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Die Klage war als unzulässig abzuweisen. Das Landgericht Tübingen ist für die Entscheidung des Rechtsstreits international nicht zuständig.
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1. Die internationale Zuständigkeit bestimmt sich nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO). Die am 1. März 2002 in Kraft getretene Verordnung ist auf die am 22. Mai 2002 eingegangene Klage zeitlich anwendbar, s. Art. 66 I i.V.m. Art. 76 EuGVVO.
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Nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO kann der Beklagte, der seinen Wohnsitz in Italien hat, nur dort an seinem allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden, wenn nicht eine besondere Zuständigkeit im Sinne der Art. 5 bis 22 EuGVVO begründet ist. Das ist vorliegend nicht der Fall.
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2. Die Voraussetzungen für den ausschließlichen Gerichtsstand der Gesellschaft im Sinne des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO sind nicht gegeben. Zwar ist der Pool zwischen den Klägern und dem Beklagten als Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet worden, § 1 Abs. 1 des Poolvertrags (Bl. 46 d. A.). Jedoch verfügt die Gesellschaft über kein Gesamthandsvermögen, nimmt nicht als Gesellschaft am Rechtsverkehr teil und stellt damit eine reine Innengesellschaft dar, vgl. Ulmer in: Münchener Kommentar zum BGB, 3. Aufl. 1997, vor § 705 Rdnr. 48; BGH NJW 1987, 890, 891. Solche Innengesellschaften fallen nicht in den Anwendungsbereich des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO, Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl. 2002, Art. 22 EuGVVO Rdnr. 10; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht, 1997, Art. 16 Rdnr. 147.
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3. Das Landgericht Tübingen ist auch nicht als Gericht des Erfüllungsorts im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen.
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a) Art. 5 Nr. 1 EuGVVO sieht im Fall des lit. a keine autonome und einheitliche Bestimmung des Erfüllungsortes vor. Lediglich in den abschließend aufgezählten Fällen des lit. b wird eine solche Bestimmung – in Abkehr zur früheren EuGVÜ und der bisherigen EuGH-Rechtsprechung – vorgenommen, s. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 7. Aufl. 2002, Art. 5 Rdnr. 21. Die geltend gemachte Schadensersatzverpflichtung des Beklagten fällt nicht unter Art. 5 Nr. 1 lit. b EuGVVO. Für eine Übertragung des Rechtsgedankens des lit. b auf Fälle des lit. a besteht angesichts der klaren Beschränkung des lit. b auf zwei Fälle (Kauf- und Dienstvertrag) sowie der Formulierung des lit. c kein Raum.
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b) Damit bestimmt sich der Erfüllungsort im Sinne des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO nach dem materiellen Recht, "das nach den Kollisionsnormen des mit dem Rechtsstreit befassten Gerichts anwendbar ist", Urteil des EuGH vom 6. 10. 1976, Tessili/Dunlop, Slg. 1976, 1743, Tz. 15. Dabei ist grundsätzlich von der konkreten vertraglichen Verpflichtung auszugehen, deren Nichterfüllung klageweise geltend gemacht wird, Urteil des EuGH vom 6. 10. 1976,
De
Bloos/Bouyer, Slg. 1976, 1497, Tz. 9 ff.
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Die Kläger stützen ihren Schadensersatzanspruch erstens auf die Verletzung einer allgemeinen Treuepflicht, die sie aus dem Poolvertrag und den begleitenden Umständen herleiten. Zweitens sind sie der Ansicht, der Anspruch folge aus einer Verpflichtung zur Vollmachterteilung, die in dem Poolvertrag und der schriftlichen Abrede zwischen den Klägern und dem Beklagten vom 9.8.1998 am Stuttgarter Flughafen gründe. Drittens folge die Verpflichtung zur Übersendung einer schriftlichen Vollmachtsurkunde auch aus der mündlichen Zusage des Beklagten bei dem Treffen den am 28.5.2001 in Stuttgart. Für keine dieser Verpflichtungen liegt der Erfüllungsort in Tübingen.
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aa) Soweit die Kläger ihren Schadensersatzanspruch auf die Verletzung der Treuepflicht des Beklagten aus dem Poolvertrag stützen, bestimmt sich der Erfüllungsort nach deutschem Sachrecht. Zwar liegt kein Fall des Art. 37 Nr. 2 EGBGB vor, da Innengesellschaften davon nicht erfasst werden, s. von Hoffmann in Soergel, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl. 1996, Art. 37 EGBGB, Rdnr. 48. Jedoch deutet schon die Bezeichnung des Pools im Poolvertrag als "Gesellschaft bürgerlichen Rechts" (Bl. 46 d. A.) auf eine stillschweigende Wahl des deutschen Rechts im Sinne des Art. 27 Abs. 1 S. 2 EGBGB hin, s. Firsching/von Hoffmann, Internationales Privatrecht, 7. Aufl. 2002, § 10 Rdnr. 34. Im übrigen beziehen sich die charakteristischen Hauptpflichten aus dem Poolvertrag – die Koordinierung der Stimmrechtsausübung und das vereinbarte Vorkaufsrecht der Poolmitglieder – jeweils auf die Aktienbeteiligung der Poolmitglieder an der Walter AG. Durch die enge Verbindung zur in Tübingen ansässigen W AG ist auf die Verpflichtungen aus dem Poolvertrag deutsches Recht anwendbar, Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB.
