Landessozialgericht NRW Urteil, 27. Aug. 2014 - L 10 P 52/14 ZVW
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 10.02.2012 wird zurückgewiesen. Der Beklagten werden Kosten in Höhe von 1.000,- Euro auferlegt. Im Übrigen trägt die Beklagte die außergerichtlichen Kosten des Klägers auch im Berufungs- und Revisionsverfahren. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
Tatbestand:
2Streitig ist die Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III ab Januar 2010.
3Der 1947 geborene, bei der Beklagten pflegeversicherte Kläger bezieht seit März 2003 Pflegegeld nach der Pflegestufe II. Er leidet im Wesentlichen unter einem Zustand nach rechtshirnigem Mediainsult am 05.10.2002 mit brachiofacial betonter, spastischer Hemiparese links, Kontrakturen von Ellenbogen, Hand- und Fingergelenken links, Gleichgewichtsstörungen, erheblicher Stand- und Gangunsicherheit, insulinpflichtigem Diabetes mellitus mit diabetischer Neuropathie und Angiopathie sowie proliferativer diabetischer Retinopathie mit Blindheit beider Augen, inkompletter Harn- und Stuhlinkontinenz, arterieller Hypertonie, dilatativer Kardiomyopathie, Instabilität des linken oberen Sprunggelenks, Depression und Zustand nach psychotischem Erleben.
4Am 07.01.2010 beantragte der Kläger die Höherstufung in die Pflegestufe III. Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach Einholung eines Pflegegutachtens des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 21.01.2010, in welchem ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 216 Minuten täglich (Körperpflege 103 Minuten, Ernährung 60 Minuten, Mobilität 53 Minuten) täglich festgestellt wurde, mit Bescheid vom 10.02.2010 ab und wies den dagegen erhobenen Widerspruch nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme des SMD mit Widerspruchsbescheid vom 11.06.2010 zurück.
5Hiergegen hat der Kläger am 09.07.2010 Klage beim Sozialgericht Münster (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, er sei infolge eines Schlaganfalls querschnittsgelähmt und seit Ende 2003 erblindet. Es könne sich nicht allein bewegen und sei nicht in der Lage, die Verrichtungen der Grundpflege selbständig auszuüben. Er sei rund um die Uhr, auch nachts, auf die Hilfe und Begleitung seiner Ehefrau angewiesen. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, die den Kläger betreffende Schwerbehindertenakte des Kreises X beigezogen und über den bestehenden Pflegebedarf Beweis durch Einholung eines Gutachten von Dr. S vom 14.06.2011 erhoben. Dieser hat einen Hilfebedarf in der Grundpflege von 232 Minuten täglich (Körperpflege 119 Minuten, Ernährung 62 Minuten, Mobilität 51 Minuten) ermittelt.
6Mit Urteil vom 10.02.2012 hat das SG die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III ab dem 01.01.2010 verurteilt. Wegen erheblicher Unsicherheiten bei der Einschätzung des Pflegebedarfs sei im Grenzfall ein großzügiger Maßstab anzuwenden. Der Leistungsanspruch dürfe nicht an wenigen Minuten scheitern. Nach Auffassung der Kammer sei die Annahme der Schwerstpflegebedürftigkeit schon bei dem vom Sachverständigen ermittelten grundpflegerischen Hilfebedarf von 232 Minuten gerechtfertigt. Das Unterschreiten der zeitlichen Schnittstelle um wenige Minuten stehe der Zuerkennung der Pflegestufe III nicht entgegen.
7Gegen das am 21.02.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 29.02.2012 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, der Kläger erfülle die Voraussetzungen einer Schwerstpflegebedürftigkeit gemäß § 15 Abs 3 Nr 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) nicht. Die Voraussetzung eines Hilfebedarfs in der Grundpflege von mindestens vier Stunden täglich sei nach den Feststellungen des Sachverständigen Dr. S nicht erreicht. Die Möglichkeit der Annahme einer höheren Pflegestufe, deren Vorliegen durch die Feststellungen des zugrunde liegenden Gutachtens nicht gedeckt sei, sei weder nach dem Gesetz noch der Rechtsprechung des BSG gegeben.
8Der Senat hat einen Befundbericht der behandelnden Ärztin für Allgemeinärztin Dr. G vom 18.05.2012 und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten von Dr. R vom 24.08.2012 eingeholt. Dieser hat einen Hilfebedarf in der Grundpflege von 286 Minuten täglich (Körperpflege 111 Minuten, Ernährung 62 Minuten, Mobilität 113 Minuten) festgestellt und die Auffassung vertreten, dass die Kriterien der Pflegestufe III bereits seit Januar 2010 dauerhaft erfüllt gewesen seien.
