Landgericht Stuttgart Beschluss, 15. Dez. 2010 - 10 T 356/10

bei uns veröffentlicht am15.12.2010

Tenor

1. Die Beschwerde der weiteren Beteiligten Ziff. 4 gegen die Entscheidung des Notariats Ludwigsburg VI - Betreuungsgericht - vom 17.09.2010 über den Antrag der weiteren Beteiligten Ziff. 4 vom 03.09.2010 wird als unzulässig verworfen.

2. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

 
I.
Mit Schreiben vom 03.09.2010 beantragte die weitere Beteiligte Ziff. 4 vor dem Notariat Ludwigsburg IV, den Betreuer zu verpflichten, eine Zwangsräumungsklage gegen ihre Schwester, die weitere Beteiligte Ziff. 3, einzuleiten, um das Zweifamilienhaus der Eltern zu räumen und ordnungsgemäß zu vermieten oder zu verkaufen. Zur Begründung führte sie unter anderem aus, die weitere Beteiligte Ziff. 3 bewohne mietfrei das Elternhaus, obwohl ihr die Eltern nach einem tätlichen Übergriff ein jahrelanges Hausverbot erteilt hätten. Sie nahm zudem Bezug auf ihr Schreiben vom 31.08.2010, in welchem sie erklärte, die Pflege der Eltern sei durch deren laufende Einnahmen nicht annähernd gedeckt. Die Schwester ließe das Haus verkommen, weshalb der bei einem Verkauf erzielbare Wert kontinuierlich sinke. Es sei daher notwendig, das Haus zwecks Erzielung von Mieteinnahmen oder zwecks Verkaufs zu räumen, um die Pflegekosten langfristig zu sichern. Es könne nicht angehen, dass das Vermögen der Eltern verschleudert werde und dann zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls die Allgemeinheit oder sie als leibliche Tochter zur Kasse gebeten würden.
Das Notariat lehnte eine entsprechende Verpflichtung des Betreuers durch das Betreuungsgericht mit Beschluss vom 17.09.2010 ab. Die Führung der Betreuung erfolge ausschließlich durch den Betreuer. Es gebe keinen Rechtsgrund dafür, dass das Betreuungsgericht die Betreuung führe oder die Aufgaben des Betreuers wahrnehme. Das Betreuungsgericht habe keine Befugnis zur direkten Anweisung.
Hiergegen legte die weitere Beteiligte Ziff. 4 mit Schreiben vom 29.09.2010 Beschwerde ein, welcher das Notariat durch Beschluss vom 11.10.2010 nicht abhalf und die Akten dem Landgericht zur Entscheidung über die Beschwerde vorlegte.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die Beschwerde der weiteren Beteiligten Ziff. 4 ist mangels Beschwerdebefugnis unzulässig.
1. Gemäß § 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB ist auf die Betreuung § 1837 Abs. 1 bis 3 BGB sinngemäß anwendbar. Nach § 1837 Abs. 2 Satz 1 BGB hat das Familiengericht über die gesamte Tätigkeit des Vormunds und des Gegenvormunds Aufsicht zu führen und gegen Pflichtwidrigkeiten durch geeignete Gebote und Verbote vorzugehen. Eine Befreiung des Betreuers von dieser Aufsicht nach § 1908 i Abs. 1 Satz 2 BGB kommt vorliegend nicht in Betracht, da sich Ausnahmen nach Landesrecht nur auf Behörden als Betreuer, d.h. auf die sogenannte Amtsbetreuung nach § 1900 Abs. 4 BGB beziehen (Staudinger/Werner Bienwald (2006), Rn. 247 zu § 1908i). Grundsätzlich kann das Notariat - Betreuungsgericht - den Betreuer daher beaufsichtigen und ihm in bestimmten Fällen Gebote oder Verbote auferlegen.
2. Dem Angehörigen steht jedoch, sofern das Notariat - Betreuungsgericht - eine bestimmte Aufsichtsmaßnahme nach § 1837 Abs. 2 Satz 1 BGB unterlässt, kein Recht zur Beschwerde zu. Daher kommt es vorliegend auf die Frage, ob eine Aufsichtsmaßnahme gegenüber dem Betreuer vorzunehmen wäre, nicht an.
