Auftrag" oder die erteilte „Genehmigung", sich auch außerdienstlich über die normale Sportausbildung hinaus auf sportliche Wettkämpfe vorzubereiten, können unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe nach ihrem objektiven Erklärungswert nicht als rechtlich verpflichtend angesehen werden. Sie waren nicht hinreichend klar und verbindlich, weil sie keinerlei Vorgaben zu Ort, Zeit, Umfang und Art des Trainings enthielten. Dies wird auch durch die in der mündlichen Verhandlung abgegebene Darstellung der Klägerin zu 1. zum Inhalt des „Auftrags", bei dessen Erteilung sie nach ihren Angaben anwesend war, bestätigt. Danach hat der Dienstvorgesetzte Ha. nach einem Lehrgang in Se., bei dem der Verstorbene witterungsbedingt nicht trainieren konnte, unmittelbar vor Antritt des Urlaubs sinngemäß geäußert: „Jetzt haben Sie einiges aufzuholen, Sie haben ja so einiges vor sich." Soweit diese Äußerung überhaupt als „Auftrag", im Urlaub zu trainieren, zu verstehen war, so war dieser jedenfalls nicht geeignet, den zur freien Verfügung des Klägers stehenden Urlaub durch ein weisungsbestimmtes Verhalten zu unterbrechen und ihn dadurch vorübergehend wieder für die Trainingszeiten in den militärischen Dienst einzuordnen. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verstorbene irrtümlich von dem Vorliegen eines Befehls (vgl. dazu BSG, Urteil vom 11. Mai 1976, a.a.O.) oder einer rechtlich verbindlichen Anordnung ausgegangen wäre, als er 1990 gegen 16:30 Uhr das Haus verließ, um für ca. eine Stunde zu joggen. Nach allem handelte es sich bei dem 1990 im Urlaub absolvierten Waldlauf nicht um ein weisungsbestimmtes Sporttraining, sondern um ein der vollen Selbstbestimmung unterliegendes körperliches Übungsverhalten.

36

Der geltend gemachten Anspruch kann auch nicht auf Nr. 3 des sog. Sporterlasses gestützt werden. Allerdings genügt danach die aus dienstlichen Gründen erteilte Genehmigung durch den Disziplinarvorgesetzten; eine dienstliche Anordnung wird nicht vorausgesetzt. Unter Zugrundelegung der Schilderungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung und der vorliegenden Stellungnahmen des ehemaligen Dienstvorgesetzten, Ha., kann angenommen werden, dass eine solche Genehmigung aus dienstlichen Gründen erteilt worden ist. Die geringeren Anforderungen an die Verbindlichkeit der vom Dienstvorgesetzten geäußerten Vorgaben werden in Nr. 3 des Sporterlasses allerdings dadurch kompensiert, dass höhere Anforderungen an die organisatorische Einbindung bei der Durchführung der sportlichen Betätigung gestellt werden. Der Sport muss von einem vom Disziplinarvorgesetzten „beauftragten Soldaten oder einer von ihm bestellten Zivilperson, die in einem Dienstverhältnis zur Bundeswehr steht, verantwortlich geleitet" worden sein. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Zwar wird die Frage, was unter einer „verantwortlichen Leitung" i.S. der Nr. 3 des Sporterlasses zu verstehen ist, nicht unabhängig von der Sportart zu beantworten sein. Die in der Entscheidung des Sozialgerichts vertretene Auffassung, dass die Begleitung eines Läufers beim Training in Gestalt eines Waldlaufs nicht gefordert werden könne, mag vor diesem Hintergrund zutreffen. Daraus kann aber jedenfalls nicht abgeleitet werden, dass speziell beim Laufsport die materielle Dienstbezogenheit ausreichen würde und dass auf das Erfordernis der „formellen Organisation" vollständig verzichtet werden könnte. Selbst wenn wegen der Besonderheiten des Laufsports geringere Anforderungen an die organisatorische Einbindung zu stellen sein sollten als bei anderen Sportarten, so ist die Zuordnung der sportlichen Betätigung in der Urlaubszeit zum Wehrdienst jedenfalls ausgeschlossen, wenn es wie hier - abgesehen von dem allgemeinen „Auftrag" des Vorgesetzten, sich auch außerdienstlich auf sportliche Wettkämpfe vorzubereiten - an jeder organisatorischen Maßnahme sachlicher oder persönlicher Art, die einen dienstlichen Bezug vermitteln könnte, fehlt. Zu denken wäre in diesem Zusammenhang im Falle der Abwesenheit eines Trainers während des Laufs z.B. an ein konkretes Trainingsprogramm, das von einem durch den Dienstvorgesetzten beauftragten Soldaten oder einer von ihm bestellten Zivilperson erstellt worden ist sowie an regelmäßige Kontrollen. Im Gegensatz dazu hat der Verstorbene bei der Absolvierung des Waldlaufs 1990 selbstbestimmt gehandelt. Er war nicht durch militärische Befehle oder Aufsicht in der Gestaltung seines Urlaubs eingeschränkt. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verstorbene den Waldlauf 1990 im Vertrauen darauf unternommen hätte, dass es sich um eine dienstliche Veranstaltung handeln würde (vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. April 1998, a.a.O.). Unter diesen Umständen kann das im Urlaub absolvierte Training nicht als Wehrdienst angesehen werden, selbst wenn dieses (auch) im dienstlichen Interesse durchgeführt wurde.

