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| 1. Die Feststellungsklage ist zulässig. Insbesondere weil sich der Kläger primär gegen den von Vorstand und Aufsichtsrat gefassten Ausschließungsbeschluss wendet und nur mittelbar gegen den diese Entscheidung bestätigenden Beschluss der Generalversammlung, geht für Fälle der vorliegenden Art die nicht fristgebundene Feststellungsklage nach § 68 GenG der Anfechtungsklage nach § 51 GenG vor (h.M., vgl. BGHZ 27, S. 297; OLG Frankfurt/M. BB 1988, S. 1621; Lang/Weidmüller/Schaffland, GenG, 32. Aufl., § 68 Rn. 60, 61; Hettrich/Pöhlmann, GenG, § 68 Rn. 22; Müller, GenG, 2. A., § 68 Rn. 52, 54 f.). Dafür spricht schon, dass im entsprechenden Schreiben der Beklagten auf § 68 GenG ausdrücklich Bezug genommen ist (Anl. K3). § 9 Abs. 6 der Satzung der Beklagten ändert daran nichts, weil nur zum Ausdruck gebracht wird, dass weitergehende Rechtsbehelfe gegen Ausschließungsbeschlüsse innerhalb der Genossenschaft nicht bestehen. Das Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich daraus, dass die Entscheidung der Organe der Beklagten einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden soll. |
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| 2. Die Klage ist begründet. Unter Abwägung aller Umstände erweist sich die Ausschließung des Klägers als rechtswidrig. |
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| Zwar stehen der Beklagten als Genossenschaft autonome Rechte auch in Bezug auf den Ausschluss ihrer Mitglieder zu. Ihre Autonomie ist aber nach h.M. dahingehend eingeschränkt, dass ihre Beschlüsse gerichtlich überprüft werden können auf Gesetzeswidrigkeit, Sittenwidrigkeit und Satzungswidrigkeit, auf offenbare Unbilligkeit und darauf, ob der vorgeworfene Sachverhalt zutreffend und richtig ermittelt worden ist (Müller, aaO. § 68 Rn. 56; Lang/Weidmüller/Schaffland, aaO. § 68 Rn. 65; Hettrich/Pöhlmann aaO. § 68 Rn. 24; BGHZ 13, S. 5, 11 für den Fall des Ausschlusses aus einem nicht rechtsfähigen Verein). Eine Überprüfung von Ermessens- und Zweckmäßigkeitsüberlegungen findet hingegen nicht statt. |
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| Unter Beachtung dieser Kriterien rechtfertigen die im Schreiben vom 04.12.2003 (Anl. K3) angegebenen Gründe jedenfalls einen sofortigen Ausschluss des Klägers ohne vorherige Abmahnung nicht. |
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| a) Ein Verstoß gegen § 12 Abs. 2 b) der Satzung liegt nicht vor. Diese Vorschrift verbietet Werbung für ein Fremdunternehmen „bei oder im Zusammenhang mit einer ... vermittelten Fahrt“. Der vom Kläger mit der streitgegenständlichen eMail vom 17.08.2003 (Anl. K4) unternommene Vorstoß stand jedoch nicht im Zusammenhang mit einer bestimmten, ihm von der Beklagten vermittelten Fahrt. Nachdem es sich um eine grundsätzlich eng auszulegende Verbotsnorm handelt, kann daraus keine ganz allgemeine Verpflichtung entnommen werden, jegliche Akquisitionsbemühungen zu unterlassen, zumal wenn sich diese - wie vorliegend - im bloßen Vorfeld einer noch herbeizuführenden kommunalpolitischen Entscheidung bewegen. |
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| b) Auch § 12 Abs. 2 c) der Satzung ist nicht einschlägig. Weder im Schreiben vom 4.12.2003 (Anl. K3) noch in der Klagerwiderung hat die Beklagte dargelegt, welche geschäftlichen Informationen sie dem Kläger gegeben haben will, die dieser wiederum für geschäftliche Zwecke außerhalb seines Taxiunternehmens verwendet haben soll. Insbesondere hat die Beklagte nicht behauptet, die im Schreiben des Klägers an den Oberbürgermeister erwähnten vermutlichen „Transaktionskosten in Höhe von ca. 13.000 EUR“ oder der „Betrag in der Größenordnung von 45.000 EUR“, der bei den Linien 64, 78 und 10 womöglich eingespart werden könne, seien tatsächlich der von ihr vereinnahmten Teil der Vergütung für diese Linien, und auch nicht, dass der Kläger diese Zahlen von ihr habe. Vielmehr hat der Kläger unwidersprochen vorgetragen, es handle sich dabei lediglich um seine Vermutung, die sich auf die von der SSB veröffentlichten Zahlen stütze. Ein allgemeines Verbot, Spekulationen über von der Beklagten vereinnahmte Beträge anzustellen, folgt jedenfalls aus dieser Satzungsbestimmung nicht. |
