Landgericht Stuttgart Beschluss, 27. Okt. 2004 - 17 O 547/04

bei uns veröffentlicht am27.10.2004

Tenor

1. Das Urteil des Tribunal de Grande Instance de Strasbourg vom 15.01.1996 – Az: R. G. 93/1590 –

ist insoweit, als die Antragsgegnerin verurteilt worden ist, an die Antragstellerin 4.573,47 Euro als Erstattung der Gerichts- und Anwaltskosten zu bezahlen,

mit der Vollstreckungsklausel zu versehen.

2. Im Übrigen werden die Anträge – soweit nicht zurückgenommen – zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin 6/7 und die Antragsgegnerin 1/7 zu tragen.

Streitwert: bis 40.000 Euro.

Gründe

 
1.
Die Antragstellerin hat eine beglaubigte Ausfertigung des diese Zahlungsverpflichtung aussprechenden Urteils des französischen Gerichts nebst beglaubigter Übersetzung vorgelegt ferner eine eine beglaubigte und übersetzte Ausfertigung das Urteils des Kassationsgerichtshofs vom 26.03.2002, durch welches dieses Urteil vom 15.01.1996 – nach zwischenzeitlicher Aufhebung in 2. Instanz – wieder hergestellt worden ist. Für das Kassationsurteil ist auch eine Bescheinigung über die Vollstreckbarkeit vorgelegt worden. Damit sind alle Voraussetzungen der Art. 31 f, 46, 47 EuGVÜ, das für das zu vollstreckende Urteil aus dem Jahre 1996 zur Anwendung kommt, erfüllt.
Soweit ferner beantragt worden war, beide Urteile auch insoweit mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, als dort die Verpflichtung zur Zahlung der Verfahrenskosten (dem Grunde nach) ausgesprochen ist, hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 08.10.2004 Antragsrücknahme erklärt.
2.
Der weitergehende Antrag, das Urteil des Kassationsgerichtshofs vom 26.03.2002 dahin für vollstreckbar zu erklären, dass der Antragsgegnerin aufgegeben wird, an die Antragstellerin 30.849,80 Euro nebst gesetzlichen Zinsen zu bezahlen, war als unbegründet zurückzuweisen.
Dieser Antrag beruht auf folgendem von der Antragstellerin vorgetragenen Sachverhalt: Nachdem die von der Antragsgegnerin erstinstanzlich eingereichte Zahlungsklage durch das Urteil des Tribunal de Grande Instance de Strasbourg vom 15.01.1996 abgewiesen worden war, hatte der zweitinstanzlich angerufene Cour d'Appel de Colmar eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 30.489,80 ausgesprochen. Dieser Betrag sei zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung an die Antragsgegnerin gezahlt worden. Das Urteil des Kassationsgerichtshofs vom 26.03.2002, durch das die zweitinstanzliche Entscheidung auf Revision der Antragstellerin wieder aufgehoben worden war, stelle nach französischem Recht bereits einen Vollstreckungstitel hinsichtlich der Rückzahlung dar unabhängig davon, ob der Tenor der Entscheidung einen solchen Ausspruch enthalte. Eine weitere Konkretisierung sei weder erforderlich noch möglich. Deshalb müsse dieser Titel bei der Vollstreckbarkeitsentscheidung dahin konkretisiert werden, dass diese Zahlungsverpflichtung grundsätzlich und auch betragsmäßig festgelegt werde. Andernfalls hätte der Gläubiger eines solchen Anspruchs keine Möglichkeit, seinen Rückzahlungsanspruch in einem rechtsstaatlichen Verfahren durchzusetzen. Dies würde aber der gemeinschaftsrechtlich garantierten Titelfreizügigkeit widersprechen.
3.
Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
Es mag zwar richtig sein, dass das Kassationsurteil vom 30.06.2004 nach französischem Recht Vollstreckungstitel ist hinsichtlich der Rückzahlungsverpflichtung derjenigen Beträge, die auf Grund aufgehobener Entscheidungen geleistet worden sind. Dieser Titel stellt insoweit aber allenfalls eine Grundentscheidung dar, da er über die Betragshöhe nichts aussagt. Ein ausländischer Titel muss aber grundsätzlich, um für vollstreckbar erklärt werden zu können, auf eine bestimmte Leistung lauten. Es kann zwar auch noch im Verfahren der Vollstreckbarkeit eine im ausländischen Titel nicht bestimmt genug ausgesprochene Leistungspflicht näher konkretisiert werden. Dies aber nur insoweit, als es dabei um Kriterien geht, die sich aus dem Titel selbst ergeben und die in Anwendung gesetzlicher Vorschriften des Auslands oder ähnlich sicher feststellbaren Umstände zu einer betragsmäßigen Festlegung herangezogen werden können. Dies ist etwa möglich bei der Konkretisierung einer Verurteilung zu den gesetzlichen Zinsen bzw. der Erstattung der gesetzlichen Mehrwertsteuer aus einem im Urteil ausgewiesenen Betrag, für einen öffentlich bekannt gemachten Währungsausgleich oder den Index für Lebenshaltungskosten (vgl. MüKoZPO-Gottwald, Rn. 17 zu § 722 ZPO m. w. Nw.; Kropholler, europäisches ZivilprozessR, 7. Auflage, Rn. 13 zu Art. 38; nicht anders auch das von der Antragstellerin angeführten Zitate bei Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht,, 2. Aufl., Rn 19 zu Art. 38).
Um eine solche Konkretisierung nach objektiv feststellbaren und sich aus der Entscheidung selbst ergebenden Kriterien geht es bei dem vorliegenden Antrag aber gerade nicht. Es handelt sich nicht lediglich um eine bloße Konkretisierung oder ergänzende Auslegung des ausländischen Titels. Hier soll vielmehr die Bestimmung einer konkreten Zahlungsverpflichtung anhand von Feststellungen, insbes. dem Nachweis der Zahlung, ausgesprochen werden, die außerhalb des ausländischen Titels liegen und daher von dem mit dem bloßen Ausspruch der Vollstreckbarkeit befassten inländischen Gericht nicht getroffen werden dürfen. Darauf, ob für die behauptete Zahlung Beweismittel vorgelegt sind, kommt es deshalb nicht an.
Auch das Argument, der Antragstellerin werde bei Ablehnung der Klauselerteilung in einem solchen Fall die Möglichkeit der Durchsetzung ihrer Rechte versagt, ist nicht richtig. Auf der Grundlage der internationalen Abkommen für die gegenseitige Anerkennung vollstreckungsfähiger Titel ist eine erneute Leistungsklage in einem Mitgliedstaat nur dann und insoweit ausgeschlossen, als das vereinfachte Verfahren der Vollstreckbarerklärung in Anspruch genommen werden kann. Liegen bei dem ausländischen Titel die Voraussetzungen für eine Klauselerteilung aber nicht vor, dann kann eine (erneute) Leistungsklage eingereicht werden (Kropholler a. a. O, Rn. 13 zu Art. 32).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 Abs. 1 AVAG iVm. § 788 ZPO sowie §§ 91, 92 ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Landgericht Stuttgart Beschluss, 27. Okt. 2004 - 17 O 547/04