9Die Beklagte hat diesem Gutachten unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des SMD vom 02.10.2012 entgegengehalten, dass die Annahme der Voraussetzungen der Pflegestufe III bereits zum Antragszeitpunkt nicht nachvollziehbar sei. Ein Übergang von der Pflegestufe II zur Pflegestufe III könne für die zweite Jahreshälfte 2011 anzunehmen sein; wenn das Gericht dieser Sichtweise allerdings nicht zu folgen vermöge, müsse Dr. R zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Änderung der Pflegestufe befragt werden. Der hierzu durch den Senat schriftlich befragte Dr. R hat in einer Stellungnahme vom 16.01.2013 angegeben, er bleibe bei seinen Ausführungen und sehe die Kriterien der Pflegestufe III bereits seit Antragstellung als dauerhaft erfüllt an. Mit Schriftsatz vom 22.02.2013 hat die Beklagte unter Beifügung einer weiteren SMD-Stellungnahme beantragt, von Dr. S, dessen Gutachten sie für schlüssig und nachvollziehbar halte, eine ergänzende Stellungnahme zu dem von Dr. R angenommenen Zeitpunkt des Pflegestufenwechsels einzuholen. In der mündlichen Verhandlung am 17.04.2013 hat die Beklagte beantragt, die Gutachter Dr. S und Dr. R zu ihren Gutachten persönlich anzuhören und ihr Gelegenheit zur Ausübung des Fragerechts zu geben. Die Vertreterin der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung nur diesen Beweisantrag gestellt und es ausdrücklich abgelehnt, einen Sachantrag zu stellen. Sie hat ihr Vergleichsangebot aufrecht erhalten, dem Kläger Leistungen nach der Pflegestufe III ab dem 08.06.2011 zu zahlen, es aber abgelehnt, ein entsprechendes Teilanerkenntnis oder auch ein Anerkenntnis für den Zeitraum ab August 2012 abzugeben.
10Mit Urteil vom 17.04.2013 (L 10 P 38/12 in Juris) hat der Senat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und ihr - neben den außergerichtlichen Kosten des Klägers - Kosten in Höhe von 1000 EUR auferlegt. Zwar sei der Begründung des SG nicht zu folgen. Der Kläger habe aber dennoch Anspruch auf Leistungen nach der Pflegestufe III ab Januar 2010, da der Senat aufgrund der in wesentlichen Punkten übereinstimmenden Sachverständigengutachten von Dr. S und Dr. R davon überzeugt sei, dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein Hilfebedarf in der Grundpflege von mindestens 240 Minuten bestanden habe. Der Senat habe deshalb keine Veranlassung gesehen, die Sachverständigen zur Erläuterung ihrer Gutachten zu hören. Der erst im Verlauf der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag sei als verspätet zurückzuweisen. Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 22.02.2013 habe der Senat der Beklagten mitgeteilt, dass weitere Ermittlungen nicht beabsichtigt seien. Ein entsprechender Beweisantrag hätte daher noch rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen. Auch seien die von der Beklagten aufgeworfenen Fragen nicht sachdienlich und entscheidungserheblich. Konkrete Einwände habe die Beklagte gegen die Ausführungen von Dr. R nicht erhoben und auch keine konkreten Beweisfragen formuliert. Die Mutwillenskosten seien begründet, weil die Beklagte kein Teilanerkenntnis abgegeben habe.
11Mit ihrer auf den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 07.06.2011 begrenzten Nichtzulassungsbeschwerde hat die Beklage als Verfahrensfehler die Verletzung ihres Rechts auf Befragung eines Sachverständigen sowie eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung des Senats durch Ablehnung der Befragung der Sachverständigen gerügt.
12Durch Beschluss vom 02.04.2014 hat das Bundessozialgericht (BSG, B 3 P 14/13 B, Juris) das Urteil des Senats aufgehoben, soweit die Beklagte Revision gegen die Verurteilung zur Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III für die Zeit vom 01.01.2010 bis 07.06.2011 eingelegt hatte. Der Senat habe zu Unrecht den Sachverständigen Dr. S - anders als von der Beklagten beantragt - nicht ergänzend befragt. Auf diesem Fehler könne die angegriffene Entscheidung in Bezug auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 07.06.2011 beruhen. Der Beweisantrag der Beklagten sei nicht verspätet. Diese habe bereits mit Schriftsatz vom 22.02.2013 beantragt, von Dr. S eine Stellungnahme zur Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Annahme der Pflegestufe III einzuholen. Sie habe davon ausgehen können, dass dieser Antrag rechtzeitig eingehen würde, da zu diesem Zeitpunkt die mündliche Verhandlung noch nicht terminiert gewesen sei. Es sei unproblematisch möglich gewesen, den Sachverständigen nach Eingang des Beweisantrags zu der Sitzung nachzuladen und die Beteiligten entsprechend zu unterrichten. Ein rechtsmissbräuchlicher Antrag der Beklagten liege daher fern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfasse der Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich auch die Anhörung gerichtlicher Sachverständiger. Ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör liege vor, wenn ein Gericht einen Antrag auf Erläuterung eines Sachverständigengutachtens völlig übergeht oder ihm allein deshalb nicht nachkommt, weil ihm das Gutachten überzeugend und nicht weiter erörterungsbedürftig erscheint. Dies sei vorliegend der Fall. Die Entscheidung des Senats beruhe auf einem Rechtsverstoß, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass es der Beklagten bei einer Befragung des Gutachters Dr. S gelungen wäre, die Darlegungen von Dr. R zur Begründung seiner Abweichungen von dem Gutachten von Dr. S infrage zu stellen und damit auch die Überzeugung des LSG von dessen Richtigkeit zu erschüttern. Das angefochtene Urteil werde deshalb bezüglich des noch streitbefangenen Zeitraums gemäß § 160a Abs. 5 SGG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.