37

Nach alledem war das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Klage abzuweisen.

38

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 SGG.

39

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.


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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 14. Sept. 2004 - L 2 VS 13/03 zitiert 13 §§.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 9 Berufskrankheit


(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit

Soldatenversorgungsgesetz - SVG | § 81 Wehrdienstbeschädigung


(1) Wehrdienstbeschädigung ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden i

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 81


Erfüllen Personen die Voraussetzungen des § 1 oder entsprechender Vorschriften anderer Gesetze, die eine entsprechende Anwendung dieses Gesetzes vorsehen, so haben sie wegen einer Schädigung gegen den Bund nur die auf diesem Gesetz beruhenden Ansprüc

Bundesversorgungsgesetz - BVG | § 88 Übergangsregelung zur Verhinderung einer Zahlungslücke


Leistungsberechtigte, 1. die am 31. Dezember 2019 in einer stationären Einrichtung leben und Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 27d Absatz 1 Nummer 3 beziehen,2. die nach § 27a leistungsberechtigt sind und3. denen im Monat Januar 2020 eine lau

Referenzen

(1) Wehrdienstbeschädigung ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist.

(2) Eine Wehrdienstbeschädigung ist auch eine gesundheitliche Schädigung, die herbeigeführt worden ist durch

1.
einen Angriff auf den Soldaten
a)
wegen seines pflichtgemäßen dienstlichen Verhaltens,
b)
wegen seiner Zugehörigkeit zur Bundeswehr oder
c)
bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen, denen er am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war,
2.
einen Unfall, den der Beschädigte
a)
auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 des Bundesversorgungsgesetzes durchzuführen oder um auf Verlangen einer zuständigen Behörde oder eines Gerichts wegen der Beschädigtenversorgung persönlich zu erscheinen,
b)
bei der Durchführung einer der unter Buchstabe a aufgeführten Maßnahmen erleidet,
3.
gesundheitsschädigende Verhältnisse, denen der Soldat am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war.

(3) Zum Wehrdienst im Sinne dieser Vorschrift gehören auch

1.
die Teilnahme an einer dienstlichen Veranstaltung im Sinne des § 81 Absatz 2 des Soldatengesetzes,
2.
die mit dem Wehrdienst zusammenhängenden Dienstreisen und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort,
3.
die Teilnahme eines Soldaten an dienstlichen Veranstaltungen,
4.
Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst oder in dem ihm gleichstehenden Dienst, zu deren Übernahme der Soldat gemäß § 20 Absatz 7 des Soldatengesetzes in Verbindung mit § 98 des Bundesbeamtengesetzes verpflichtet ist, oder Tätigkeiten, deren Wahrnehmung von ihm im Zusammenhang mit den Dienstgeschäften erwartet wird, sofern der Soldat hierbei nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist (§ 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch).

