Landgericht München I Beschluss, 19. Sept. 2016 - 13 T 15081/16

bei uns veröffentlicht am19.09.2016

Gericht

Landgericht München I

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts München vom 22.07.2016 wird abgeändert:

Der Betroffenen wird Rechtsanwalt Wolfgang N. beigeordnet.

Gründe

Die zulässige Beschwerde erweist sich in der Sache als begründet.

1. Gemäß § 78 Abs. 3 FamFG ist ein Anwalt beizuordnen, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Dies ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Dabei kommt es nicht allein auf die objektiven Umstände des Falles, sondern auch auf die subjektiven Fähigkeiten des Betroffenen an. Ob die Beiordnung im Sinne von § 78 Abs. 2 FamFG erforderlich ist, hängt davon ab, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte, weil Zweck der Verfahrenskostenhilfe die weitgehende rechtsschutzmäßige Gleichstellung von unbemittelten mit bemittelten Personen ist und auch ein bemittelter der Verfahrensbeteiligte die Notwendigkeit zur Beauftragung eines Rechtsanwaltes unter Berücksichtigung seiner eigenen subjektiven Fähigkeit beurteilt.

Ob es erforderlich ist, der Betroffenen nach den Umständen des Einzelfalles einen Rechtsanwalt beizuordnen, richtet sich im Betreuungsverfahren weitgehend nach denselben Kriterien wie die Beurteilung der Frage, ob ein Verfahrenspfleger zu bestellen ist. Außerhalb der Regelbeispiele des § 276 Abs. 1 Satz 2 FamFG bestimmt sich die ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalls zur beurteilende Erforderlichkeit, einen Verfahrenspfleger zu bestellen, nach der Bedeutung des Verfahrensgegenstandes sowie dem Grad der Krankheit und der Behinderung der Betroffenen. Je weniger die Betroffene in der Lage ist, ihre Interessen selbst wahrzunehmen, je eindeutiger erkennbar ist, dass die geplanten Betreuungsmaßnahmen gegen ihren natürlichen Willen erfolgen und je schwerer und nachhaltiger der beabsichtigte Eingriff in die Rechte der Betroffenen ist, umso dringender erforderlich ist die Bestellung des Verfahrenspflegers.

Die Aufhebung der Betreuung ist ein bedeutsamer Verfahrensgegenstand. Aufhebung wie Anordnung einer Betreuung sind Verfahren, in denen der Staat auch seiner Schutzpflicht gegenüber Menschen nachzukommen hat, die ihre Angelegenheiten krankheitsbedingt nicht mehr selbst regeln können. Die Einordnung als bedeutsamer Verfahrensgegenstandes entspricht auch der Wertung des Gesetzgebers. Er hat diese Entscheidung in § 15 RPflG dem Richter vorbehalten und nicht auf den Rechtspfleger übertragen.

Die für die Betroffene eingerichtete Betreuung umfasst unteranderem auch den Aufgabenkreis Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern, weil sie insoweit nicht in der Lage war ihre Angelegenheiten selbst sachgerecht zu besorgen (s. Landgericht Kleve, Beschluss vom 02.09.2014, 4 T 528/14 m. w. N., BtPrax 2015, 31).

2. Die vorliegende Fallgestaltung entspricht zunächst denjenigen, in dem das Landgericht Kleve zutreffenderweise die Notwendigkeit der Bestellung eines Verfahrenspflegers und korrespondierend hierzu die Beiordnung eines Rechtsanwalts als notwendig angesehen hat.

Hinzukommt hier folgendes:

Auch wenn sich das psychiatrische Gutachten der Assistenzärztin A... des Bezirkskrankenhauses Haar vom 01.08.2001 hierzu nicht verhält, erwähnte die Betreuerin in ihren Berichten (erstmals 03.03.2004, letztmals 14.05.2016), die Betreute leide an einer paranoiden Schizophrenie bei leichter Intelligenzminderung. Nachdem die Betreuerin die Gesundheitssorge wahrnahm und in regelmäßigen Kontakten mit der behandelten Ärztin der Betroffenen stand, ist davon auszugehen, dass beide Diagnosen durch die behandelnde Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie gestellt wurden.