13Der Senat hat die Beklagte sodann aufgefordert, die dem Sachverständigen Dr. S zu stellenden Fragen zu formulieren und eine schriftliche ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 29.07.2014 zu den durch die Beklagte vorformulierten Fragen eingeholt. Dr. S hat an der Bemessung des Hilfebedarfs des Klägers im Wesentlichen festgehalten aber eingeräumt, es könne im Bereich des Rasierens ein um 3 Minuten, im Bereich des Gehens ein um 8 Minuten und im Bereich des Umkleidens ein um 2 Minuten höherer Hilfebedarf angenommen werden. Ein entsprechender Zeitwert sei im Bereich der Grundpflege ab Antragstellung durchaus möglich.
14Die Beklagte hat hiergegen im Wesentlichen eingewandt, dass der abweichende Zeitwert für das Gehen nicht überzeugen könne. Auch sei ein zusätzlicher Hilfebedarf beim Umkleiden nicht nachvollziehbar, da die bei dem Kläger auftretenden Durchfälle bereits im Rahmen des Hilfebedarfs beim Stuhlgang berücksichtigt worden seien.
15Die Beklagte beantragt,
16das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 10.10.2012 aufzuheben und die Klage, soweit sie die den Anspruch auf Pflegegeld nach Stufe III vor dem 08.06.2011 betrifft, abzuweisen.
17Der Kläger beantragt,
18die Berufung zurückzuweisen.
19Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis nach wie vor für zutreffend.
20Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
21Entscheidungsgründe:
22Die zulässige Berufung ist unbegründet.
23Das SG hat die Beklagte im Ergebnis zu Recht verurteilt, dem Kläger Leistungen nach der Pflegestufe III ab Januar 2010 zu gewähren. Der Bescheid vom 10.02.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2010 ist rechtswidrig. Die Voraussetzungen für die Pflegestufe III nach § 15 Abs 1 S 1 Nr 3 iVm § 15 Abs 3 Nr 3 SGB XI sind erfüllt. Danach setzt die Zuordnung eines Pflegebedürftigen zur Pflegestufe III voraus, dass er bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität täglich rund um die Uhr, auch nachts, der Hilfe bedarf und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt werden. § 15 Abs 3 Nr 3 SGB XI bestimmt, dass der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung aufwenden muss, wöchentlich im Tagesdurchschnitt mindestens fünf Stunden betragen muss. Hierbei müssen auf die Grundpflege mindestens 4 Stunden entfallen. Für die Zuordnung zur Pflegestufe ist nur der Umfang des Pflegebedarfs bei den gewöhnlichen und wiederkehrenden Verrichtungen maßgebend, die § 14 Abs 4 SGB XI in die Bereiche Körperpflege, Ernährung und Mobilität sowie den Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung aufteilt.
