Landgericht Wuppertal Urteil, 09. Sept. 2014 - 11 O 18/14
Tenor
09.09.2014
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 266.382,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 12% jährlich seit dem 16.01.2014 zu zahlen.
Die übrige Klage und die Widerklage werden abgewiesen.
Die Kosten des Rechtstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d gemäß § 313 Abs. 2 ZPO
2Die Beklagten, die mit Baustoffen handelt, ist ein Unternehmen der so genannten Dengler Gruppe.
3Z.Z. sind mehrere Verfahren der Klägerin auch gegen andere Mitglieder dieser Gruppe bei der erkennenden Kammer anhängig.
4Die Klägerin ist ein Einkaufs – und Marketingverbund, der für seine Mitglieder mit den Vertragslieferanten die Konditionen verhandelt und die sogenannte Zentralregulierung vornimmt, in deren Rahmen sie auch gegenüber den Vertragslieferanten eine Delkrederehaftung trägt.
5Die kaufmännische Abwicklung läuft dergestalt, dass das Mitglied der Klägerin Waren beim Vertragslieferanten bestellt und von dort auch die Originalrechnung erhält. Die Zahlungen erfolgen aber nicht unmittelbar zwischen Käufer und Verkäufer, also zwischen Mitglied der Klägerin und Vertragslieferanten. Vielmehr zahlt die Klägerin an den Vertragslieferanten und das Mitglied an die Klägerin. Das Mitglied erhält von dem Vertragslieferanten die Originalrechnung, während die Klägerin allenfalls eine Rechnungskopie erhält. Retouren etc. werden innerhalb der Kaufvertragsbeziehung zwischen dem Mitglied und dem Vertragslieferanten abgewickelt.
6Die Klägerin führt für ihre Mitglieder offene Postenlisten, die die Mitglieder über sogenannte Berichtigungsanzeigen gegebenenfalls korrigieren, so z.B. bei Störungen im Kaufvertragsverhältnis z.B. aufgrund mangelhafter oder falscher Lieferungen. Die offenen Postenlisten werden regelmäßig zweimal monatlich erstellt und sind im Übrigen jederzeit über ZR – online einsehbar.
7Die Beklagte war bei der Klägerin seit 1998 Mitglied. In das Vertragsverhältnis wurden später die Liefer – und Zahlungsbedingungen Stand August 2005 einbezogen. Danach betragen die Verzugszinsen 12 % jährlich. Ein Zurückbehaltungsrecht bzw. die Aufrechnung ist für das Mitglied weitgehend ausgeschlossen.
8Am 10.10.2011 kündigte die Beklagte die Mitgliedschaft zum nächstmöglichen Zeitpunkt, der nach Auffassung der Beklagten der 15.10.2012 war.
9Mit Schreiben vom 08.11.2011 bestätigte die Klägerin die Kündigung zum 16.02.2014.
10Ab März/April 2012 glich die Beklagte die Forderungen der Klägerin gemäß offener Postenliste nicht mehr aus, bestellte jedoch weiter.
11Bereits Ende April waren -selbst unter Abzug der Rechnung lfd. Nr. #####/#### gemäß Pos. 1 der Aufstellung B 132 (Liste der Beklagten bzgl. Positionen „ohne Geschäftsvorfälle“) fällige Forderungen von über 31.000 Euro aufgelaufen.
12Die Klägerin brachte ihrerseits eine außerordentliche Kündigung zum 31.12.2012 wegen Zahlungsverzuges aus. Bis zu diesem Zeitpunkt nahm die Beklagte an der Zentralregulierung der Klägerin teil.
13Unter Berücksichtigung der der Beklagten zustehenden Boni für die Jahre 2011 (30.212,36 Euro) und 2012 macht die Klägerin gemäß offener Postenliste (Anlage GMW 4 und 5) aus der Zentralregulierung einen Anspruch i.H.v. 267.162,79 EUR geltend. Zwei der in der offenen Postenliste aufgeführten Rechnungen im Gesamtwert von 780,63 EUR (vgl. B13, Bl.132 GA) betreffen jedoch keine Geschäftsvorfälle der Beklagten, jedenfalls liegen ihr keine Unterlagen darüber vor.
14Für weitere Positionen im Gesamtwert von 6.094,98 Euro (vgl. B 14, Bl. 133 GA) verweigert die Beklagte die Zahlung mit der Begründung, sie habe die Ware an die Klägerin retourniert.
15Die Klägerin meint,
16die Beklagte hafte für alle Positionen aus der offenen Postenliste, wenn sie keine Berichtigungsanzeigen (zeitnah) ausgebracht habe.
17Die Klägerin beantragt,
18die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 267.162,79 Euro nebst Zinsen i.H.v. 12 % seit dem 16.01.2014 zu zahlen.