(4) Als Wehrdienst gilt auch

1.
das Erscheinen zur Feststellung der Wehrdienstfähigkeit, zu einer Eignungsuntersuchung und Eignungsfeststellung oder im Rahmen der Wehrüberwachung auf Anordnung einer zuständigen Dienststelle,
2.
das Zurücklegen des mit dem Wehrdienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle.
Der Zusammenhang mit dem Wehrdienst gilt als nicht unterbrochen, wenn der Soldat
1.
von dem unmittelbaren Wege zwischen der Wohnung und der Dienststelle in vertretbarem Umfang abweicht,
a)
um ein eigenes Kind, für das ihm dem Grunde nach Kindergeld zusteht, wegen seiner eigenen Berufstätigkeit oder der Berufstätigkeit seines Ehegatten in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen oder
b)
weil er mit anderen berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg zu und von der Dienststelle benutzt, oder
2.
in seiner Wohnung Dienst leistet und Wege zurücklegt, um ein Kind im Sinne des Satzes 2 Nummer 1 Buchstabe a in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen.
Hat der Soldat wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung vom Dienstort oder wegen der Kasernierungspflicht am Dienstort oder in dessen Nähe eine Unterkunft, so gelten Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 auch für den Weg zu und von der Familienwohnung.

(5) Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne des Absatzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich.

(6) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(7) Für die Feststellung einer gesundheitlichen Schädigung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung nach Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung sind auch den Versicherungsschutz nach § 2, § 3 oder § 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch begründende Tätigkeiten zu berücksichtigen, wenn sie ihrer Art nach geeignet waren, die Krankheit zu verursachen, und die schädigende Einwirkung überwiegend durch dienstliche Verrichtungen nach Absatz 1 verursacht worden ist.

(8) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte gesundheitliche Schädigung gilt nicht als Wehrdienstbeschädigung.

Leistungsberechtigte,

1.
die am 31. Dezember 2019 in einer stationären Einrichtung leben und Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 27d Absatz 1 Nummer 3 beziehen,
2.
die nach § 27a leistungsberechtigt sind und
3.
denen im Monat Januar 2020 eine laufende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zufließt,
haben dieses im Januar 2020 zufließende Einkommen abweichend von § 25d nicht für die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 27a einzusetzen. Einer laufenden Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung stehen Renten und rentenähnliche Dauerleistungen anderer Sozialleistungsträger gleich, sofern diese erst am Ende des laufenden Monats fällig sind.

(1) Wehrdienstbeschädigung ist eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist.

(2) Eine Wehrdienstbeschädigung ist auch eine gesundheitliche Schädigung, die herbeigeführt worden ist durch

1.
einen Angriff auf den Soldaten
a)
wegen seines pflichtgemäßen dienstlichen Verhaltens,
b)
wegen seiner Zugehörigkeit zur Bundeswehr oder
c)
bei Kriegshandlungen, Aufruhr oder Unruhen, denen er am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war,
2.
einen Unfall, den der Beschädigte
a)
auf einem Hin- oder Rückweg erleidet, der notwendig ist, um eine Maßnahme der Heilbehandlung, eine Badekur, Versehrtenleibesübungen als Gruppenbehandlung oder Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 26 des Bundesversorgungsgesetzes durchzuführen oder um auf Verlangen einer zuständigen Behörde oder eines Gerichts wegen der Beschädigtenversorgung persönlich zu erscheinen,
b)
bei der Durchführung einer der unter Buchstabe a aufgeführten Maßnahmen erleidet,
3.
gesundheitsschädigende Verhältnisse, denen der Soldat am Ort seines dienstlich angeordneten Aufenthalts im Ausland besonders ausgesetzt war.

