Landgericht Köln Urteil, 07. Mai 2015 - 15 O 360/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
Tatbestand
2Die Klägerin begehrt Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung.
3Die im Jahr 1938 geborene Klägerin war als Ärztin bei der Stadt Köln beschäftigt und im Jahr 2003 bereits im Ruhestand. Im April 2003 führte die Klägerin mit ihrem bei der Beklagten für sie zuständigen Kundenberater, dem Zeugen U, ein Gespräch, eine mögliche Beteiligung an der 47. Sachwerte T GmbH & Co. KG (im Folgenden: Fonds), einem geschlossenen Immobilienfonds, zum Gegenstand hatte. Ob die Klägerin bei diesem Gespräch einen Verkaufsprospekt bezüglich des Fonds enthielt, ist zwischen den Parteien ebenso streitig, wie der Inhalt des Gesprächs im Einzelnen. Im Anschluss an ein weiteres auf den Fonds bezogenes Gespräch zeichnete die Klägerin am 30.09.2003 eine Beteiligung an dem Fonds in Höhe von 30.000,00 EUR zuzüglich eines Agios in Höhe von 5%. Das Agio erhielt die Beklagte von ihrem Hauptvertriebspartner, der G Köln Finanzdienste Vertriebsgesellschaft mit beschränkter Haftung, einer Gesellschaft des Konzerns der Beklagten.
4Im Jahre 2001 hatte sich die Klägerin bereits an einem ausländischen Immobilienfonds in Höhe von 30.000,00 EUR beteiligt. Im Jahr 2003 verfügte sie ausweislich eines unter dem 10.6.2003 ausgefüllten Beratungsprotokolls bei der Beklagten über ein Anlagevermögen von 175.300,00 EUR, ein Depotvermögen von 168.200,00 EUR sowie ein Girovermögen von 19.500,00 EUR. Hinzu kam weiteres Vermögen bei anderen Banken. Die Klägerin erhielt zudem eine Rente von insgesamt 3.300,00 EUR. Das Beratungsprotokoll gibt im Weiteren an, dass die Klägerin hinsichtlich ihrer Anlegermentalität von zuvor wachstumsorientiert (mittleres Kursrisiko, begrenzte Kapitalrisiken aus Aktien- und Währungsverlusten) zu nunmehr ertragsorientiert (geringes Kursrisiko aus Zinsschwankungen sowie kein bis geringes Kursrisiko aus Aktien- und Währungsverlusten) wechseln wollte.
5In den folgenden Jahren investierte die Klägerin in weitere Anlagen, unter denen sich beispielsweise ein als spekulativ bezeichneter DWS-Fonds befand, in welchen die Klägerin 122.699,85 EUR investierte, sowie ein als dynamisch bezeichneter internationaler Fonds, an welchem sich die Klägerin mit 70.000,00 EUR beteiligte. Ab dem Jahr 2010 wurde die Klägerin bei der Beklagten durch den Zeugen M betreut, nachdem der Zeuge U in den Ruhestand gegangen war.
6Aus dem streitgegenständlichen Fonds erhielt die Klägerin im Laufe der Jahre Ausschüttungen in einer Höhe von insgesamt 16.350,00 EUR. Die Ausschüttungen blieben hinter den Erwartungen zurück. Im Jahr 2013 wurden die Anleger über Planungen zur Vermeidung einer Insolvenz der Fondsgesellschaft informiert (vgl. Schreiben vom 15.10.2013, Anlage K4 im Anlagenheft).
7Die Klägerin hat im September 2013 die Einleitung eines Güteverfahrens bei der Öffentlichen Rechtsauskunft und Vergleichsstelle Hamburg (ÖRA) beantragt. Das Verfahren endete mit Beschluss vom 10.2.2014. Die vorliegende Klage ist am 7.8.2014 bei Gericht eingegangen und der Beklagten am 21.08.2014 zugestellt worden.