24Diese Voraussetzungen liegen hier seit Januar 2010 vor, da der Kläger bereits zu diesem Zeitpunkt einen Hilfebedarf in der Grundpflege von mindestens 240 Minuten hatte. Der Senat nimmt zur Begründung insofern im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des (aufgehobenen) Urteils vom 17.04.2013 Bezug. Die unter Berücksichtigung der durch die Beklagte formulierten Fragen eingeholte ergänzende Stellungnahme von Dr. S vom 29.07.2014 bestätigen das durch den Senat in diesem Urteil gefundene Ergebnis und sind deshalb nicht geeignet, die Überzeugung des Senats von der Richtigkeit des Gutachtens des Dr. S zu erschüttern. Dr. S hat zusammenfassend ausgeführt, dass im Bereich des Rasierens weitere 3 Minuten, wegen zweimal wöchentlichen Umkleidens des Unterkörpers nach Durchfällen weitere 2 Minuten und im Bereich des Gehens weitere 8 Minuten in Ansatz gebracht werden können. Damit gelangt auch dieser Sachverständige zu einem Hilfebedarf in der Grundpflege von 245 Minuten täglich ab Antragstellung im Januar 2010. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der Einwände, die die Beklagte mit Schriftsatz vom 19.08.2014 gegen die Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Rother erhoben hat. Den um 3 Minuten erhöhten Zeitwert für das Rasieren greift die Beklagte nicht an. Soweit sie geltend macht, dass der Hilfebedarf beim Umkleiden wegen der Durchfälle bereits bei der Verrichtung "Stuhlgang" berücksichtigt sei, trifft dies nicht zu. Die Verrichtung "Stuhlgang" umfasst auch nach den Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem Elften Buch des Sozialgesetzbuches lediglich den Zeitaufwand für Intimhygiene und Toilettenspülung. Ein etwaiger Hilfebedarf beim Umkleiden aufgrund Verschmutzung der Wäsche ist hierbei nicht erfasst. Dieser ist im Rahmen der Mobilität bei der Verrichtung "An-/Auskleiden" zu berücksichtigen. Auch die Einwände der Beklagten hinsichtlich des Hilfebedarfs beim Gehen vermögen nicht zu überzeugen. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass Dr. S in seinem Gutachten festgehalten hat, dass das Wasserlassen am Bett in einen Eimer erfolge und der Stuhlgang auf dem Toilettenstuhl. Gleichwohl ist ein Hilfebedarf für 16 Gänge täglich nachvollziehbar, da der Sachverständige hierunter auch die Gänge zum Essen und zurück ins Schlafzimmer subsummiert. Auch sind Gänge zur Toilette durch die geschilderte Praxis nicht generell ausgeschlossen, da davon auszugehen ist, dass zumindest ein Teil der Körperpflege auch im Badezimmer erfolgt. Darüber hinaus hat der SMD in seinem Gutachten vom 21.01.2010 bei identisch geschilderter Praxis beim Wasserlassen und dem Stuhlgang ebenfalls 16 Gänge täglich im Rahmen der Mobilität anerkannt. Weshalb die Beklagte nunmehr von den - bislang durch sie unbestrittenen - Feststellungen ihres eigenen SMD wie auch des Sachverständigen Dr. S hinsichtlich der Frequenz der Verrichtung "Gehen" abweichen will, erschließt sich dem Senat nicht. Offensichtlich verkennt die Beklagte, dass diese Verrichtung sich nicht allein auf die Gänge zum Zwecke der Darm-/Blasenentleerung erschöpft. Der Senat geht nach allem mit Dr. S von einem Hilfebedarf in der Grundpflege von mindestens 245 Minuten täglich aus. Diese Auffassung wird auch durch die Feststellungen des Sachverständigen Dr. R gestützt, wonach auch nach Abzug des streitigen Zeitaufwandes ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 246 Minuten verbleibt. Auch insofern wird auf die Ausführungen in dem Urteil vom 17.04.2013 Bezug genommen.
25Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und, soweit der Beklagten Kosten auferlegt werden, auf § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG. Hinsichtlich der Begründung nimmt der Senat ebenfalls auf die Ausführungen in dem Urteil vom 17.04.2013 Bezug. Der Senat hat davon abgesehen, der Beklagten weitere Verschuldenskosten aufzuerlegen. Zwar war das Verhalten der Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung am 27.08.2014 durchaus geeignet, weitere Kosten zu Lasten der Beklagten in Ansatz zu bringen, da diese auch auf den deutlichen Hinweis des Vorsitzenden nicht bereit war, dem nunmehr eindeutigen Ergebnis der Beweisaufnahme Rechnung zu tragen und hierbei sogar von den Feststellungen des eigenen SMD hinsichtlich der Frequenz der Verrichtung "Gehen" zu Lasten des Klägers abgewichen ist. Der Senat geht aber davon aus, dass die verhängten Verschuldenskosten in Höhe von 1000,- EUR ausreichend sind, um die Beklagte zur Überprüfung ihrer Reaktionen auf Hinweise des Vorsitzenden in der mündlichen Verhandlung zu veranlassen und hierbei insbesondere zu berücksichtigen, dass die gutachterlichen Schätzungen im Rahmen der Pflegebegutachtung mit gewissen Unsicherheiten verbunden sind und einer Schwankungsbreite der Zeitwerte in verschiedenen Sachverständigengutachten unterliegen (vgl hierzu BSG, Urteil vom 07.07.2005, B 3 P 8/04 R, Juris Rn 28 und 29). Insofern sind gerichtliche Regelungsvorschläge, die durch die Feststellung gerichtlich bestellter Sachverständiger gestützt werden, in Fällen lediglich geringfügig divergierender gutachterlicher Feststellungen grundsätzlich geeignet, der Herbeiführung des Rechtsfriedens zu dienen. Sie sind auch mit der Rechtslage vereinbar. Denn wie auch die Beklagte ist der Senat an die gültigen gesetzlichen Regelungen gebunden und berücksichtigt diese im Rahmen etwaiger Vergleichsvorschläge. Auch schließen sich die Beachtung der gesetzlichen Regelungen und eine wirtschaftliche Betrachtungsweise der zu beurteilenden Fälle nicht grundsätzlich aus.
26Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 oder 2 SGG) nicht als gegeben angesehen.