Definitionsgemäß gilt bei der leichten Intelligenzminderung (ICD10 F70):

(bei Erwachsenen mentales Alter von 9 - unter 12 Jahren). Schwierigkeiten bei der Schulausbildung. Viele Erwachsene können arbeiten und gute Sozialbeziehungen aufrechterhalten und positiv zur Gesellschaft beitragen.

Auf Grundlage dieser Beeinträchtigung kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Betroffene über die hinreichenden subjektiven Fähigkeiten zur Führung des Verfahrens verfügte.

Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG):

Übergabe an die Geschäftsstelle am 20.09.2016.

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Referenzen - Gesetze

Landgericht München I Beschluss, 19. Sept. 2016 - 13 T 15081/16 zitiert 4 §§.

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 38 Entscheidung durch Beschluss


(1) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Endentscheidung). Für Registersachen kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden. (2) Der Beschluss enthält

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 276 Verfahrenspfleger


(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn1.von der persönlichen Anhörung des Betr

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 78 Beiordnung eines Rechtsanwalts


(1) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben, wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet. (2) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten au

Rechtspflegergesetz - RPflG 1969 | § 15 Betreuungssachen und betreuungsgerichtliche Zuweisungssachen


(1) Von den Angelegenheiten, die dem Betreuungsgericht übertragen sind, bleiben dem Richter vorbehalten:1.Verrichtungen aufgrund der §§ 1814 bis 1816, 1817 Absatz 1 bis 4, der §§ 1818, 1819, 1820 Absatz 3 bis 5 und des § 1868 Absatz 1 bis 4 und 7 des

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Landgericht Kleve Beschluss, 02. Sept. 2014 - 4 T 528/14

bei uns veröffentlicht am 02.09.2014

Tenor Der Beschluss des Amtsgerichts Moers vom 14.08.2014 wird teilweise abgeändert. Der Betroffenen wird Rechtsanwalt T beigeordnet. 1Günde: 2I. 3Für die Betroffene war seit längerem eine Betreuung für die Vermögenssorge und die Vertretung gegenüb

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(1) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt vorgeschrieben, wird dem Beteiligten ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht vorgeschrieben, wird dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl beigeordnet, wenn wegen der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn hierdurch besondere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann dem Beteiligten auf seinen Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt seiner Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Verfahrensbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet der Beteiligte keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihm auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

(1) Das Gericht hat dem Betroffenen einen geeigneten Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen erforderlich ist. Die Bestellung ist in der Regel erforderlich, wenn

1.
von der persönlichen Anhörung des Betroffenen nach § 278 Abs. 4 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 abgesehen werden soll oder
2.
die Bestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gegen den erklärten Willen des Betroffenen erfolgen soll.

(2) Von der Bestellung kann in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 abgesehen werden, wenn ein Interesse des Betroffenen an der Bestellung des Verfahrenspflegers offensichtlich nicht besteht. Die Nichtbestellung ist zu begründen.

(3) Der Verfahrenspfleger hat die Wünsche, hilfsweise den mutmaßlichen Willen des Betroffenen festzustellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung zu bringen. Er hat den Betroffenen über Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in geeigneter Weise zu informieren und ihn bei Bedarf bei der Ausübung seiner Rechte im Verfahren zu unterstützen. Er ist nicht gesetzlicher Vertreter des Betroffenen.

(4) Als Verfahrenspfleger ist eine natürliche Person zu bestellen. Wer Verfahrenspflegschaften im Rahmen seiner Berufsausübung führt, soll nur dann zum Verfahrenspfleger bestellt werden, wenn keine andere geeignete Person zur Verfügung steht, die zur ehrenamtlichen Führung der Verfahrenspflegschaft bereit ist.

(5) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden.

(6) Die Bestellung endet, sofern sie nicht vorher aufgehoben wird, mit der Rechtskraft der Endentscheidung oder mit dem sonstigen Abschluss des Verfahrens.

(7) Die Bestellung eines Verfahrenspflegers oder deren Aufhebung sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme sind nicht selbständig anfechtbar.