8Die Klägerin behauptet, ihr sei es bei der im Streit stehen Kapitalanlage darauf angekommen, dass ihr Kapital für ihre Altersvorsorge und die Ausbildung ihrer Enkelkinder angelegt werde. Der Zeuge U habe die Sicherheit der Kapitalanlage mit den bereits abgeschlossenen Mietverträgen, die eine Laufzeit von fast zehn Jahren hatten, beschrieben. Der Zeuge habe dagegen die Risiken der Beteiligung nicht dargestellt. Insbesondere habe er sie nicht darüber aufgeklärt, dass derartige Beteiligungen nur eingeschränkt veräußerbar sind und dass Ausschüttungen zurückgefordert werden könnten. Der Klägerin sei auch nicht klar gewesen, dass sie sich an einem Unternehmen beteiligen werde. Ebenfalls habe der Zeuge nicht darauf hingewiesen, dass die Beklagte für die Vermittlung der Beteiligung eine Provision erhielt. Ferner sei nicht auf eine aus dem Prospekt ersichtliche Loan-to-Value-Klausel hingewiesen worden. Den Fondsprospekt habe sie erst im zweiten Termin im Zusammenhang mit der Zeichnung der Beteiligung erhalten.
9Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Fondsprospekt in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft sei.
10Die Klägerin behauptet, bei sachgerechter Aufklärung hätte sie mit ihrem Kapital eine Verzinsung in Höhe von 4% per anno erwirtschaftet.
11Nachdem die Klägerin im Laufe des Verfahrens unstreitig auf entsprechende Anforderung 10.411,92 EUR aus den erhaltenen Ausschüttungen zurück gezahlt hat, hat sie die Klageforderung entsprechend erhöht.
12Die Klägerin beantragt zuletzt,
131. die Beklagte zu verurteilen, an sie 38.298,42 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 4.12.2014 zu zahlen, für den Zeitraum vom 29.9.2013 bis 3.12.2014 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf ein Betrag von 27.886,50 EUR, Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Rechte aus der treuhänderisch gehaltenen Beteiligung an der 47. Sachwert T GmbH & Co. KG in Höhe von nominal 30.000,00 EUR;
142. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 1999,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit für die vorgerichtliche Inanspruchnahme ihrer anwaltlichen Bevollmächtigten zu zahlen;
153. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von Zahlungsverpflichtungen in Höhe der ausgezahlten Ausschüttungen freizustellen, die dieser aufgrund einer etwaigen Inanspruchnahme durch einen Insolvenzverwalter der 47. Sachwert T GmbH & Co. KG, Gläubiger dieser Fondsgesellschaft oder Dritte entstehen;
164. festzustellen, dass die Beklagte zum Ersatz aller weiteren und zukünftigen Schäden der Klägerin verpflichtet ist, die durch die treuhänderisch gehaltene Beteiligung an der 47. Sachwert T GmbH & Co. KG in Höhe von nominal 30.000,00 EUR entstanden sind und noch entstehen;
175. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Abtretung der Rechte aus der treuhänderisch gehaltenen Beteiligung an der 47. Sachwert T GmbH & Co. KG in Höhe von nominal 30.000,00 EUR in Verzug befindet.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Hierzu behauptet sie, dass die Klägerin über erhaltende Provisionen und die Risiken der Anlage bereits durch vorherige Anlageentscheidungen informiert gewesen sei. Zudem habe der Zeuge U der Klägerin, die eine versierte und mit verschiedensten Anlageprodukten und Assetkategorien vertraute Kapitalanlegerin sei, die Risiken der streitgegenständlichen Anlage vor der Zeichnung erläutert. Der Zeuge habe seinen Kunden seinerzeit auch üblicherweise gesagt, dass die Beklagte das Agio in Höhe von 5% erhalte. Die Klägerin habe den Fondsprospekt bereits im Rahmen des ersten Gesprächs bezüglich der Anlage erhalten. Vermeintliche Aufklärungsfehler seien jedenfalls nicht kausal für die Anlageentscheidung der Klägerin geworden.
21Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß dem Beweisbeschluss vom 16.4.2015 durch Vernehmung der Zeugen U und M. Bezüglich der Ergebnisse der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.4.2015 verwiesen.
22Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe
24Die Klage ist nicht begründet.