a) Allgemein richtet sich die Beschwerdebefugnis nach § 59 FamFG. Nach dessen Abs. 1 steht die Beschwerde demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Eine Beeinträchtigung eigener Rechte der weiteren Beteiligten Ziff. 4 ist nicht erkennbar. Durch die Betreuung sind lediglich Rechte der Eltern betroffen.
b) Nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG, welcher für Betreuungssachen ergänzende Vorschriften über die Beschwerde enthält, steht das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung im Interesse des Betroffenen dessen Abkömmlingen zu, wenn sie am ersten Rechtszug beteiligt waren. Da die weitere Beteiligte Ziff. 4 am ersten Rechtszug beteiligt war, stünde ihr zwar dem Wortlaut nach ein Beschwerderecht zu, da dieser insoweit keine Einschränkungen hinsichtlich der Art der Entscheidung enthält. Das Beschwerderecht nach § 303 Abs. 2 FamFG ist jedoch gleichwohl auf Entscheidungen nach § 303 Abs. 1 FamFG zu beschränken. Denn der unmittelbare Zusammenhang mit dem vorhergehenden Absatz 1 der Vorschrift, der die Entscheidung definiert, die Gegenstand der Beschwerdebefugnis der Betreuungsbehörde sein kann, spricht dafür, dass auch die Beschwerde von Angehörigen des Betroffenen sich nur auf diese Entscheidungen beziehen kann. Hinzu kommt, dass Angehörige nach Abs. 2 nur beschwerdebefugt sind, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind. Die Möglichkeit einer solchen Beteiligung besteht jedoch nach § 274 Abs. 4 FamFG nur in den Verfahren, auf die sich das Beteiligungsrecht (§ 274 Abs. 3 FamFG) der Betreuungsbehörde und inhaltsgleich deren Beschwerdebefugnis (§ 303 Abs.1 FamFG) bezieht. Auch nach bisherigem Recht waren diejenigen Entscheidungen, die Gegenstand einer Beschwerde sowohl der Behörde als auch von Angehörigen des Betroffenen sein konnten, in § 69 g Abs. 1 FGG und durch Bezugnahme auf diese Vorschriften in § 69 i FGG übereinstimmend bezeichnet. Dass der Gesetzgeber diesen gewollten Zusammenhang aufheben wollte, ist nicht anzunehmen (Keidel, FamFG, 16. Auflage 2009, Rn. 12 zu § 303 FamFG). Vielmehr soll der Personenkreis, der nach § 274 Abs. 4 FamFG beteiligt werden kann, mit demjenigen übereinstimmen, der nach § 303 Abs. 2 beschwerdeberechtigt sein kann (Fröschle, FamFG, Kommentar, Rn. 19 zu § 303). Da die angegriffene Entscheidung des Notariats nicht unter § 303 Abs. 1 FamFG fällt, ist die Beschwerdebefugnis nicht gegeben (so auch: Bassenge/Roth, FamFG/RPflG, 12. Auflage 2009, Rn. 6 zu § 303 FamFG; Bork / Jacoby / Schwab, FamFG, Kommentar, Rn. 6 zu § 303 FamFG; Walter Zimmermann, Das neue FamFG, S. 158, Rn. 509; vgl. auch: Bumiller/Harders, FamFG, 9. Auflage 2009, Rn. 5 zu § 303 FamFG: Eine Beschwerdebefugnis besteht nur unter den Voraussetzungen des § 59 im Falle der Ablehnung der Entlassung des Betreuers (§ 1908 b BGB), weil diese von der Regelung des § 303 nicht erfasst wird; a. A.: Jürgens, Betreuungsrecht, 4. Auflage 2010, Rn. 4 zu § 303 FamFG ).
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3. Die Beschwerde der weiteren Beteiligten Ziff. 4 war daher mangels Beschwerdebefugnis als unzulässig zu verwerfen.
11 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 131 Abs. 5 KostO.