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Damit bestimmt sich der Erfüllungsort der Treuepflicht aus dem Poolvertrag nach § 269 BGB. Dabei ist grundsätzlich auf die jeweils konkret geschuldete Leistung abzustellen, s. Krüger in: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2001, § 269 Rdnr. 19. Zwar kann sich aus der Natur eines Schuldverhältnisses ein einheitlicher Erfüllungsort für das gesamte Schuldverhältnis ergeben, wenn eine bestimmte Verpflichtung dem Schuldverhältnis das wesentliche Gepräge gibt, ebda. Bei Ansprüchen aus Gesellschaftsverträgen kann ein einheitlicher Erfüllungsort insbesondere am Sitz der Gesellschaft bestehen, s. Heinrichs in: Palandt, 61. Aufl. 2002, § 269 Rdnr. 13.
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Ein solcher Fall liegt jedoch nicht vor. Eine BGB-Innengesellschaft ist weder rechts- noch parteifähig und hat keinen Sitz, an dem ein einheitlicher Erfüllungsort für gesellschaftsrechtliche Verpflichtungen existieren könnte, s. BayObLG, NJW-RR 1990, 742. Zwar hat der BGH mit Urteil vom 29. 1. 2001 die Rechts- und Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft anerkannt, NJW 2001, 1056. Er bezieht sich dabei jedoch nur auf die Außen-Gesellschaft mit Gesamthandsvermögen. Innengesellschaften werden von der Rechtsprechungsänderung nicht erfasst, K. Schmidt, NJW 2001, 993, 1001; Scholz, NZG 2002, 153, 156. Damit verfügt die vorliegende BGB-Gesellschaft über keinen Sitz, an dem ein einheitlicher Erfüllungsort für alle Verpflichtungen aus dem Poolvertrag liegen könnte.
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Auch aus sonstigen Umständen des Poolvertrags folgt nicht, dass die Treuepflicht des Beklagten in Tübingen zu erfüllen war. Die Kläger sind der Ansicht, der Poolvertrag weise einen ortsgebundenen Schwerpunkt auf, der zu einer Verlagerung des Erfüllungsortes aller aus dem Poolvertrag fließenden Verpflichtungen nach Tübingen führe. Der Poolvertrag regele die Stimmrechtsausübung von Aktien der W AG, die ihren Sitz in Tübingen habe. Auch seien die Poolversammlungen in der Regel in Tübingen abgehalten worden. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass für alle aus dem Poolvertrag fließenden Verpflichtungen ein einheitlicher Erfüllungsort in Tübingen besteht. Die Vertragspartner des Poolvertrags hatten seit Vertragsschluss ihren Wohnsitz in vier verschiedenen Ländern, teilweise in Übersee. Sinn und Zweck des Poolvertrags war es unter anderem, den Vertragspartnern trotz der entfernt und verstreut liegenden Wohnsitze eine effektive Einflussnahme auf die W AG zu ermöglichen. Zu diesem Zweck wurde der in der Nähe Tübingens ansässige Kläger Ziffer 1 als "Person vor Ort" mit der Interessenwahrnehmung beauftragt. Aus diesem örtlichen Bezug zu Tübingen kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Poolmitglieder den Erfüllungsort ihrer
eigenen
Verpflichtungen nach Deutschland verlagern wollten. Vielmehr liegt nahe, dass sie ihre Verpflichtungen weiter von ihrem jeweiligen Wohnsitz aus erfüllen wollten, um dabei auch auf ihre lokalen, muttersprachlichen Berater zurückgreifen zu können. Damit ist dem Poolvertrag – zumindest hinsichtlich der Treuepflicht, deren Verletzung die Kläger geltend machen – kein ortsgebundener Schwerpunkt zu entnehmen. Vielmehr hatte der Beklagte seine Treuepflicht an seinem Wohnsitz zu erfüllen. Insoweit ist das Landgericht Tübingen international unzuständig, Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO.
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Im übrigen ist die aus dem Poolvertrag fließende allgemeine Treuepflicht auch nicht der richtige Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des Erfüllungsortes im Rahmen des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO. Nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ, der insoweit mit dem neuen Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO übereinstimmt, ist für die Bestimmung des Erfüllungsortes "die Verpflichtung heranzuziehen, die dem vertraglichen Anspruch entspricht, auf den der Kläger seine Klage stützt", Urteil des EuGH vom 6. 10. 1976, De Bloos/Bouyer, Slg. 1976, 1497, Tz. 9 ff.; s. a. Urteil des EuGH vom 15.1.1987, Shenavai/Kreischer, Slg. 1987, 239, Tz. 17.