25I. Der Klägerin stehen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatzansprüche gegenüber der Beklagten zu. Für eine insoweit notwendige Pflichtverletzung der Beklagten im Rahmen der hier vorliegenden Anlageberatung ist die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin beweisfällig geblieben.
261. Die Bank bzw. der für sie tätige Mitarbeiter kann seinen Aufklärungspflichten bei der Anlageberatung dadurch genügen, dass er der Kundin einen Verkaufsprospekt aushändigt, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (BGH Urt. v. 24.04.2014 – III ZR 389/12, Tz. 9 bei Juris).
27Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Zeuge U die Risiken der streitgegenständlichen Anlage mit der Klägerin anhand des Prospektes bereits im Rahmen des ersten Gesprächs besprochen und der Klägerin den Prospekt im Anschluss mitgegeben hatte. Die Beklagte hat zulässig eine Prospektübergabe im Fall der Klägerin nur aus der üblichen Handhabung des Zeugen U zurückgeschlossen. Damit hat die Beklagte erheblich vorgetragen. Gerade vor dem Hintergrund des erheblichen Zeitablaufs ist es prozessual unbedenklich, Tatsachen zu behaupten, derer man sich nicht sicher ist. Der Verstoß gegen die Wahrheitspflicht beginnt insoweit erst beim bewussten Falschvortrag (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 138 ZPO Rn. 2). Die Klägerin hat den ihr obliegenden Beweis einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Prospektübergabe nicht geführt. Im Gegenteil hat der Zeuge U den Vortrag der Beklagten zu seiner üblichen Handhabung bestätigt. Anlass zur Parteivernehmung der Klägerin von Amts wegen bestand danach nicht. Auf die Möglichkeit ihrer persönlichen Anhörung hat die Klägerin bewusst verzichtet. Ihr schriftsätzlicher Vortrag gibt auch keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung, weil aus diesem bereits deutlich geworden ist, dass der Klägerin das weit zurückliegende Geschehen nicht mehr gut erinnerlich ist. So hat die Klägerin zunächst bestreiten lassen, dass sie bereits im Jahr 2001 einen geschlossenen Immobilienfonds gezeichnet hatte, nach Vorlage der entsprechenden Beitrittserklärung durch die Beklagte hat sie ihren Irrtum dann einräumen müssen.
282. Der Prospekt ist nicht fehlerhaft. Insbesondere enthält er auf den Seiten 42 ff. zutreffende Risikohinweise.
29a) Auf Seite 44 wird die Möglichkeit der Insolvenz der Fondsgesellschaft erläutert. Zwar heißt es dort, dass eine Insolvenz aus heutiger Sicht unwahrscheinlich sei, es ist aber nicht ersichtlich, dass diese Angabe zum damaligen Zeitpunkt unzutreffend gewesen wäre. Jedenfalls wird hinreichend deutlich, dass der Fonds wirtschaftlich abhängig von den zu erzielenden Mieterlösen ist. An dieser Bewertung ändert sich auch durch von der Klägerin selektiv herangezogene andere Stellen des Prospektes nichts. Maßgeblich ist das vom Prospekt vermittelte Gesamtbild (hierzu BGH Urt. v. 05.03.2013 – II ZR 252/11) und insbesondere die komprimierte Darstellung von Risiken in einem eigenen Kapitel ermöglicht es dem Anleger, diese unabhängig von den weiteren Aussagen des Prospektes zur Kenntnis zu nehmen.
30b) Auch auf die mangelnde Fungibilität wird auf Seite 44 hingewiesen, in dem dort klargestellt wird, dass es praktisch keinen Markt für Anteile an geschlossenen Immobilienfonds gibt.
31c) Die Möglichkeit eines Wiederauflebens der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB wird auf Seite 44 des Prospekts ebenfalls ausreichend verständlich beschrieben. Zwar wird diese Möglichkeit unter Bezugnahme auf die Erläuterungen zur möglichen Insolvenz der Fondsgesellschaft als theoretisch und relativ unwahrscheinlich bezeichnet, eine Verharmlosung ist hierin aber bereits deshalb nicht zu sehen, weil wiederum der konkrete Bezug zum Liquiditätsbedarf des Fonds und durch den Verweis auf die Ausführungen zur Insolvenz der Fondsgesellschaft auch zu den notwendigen Mieterlösen hergestellt wird.