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Landgericht Stuttgart Beschluss, 15. Dez. 2010 - 10 T 356/10 zitiert 5 §§.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 59 Beschwerdeberechtigte


(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. (2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 303 Ergänzende Vorschriften über die Beschwerde


(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über1.die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,2.Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahmezu. (2) Das Re

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 274 Beteiligte


(1) Zu beteiligen sind1.der Betroffene,2.der Betreuer, sofern sein Aufgabenkreis betroffen ist,3.der Bevollmächtigte im Sinne des § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sofern sein Aufgabenkreis betroffen ist. (2) Der Verfa

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(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.

(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.

(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.

(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über

1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
zu.

(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie
2.
einer Person seines Vertrauens
zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.

(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.

(1) Zu beteiligen sind

1.
der Betroffene,
2.
der Betreuer, sofern sein Aufgabenkreis betroffen ist,
3.
der Bevollmächtigte im Sinne des § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sofern sein Aufgabenkreis betroffen ist.

(2) Der Verfahrenspfleger wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen.

(3) Die zuständige Behörde ist auf ihren Antrag als Beteiligte in Verfahren über

1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Umfang, Inhalt oder Bestand von Entscheidungen der in Nummer 1 genannten Art
hinzuzuziehen.

(4) Beteiligt werden können

1.
in den in Absatz 3 genannten Verfahren im Interesse des Betroffenen dessen Ehegatte oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie dessen Eltern, Pflegeeltern, Großeltern, Abkömmlinge, Geschwister und eine Person seines Vertrauens,
2.
der Vertreter der Staatskasse, soweit das Interesse der Staatskasse durch den Ausgang des Verfahrens betroffen sein kann.

(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über

1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
zu.

(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie
2.
einer Person seines Vertrauens
zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.

(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.

(1) Zu beteiligen sind

1.
der Betroffene,
2.
der Betreuer, sofern sein Aufgabenkreis betroffen ist,
3.
der Bevollmächtigte im Sinne des § 1814 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, sofern sein Aufgabenkreis betroffen ist.

(2) Der Verfahrenspfleger wird durch seine Bestellung als Beteiligter zum Verfahren hinzugezogen.

(3) Die zuständige Behörde ist auf ihren Antrag als Beteiligte in Verfahren über

1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Umfang, Inhalt oder Bestand von Entscheidungen der in Nummer 1 genannten Art
hinzuzuziehen.

(4) Beteiligt werden können

1.
in den in Absatz 3 genannten Verfahren im Interesse des Betroffenen dessen Ehegatte oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie dessen Eltern, Pflegeeltern, Großeltern, Abkömmlinge, Geschwister und eine Person seines Vertrauens,
2.
der Vertreter der Staatskasse, soweit das Interesse der Staatskasse durch den Ausgang des Verfahrens betroffen sein kann.

(1) Das Recht der Beschwerde steht der zuständigen Behörde gegen Entscheidungen über

1.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts,
2.
Umfang, Inhalt oder Bestand einer in Nummer 1 genannten Maßnahme
zu.

(2) Das Recht der Beschwerde gegen eine von Amts wegen ergangene Entscheidung steht im Interesse des Betroffenen

1.
dessen Ehegatten oder Lebenspartner, wenn die Ehegatten oder Lebenspartner nicht dauernd getrennt leben, sowie den Eltern, Großeltern, Pflegeeltern, Abkömmlingen und Geschwistern des Betroffenen sowie
2.
einer Person seines Vertrauens
zu, wenn sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sind.

(3) Das Recht der Beschwerde steht dem Verfahrenspfleger zu.

(4) Der Betreuer oder der Vorsorgebevollmächtigte kann gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Führen mehrere Betreuer oder Vorsorgebevollmächtigte ihr Amt gemeinschaftlich, kann jeder von ihnen für den Betroffenen selbständig Beschwerde einlegen.