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie meint,
22ihr stünde im Hinblick auf fehlende Bonusabrechnungen für die Jahre 2011 und 2012 ein Zurückbehaltungsrecht zu.
23Sie behauptet,
24sie habe Waren im Wert von 6.094,98 (gemäß Anlage B 14, Bl. 133 GA) an die Klägerin retourniert.
25Durch die unstreitig verzögerte Abrechnung und fehlende Auszahlung der Boni 2011 sei ihr ein Schaden in Höhe von 13.905,05 Euro entstanden. Sie habe mit ihrer Vermieterin im Hinblick auf die zu erwartenden Boni bereits im März 2009 eine Stundungsvereinbarung getroffen. Nachdem die Beklagte die Boni nicht habe weiterleiten können, habe die Vermieterin Zahlungsklage bzgl. gestundeter Mieten erhoben. In diesem Zusammenhang seien Rechtsanwaltskosten und Gerichtskosten in o.g. Höhe angefallen.
26Weiter meint die Beklagte,
27ihr stünde ein sog. Fachkreisbonus für 2011 und 2012 „gemäß den vertraglichen Vereinbarungen“ zu.
28Die Klägerin habe für das Jahr 2009 und 2010 Fachkreisboni gezahlt, was unstreitig ist.
29Widerklagend beantragt die Beklagte,
301.
31die Klägerin im Wege der Widerklage zu verurteilen, an die Beklagte 13.905,05 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten p.a. daraus ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
322. die Klägerin Wege der Widerklage zu verurteilen,
33a)
34der Beklagten Abrechnung zu erteilen über den der Beklagten zustehenden Fachkreisbonus für die Kalenderjahre 2011 und 2012,
35b)
36den sich aus den Abrechnungen zu a) ergebenden Fachkreisbonus zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % p.a. über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit an die Beklagte auszubezahlen.
37Die Klägerin beantragt,
38die Widerklage abzuweisen.
39E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e gemäß § 313 Abs. 3 ZPO
40Die zulässige Klage ist überwiegend auch begründet, dazu unter A). Die zulässige Widerklage ist unbegründet, dazu unter B).
41A) Klage
42Die Klägerin kann aufgrund der vertraglichen Regelungen innerhalb des Mitgliedschaftsverhältnisses, insbesondere der Liefer – und Zahlungsbedingungen, die auch die Bedingungen der Zentralregulierung regeln (vgl. GMW 1 und 2), Zahlung von 266.382,16 EUR verlangen.
43In dieser Höhe hat die Klägerin aufgrund von Verträgen, die die Beklagte mit Vertragslieferanten geschlossen hat, Zahlungen an die Vertragslieferanten geleistet und insoweit einen Erstattungsanspruch.
44Ein weitergehender Anspruch steht der Klägerin jedoch nicht zu. Den Positionen mit den lfd. Nummern #####/#### und #####/#### (vgl. Anlage B 13, Bl. 132 GA) im Gesamtwert von 780,63 Euro liegen keine Geschäftsvorfälle zwischen der Beklagten und den Vertragslieferanten zugrunde, so dass die Voraussetzungen für eine Zentralregulierung und damit einem Erstattungsanspruch der Klägerin hieraus nicht gegeben sind.
45Das Argument der Klägerin, die Beklagte habe bezüglich der oben genannten Positionen keine Berichtigungsanzeigen gemacht, kann nicht verfangen. Zwar sind, worauf auch in der mündlichen Verhandlung hingewiesen wurde, die Korrekturanzeigen für die Beklagte von maßgeblicher Bedeutung, da das System der Zentralregulierung so aufgebaut ist, dass die Klägerin zwingend auf die Information der Mitglieder angewiesen ist, wenn es Störungen im Kaufvertragsverhältnis zwischen dem Mitglied und dem Vertragslieferanten gibt, welche Einfluss auf den Kaufpreisanspruch des Vertragslieferanten haben können, so z.B. bei mangelhafter oder falscher Lieferungen. Anderenfalls läuft die Klägerin Gefahr, einen gar nicht existenten oder einredebehafteten Kaufpreisanspruch zu begleichen.
46So liegt der Fall hier aber nicht. Hier ist schon -anders als im Parallelverfahren- fraglich, ob überhaupt -ggü. Dritten- Kaufpreisansprüche bestanden.
47Aus der Zentralregulierung erwächst keine allgemeine Kontrollpflicht des Mitglieds bezüglich der Daten der offenen Postenliste, die nicht auf Fehler im Warengeschäft wie Retouren, Falschlieferung, Nichtlieferungen beruhen. Es liegt zwischen den Parteien weder eine Kontokorrentabrede vor, noch kann das Schweigen der Beklagten als Anerkenntnis gewertet werden.