(8) Dem Verfahrenspfleger sind keine Kosten aufzuerlegen.

(1) Von den Angelegenheiten, die dem Betreuungsgericht übertragen sind, bleiben dem Richter vorbehalten:

1.
Verrichtungen aufgrund der §§ 1814 bis 1816, 1817 Absatz 1 bis 4, der §§ 1818, 1819, 1820 Absatz 3 bis 5 und des § 1868 Absatz 1 bis 4 und 7 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie die anschließende Bestellung eines neuen Betreuers;
2.
die Bestellung eines neuen Betreuers im Fall des Todes des Betreuers nach § 1869 des Bürgerlichen Gesetzbuchs;
3.
Verrichtungen auf Grund des § 1871 des Bürgerlichen Gesetzbuchs, des § 291 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit;
4.
Verrichtungen auf Grund der §§ 1825, 1829 und 1830 des Bürgerlichen Gesetzbuchs;
5.
(weggefallen)
6.
die Anordnung einer Betreuung oder Pflegschaft auf Grund dienstrechtlicher Vorschriften;
7.
die Entscheidung nach § 1834 des Bürgerlichen Gesetzbuchs;
8.
die Genehmigung nach § 6 des Gesetzes über die freiwillige Kastration und andere Behandlungsmethoden;
9.
die Genehmigung nach § 3 Absatz 1 Satz 2 sowie nach § 6 Absatz 2 Satz 1, § 7 Absatz 3 Satz 2 und § 9 Absatz 3 Satz 1, jeweils in Verbindung mit § 3 Absatz 1 Satz 2 des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen;
10.
die Genehmigung für den Antrag auf Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder auf Aufhebung der Lebenspartnerschaft durch den gesetzlichen Vertreter eines geschäftsunfähigen Ehegatten oder Lebenspartners nach § 125 Absatz 2 Satz 2, § 270 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

(2) Die Maßnahmen und Anordnungen nach den §§ 6 bis 12 des Erwachsenenschutzübereinkommens-Ausführungsgesetzes vom 17. März 2007 (BGBl. I S. 314) bleiben dem Richter vorbehalten.

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Moers vom 14.08.2014 wird teilweise abgeändert.

Der Betroffenen wird Rechtsanwalt T beigeordnet.


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(1) Das Gericht entscheidet durch Beschluss, soweit durch die Entscheidung der Verfahrensgegenstand ganz oder teilweise erledigt wird (Endentscheidung). Für Registersachen kann durch Gesetz Abweichendes bestimmt werden.

(2) Der Beschluss enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten;
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Gerichtspersonen, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben;
3.
die Beschlussformel.

(3) Der Beschluss ist zu begründen. Er ist zu unterschreiben. Das Datum der Übergabe des Beschlusses an die Geschäftsstelle oder der Bekanntgabe durch Verlesen der Beschlussformel (Erlass) ist auf dem Beschluss zu vermerken.

(4) Einer Begründung bedarf es nicht, soweit

1.
die Entscheidung auf Grund eines Anerkenntnisses oder Verzichts oder als Versäumnisentscheidung ergeht und entsprechend bezeichnet ist,
2.
gleichgerichteten Anträgen der Beteiligten stattgegeben wird oder der Beschluss nicht dem erklärten Willen eines Beteiligten widerspricht oder
3.
der Beschluss in Gegenwart aller Beteiligten mündlich bekannt gegeben wurde und alle Beteiligten auf Rechtsmittel verzichtet haben.

(5) Absatz 4 ist nicht anzuwenden:

1.
in Ehesachen, mit Ausnahme der eine Scheidung aussprechenden Entscheidung;
2.
in Abstammungssachen;
3.
in Betreuungssachen;
4.
wenn zu erwarten ist, dass der Beschluss im Ausland geltend gemacht werden wird.

(6) Soll ein ohne Begründung hergestellter Beschluss im Ausland geltend gemacht werden, gelten die Vorschriften über die Vervollständigung von Versäumnis- und Anerkenntnisentscheidungen entsprechend.