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Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten zur Herausgabe medizinischer Unterlagen an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg streitig.
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Die 1930 geborene, bei der B. P. mit Sitz in S., Rechtsvorgängerin der Klägerin, krankenversicherte G. S. (S.) befand sich wegen des bei ihr bestehenden idiopathischen Parkinson-Syndroms vom Äquivalenztyp bei der Beklagten vom 19.10.1999 bis 10.07.2000 und vom 12.07. bis 08.08.2000 in vollstationärer Behandlung.
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Nachdem die Klägerin nach Beiziehung von Berichten der Beklagten und Einschaltung des MDK zunächst eine Kostenübernahme über den 18.11.1999 hinaus ablehnte, forderte sie nach weiterem Schriftwechsel im November 2000 weitere Dokumente aus der Krankenakte zwecks nochmaliger Beurteilung an. Die Beklagte wies mit Schreiben vom 16.11.2000 u. a. darauf hin, dass es alleine Aufgabe des MDK sei, die für seine Gutachtenerstellung erforderlichen Daten anzufordern. Es bedürfe der Konkretisierung der die Überprüfung rechtfertigenden Verdachtsmomente. Unabhängig vom Ausgang des Prüfungsverfahrens würde die Regulierung der beigefügten Rechnungen eingefordert.
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Die Klägerin zahlte aufgrund der von der Beklagten übersandten „Vereinbarung über Modellvorhaben gemäß § 26 BPflV für den Pflegesatzzeitraum 2000 den ihr für die stationäre Behandlung der S. mit Rechnungen vom 16.11.2000 in Rechnung gestellten Betrag in Höhe von insgesamt DM 188.054,28 unter Vorbehalt einer endgültigen Prüfung der medizinischen Notwendigkeit und Dauer des Krankenhausaufenthaltes sowie des Vorliegens eines Behandlungsfehlers. Es wurde gebeten, einen Entlassbericht vorzulegen. Die Beklagte teilte hierauf mit, dass dieses Dokument nur dem MDK zur Verfügung gestellt werde.
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Mit Schreiben vom 12.02.2001 beauftragte die Klägerin den MDK in S. mit der Überprüfung der Frage eines Behandlungsfehlers und der medizinischen Notwendigkeit der Dauer des stationären Aufenthaltes bis 10.07.2000, wobei die Unterlagen direkt bei der Beklagten anzufordern seien. Der MDK bat wiederum zunächst die Beklagte, die Unterlagen zu besorgen, verneinte in einem sozialmedizinischen Gutachten vom Juni 2001 einen Behandlungsfehler und forderte mit Schreiben vom 27.09.2001 die Beklagte auf, ihm die komplette Klinikdokumentation einschließlich OP-Aufklärungsbogen in Kopie zur Verfügung zu stellen.
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Nachdem Dr. L.-M. vom MDK der Klägerin am 24.10.2001 mitteilte, dass die angeforderten Krankenunterlagen trotz zweimaliger Anforderung nicht übersandt worden seien, wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 05.11.2001 mit der Bitte an die Beklagte, ihrer Verpflichtung aus dem Vertrag nach § 112 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) nachzukommen und die vom MDK angeforderten Unterlagen an diesen zu übersenden, andernfalls würde gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen. Trotz mehrfacher Telefongespräche ging die Klinikdokumentation dem MDK nicht zu, was dieser am 07.01.2002 der Klägerin mitteilte.
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Am 04.02.2002 erhob die Klägerin mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, für den Krankenhausaufenthalt der Versicherten S. vom 19.10.1999 bis 10.07.2000 die Krankenunterlagen an den MDK zur Prüfung der medizinischen Notwendigkeit der Dauer der stationären Krankenhausbehandlung herauszugeben, Klage zum Sozialgericht W., welches sich mit Beschluss vom 03.03.2003 für örtlich unzuständig erklärte und den Rechtsstreit an das Sozialgericht S. (SG) verwies. Zur Begründung trug die Klägerin im wesentlichen vor, ihre Aktivlegitimation ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz. Ihr stehe gegen die Beklagte ein Herausgabeanspruch aus §§ 275 Abs. 4, 276 SGB V und ein Recht zur Überprüfung durch den MDK zu. Sie mache kein Recht auf eigene Einsichtnahme und Begutachtung geltend und sehe sich durch das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R - bestätigt. Wenn die Herausgabe der Behandlungsunterlagen an den MDK, wie von der Beklagten geschehen, in rechtswidriger Weise verweigert werde, könne sie diesen Anspruch gerichtlich geltend machen. Ihrem Recht und der Pflicht zur Rechnungsprüfung könne sie nur nachkommen, wenn der MDK die Möglichkeit habe, ein Gutachten über den Behandlungsfall zu erstellen und die Klägerin zu beraten. Durch die rechtswidrige Weigerung der Beklagten sei dies nicht möglich. Da der MDK nur beratend tätig werde und kein eigenes Interesse an der Begutachtung habe, könne nicht ernsthaft davon ausgegangen werden, dass im Falle einer Weigerung der Aktenübersendung der MDK selber gerichtlich dagegen vorgehe. Das Anforderungsschreiben des MDK genüge entgegen der Ansicht der Beklagten den gesetzlichen Anforderungen.