(3) Zum Wehrdienst im Sinne dieser Vorschrift gehören auch

1.
die Teilnahme an einer dienstlichen Veranstaltung im Sinne des § 81 Absatz 2 des Soldatengesetzes,
2.
die mit dem Wehrdienst zusammenhängenden Dienstreisen und die dienstliche Tätigkeit am Bestimmungsort,
3.
die Teilnahme eines Soldaten an dienstlichen Veranstaltungen,
4.
Nebentätigkeiten im öffentlichen Dienst oder in dem ihm gleichstehenden Dienst, zu deren Übernahme der Soldat gemäß § 20 Absatz 7 des Soldatengesetzes in Verbindung mit § 98 des Bundesbeamtengesetzes verpflichtet ist, oder Tätigkeiten, deren Wahrnehmung von ihm im Zusammenhang mit den Dienstgeschäften erwartet wird, sofern der Soldat hierbei nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert ist (§ 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch).

(4) Als Wehrdienst gilt auch

1.
das Erscheinen zur Feststellung der Wehrdienstfähigkeit, zu einer Eignungsuntersuchung und Eignungsfeststellung oder im Rahmen der Wehrüberwachung auf Anordnung einer zuständigen Dienststelle,
2.
das Zurücklegen des mit dem Wehrdienst zusammenhängenden Weges nach und von der Dienststelle.
Der Zusammenhang mit dem Wehrdienst gilt als nicht unterbrochen, wenn der Soldat
1.
von dem unmittelbaren Wege zwischen der Wohnung und der Dienststelle in vertretbarem Umfang abweicht,
a)
um ein eigenes Kind, für das ihm dem Grunde nach Kindergeld zusteht, wegen seiner eigenen Berufstätigkeit oder der Berufstätigkeit seines Ehegatten in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen oder
b)
weil er mit anderen berufstätigen oder in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Personen gemeinsam ein Fahrzeug für den Weg zu und von der Dienststelle benutzt, oder
2.
in seiner Wohnung Dienst leistet und Wege zurücklegt, um ein Kind im Sinne des Satzes 2 Nummer 1 Buchstabe a in fremde Obhut zu geben oder aus fremder Obhut abzuholen.
Hat der Soldat wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung vom Dienstort oder wegen der Kasernierungspflicht am Dienstort oder in dessen Nähe eine Unterkunft, so gelten Satz 1 Nummer 2 und Satz 2 auch für den Weg zu und von der Familienwohnung.

(5) Einer gesundheitlichen Schädigung im Sinne des Absatzes 1 steht die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich.

(6) Zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung genügt die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn die zur Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung erforderliche Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, kann mit Zustimmung des Bundesministeriums der Verteidigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Gesundheitsstörung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung anerkannt werden; die Zustimmung kann allgemein erteilt werden.

(7) Für die Feststellung einer gesundheitlichen Schädigung als Folge einer Wehrdienstbeschädigung nach Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung sind auch den Versicherungsschutz nach § 2, § 3 oder § 6 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch begründende Tätigkeiten zu berücksichtigen, wenn sie ihrer Art nach geeignet waren, die Krankheit zu verursachen, und die schädigende Einwirkung überwiegend durch dienstliche Verrichtungen nach Absatz 1 verursacht worden ist.

(8) Eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte gesundheitliche Schädigung gilt nicht als Wehrdienstbeschädigung.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Erfüllen Personen die Voraussetzungen des § 1 oder entsprechender Vorschriften anderer Gesetze, die eine entsprechende Anwendung dieses Gesetzes vorsehen, so haben sie wegen einer Schädigung gegen den Bund nur die auf diesem Gesetz beruhenden Ansprüche; jedoch finden die Vorschriften der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge, das Gesetz über die Erweiterte Zulassung von Schadenersatzansprüchen bei Dienstunfällen in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 2030-2-19, bereinigten Fassung, und § 82 des Beamtenversorgungsgesetzes Anwendung.