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(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.
(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:
- 1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und - 5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
- 1.
Mobilität mit 10 Prozent, - 2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent, - 3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent, - 4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent, - 5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.
(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:
- 1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.
(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.
(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.
(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.
(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:
Tenor
-
Auf die Beschwerde der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 17. April 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit ihre Berufung gegen die Verurteilung zur Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III für die Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 7. Juni 2011 zurückgewiesen worden ist.
-
Die Kostenentscheidung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Gründe
- 1
-
I. Der 1947 geborene, bei der Beklagten pflegeversicherte Kläger bezieht seit März 2003 Pflegegeld nach der Pflegestufe II und beantragte am 7.1.2010 die Höherstufung in die Pflegestufe III. Die Beklagte lehnte diesen Antrag nach Einholung eines Pflegegutachtens des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) vom 21.1.2010, in welchem ein Hilfebedarf in der Grundpflege von 216 Minuten täglich festgestellt wurde, ab (Bescheid vom 10.2.2010) und wies den dagegen erhobenen Widerspruch nach Einholung einer ärztlichen Stellungnahme des SMD zurück (Widerspruchsbescheid vom 11.6.2010). Im anschließenden Klageverfahren hat das SG ein Gutachten von Dr. R. vom 14.6.2011 eingeholt, der einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von 232 Minuten täglich ermittelte. Sodann hat das SG die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegestufe III ab 1.1.2010 verurteilt, da wegen erheblicher Unsicherheiten bei der Einschätzung des Pflegebedarfs im Grenzfall ein großzügiger Maßstab anzuwenden sei und der Leistungsanspruch nicht an wenigen Minuten scheitern dürfe. Im dagegen von der Beklagten angestrebten Berufungsverfahren hat das LSG auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG ein Gutachten von Dr. P. vom 24.8.2012 eingeholt, der zu dem Ergebnis kam, dass der Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege bereits seit Januar 2010 286 Minuten täglich betrage.
- 2
-
Die Beklagte hat diesem Gutachten unter Bezugnahme auf eine weitere Stellungnahme des SMD vom 2.10.2012 entgegengehalten, dass die Annahme der Voraussetzungen der Pflegestufe III bereits zum Antragszeitpunkt nicht nachvollziehbar sei. Ein Übergang von der Pflegestufe II zur Pflegestufe III könne für die zweite Jahreshälfte 2011 anzunehmen sein; wenn das Gericht dieser Sichtweise allerdings nicht zu folgen vermöge, müsse Dr. P. zum maßgeblichen Zeitpunkt für die Änderung der Pflegestufe befragt werden. Der hierzu vom LSG schriftlich befragte Dr. P. hat in einer Stellungnahme vom 16.1.2013 angegeben, er bleibe bei seinen Ausführungen und sehe die Kriterien der Pflegestufe III bereits seit Januar 2010 als dauerhaft erfüllt an. Die Beklagte ist mit einem Schreiben des Gerichts - bei ihr eingegangen am 5.2.2013 - zur Stellungnahme aufgefordert worden; am 4.3.2013 hat sie die Ladung zum Termin vom 17.4.2013 erhalten.
- 3
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Mit Schriftsatz vom 22.2.2013, der am 28.2.2013 beim LSG eingegangen ist, hat die Beklagte unter Beifügung einer weiteren SMD-Stellungnahme beantragt, von Dr. R., dessen Gutachten sie für schlüssig und nachvollziehbar halte, eine ergänzende Stellungnahme zu dem von Dr. P. angenommenen Zeitpunkt des Pflegestufenwechsels einzuholen. Daraufhin hat das LSG die Beklagte am 1.3.2013 wissen lassen, dass die Berufsrichter des Senats keine Veranlassung sähen, eine ergänzende Stellungnahme von Dr. R. einzuholen; dieser habe einen Hilfebedarf von 232 Minuten täglich festgestellt, der im Grenzbereich zur Pflegestufe III liege, und insoweit stimmten beide Sachverständige weitgehend überein. Die Begründung von Dr. P. sei auch bezüglich der rückschauenden Betrachtung plausibel und nachvollziehbar.