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Die Beklagte trat der Klage entgegen. Der Klägerin fehle es für ihr Begehren an der erforderlichen Aktivlegitimation. Nach § 2 des Vertrages zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung sowie nach § 276 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz SGB V sei eindeutig, dass Krankenunterlagen im Rahmen der von Krankenkassen veranlassten Überprüfung von den Leistungserbringern auf Anforderung des Medizinischen Dienstes unmittelbar an diesen zu übermitteln seien. Die Klägerin könne diese Übermittlung an den MDK zwar anregen, aber nicht aus eigenem Recht verlangen bzw. gerichtlich durchsetzen. Selbst wenn die Aktivlegitimation unterstellt würde, sei der Klageantrag nicht entscheidungsreif. Weder im Klageantrag noch im Anforderungsschreiben des MDK vom 27.09.2001 werde erläutert, aus welchen Gründen die geforderten Unterlagen zur Erstellung des Gutachtens erforderlich seien. Die Überprüfung der Erforderlichkeit der Datenübermittlung sei daher gar nicht möglich. Der MDK Baden-Württemberg sei zwischenzeitlich aufgefordert worden, gegenüber der Beklagten über die bisher gegebene Begründung hinaus darzulegen, dass er ohne die angeforderten gesamten Behandlungsunterlagen seinen Prüfungsauftrag nicht ordnungsgemäß erledigen könne.
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Mit Urteil vom 06.07.2005, der Klägerin zugestellt am 15.07.2005, wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen führte es im wesentlichen aus, die auf die Herausgabe medizinischer Unterlagen an den MDK Baden-Württemberg gerichtete Leistungsklage sei bereits unzulässig. Sofern Krankenkassen, wie vorliegend, nach § 275 Abs. 1 bis 3 SGB V eine gutachtliche Stellungnahme oder Prüfung durch den Medizinischen Dienst veranlasst hätten, seien die Leistungserbringer verpflichtet, Sozialdaten auf Anforderung des Medizinischen Dienstes unmittelbar an diesen zu übermitteln, soweit dies für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung erforderlich sei. Die Krankenkassen könnten daher die erforderliche Einsichtnahme in Behandlungsunterlagen der Versicherten nicht verlangen. Sie seien insoweit vielmehr auf ein Tätigwerden des MDK angewiesen. Dieser sei nach der genannten Regelung ausdrücklich ermächtigt, die erforderlichen Sozialdaten bei den Krankenhäusern anzufordern (Hinweis auf das Urteil des BSG vom 23.07.2002 - B 3 KR 64/01 R = SozR 3 - 2500 § 275 Nr. 1). Die Klägerin verfolge mit ihrer Klage damit ein Recht, das nicht ihr, sondern vielmehr allein dem MDK zustehe. Die auf die Herausgabe medizinischer Unterlagen an den MDK Baden-Württemberg gerichtete Klage sei daher mangels bestehender Prozessführungsbefugnis unzulässig. Von der Möglichkeit, die Herausgabe von Krankenunterlagen an den MDK Baden-Württemberg im Wege der - hier zulässigen - gewillkürten Prozeßstandschaft nach Erteilung einer entsprechenden Ermächtigung durch den MDK Baden-Württemberg geltend zu machen, habe die Klägerin keinen Gebrauch gemacht.
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Hiergegen richtet sich die am 08.08.2005 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie wiederholt im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Herausgabe an den MDK im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft geltend zu machen.
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Die Klägerin hat eine Erklärung des MDK Baden-Württemberg vorgelegt, in der sie ermächtigt wird, den Anspruch auf Herausgabe (und Einsichtnahme) der Krankenhausunterlagen für die Versicherte G. S., betreffend den Aufenthalt im Klinikum der Beklagten vom 19.10.1999 bis 10.07.2000, im Wege der gewillkürten Prozeßstandschaft einzuklagen.
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das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Juli 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Krankenhausunterlagen über den stationären Aufenthalt der G. S. vom 19. Oktober 1999 bis 10. Juli 2000 an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg in S. herauszugeben.
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Beklagte trägt vor, die Klägerin besitze weder die Prozessführungsbefugnis noch könne sie ihr Klagebegehren in gewillkürter Prozeßstandschaft weiterverfolgen. Entgegen der Behauptung der Klägerin sei die Herausgabe der Krankenunterlagen an den MDK nicht rechtswidrig verweigert worden. Der gesetzlich dem MDK auferlegten Pflicht, die Erforderlichkeit der Datenübermittlung darzulegen, sei der MDK auch nach Aufforderung der Beklagten vom 18.03.2002 nicht nachgekommen. Die von der Klägerin jetzt übernommene „gewillkürte Prozeßstandschaft“ sei unzulässig. Die Beklagte habe in der Vorinstanz bereits dargelegt, dass ein Anspruch der Krankenkasse gegen das Krankenhaus auf Aktenübersendung an den MDK im Ergebnis dazu führen würde, dass der MDK seiner gesetzlichen Verpflichtung enthoben wäre, dem Krankenhaus gegenüber die Erforderlichkeit der Datenübermittlung „für die gutachtliche Stellungnahme und Prüfung“ darzulegen. Die Beachtung der Erforderlichkeit bei der Datenerhebung gehöre aber zu den wichtigsten Grundsätzen des Datenschutzes. Die Bewertung, in welchem Umfang die Sozialdaten für die Stellungnahme und Prüfung erforderlich sei, solle von Gesetzes wegen der MDK vornehmen und dies gegenüber dem Krankenhaus darlegen. Das SG habe sich mit der Besonderheit im Zusammenwirken zwischen Krankenkasse, MDK und Krankenhaus nach den §§ 275 ff. SGB V überhaupt nicht befasst. Die gewillkürte Prozeßstandschaft werde in Fällen anerkannt, in denen der Kläger einen berechtigten eigenen Grund zur Geltendmachung des fremden Rechts habe. Im vorliegenden Fall sei das Interesse der Klägerin an der Übersendung der Krankenunterlagen an den MDK allein wirtschaftlich begründet, was nicht ausreichend sei.
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Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Klägern vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
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