Landgericht Lübeck Beschluss, 27. Sept. 2005 - 3 T 296/05

ECLI:ECLI:DE:LGLUEBE:2005:0927.3T296.05.0A
bei uns veröffentlicht am27.09.2005

Tenor

Die Beschwerde wird auf Kosten der Klägerin nach einem Wert bis zu 4000,00 Euro zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Klägerin hat als Vermieterin von den Beklagten als Mietern vor dem Amtsgericht Lübeck beansprucht, die von den Beklagten mietrechtlich inne gehaltene Wohnung aus Gründen des Eigenbedarfs geräumt an die Klägerin herauszugeben. Sie wohne bisher bei ihrem Partner, wolle nun aber wieder in eigene Räume ziehen und unabhängig sein. Eine andere Wohnung, auf die sie zugreifen könne, bestehe in ihrem Mietshaus nicht. Die Beklagten sind dem Eigenbedarfsvorbringen entgegengetreten. Auf den Schriftsatz vom 21.3.2005 wird Bezug genommen.

2

Die Beklagten haben nachfolgend die Wohnung geräumt und an die Klägerin herausgegeben. Die Parteien haben den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Durch Beschluss vom 25.8.2005 hat das Amtsgericht der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Auf die Begründung wird Bezug genommen. Gegen diesen ihr am 31.8.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Klägerin vom 13.9.2005, am gleichen Tage beim Gericht eingegangen. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

3

Die statthafte und ordnungsgemäß angebrachte Beschwerde musste sachlich erfolglos bleiben, sie ist unbegründet. Auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes im Erledigungszeitpunkt bewertet wäre die Klägerin mit ihrem Räumungsanspruch voraussichtlich unterlegen gewesen. Der Eigenbedarf war bis zu diesem Zeitpunkt nicht überzeugend dargelegt. Der Eigenbedarfskündigung war nämlich ein Streit um das Wohn- und Abrechnungsverhalten der Beklagten vorausgegangen, infolge dessen die Mutter der Klägerin sich der eigentlichen Eigentümerstellung berühmte ("... die Verwaltung und Entscheidungen obliegt mir, für das Haus .... Ich habe es vor 10 Jahren nur auf den Namen meiner Tochter gekauft.") und die Beklagten seit dem 11.3.2003 wiederholt massiv bedrängte.

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Am besten ist es, Sie suchen sich eine andere Wohnung !!

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Meine Tochter möchte außerdem mit Ihnen nichts zu tun haben ! ...- Eines sollten Sie sich merken, man legt sich nie mit dem Hauswirt an ! Ich hoffe, dass Sie bald ausziehen, sonst muss ich tätig werden.

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Ziehen Sie aus, es gibt so viele Wohnungen, Sie müssen hier nicht wohnen !

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Außerdem möchte ich, dass die Familie M auszieht. Es gibt so viele Wohnungen, die muss nicht bei mir wohnen.

8

Sie müssen nicht in meinem Hause wohnen.

9

Auffällig ist, dass in zeitnahem Anschluss hieran von der Klägerin eine Kündigung des Mietverhältnisses wegen Eigenbedarfs ausgesprochen wurde. Das indiziert einen Vorschub eines Eigenbedarfs, zumal dieser im Kündigungsschreiben nicht eingängig begründet wurde. Bei lebensnaher Betrachtung war es nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin die Lebensgemeinschaft mit ihrem Partner aufgeben wollte, um in Zukunft Miete zu sparen. Durch den Bezug der Wohnung der Beklagten würde sie die Mieten der Beklagten von monatlich zumindest 587,99 Euro (1.150,00 DM) aufgeben, einen Betrag, den sie ihrem Lebenspartner schwerlich als Mietanteil beim Bewohnen seiner Wohnung zu zahlen hatte. Der Umzug stellte sich damit nicht als Vorteil, sondern eher als finanzieller Nachteil dar.

10

Der Wille zur räumlichen Trennung von dem Lebenspartner stellte sich ebenfalls als nicht eingängig verständlich dar. Es wurde nichts dazu vorgebracht, dass sie mit ihm in unharmonischem Verhältnis lebte, noch sonstiges, was es wert machte, sich räumlich von ihm zu lösen.

11

Gleiches gilt für das Argument, sie habe wieder unabhängig sein wollen. Welcher Art Abhängigkeit sie unterlag, von der sie sich befreien wollte, hat die Klägerin nicht einmal angedeutet. Der Umzug in das Haus ... hätte zudem zu einer schwerer wiegenden Abhängigkeit führen können. Konfliktstoff war naheliegend, weil ihre Mutter ihr das Objekt nur formal zubilligte und sich aller Eigentümerrechte berühmte.

12

Die Klägerin hatte mit ihrem Umzug in die Wohnung ihres Lebenspartners eine etwa 20minütige Gehstrecke oder eine Busstrecke von etwa 5 Minuten zum Bahnhof in Kauf genommen. Hierauf verzichten zu wollen stellt keinen Eigenbedarfsgrund dar. Es war der Klägerin bereits bei der Vermietung der Wohnung an die Beklagten erkennbar, dass sie damit für sich eine zum Bahnhof günstig gelegene Wohnstatt aufgab. Daran muss sie sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) festhalten lassen.

13

Die Beweislast für das Fehlen eines ernsthaften Selbstnutzungswunsches des Vermieters liegt zwar beim Mieter, der Vermieter muss aber "mit hohem Niveau stimmige Tatsachen" für den Selbstnutzungswunsch vortragen. Dies ist nicht Ausdruck einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der Eigentumsgarantie für den Eigentümer von Wohnraum. Der Selbstnutzungswunsch als Grundlage einer Eigenbedarfskündigung ist eine innere Tatsache. Der verlässlichen Beurteilung seiner Ernsthaftigkeit sind, solange er nicht realisiert ist, Grenzen gesetzt. Dem entspricht es, dass der Vermieter ihn nachvollziehbar darlegen muss (BVerfG NJW 1997, 2377). Geschehen ist das nach allem nicht.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO, der Beschwerdewert ist nach den §§ 48 GKG, 3 ZPO bestimmt.


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Referenzen - Gesetze

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 48 Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten


(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt i

Referenzen

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten richten sich die Gebühren nach den für die Zuständigkeit des Prozessgerichts oder die Zulässigkeit des Rechtsmittels geltenden Vorschriften über den Wert des Streitgegenstands, soweit nichts anderes bestimmt ist. In Musterfeststellungsklagen nach Buch 6 der Zivilprozessordnung und in Rechtsstreitigkeiten aufgrund des Unterlassungsklagengesetzes darf der Streitwert 250 000 Euro nicht übersteigen.

(2) In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Der Wert darf nicht über eine Million Euro angenommen werden.

(3) Ist mit einem nichtvermögensrechtlichen Anspruch ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Anspruch, und zwar der höhere, maßgebend.