(1) Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, daß die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind. In der Rechtsverordnung kann ferner bestimmt werden, inwieweit Versicherte in Unternehmen der Seefahrt auch in der Zeit gegen Berufskrankheiten versichert sind, in der sie an Land beurlaubt sind.

(1a) Beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales wird ein Ärztlicher Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten gebildet. Der Sachverständigenbeirat ist ein wissenschaftliches Gremium, das das Bundesministerium bei der Prüfung der medizinischen Erkenntnisse zur Bezeichnung neuer und zur Erarbeitung wissenschaftlicher Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten unterstützt. Bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die den Sachverständigenbeirat bei der Erfüllung seiner Arbeit organisatorisch und wissenschaftlich, insbesondere durch die Erstellung systematischer Reviews, unterstützt. Das Nähere über die Stellung und die Organisation des Sachverständigenbeirats und der Geschäftsstelle regelt die Bundesregierung in der Rechtsverordnung nach Absatz 1.

(2) Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.

(2a) Krankheiten, die bei Versicherten vor der Bezeichnung als Berufskrankheiten bereits entstanden waren, sind rückwirkend frühestens anzuerkennen

1.
in den Fällen des Absatzes 1 als Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die Bezeichnung in Kraft getreten ist,
2.
in den Fällen des Absatzes 2 wie eine Berufskrankheit zu dem Zeitpunkt, in dem die neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vorgelegen haben; hat der Ärztliche Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten eine Empfehlung für die Bezeichnung einer neuen Berufskrankheit beschlossen, ist für die Anerkennung maßgebend der Tag der Beschlussfassung.

(3) Erkranken Versicherte, die infolge der besonderen Bedingungen ihrer versicherten Tätigkeit in erhöhtem Maße der Gefahr der Erkrankung an einer in der Rechtsverordnung nach Absatz 1 genannten Berufskrankheit ausgesetzt waren, an einer solchen Krankheit und können Anhaltspunkte für eine Verursachung außerhalb der versicherten Tätigkeit nicht festgestellt werden, wird vermutet, daß diese infolge der versicherten Tätigkeit verursacht worden ist.

(3a) Der Unfallversicherungsträger erhebt alle Beweise, die zur Ermittlung des Sachverhalts erforderlich sind. Dabei hat er neben den in § 21 Absatz 1 Satz 1 des Zehnten Buches genannten Beweismitteln auch Erkenntnisse zu berücksichtigen, die er oder ein anderer Unfallversicherungsträger an vergleichbaren Arbeitsplätzen oder zu vergleichbaren Tätigkeiten gewonnen hat. Dies gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Ermittlungen zu den Einwirkungen während der versicherten Tätigkeit dadurch erschwert sind, dass der Arbeitsplatz des Versicherten nicht mehr oder nur in veränderter Gestaltung vorhanden ist. Die Unfallversicherungsträger sollen zur Erfüllung der Aufgaben nach den Sätzen 2 und 3 einzeln oder gemeinsam tätigkeitsbezogene Expositionskataster erstellen. Grundlage für diese Kataster können die Ergebnisse aus systematischen Erhebungen, aus Ermittlungen in Einzelfällen sowie aus Forschungsvorhaben sein. Die Unfallversicherungsträger können außerdem Erhebungen an vergleichbaren Arbeitsplätzen durchführen.