- 4
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In der mündlichen Verhandlung am 17.4.2013 hat die Beklagte einen Schriftsatz überreicht, in dem sie ausführt, aus welchen Gründen sie Zweifel an den Ausführungen im Gutachten von Dr. P. habe. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der Senat dem auf Veranlassung des Klägers in Auftrag gegebenen Gutachten von Dr. P. einen höheren Beweiswert zuspreche als dem erstinstanzlich eingeholten Gutachten von Dr. R., ohne diesem Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Ausführungen von Dr. P. zu geben. Deshalb hat die Beklagte beantragt, die Gutachter Dr. R. und Dr. P. zu ihren Gutachten persönlich anzuhören und ihr Gelegenheit zur Ausübung des Fragerechts zu geben. So solle Dr. P. befragt werden, aufgrund welcher Fakten und Erkenntnisquellen er in seinem Gutachten vom 24.8.2012 einen von den Feststellungen des Dr. R. im Juni 2011 abweichenden Hilfebedarf für die Vergangenheit angenommen habe. Ferner solle Dr. P. zwecks Konkretisierung auch noch zu weiteren Punkten in seinem Gutachten befragt werden. Dr. R. solle sodann auf der Grundlage seiner Feststellungen in 2011 zu dem von Dr. P. für diesen Zeitraum abweichend beurteilten Hilfebedarf beim Rasieren und der Zahnpflege befragt werden. Die Vertreterin der Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung nur diesen Beweisantrag gestellt und es ausdrücklich abgelehnt, einen Sachantrag zu stellen. Des Weiteren hat sie ihr Vergleichsangebot aufrechterhalten, dem Kläger Leistungen nach der Pflegestufe III ab 8.6.2011 zu zahlen, es aber abgelehnt, ein entsprechendes Teilanerkenntnis oder auch ein Anerkenntnis für den Zeitraum ab August 2012 abzugeben.
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Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und ihr - neben den außergerichtlichen Kosten des Klägers - Kosten in Höhe von 1000 Euro auferlegt: Zwar sei der Begründung des SG nicht zu folgen, der Kläger habe aber dennoch Anspruch auf Leistungen nach der Pflegestufe III ab Januar 2010, da der Senat aufgrund der in wesentlichen Punkten übereinstimmenden Sachverständigengutachten von Dr. R. und Dr. P. davon überzeugt sei, dass bereits zu diesem Zeitpunkt ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mindestens 240 Minuten bestanden habe. Deshalb habe der Senat keine Veranlassung gesehen, die Sachverständigen zur Erläuterung ihrer Gutachten zu hören. Der erst im Verlauf der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisantrag sei als verspätet zurückzuweisen. Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 22.2.2013 habe ihr das Gericht mitgeteilt, dass dies nicht beabsichtigt sei. Daher hätte ein entsprechender Beweisantrag noch rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung gestellt werden müssen. Zudem seien die von der Beklagten aufgeworfenen Fragen nicht sachdienlich und entscheidungserheblich. Konkrete Einwände habe sie gegen die Ausführungen von Dr. P. nicht erhoben und auch keine konkreten Beweisfragen formuliert. Die Mutwillenskosten seien begründet, weil die Beklagte kein Teilanerkenntnis abgegeben habe.
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Mit ihrer auf den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 7.6.2011 begrenzten Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Beklagte als Verfahrensfehler die Verletzung ihres Rechts auf Befragung eines Sachverständigen sowie eine unzulässige vorweggenommene Beweiswürdigung des LSG durch Ablehnung der Befragung der Sachverständigen.
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II. Die zeitlich begrenzte Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne einer Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung nach § 160a Abs 5 SGG begründet.
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1. Die Beschwerde ist fristgerecht einlegt und in der Begründung der Verfahrensmangel formgerecht bezeichnet worden (§ 160a Abs 2 SGG). Ein Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) ist dann formgerecht bezeichnet, wenn die ihn begründenden Tatsachen im Einzelnen angegeben sind und - in sich verständlich - den behaupteten Verfahrensfehler ergeben; außerdem muss dargelegt werden, dass und warum die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14; eingehend Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160a RdNr 16 ff mwN). Die Beklagte hat eine Verletzung ihres Fragerechts nach § 116 Abs 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 ZPO und damit ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör(§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG) als Verfahrensfehler hinreichend bezeichnet. Sie hat in Bezug auf Leistungen nach der Pflegestufe III für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 7.6.2011 auch dargelegt, dass und warum die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann.
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2. Der dargelegte Verfahrensfehler trifft auch zu. Das LSG hat zu Unrecht jedenfalls den Sachverständigen Dr. R. anders als von der Beklagten beantragt - nicht ergänzend befragt. Auf diesem Fehler kann die angegriffene Entscheidung in Bezug auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Pflegegeld nach der Pflegstufe III für den Zeitraum vom 1.1.2010 bis 7.6.2011 beruhen.