32d) Die Prospektangaben bezüglich der Vertriebskosten des Fonds begegnen keinen Bedenken. Auf S. 23 des Prospekts findet sich im Rahmen eines Investitionsplans eine übersichtliche und im Einzelnen aufgegliederte Kostenübersicht. Eine von der Rechtsprechung geforderte besondere Hinweispflicht in Bezug auf den so genannten Weichkostenanteil bestand vor dem Hintergrund nicht, dass dieser auch nach dem Vortrag der Klägerin nicht bei über 15% des Eigenkapitals lag.
33e) Soweit die Klägerin moniert hat, weder durch den Prospekt noch durch den Zeugen U über eine im mit der kreditgebenden Bank vereinbarten Darlehensvertrag enthaltene sogenannte Loan-to-Value-Klausel aufgeklärt worden zu sein, kann auch hierin keine Pflichtverletzung gesehen werden. Unabhängig davon, dass die Klägerin deren konkreten Inhalt hier nicht vorgetragen hat, ist eine solche Klausel, die im Falle von Wertveränderungen eine Anpassung von Sicherheiten ermöglichen soll, bankenüblich und stellt keinen ungewöhnlichen Umstand für eine Risikoerweiterung dar, auf den hätte hingewiesen werden müssen (OLG Frankfurt, Urt. v. 28.11.2014 – 19 U 83/14, Tz. 55 bei Juris).
343. Die Klägerin hat auch nicht bewiesen, dass der Zeuge U sie nicht über Rückvergütungen und deren Höhe aufgeklärt hätte. Vielmehr hat der im Ruhestand befindliche Zeuge glaubhaft und ohne erkennbare Begünstigungstendenzen bekundet, dass er seine Kunden immer über eine Gebühr der Beklagten aufgeklärt habe. Die Beweisaufnahme hat zudem ergeben, dass selbst eine unterbliebene Aufklärung hierüber nicht kausal für die Anlageentscheidung der Klägerin gewesen sein kann. Denn der Zeuge M, der die Zeugin als mittlerweile konservative und vorsichtige Anlegerin einschätzt, hat detailliert, nachvollziehbar und überzeugend bekundet, dass bei weiteren Anlageentscheidungen mit der Klägerin stets über Ausgabeaufschläge, Kickbacks und Rückvergütungen gesprochen worden sei und der Klägerin im Einzelfall als guter Kundin auch Ermäßigungen gewährt worden seien. Gleichzeitig war dem Zeugen aber nicht bekannt, dass die Klägerin außer der streitgegenständlichen Anlage weitere Anlageentscheidungen hätte rückabwickeln wollen. Dies legt jedenfalls bereits die Schlussfolgerung nahe, dass die streitgegenständliche Rückvergütung nicht kausal für die Anlageentscheidung gewesen sein kann (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 14.04.2014 – 13 U 86/13, vorgelegt als Anlage zum Schriftsatz vom 31.03.2015, Bl. 122 ff d.A.). Hinzu kommt, dass der Zeuge M glaubhaft ausgesagt hat, dass die Klägerin im Vorfeld des gerichtlichen Verfahrens mit ihm ausschließlich über die wirtschaftliche Schieflage des Fonds gesprochen habe und von Aufklärungsfehlern seitens der Beklagten nie die Rede gewesen sei. Auch dies zeigt, dass Rückvergütungen der Beklagten für die Anlageentscheidung keine Rolle gespielt haben und die Klägerin ihre Anlageentscheidung nun aufgrund der wirtschaftlich schlechten Entwicklung des Fonds rückgängig zu machen versucht.
35Ein über den Verdienst der G als Konzerngesellschaft der Beklagten vermitteltes wirtschaftliches Interesse ist grundsätzlich nicht aufklärungspflichtig (vgl. BGH, Beschl. v. 24.06.2014 – XI ZR 219/13, Rz. 19). Besondere Umstände, die eine Aufklärungspflicht begründen könnten, sind nicht ersichtlich.
