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| Die Parteien streiten über die Frage einer unmittelbaren wortsinngemäßen Patentverletzung und hieraus abgeleiteten Unterlassungspflichten. |
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| Die Verfügungsklägerin (nachfolgend: Klägerin) ist ein weltweit tätiges Unternehmen im Bereich Unterhaltungselektronik; sie ist Inhaberin des Europäischen Patents EP 1 870 787 betreffend eine Anzeigevorrichtung mit vertikal ausgerichtetem Flüssigkristall (nachfolgend: Klagepatent), dessen Hinweis auf Erteilung am 31.12.2008 veröffentlicht wurde (AST 1 / 1a). Das Klagepatent ist in Deutschland in Kraft. |
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| Anspruch 1 des Klagepatents hat folgenden Wortlaut (ohne Bezugsziffer): |
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| Eine Flüssigkristallanzeigevorrichtung des vertikalen Ausrichtungs(VA)-Modus mit einer Vielzahl von Pixeln, die Vorrichtung umfassend: erste und zweite Substrate; und eine Flüssigkristallschicht, die zwischen den ersten und den zweiten Substraten platziert ist; wobei das erste Substrat zumindest eine erste Struktur und eine zweite Struktur aufweist, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; und das zweite Substrat weist zumindest eine dritte Struktur und eine vierte Struktur auf, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; dadurch gekennzeichnet, dass |
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| sich in einem Pixel die erste Struktur und die zweite Struktur linear in unterschiedliche Richtungen zueinander erstrecken; |
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| sich in dem Pixel die dritte Struktur im Wesentlichen parallel zu der ersten Struktur erstreckt und sich in dem Pixel die vierte Struktur im Wesentlichen parallel zu der zweiten Struktur erstreckt; |
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| sich die erste Struktur, die zweite Struktur, die dritte Struktur und die vierte Struktur in Richtungen erstrecken, die von der Richtung verschieden sind, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt; und |
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| das erste Substrat ferner mindestens eine Struktur für die Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen aufweist, die im wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft. |
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| Hinsichtlich des weiteren Inhalts, insbesondere der Beschreibung und Figuren, wird auf die Anlagen ASt 1/1a Bezug genommen. |
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| Die Verfügungsbeklagte (nachfolgend: Beklagte) ist ein zum koreanischen …-Konzern gehörendes Unternehmen, das ebenfalls im Bereich Unterhaltungselektronik tätig ist. |
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| Die Beklagte importiert und vertreibt in Deutschland die angegriffenen Ausführungsformen, nämlich den LCD-Fernseher mit der Seriennummer …, der das Flüssigkristallmodul mit der Seriennummer … enthält, sowie den LCD-Fernseher mit der Seriennummer …, der das Flüssigkristallmodul mit der Seriennummer … enthält. Die Anlage ASt 5 und ASt 9 zeigen Ausschnittsvergrößerungen der LCD-Panels der angegriffenen Ausführungsformen. |
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| Zwischen den Parteien werden mit wechselnden Parteistellungen weltweit eine Vielzahl von Patentverletzungsverfahren geführt. Gleichzeitig finden – wie auch vor Beginn der gerichtlichen Auseinandersetzung – Verhandlungen zwischen den Parteien zum Zwecke einer Kreuzlizenzvereinbarung statt. |
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| Die Klägerin trägt vor, die angegriffene Ausführungsform mache von sämtlichen Merkmalen des Verfügungspatents Gebrauch. Dies ergebe sich aus der in Anlage ASt 5 vorgelegten Vergrößerung, die in die Schemazeichnung in Abb. 8 übertragen worden sei. |
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| Insbesondere habe die Klägerin durch eine Simulation bestätigt, dass die in den angegriffenen Ausführungsformen als Struktur (52) identifizierten Schlitze das Auftreten der Schliere (51) verhinderten (Merkmal 1.1.3). Sie verweist hierzu auf Anlage ASt 13. |
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| Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung seien erfüllt. Es handele sich um einen einfach gelagerten Verletzungstatbestand, da die Anordnung der Strukturen zur Ausrichtung der Flüssigkristall-Domänen ohne Probleme auf den vorgelegten Fotografien identifiziert werden könnten. Die Schutzrechtslage sei gesichert, da der relevante Stand der Technik umfassend während des Anmeldeverfahrens gewürdigt worden sei und der Verfügungsklägerin kein weiterer Stand der Technik bekannt sei, der die Rechtsbeständigkeit des Verfügungspatents in Zweifel ziehen könnte. Der Umstand, dass das Verfügungspatent erst kürzlich erteilt worden sei, könne nicht dazu führen, erhöhte Anforderungen an die Zuverlässigkeit der Einschätzung der Schutzfähigkeit zu stellen. Es könne höchstens ausnahmsweise von der Notwendigkeit eines bereits anhängigen Angriffs auf das Schutzrecht abgesehen werden, wenn von der Beklagten zur Schutzunfähigkeit vorgetragen werde und die ernsthafte Ankündigung vorliege, demnächst das Verfügungspatent anzugreifen. Im übrigen sei die Wertung der Europäischen Durchsetzungsrichtlinie zu beachten, die einen effektiven Rechtsschutz auch durch einstweilige Maßnahmen verlange. |
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| Weiterhin sei trotz der relativen Komplexität der in Rede stehenden Materie sowohl die Verletzungsfrage als auch die Rechtsbeständigkeit insbesondere deshalb einer summarischen Prüfung zugänglich, da im Verfahren … – in dem die Hauptsache zwischenzeitlich durch eine Klageerweiterung anhängig gemachten worden ist – der grundsätzliche Aufbau der angegriffenen Ausführungsform unstreitig geblieben sei. |