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a) Der Beweisantrag der Beklagten war nicht verspätet. Zwar muss der Antrag auf Befragung eines Sachverständigen, auch wenn das Gericht den Beteiligten keine Frist iS des § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm § 411 Abs 4 S 2 ZPO gesetzt hat, rechtzeitig vor der mündlichen Verhandlung gestellt werden, damit der Sachverständige geladen und eine Verzögerung vermieden werden kann(BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1). Dementsprechend sind rechtsmissbräuchlich gestellte Anträge unerheblich (BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 2). Ein solcher Fall ist hier nicht gegeben: Die Beklagte hatte bereits mit Schriftsatz vom 22.2.2013 - am 28.2.2013 beim LSG eingegangen - beantragt, von Herrn Dr. R. eine Stellungnahme zur Frage des maßgeblichen Zeitpunkts für die Annahme der Pflegestufe III einzuholen. Diesen Antrag hat die Beklagte formuliert, nachdem ihr am 5.2.2013 die ergänzende gutachtliche Stellungnahme von Dr. P. zugegangen war und sie dazu vom SMD eine entsprechende Stellungnahme mit Datum vom 13.2.2013 erhalten hatte. Sie konnte davon ausgehen, dass dieser Antrag rechtzeitig beim LSG eingehen würde, denn zu diesem Zeitpunkt war die mündliche Verhandlung noch nicht terminiert. Obwohl die Ladungsverfügung zum Termin vom 20.2.2013 stammt und deren Ausfertigung und Absendung auf den 28.2.2013 datiert ist, wäre es unproblematisch möglich gewesen, den Sachverständigen nach Eingang des Beweisantrages am 28.2.2013 noch zu der Sitzung am 17.4.2013 nachzuladen und die Beteiligten entsprechend zu unterrichten. Ein rechtsmissbräuchlicher Antrag der Beklagten liegt daher fern. Auch die Berufsrichter des mit der Sache befassten Senats haben dies wohl so gesehen, als sie der Beklagten mit Schreiben vom 1.3.2013 mitteilten, dass der Senat keine Veranlassung sehe, eine ergänzende Stellungnahme von Dr. R. einzuholen, da die Feststellungen beider Sachverständigen weitgehend übereinstimmten. Von einer Verspätung des Beweisantrages ist nicht die Rede.
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b) Der Beweisantrag der Beklagten hat sich durch das Schreiben des LSG vom 1.3.2013 nicht erledigt.
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Nach der Rechtsprechung des BVerfG und ihm folgend der anderer Bundesgerichte umfasst der Anspruch auf rechtliches Gehör grundsätzlich auch die Anhörung gerichtlicher Sachverständiger (BVerfG Beschluss vom 6.3.2013 - 2 BvR 2918/12 - zitiert nach Juris; Beschluss vom 3.2.1998 - 1 BvR 909/94; Beschluss vom 17.1.2012 - 1 BvR 2728/10 - Juris; BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 2; BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1; BGH MDR 2009, 1126, Beschluss vom 14.7.2009 - VIII ZR 295/08). Art 103 Abs 1 GG verlangt zwar nicht, einem rechtzeitigen und nicht rechtsmissbräuchlichen Antrag auf Anhörung der Sachverständigen ausnahmslos Folge zu leisten. Ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör liegt jedoch dann vor, wenn ein Gericht einen Antrag auf Erläuterung eines Sachverständigengutachtens völlig übergeht oder ihm allein deshalb nicht nachkommt, weil ihm das Gutachten überzeugend und nicht weiter erörterungsbedürftig erscheint. So liegt es hier.
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Schon das Schreiben des LSG vom 1.3.2013 hält einer Prüfung anhand dieser Maßstäbe nicht stand. Das Gericht ist dem Antrag auf Einholung einer ergänzenden Stellungnahme von Dr. R. nicht nachgekommen, weil es das Gutachten von Dr. P. für überzeugend hielt und das Gutachten von Dr. R. ihm nicht weiter erörterungsbedürftig erschien. Darin lag bereits ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf rechtliches Gehör. Dieser hat in der mündlichen Verhandlung seine Fortsetzung gefunden, denn das Berufungsgericht hätte spätestens dann dem Beweisantrag der Beklagten folgen und die mündliche Verhandlung zum Zwecke weiterer Beweiserhebung vertagen müssen.
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Die Beklagte hat ihren Antrag, sowohl Dr. R. als auch Dr. P. persönlich anzuhören, in der mündlichen Verhandlung aufrechterhalten. Zumindest in Bezug auf Dr. R. war dieser Antrag daher auch nicht verspätet. Denn das Gericht konnte nicht davon ausgehen, dass sich der Antrag der Beklagten allein durch das gerichtliche Schreiben vom 1.3.2013 erledigt haben könnte. Die Beklagte hat vielmehr in der mündlichen Verhandlung den bereits rechtzeitig zuvor gestellten Beweisantrag aufrechterhalten.
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c) Die angegriffene Entscheidung des LSG beruht auf dem Rechtsverstoß, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass es der Beklagten bei einer Befragung des Gutachters Dr. R. gelungen wäre, die Darlegungen von Dr. P. zur Begründung seiner Abweichungen von dem Gutachten von Dr. R. infrage zu stellen und damit auch die Überzeugung des LSG von dessen Richtigkeit zu erschüttern (vgl BVerfG Beschluss vom 3.2.1998, aaO; BVerfG Beschluss vom 17.1.2012 - 1 BvR 2728/10; BVerfG Beschluss vom 6.3.2013 - 2 BvR 2918/12 - Juris).
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Das angefochtene Urteil wird deshalb bezüglich des Zeitraums vom 1.1.2010 bis 7.6.2011 nach § 160a Abs 5 SGG aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.