364. Sonstige Pflichtverletzungen im direkten Gespräch zwischen der Klägerin und dem Zeugen U sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der streitgegenständliche Immobilienfonds für die Klägerin nicht anlegergerecht gewesen wäre. Die von der Beklagten vorgelegten Dokumentationen belegen, dass die Klägerin zwar nunmehr eine konservative Anlegerin ist, sie aber in früheren Jahren auch wachstums- und ertragsorientierte Anlageentscheidungen getroffen hat. Dass die zum Zeitpunkt der Anlageentscheidung bereits im Ruhestand befindliche Klägerin eine Anlage zur Altersvorsorge haben tätigen wollen, schließt angesichts ihrer auskömmlichen Rente und der weiteren Vermögensverhältnisse nicht aus, dass sie als Beimengung in der Gesamtanlage keine wirtschaftlichen Risiken eingehen wollte; aus dem Ziel der Altersvorsorge ergibt sich nicht ohne weiteres, dass ein Substanzerhalt gewährleistet sein soll. Ihr weiteres potentielles Vermögensziel einer Ausbildungssicherung der Enkelkinder war durch die getätigte Anlage angesichts des insgesamt vorhandenen Vermögens ebenfalls nicht gefährdet. Dass sie ein konservatives, den Substanzerhalt beachtendes Anlageziel nicht durchgängig verfolgt hat, zeigen auch die teilweise als spekulativ und dynamisch eingestuften Anlageentscheidungen der Klägerin aus den Folgejahren.
37II. Der begehrten Nebenforderungen in Form von entgangenem Gewinn, Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten teilen das Schicksal der Hauptforderung.
38III. Die Unbegründetheit der zulässigen Feststellungsanträge folgt ebenfalls aus den Ausführungen zu Ziffer I.
39IV. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.
40Streitwert: bis 45.000,- EUR
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BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand
- 1
- Der Kläger macht gegen die Beklagten aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Beratungspflichten durch die Beklagten im Zusammenhang mit dem Erwerb einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds geltend. Die Beklagte zu 2 war für die Beklagte zu 1 als selbständige Handelsvertreterin tätig und empfahl ihnen, über eine Treuhandkommanditistin mittelbar Kommanditanteile an der "S. -D. -U. Dreiländer Beteiligung Objekt - D. 98/29 - W. F. - KG" zu erwerben. Am 21. Mai 1999 unterzeichneten der Kläger und seine Ehefrau ein entsprechendes Beteiligungsangebot mit einer Beteiligungssumme von 60.000 DM zuzüglich einer Abwicklungsgebühr von 3.000 DM.
- 2
- Bereits im Jahr 2001 blieben die Fondsausschüttungen deutlich hinter der im Emissionsprospekt enthaltenen Prognose für einen planmäßigen Geschäftsverlauf von jährlich 7 % auf das Beteiligungskapital zurück. Der Kläger macht geltend, er habe keinen Anlageprospekt erhalten, die Beklagte zu 2 habe ihn und seine Ehefrau weder anleger- noch anlagegerecht beraten, insbesondere sei die vermittelte Anlage nicht zur Altersvorsorge geeignet.
- 3
- Das Landgericht hat seine auf Rückgewähr der erbrachten Zahlungen abzüglich erhaltener Ausschüttungen und Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche aus der Beteiligung gerichtete Klage abgewiesen und auf die von der Beklagten zu 1 gegen seine Ehefrau erhobene Widerklage festgestellt, dass auch ihr kein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 aus der Vermittlung der Beteiligung und/oder der Beratung zur Investition in die Beteiligungsgesellschaft zustehe. Auf die Berufung des Klägers und der Drittwiderbe- klagten hat das Berufungsgericht der Klage gegen die Beklagte zu 1 im Wesentlichen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen; die Berufung bezüglich der Beklagten zu 2 hat es zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision wenden sich die Beklagte zu 1 und die im Berufungsverfahren auf Seiten der Beklagten beigetretene Streithelferin, die unter anderem den vorliegenden Fonds initiiert und den dazu gehörigen Prospekt herausgegeben hat, gegen diese Entscheidung; sie erstreben die Zurückweisung der Berufung insgesamt.