(4) Besteht für Versicherte, bei denen eine Berufskrankheit anerkannt wurde, die Gefahr, dass bei der Fortsetzung der versicherten Tätigkeit die Krankheit wiederauflebt oder sich verschlimmert und lässt sich diese Gefahr nicht durch andere geeignete Mittel beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Die Versicherten sind von den Unfallversicherungsträgern über die mit der Tätigkeit verbundenen Gefahren und mögliche Schutzmaßnahmen umfassend aufzuklären. Zur Verhütung einer Gefahr nach Satz 1 sind die Versicherten verpflichtet, an individualpräventiven Maßnahmen der Unfallversicherungsträger teilzunehmen und an Maßnahmen zur Verhaltensprävention mitzuwirken; die §§ 60 bis 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Pflichten der Unternehmer und Versicherten nach dem Zweiten Kapitel und nach arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften bleiben hiervon unberührt. Kommen Versicherte ihrer Teilnahme- oder Mitwirkungspflicht nach Satz 3 nicht nach, können die Unfallversicherungsträger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben oder die Leistung einer danach erstmals festzusetzenden Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder den Anteil einer Rente, der auf eine danach eingetretene wesentliche Änderung im Sinne des § 73 Absatz 3 zurückgeht, bis zur Nachholung der Teilnahme oder Mitwirkung ganz oder teilweise versagen. Dies setzt voraus, dass infolge der fehlenden Teilnahme oder Mitwirkung der Versicherten die Teilhabeleistungen erforderlich geworden sind oder die Erwerbsminderung oder die wesentliche Änderung eingetreten ist; § 66 Absatz 3 und § 67 des Ersten Buches gelten entsprechend.

(5) Soweit Vorschriften über Leistungen auf den Zeitpunkt des Versicherungsfalls abstellen, ist bei Berufskrankheiten auf den Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder der Behandlungsbedürftigkeit oder, wenn dies für den Versicherten günstiger ist, auf den Beginn der rentenberechtigenden Minderung der Erwerbsfähigkeit abzustellen.

(6) Die Bundesregierung regelt durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1.
Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von Berufskrankheiten,
2.
die Mitwirkung der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen bei der Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind; dabei kann bestimmt werden, daß die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen berechtigt sind, Zusammenhangsgutachten zu erstellen sowie zur Vorbereitung ihrer Gutachten Versicherte zu untersuchen oder auf Kosten der Unfallversicherungsträger andere Ärzte mit der Vornahme der Untersuchungen zu beauftragen,
3.
die von den Unfallversicherungsträgern für die Tätigkeit der Stellen nach Nummer 2 zu entrichtenden Gebühren; diese Gebühren richten sich nach dem für die Begutachtung erforderlichen Aufwand und den dadurch entstehenden Kosten.

(7) Die Unfallversicherungsträger haben die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständige Stelle über den Ausgang des Berufskrankheitenverfahrens zu unterrichten, soweit ihre Entscheidung von der gutachterlichen Stellungnahme der zuständigen Stelle abweicht.

(8) Die Unfallversicherungsträger wirken bei der Gewinnung neuer medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse insbesondere zur Fortentwicklung des Berufskrankheitenrechts mit; sie sollen durch eigene Forschung oder durch Beteiligung an fremden Forschungsvorhaben dazu beitragen, den Ursachenzusammenhang zwischen Erkrankungshäufigkeiten in einer bestimmten Personengruppe und gesundheitsschädlichen Einwirkungen im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit aufzuklären. Die Verbände der Unfallversicherungsträger veröffentlichen jährlich einen gemeinsamen Bericht über ihre Forschungsaktivitäten und die Forschungsaktivitäten der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bericht erstreckt sich auf die Themen der Forschungsvorhaben, die Höhe der aufgewendeten Mittel sowie die Zuwendungsempfänger und Forschungsnehmer externer Projekte.

(9) Die für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen dürfen zur Feststellung von Berufskrankheiten sowie von Krankheiten, die nach Absatz 2 wie Berufskrankheiten zu entschädigen sind, Daten verarbeiten sowie zur Vorbereitung von Gutachten Versicherte untersuchen, soweit dies im Rahmen ihrer Mitwirkung nach Absatz 6 Nr. 2 erforderlich ist; sie dürfen diese Daten insbesondere an den zuständigen Unfallversicherungsträger übermitteln. Die erhobenen Daten dürfen auch zur Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren gespeichert, verändert, genutzt, übermittelt oder in der Verarbeitung eingeschränkt werden. Soweit die in Satz 1 genannten Stellen andere Ärzte mit der Vornahme von Untersuchungen beauftragen, ist die Übermittlung von Daten zwischen diesen Stellen und den beauftragten Ärzten zulässig, soweit dies im Rahmen des Untersuchungsauftrages erforderlich ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.