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| Der Kläger verlangt Ersatz materiellen und immateriellen Schadens aus einem von ihm behaupteten Unfallereignis vom 12.03.2016. Die Beklagte ist Vermieterin der Eltern des Klägers und zugleich Eigentümerin des Mietobjekts in der P-Straße 14 in S. |
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| Der Kläger behauptet, er sei bei Betreten des Aufzuges mit der Hand zwischen die äußere Schachttüre und die Wand des Aufzugsschachtes geraten und habe sich dabei die Fingerkuppe am Mittelfinger der rechten Hand abgerissen. |
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| Der Kläger behauptet weiter, dass sich dieser Unfall deshalb ereignet habe, weil die betreffende Schachttüre im Erdgeschoss des Mietobjekts aufgrund eines Defektes nicht wie üblich verzögert, sondern ungebremst zugefallen sei. Der Defekt sei der Beklagten bekannt gewesen, sie habe aber nichts zur Beseitigung der daraus resultierenden Gefahr unternommen. |
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| Die Beklagte behauptet, sie habe den Aufzug regelmäßig überprüfen lassen. Weder vor, noch nach dem behaupteten Unfallereignis sei ein Defekt an der Aufzugstüre festgestellt worden. |
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| Der Rechtsstreit ist auf Antrag des Klägers an das Amtsgericht Stuttgart zu verweisen, weil dieses gem. § 23 Nr. 2 lit. a) GVG ausschließlich sachlich zuständig ist. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus § 29a Abs. 1 ZPO. |
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| Gemäß § 23 Nr. 2 lit. a) GVG ist das Amtsgericht für Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum ausschließlich zuständig. Der Umfang der von der ausschließlichen Zuständigkeit erfassten Ansprüche ist nach herrschender Auffassung weit auszulegen (Zöller–Vollkommer, ZPO, 31. Aufl., § 29a ZPO Rn. 7; § 23 GVG Rn. 10). Die streitgegenständlichen Ansprüche fallen unter diese weite ausschließliche Zuständigkeit. |
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| Im vorliegenden Fall kann ein Anspruch des Klägers in zweierlei Hinsicht begründet sein. Zum einen kann dem Kläger ein Schadenersatzanspruch gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 535 BGB aus dem Mietverhältnis zwischen den Eltern des Klägers und der Beklagten in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zustehen. Kindern des Mieters kommt die Schutzwirkung des Mietvertrages zweifellos zu (Palandt/Weidenkaff, BGB 75. Aufl., § 535 Rn. 61, Palandt/Grüneberg, § 328 Rn. 28). Daneben kommt ein deliktischer Schadenersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB in Betracht. Denn die Verkehrssicherungspflicht trifft die Beklagte in ihrer Eigenschaft als Vermieterin gegenüber dem Mieter und in den Schutzbereich des Mietvertrages einbezogenen Dritten in Gestalt einer Nebenpflicht aus dem Mietverhältnis einerseits und in ihrer Eigenschaft als Eigentümerin gegenüber jedermann andererseits (vgl. zur Gestalt von Verkehrspflichten als deliktische Sorgfalts- und vertragliche Schutzpflichten MünchKommBGB–Wagner, 6. Aufl. 2013, § 823 Rn. 311 ff.). |
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| Die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts greift schon dann ein, wenn zumindest auch Ansprüche aus einem Wohnraummietverhältnis streitgegenständlich sind, selbst wenn daneben deliktische Ansprüche bestehen können. Eine solche Auslegung ist nicht nur vom weiten Wortlaut des § 23 Nr. 2 lit. a) GVG gedeckt, sondern durch den verfolgten Schutzzweck dieser Norm geboten. |