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3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten. Dies gilt auch bezüglich der Kosten, die das LSG der Beklagten nach § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG auferlegt hat. Die Kostenentscheidung ist im Falle der Verhängung von sog Mutwillenskosten kein selbständiger Teil des Streitstoffs und daher nicht abtrennbar (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 192 Nr 1; ebenso Leitherer in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO § 192 RdNr 20 f mwN). Die Kostenentscheidung ist daher auch ohne gesonderten Antrag erneut zu überprüfen.
(1) Die Nichtzulassung der Revision kann selbständig durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Bundessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Der Beschwerdeschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des Urteils, gegen das die Revision eingelegt werden soll, beigefügt werden. Satz 3 gilt nicht, soweit nach § 65a elektronische Dokumente übermittelt werden.
(2) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden einmal bis zu einem Monat verlängert werden. In der Begründung muß die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.
(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.
(4) Das Bundessozialgericht entscheidet unter Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss; § 169 gilt entsprechend. Dem Beschluß soll eine kurze Begründung beigefügt werden; von einer Begründung kann abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen. Mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht wird das Urteil rechtskräftig. Wird der Beschwerde stattgegeben, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Revisionsfrist.
(5) Liegen die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 vor, kann das Bundessozialgericht in dem Beschluss das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.
(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:
- 1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und - 5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
- 1.
Mobilität mit 10 Prozent, - 2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent, - 3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent, - 4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent, - 5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.
(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:
- 1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, - 5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.
(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.
(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.
(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.
(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:
(1) Pflegebedürftig im Sinne dieses Buches sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, und mit mindestens der in § 15 festgelegten Schwere bestehen.
(2) Maßgeblich für das Vorliegen von gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sind die in den folgenden sechs Bereichen genannten pflegefachlich begründeten Kriterien:
- 1.
Mobilität: Positionswechsel im Bett, Halten einer stabilen Sitzposition, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen; - 2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten: Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche Orientierung, zeitliche Orientierung, Erinnern an wesentliche Ereignisse oder Beobachtungen, Steuern von mehrschrittigen Alltagshandlungen, Treffen von Entscheidungen im Alltagsleben, Verstehen von Sachverhalten und Informationen, Erkennen von Risiken und Gefahren, Mitteilen von elementaren Bedürfnissen, Verstehen von Aufforderungen, Beteiligen an einem Gespräch; - 3.
Verhaltensweisen und psychische Problemlagen: motorisch geprägte Verhaltensauffälligkeiten, nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten, Beschädigen von Gegenständen, physisch aggressives Verhalten gegenüber anderen Personen, verbale Aggression, andere pflegerelevante vokale Auffälligkeiten, Abwehr pflegerischer und anderer unterstützender Maßnahmen, Wahnvorstellungen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage, sozial inadäquate Verhaltensweisen, sonstige pflegerelevante inadäquate Handlungen; - 4.
Selbstversorgung: Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen; - 5.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen: - a)
in Bezug auf Medikation, Injektionen, Versorgung intravenöser Zugänge, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibungen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Messung und Deutung von Körperzuständen, körpernahe Hilfsmittel, - b)
in Bezug auf Verbandswechsel und Wundversorgung, Versorgung mit Stoma, regelmäßige Einmalkatheterisierung und Nutzung von Abführmethoden, Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung, - c)
in Bezug auf zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung, Arztbesuche, Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, zeitlich ausgedehnte Besuche medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen, Besuch von Einrichtungen zur Frühförderung bei Kindern sowie - d)
in Bezug auf das Einhalten einer Diät oder anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften;
- 6.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte: Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Ruhen und Schlafen, Sichbeschäftigen, Vornehmen von in die Zukunft gerichteten Planungen, Interaktion mit Personen im direkten Kontakt, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds.
(3) Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten, die dazu führen, dass die Haushaltsführung nicht mehr ohne Hilfe bewältigt werden kann, werden bei den Kriterien der in Absatz 2 genannten Bereiche berücksichtigt.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
(1) Das Gericht kann im Urteil oder, wenn das Verfahren anders beendet wird, durch Beschluss einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass
- 1.
durch Verschulden des Beteiligten die Vertagung einer mündlichen Verhandlung oder die Anberaumung eines neuen Termins zur mündlichen Verhandlung nötig geworden ist oder - 2.
der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist.
(2) (weggefallen)
(3) Die Entscheidung nach Absatz 1 wird in ihrem Bestand nicht durch die Rücknahme der Klage berührt. Sie kann nur durch eine zu begründende Kostenentscheidung im Rechtsmittelverfahren aufgehoben werden.
(4) Das Gericht kann der Behörde ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass die Behörde erkennbare und notwendige Ermittlungen im Verwaltungsverfahren unterlassen hat, die im gerichtlichen Verfahren nachgeholt wurden. Die Entscheidung ergeht durch gesonderten Beschluss.