48Falls die Geschäftsvorfälle andere Mitglieder der Klägerin betreffen, fällt die Zuordnung des einzelnen Kaufvertrages zum jeweiligen Mitglied in den Verantwortungsbereich der Klägerin. Sie hat die Zentralregulierung so zu organisieren, dass ihr diese Zuordnung möglich ist.
49Die Klägerin selbst geht auch nicht davon aus, dass es einer Korrekturanzeige bedarf, wenn das Mitglied von einem Geschäftsvorfall gar nicht betroffen ist. Denn einen solchen Reklamationsgrund gibt es, wie die Kammer bereits aus den Parallelverfahren weiß, nicht in den Reklamationsvordrucken der Klägerin.
50Hingegen verfängt das Argument der Beklagten, die Ware gemäß Anlage B 14 (Bl. 133 GA) im Wert von 6.094,98 Euro habe sie an die Klägerin retourniert, nicht.
51Zum einen ist unklar, was mit diesem Vortrag gemeint ist. „Retouren an die Klägerin“ kann es nämlich innerhalb des Systems der Zentralregulierung nicht geben, da die Klägerin nicht Verkäuferin der Ware ist und der Warenverkehr, also die rein faktische (Rück-) Abwicklung der Kaufverträge zwischen dem Mitglied und dem Vertragslieferanten erfolgt.
52Sollte die Beklagte meinen, dass sie die Waren an die Vertragslieferanten retourniert hat, hat sie gegen die oben ausgeführte vertragliche Nebenpflicht zur Korrekturanzeige verstoßen.
53Zurückbehaltungsrechte kommen unabhängig von der Frage, ob diese durch die Liefer- und Zahlungsbedingungen ausgeschlossen wurden schon, deshalb nicht in Betracht, weil die (berechtigten Boni) bei der Berechnung der Klageforderung berücksichtigt wurden.
54B)
55Die zulässige Widerklage ist unbegründet.
56I.
57Die Beklagte hat wegen Verletzung des Mitgliedschaftsvertrages -dort der Boniabreden - keinen Schadensersatzanspruch in Höhe von 13.905,05 Euro gegen die Klägerin.
58Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin dadurch ihre vertraglichen Pflichten missachtete, dass sie die Boni für das Jahr 2011 nicht rechtzeitig abrechnete und auch nicht auszahlte, sondern mit den Forderungen aus der offenen Postenliste verrechnete.
59Denn eine etwaige Pflichtverletzung ist jedenfalls nicht kausal für den vermeintlichen Schaden gewesen. Für das Jahr 2011 standen der Beklagten Boni in Höhe von gut 30.000 zu, denen aber bereits Ende April ein Anspruch aus der Zentralregulierung von über 31.000 Euro gegenüberstand.
60Ein Schaden der Beklagten setzt aber eine Verringerung der freien Liquidität der Beklagten voraus, da diese bewirkt, dass die Beklagte die vertraglichen Zahlungsvereinbarungen mit ihrer Vermieterin nicht einhalten kann. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Ansprüche der Klägerin aber höher waren als die der Beklagten verringerte, sich nicht die freie Liquidität der Beklagten, sondern erhöhte sich sogar, wenn auch vorliegend nur geringfügig.
61II.
62Auch bzgl. des Widerklageantrages zu 2 ist die Widerklage unbegründet.
63Der Beklagten steht kein Anspruch auf Zahlung eines „Fachkreisbonus“ für die Jahre 2011 und 2012 zu und daher auch kein Anspruch auf Abrechnung eines solchen, wie er mit dem Widerklageantrag zu 2a) geltend gemacht wird.
64Die Beklagte lässt nämlich nicht ansatzweise zu einer „vertraglichen Regelung“ bzgl. des Fachkreisbonus vortragen. Allein die Tatsache, dass dieser von der Klägerin für die Jahre 2009 und 2010 -nach Meinung der Klägerin „freiwillig“- gezahlt wurde, begründet keinen Anspruch auf Zahlung für die Folgejahre.
65Die Zinsentscheidung beruht auf Verzug in Verbindung mit 3.2 der Liefer – und Zahlungsbedingungen.
66Die Nebenentscheidungen basieren auf den §§ 92, 709 ZPO.
67Streitwert: bis 285.000,00 Euro
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den Tatbestand; - 6.
die Entscheidungsgründe.
(2) Im Tatbestand sollen die erhobenen Ansprüche und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel unter Hervorhebung der gestellten Anträge nur ihrem wesentlichen Inhalt nach knapp dargestellt werden. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden.
(3) Die Entscheidungsgründe enthalten eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.