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| § 23 Nr. 2 lit. a) GVG für die sachliche und § 29a Abs. 1 ZPO für die örtliche Zuständigkeit gewährleisten, dass das Verfahren möglichst am Wohnort des Mieters geführt wird und stellen eine größere Sach- und Ortsnähe des zuständigen Gerichts her (vgl. BGHZ 85, 275, 282 f., NJW 1984, 1615). Dieser Schutzzweck würde ausgehöhlt, wenn eine Klage vor dem Landgericht schon dann zulässig wäre, wenn der Mieter seine Ansprüche aus einer Verkehrssicherungspflichtverletzung sowohl auf deliktische Anspruchsgrundlagen, als auch auf eine vertragliche Schadenersatzpflicht aus seinem Mietvertrag stützt, weil in der Mehrzahl der Fälle der Vermieter zugleich auch der Eigentümer des Mietobjekts ist. In all diesen Fällen könnte dem Mieter somit der mit der ausschließlichen amtsgerichtlichen Zuständigkeit bezweckte Schutz entzogen werden. |
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| Dies widerspräche zudem dem Befund, dass der Mieter mit vom Vermieter geschaffenen Gefahrenquellen bestimmungsgemäß intensiver in Kontakt kommt als beliebige Dritte, die einen Schadenersatzanspruch nur auf deliktischer Grundlage geltend machen können. Obwohl der Mieter also über seine vertragliche Bindung eine stärkere Rechtsposition und eine höhere Schutzbedürftigkeit hat als ein geschädigter Dritter, ginge der Mieter der ansonsten gegebenen ausschließlichen amtsgerichtlichen Zuständigkeit für seine Ansprüche aus dem Wohnraummietverhältnis verlustig. Ein Auseinanderfallen der sachlichen Zuständigkeit danach, ob die verletzte Pflicht die Abwehr von Gefahren im Rahmen der Verkehrssicherung gegenüber dem Mieter zum Gegenstand hat oder mietvertragliche Pflichten betrifft, die nur gegenüber dem Mieter und nicht wie die Verkehrssicherungspflicht gegenüber jedermann bestehen können, ist nicht sachgerecht. |
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| Entscheidend ist allein, dass es um Rechtsstreitigkeiten geht, an denen die Prozessbeteiligten als Parteien des Mietvertrages und seiner Abwicklung beteiligt sind. Geht es um die Verkehrssicherungspflichten, die den Vermieter gegenüber dem Mieter treffen, ist dies der Fall (vgl. OLG Düsseldorf, 04.07.2005, 24 W 20/05 – juris). |
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| Der Rechtsgedanke aus § 17 Abs. 2 GVG, wonach ein hinsichtlich des deliktischen Anspruchs zuständiges Landgericht die auf die Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers gestützte Klage nach allen rechtlichen Gesichtspunkten, also auch in Bezug auf die mietvertragliche Verkehrssicherungspflicht, entscheiden muss und darf (so OLG Koblenz, 12.10.1995, 5 U 324/95 – juris), führt zu keinem abweichenden Ergebnis. |
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| Diese Auffassung stellt auf die Verhinderung der Aufspaltung der gerichtlichen Zuständigkeit innerhalb des Zivilrechtsweges für unterschiedliche Anspruchsgrundlagen im Rahmen ein und desselben Streitgegenstandes ab. Eine solche Aufspaltung tritt aber auch dann nicht ein, wenn das Amtsgericht unter Einschluss des deliktischen Anspruchs insgesamt über den Rechtsstreit entscheidet, berücksichtigt aber den mit § 23 Nr. 2 lit. a) GVG verfolgten Schutzzweck (siehe oben). |
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| Nichts anderes ergibt sich deswegen, weil der Kläger im vorliegenden Fall nicht selbst Partei des Mietvertrages ist, sondern nur auf sein Integritätsinteresse gerichtete Schadenersatzansprüche aus der Schutzwirkung des Mietvertrages geltend macht. |
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| Die Rechtsposition des Klägers in Bezug auf Verkehrssicherungspflichten der Beklagten in ihrer rechtlichen Eigenschaft als Vermieterin ist mit derjenigen der Eltern des Klägers identisch. |
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| Zudem müssen die Eltern als Prozessvertreter ihres minderjährigen Kindes auftreten; die bezweckte größere Sach- und Ortsnähe kommt ihnen de facto nur zugute, wenn die ausschließliche Zuständigkeit auch dann greift, wenn ihr Kind seine eigenen Ansprüche geltend macht. Eine abweichende Behandlung kommt daher nicht in Betracht. |
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