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| Die einstweilige Verfügung sei schließlich zur Abwendung erheblicher Nachteile erforderlich, da die Parteien Wettbewerber seien und sich jede Patentverletzung der Beklagten unmittelbar zu Lasten der Klägerin auswirke. Eine Lizenznahme seitens der Beklagten sei nicht absehbar. Die Klägerin sei im übrigen gegenüber ihren Lizenznehmern verpflichtet, gegen Mitbewerber vorzugehen, die zu einer Lizenznahme nicht bereit seien. |
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| Die Klägerin beantragt – nachdem sie den ursprünglich zusätzlich gestellten Auskunftsantrag zurückgenommen hat – nunmehr, |
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| der Verfügungsbeklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000 EUR – ersatzweise Ordnungshaft – oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den jeweiligen gesetzlichen Vertretern der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, |
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| in der Bundesrepublik Deutschland Flüssigkristallvorrichtungen des vertikalen Ausrichtungsmodus (VA) mit einer Vielzahl von Pixeln |
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| anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken entweder einzuführen oder zu besitzen, |
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| erste und zweite Substrate (16,17); und eine Flüssigkristallschicht, die zwischen den ersten und den zweiten Substraten (16, 17) platziert ist; wobei das erste Substrat (16) zumindest eine erste Struktur (20A-1) und eine zweite Struktur (20A-2) aufweist, um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; und das zweite Substrat (17) weist zumindest eine dritte Struktur (20B-3) und eine vierte Struktur auf (20B-4), um die Ausrichtung der Flüssigkristalle zu kontrollieren; |
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| dadurch gekennzeichnet, dass |
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| a) sich in einem Pixel die erste Struktur (20A-1) und die zweite Struktur (20A-2) linear in unterschiedliche Richtungen zueinander erstrecken; |
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| b) sich in dem Pixel die dritte Struktur (20B-3) im Wesentlichen parallel zu der ersten Struktur (20A-3) erstreckt und sich in dem Pixel die vierte Struktur (20B-4) im Wesentlichen parallel zu der zweiten Struktur (20A-2) erstreckt; |
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| c) sich die erste Struktur (20A-1), die zweite Struktur (20A-2), die dritte Struktur (20B-3) und die vierte Struktur (20B-4) in Richtungen erstrecken, die von der Richtung verschieden sind, in der sich ein Rand des Pixels erstreckt; und |
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| d) das erste Substrat (16) ferner mindestens eine Struktur (52) für die Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen aufweist, die im Wesentlichen parallel zu dem Rand des Pixels verläuft. |
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| (Anspruch 1 von EP 1 870 767) |
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| den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen. |
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| Die Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Verfügung seien nicht erfüllt. Die Verletzung sei nicht schlüssig vorgetragen. Es scheine weiterhin schon nicht vorgetragen, dass ein Verfügungsgrund vorliege. Besondere Umstände, die eine sofortige Entscheidung erforderten, seien ebenfalls nicht dargelegt. |
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| Weiterhin fehle es an den Voraussetzungen im Sinne der „Dutralene“-Rechtsprechung. So sei angesichts der komplexen Patentschrift vor dem Hintergrund komplizierter technischer Zusammenhänge die Verletzungsfrage nicht einfach zu beantworten. Insbesondere hinsichtlich des Merkmals 1.1.3. sei die Auslegung des Patents zwischen den Parteien umstritten. Nach Auffassung der Beklagten werde die patentgemäße Funktion einer „Kontrolle der Ausrichtung von Flüssigkristallen“ nicht von jeder Struktur erzielt, die als Domänenregelungsmittel und damit als Struktur im Sinne von Merkmal 1.1.1. und 1.2.1. in Betracht käme, sondern nur von Strukturen, welche eine geeignete Ausrichtungssteuerungskraft in dem Sinne aufweist, dass eine Ausrichtungssteuerungskraft in einer Richtung generiert werde, welche von der Ausrichtungsbeschränkungskraft verschieden sei, die von einem schrägen elektrischen Feld ausgeübt werde, das durch einen Rand der Zellelektrode generiert werde. Weiterhin würden bei der angegriffenen Ausführungsform Erhebungen statt Schlitze verwendet; dies werde vom Verfügungspatent nicht erfasst. |
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| Weiterhin fehle es angesichts der Tatsache, dass die Veröffentlichung der Patenterteilung erst am 31.12.2008 erfolgt sei, an dem Erfordernis der gesicherten Schutzrechtslage. Vor Ablauf der Einspruchsfrist könne nicht davon ausgegangen werden, dass das Patent rechtsbeständig bleiben werde. |
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| Im übrigen nehme das Patent unzulässig Prioritäten in Anspruch, weshalb das Verfügungspatent im Erteilungsverfahren nicht vollständig auf den Stand der Technik überprüft worden sei. Die Anmeldungen JP 155 437 97, JP 23098297 sowie JP 230 991 97 erwähnten keine Struktur, welche die Ausrichtung von Flüssigkristallen kontrollierten und welche im wesentlichen parallel zum Rand des Pixels verliefen. |
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| Zur Vervollständigung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.02.2009 Bezug genommen. |
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