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Zwar modifiziert der EuGH diesen Grundsatz, wenn es um das Verhältnis von Primär- und Sekundärpflichten geht. Werden Schadensersatzansprüche geltend gemacht, so ist der Erfüllungsort der Leistungspflicht entscheidend, die die sekundäre Schadensersatzpflicht auslöst, s. Urteil des EuGH vom 6. 10. 1976, De Bloos/Bouyer, Slg. 1976, 1497, Tz. 9 ff.; s. a. Geimer/Schütze, Europ. Zivilverfahrensrecht, 1997, Art. 5 Rdnr. 59. Die primäre Leistungspflicht, deren Verletzung geltend gemacht wird, ist die Verpflichtung zur Vollmachtserteilung. Diese Verpflichtung wiederum wird aus der allgemeinen Treuepflicht der Poolmitglieder untereinander abgeleitet. Damit ist der Erfüllungsort der konkreten Verpflichtung zur Vollmachtserteilung entscheidend, nicht jedoch der Erfüllungsort der übergeordneten Treuepflicht. Die allgemeine Treuepflicht, die jeden Gesellschaftsvertrag begleitet, kann nicht als einheitlicher Anknüpfungspunkt für den Erfüllungsort aller Verpflichtungen herangezogen werden, die mittelbar aus der Treuepflicht folgen mögen. Dies würde zu einer Vereinheitlichung des Erfüllungsortes führen, die im Normalfall des § 269 Abs. 1 BGB und des Art. 5 Nr. 1 lit. a EuGVVO gerade nicht bezweckt ist.
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bb) Soweit die Kläger ihren Schadensersatzanspruch auf die Verletzung einer konkreten Verpflichtung zur Vollmachtserteilung aus dem Poolvertrag sowie der am Stuttgarter Flughafen getroffenen schriftlichen Vereinbarung der Parteien vom 9.8.1998 stützen, kann nichts anderes gelten. Auch insoweit liegt der Erfüllungsort nicht in Deutschland.
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Deutsches Sachrecht ist nicht nur auf den Poolvertrag anwendbar, sondern in gleicher Weise auf die Verpflichtungen aus der am 9.8.1998 in Stuttgart getroffenen Vereinbarung. Diese Vereinbarung betrifft die beabsichtigte Veräußerung des Aktienbesitzes an der W AG. Durch die enge Verbindung zur in Deutschland ansässigen W AG ist auch auf diese Abrede deutsches Sachrecht anwendbar, Art. 28 Abs. 1 S. 1 EGBGB. Damit bestimmt sich der Erfüllungsort der daraus folgenden Verpflichtungen nach § 269 BGB.
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Aus den Umständen ergeben sich aber keine Hinweise, dass der Beklagte seiner Verpflichtung zur Erteilung einer Vollmacht in Tübingen oder Stuttgart nachkommen musste. Weder der Poolvertrag noch die Stuttgarter Abrede weisen einen ortsgebundenen Schwerpunkt auf, der zu einem solchen Erfüllungsort führt. Vielmehr konnte und sollte der Beklagte die Vollmacht von seinem italienischen Wohnsitz aus erteilen und dem Kläger Ziffer 1 dann zusenden. Damit liegt der Erfüllungsort auch hinsichtlich dieser Verpflichtungen des Beklagten in Italien.
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cc) Auch soweit die Kläger behaupten, der Beklagte habe sich anlässlich der Verhandlungen in Stuttgart am 28.5.2001 mündlich mit der Vollmachtserteilung einverstanden erklärt und sich nur deren schriftliche Ausfertigung vorbehalten, liegt kein deutscher Erfüllungsort vor.
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Eine Schadensersatzpflicht des Beklagten könnte bestehen, wenn er es entgegen seiner mündlichen Zusage unterlassen hätte, die bereits erfolgte mündliche Vollmachtserteilung nach seiner Rückkehr nach Italien für Dokumentationszwecke gegenüber der S AB schriftlich zu bestätigen. Es ist nicht ersichtlich, warum der Erfüllungsort für diese Verpflichtung, eine schriftliche Vollmachtsbestätigung beizubringen, in Deutschland liegen soll. Es war allen Beteiligten des Treffens am 28. 5. 2001 in Stuttgart klar, dass der Beklagte die schriftliche Vollmachtsbestätigung erst nach seiner Rückkehr an seinen italienischen Wohnsitz erstellen würde. Mangels anderer Anhaltspunkte liegt der Erfüllungsort dieser Verpflichtung deshalb in Italien, § 269 BGB. Entgegen der Ansicht der Kläger führt diese Beurteilung – isoliert betrachtet – zu keiner Verschiebung des Erfüllungsortes für die Vollmachtserteilung nach Italien (s. Bl. 195 d. A.), vielmehr handelt es sich hier um die gesondert zu betrachtende Verpflichtung, eine schriftliche Vollmachtsbestätigung beizubringen.
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Nach allem ist das Landgericht Tübingen auch insoweit international unzuständig.
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