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| c) Der Ausschluss kann auch nicht auf § 9 Abs. 1 a) der Satzung gestützt werden. Selbst wenn der Satzung eine ungeschriebene Verpflichtung des Klägers entnommen werden könnte, an Dritte nicht ohne vorherige interne Absprache in Fragen heranzutreten, die die Geschäftspolitik der Beklagten berühren können - was angesichts der speziellen Regelungen in § 12 der Satzung ohnehin nur schwerlich möglich wäre - so wäre ein Ausschluss nicht ohne vorherige schriftliche Abmahnung möglich, in der gleichzeitig der Ausschluss angedroht werden muss. Selbst wenn die Satzung eine Abmahnobliegenheit nicht ausdrücklich vorsehen würde, wäre diese als Voraussetzung der schwerstmöglichen Sanktion für ein Genossenschaftsmitglied nach allgemeinen Grundsätzen erforderlich. Indes verlangt § 9 Abs. 1 a) ausdrücklich einen Pflichtenverstoß „trotz schriftlicher Aufforderung unter Androhung des Ausschlusses“. An einer solchen Abmahnung fehlt es. Eine Abmahnung ist aus den genannten Gründen auch nicht entbehrlich. Denn dem Kläger wäre dadurch vor Augen geführt worden, welches Gewicht die Beklagte seinem Verhalten beimisst - was für den Kläger möglicherweise ebenso wenig auf der Hand lag wie sich dies nachträglich für das Gericht darstellt - und er hätte die Möglichkeit gehabt, sich darauf einzurichten. |
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| d) Auch § 9 Abs. 1 b) der Satzung rechtfertigt den Ausschluss nicht, denn es ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich, dass der Beklagten durch das Schreiben des Klägers ein - hier materiell zu verstehender - Schaden entstanden wäre. Denn das Schreiben des Klägers hat an der Vergabe der angesprochenen Nahverkehrslinien nichts geändert. Die vom Schriftsatzrecht nach § 283 ZPO nicht gedeckten neuen - und im Übrigen auch zu pauschal gehaltenen - Behauptungen der Beklagten im Schriftsatz vom 09.02.2005, wonach das Vertrauensverhältnis zur SSB beeinträchtigt worden sei, betreffen keinen „Schaden“ im Sinn dieser Regelung. |
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| e) Schließlich trägt auch § 9 Abs. 1 g) der Satzung einen sofortigen Ausschluss des Klägers nicht. Es kann offen bleiben, ob in der eMail des Klägers vom 17.08.2003 ein Verhalten gesehen werden kann, das sich mit den Belangen der Genossenschaft nicht vereinbaren lässt, und es kann auch dahinstehen, ob und inwieweit hier eine gerichtliche Beurteilung die Bewertung der Beklagten ersetzen kann. Es ist schon sehr fraglich, ob das Verhalten des Klägers eine Einmischung in die Geschäftspolitik der Beklagten darstellt. Denn die Beklagte hat nirgends aufgezeigt, ob und was sie zum Erhalt der von der Einstellung bedrohten und vom Kläger angesprochenen Nahverkehrslinie 68 unternommen hat. Jedenfalls kann ein „Verstoß“ der hier in Rede stehenden Art, der unter keine der spezielleren Regelungen der Satzung fällt und bei dem die Formalien anderer Ausschlussregelungen nicht eingehalten wurden, nicht zu einem nicht angedrohten und unangekündigten Ausschluss aus der Genossenschaft führen. Insofern gilt das oben bereits Gesagte, wonach ein Ausschluss eine vorherige Abmahnung voraussetzt. |
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| Dem kann nicht entgegengehalten werden, eine Abmahnobliegenheit existiere nur im Rahmen des § 9 Abs. 1 a) der Satzung und auch nur deswegen, weil es dabei um die bloße Verletzung von Zahlungspflichten gehe, wie die Beklagtenseite nach der mündlichen Verhandlung erstmals vorgetragen hat. Vielmehr geht es in § 9 Abs. 1 a) ganz allgemein um „satzungsmäßige oder sonstige der Genossenschaft gegenüber bestehende Verpflichtungen“. An dieser eindeutigen Formulierung muss sich die Beklagte festhalten lassen. Daraus folgt aus systematischen Gründen, dass für einen Ausschluss ohne vorherige Abmahnung jedenfalls weit gravierendere Pflichtverletzungen vorliegen müssen als „normale“ Satzungsverstöße. Könnte jede irgendwie begründete Pflichtverletzung gleichzeitig als „mit Genossenschaftsbelangen nicht vereinbares Verhalten“ nach § 9 Abs. 1 g) angesehen werden und ohne Abmahnung zum Ausschluss führen, wäre § 9 Abs. 1 a) überflüssig. Eine solche Interpretation kann daher nicht zu Grunde gelegt werden. Vielmehr ist daraus zu schließen, dass die Satzung der Beklagten bei Pflichtenverstößen gewissermaßen in der ersten Stufe eine Abmahnung vorsieht. Ein Ausnahmefall ist hier nicht ersichtlich. |
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| Die Frage, ob die Beklagte das ihr obliegende Ermessen entweder überhaupt nicht oder fehlerhaft ausgeübt hat, indem sie den Kläger anders behandelt als Fa. S. in einem möglicherweise vergleichbaren Fall, oder indem sie gar nicht erst in Betracht gezogen hat, den Kläger anstatt mit einem Ausschluss mit anderen Sanktionen wie z.B. einer Vertragsstrafe zu belegen (§ 51 der Satzung), ist daher nicht mehr entscheidungserheblich. Ebenso kann bei dieser Sachlage offen bleiben, ob der Beschluss der Generalversammlung über die Ablehnung der klägerischen Beschwerde wirksam zustande gekommen ist. |
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