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landgericht Stuttgart Beschluss, 27. Okt. 2004 - 17 O 547/04

Referenzen - Gesetze

Landgericht Stuttgart Beschluss, 27. Okt. 2004 - 17 O 547/04 zitiert 5 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Zivilprozessordnung - ZPO | § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen


(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last. (2) Das Ger

Zivilprozessordnung - ZPO | § 788 Kosten der Zwangsvollstreckung


(1) Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen, soweit sie notwendig waren (§ 91), dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. Als Kosten der Zwangsvollstreckung gelten auch die Kosten der

Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz - AVAG 2001 | § 8 Entscheidung


(1) Ist die Zwangsvollstreckung aus dem Titel zuzulassen, so beschließt das Gericht, dass der Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. In dem Beschluss ist die zu vollstreckende Verpflichtung in deutscher Sprache wiederzugeben. Zur Begrün

Zivilprozessordnung - ZPO | § 722 Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile; Verordnungsermächtigung


(1) Aus dem Urteil eines ausländischen Gerichts findet die Zwangsvollstreckung nur statt, wenn ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurteil ausgesprochen ist. (2) Für die Klage auf Erlass des Urteils ist das Landgericht zuständig, bei dem der

Referenzen

(1) Ist die Zwangsvollstreckung aus dem Titel zuzulassen, so beschließt das Gericht, dass der Titel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist. In dem Beschluss ist die zu vollstreckende Verpflichtung in deutscher Sprache wiederzugeben. Zur Begründung des Beschlusses genügt in der Regel die Bezugnahme auf das durchzuführende Abkommen der Europäischen Union oder den auszuführenden Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag sowie auf von dem Antragsteller vorgelegte Urkunden. Auf die Kosten des Verfahrens ist § 788 der Zivilprozessordnung entsprechend anzuwenden.

(2) Ist der Antrag nicht zulässig oder nicht begründet, so lehnt ihn das Gericht durch mit Gründen versehenen Beschluss ab. Die Kosten sind dem Antragsteller aufzuerlegen.

(1) Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen, soweit sie notwendig waren (§ 91), dem Schuldner zur Last; sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben. Als Kosten der Zwangsvollstreckung gelten auch die Kosten der Ausfertigung und der Zustellung des Urteils. Soweit mehrere Schuldner als Gesamtschuldner verurteilt worden sind, haften sie auch für die Kosten der Zwangsvollstreckung als Gesamtschuldner; § 100 Abs. 3 und 4 gilt entsprechend.

(2) Auf Antrag setzt das Vollstreckungsgericht, bei dem zum Zeitpunkt der Antragstellung eine Vollstreckungshandlung anhängig ist, und nach Beendigung der Zwangsvollstreckung das Gericht, in dessen Bezirk die letzte Vollstreckungshandlung erfolgt ist, die Kosten gemäß § 103 Abs. 2, den §§ 104, 107 fest. Im Falle einer Vollstreckung nach den Vorschriften der §§ 887, 888 und 890 entscheidet das Prozessgericht des ersten Rechtszuges.

(3) Die Kosten der Zwangsvollstreckung sind dem Schuldner zu erstatten, wenn das Urteil, aus dem die Zwangsvollstreckung erfolgt ist, aufgehoben wird.

(4) Die Kosten eines Verfahrens nach den §§ 765a, 811a, 811b, 829, 850k, 851a, 851b, 900 und 904 bis 907 kann das Gericht ganz oder teilweise dem Gläubiger auferlegen, wenn dies aus besonderen, in dem Verhalten des Gläubigers liegenden Gründen der Billigkeit entspricht.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.

(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn

1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder
2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.