Entscheidungsgründe
- 4
- Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils im Umfang der Anfechtung und zur Zurückweisung der Berufung des Klägers und der Drittwiderbeklagten (auch) im Verhältnis zur Beklagten zu 1.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1 wegen fehlerhafter Beratung für begründet gehalten und dabei offen gelassen, ob ein Anlagevermittlungs- oder ein Anlageberatungsvertrag zugrunde zu legen sei, weil in Bezug auf die konkret empfohlene Anlage keine unterschiedlichen Pflichten bestanden hätten. Denn eine Pflichtverletzung liege in beiden Fällen darin, dass der Emissionsprospekt, von dessen rechtzeitiger Übergabe an den Kläger und seine Ehefrau auszugehen sei, nach Form und Inhalt keine ausreichenden Informationen enthalte und damit nicht den Anforderungen an eine korrekte Beratung über die Anlage genüge. So seien die Anga- ben zur lediglich eingeschränkten und regelmäßig mit einem erheblichen Wertverlust verbundenen Veräußerbarkeit der Kommanditanteile inhaltsleer und nicht hinreichend aussagekräftig. Eine fehlerhafte Beratung liege zudem darin, dass sich die fragliche Anlage nicht zur - hier ergänzenden - Altersvorsorge geeignet habe. Selbst wenn damit zugleich Steuervorteile hätten erzielt werden sollen, seien der Kläger und seine Ehefrau weder im Prospekt noch durch zusätzliche Erläuterungen der Beklagten zu 2 darüber aufgeklärt worden, dass die Anlage nicht ein Mindestmaß an Sicherheit geboten habe, sondern hochspekulativ gewesen sei. Unzureichend seien auch die Angaben im Prospekt bezüglich der anfallenden Provisionen, zu denen die Beklagte zu 2 mündlich keine weiteren Erläuterungen gegeben habe. Die Besonderheit liege vorliegend darin, dass das Formular des Beteiligungsangebots explizit in Gestalt der Abwicklungsgebühr ein Agio von 5 % ausweise, in der gleichen Zeile jedoch die gezeichnete Beteiligungssumme von 60.000 DM aufgeführt werde und damit bei einem unbefangenen Kapitalanleger der unzutreffende Eindruck entstehe, dieser Betrag stehe im Wesentlichen ungekürzt als Investitionssumme zur Verfügung. Hinzu kämen jedoch Provisionsbeträge, die aufgrund der Einschaltung weiterer Gesellschaften durch die Beklagte zu 1 angefallen seien und den wirtschaftlichen Erfolg einschränkten, so dass darüber aufzuklären sei. Schließlich ergebe sich der geltend gemachte Schadensersatzanspruch auch aus dem unzureichenden Inhalt der ergänzenden Angaben der Beklagten zu 2 als Beraterin. Hinsichtlich der Veräußerbarkeit der Anlage habe sie nach Darstellung des Klägers erklärt, man komme jederzeit an das Geld heran, wenn man es benötige. Ihr weiterer Hinweis, die Anlage sei nicht zum Verkauf gedacht, stelle nicht klar, unter welchen Voraussetzungen genau welcher Teil des Geldes im Bedarfsfall flüssig gemacht werden könne. Auch ihre Erklärung, das Risiko eines Totalverlusts sei wegen der breiten Streuung geringer als bei Anlagen, die nur in ein Projekt investierten , ändere nichts daran, dass die Informationen zur Abschätzung dieses Risikos unzureichend gewesen seien.
- 6
- Der danach dem Kläger und der Drittwiderbeklagten zustehende Schadensersatzanspruch sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht verjährt.
II.
- 7
- Die in Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung vorgenommene Verurteilung der Beklagten zu 1 und die Abweisung ihrer Widerklage gegen die Ehefrau des Klägers halten den Revisionsangriffen nicht stand.
- 8
- Das Berufungsgericht hat letztlich offengelassen, ob die Beklagte zu 1 als Anlageberater oder als Anlagevermittler tätig geworden ist. Es hat dies für unerheblich gehalten, weil vorliegend einem Anlagevermittler in Bezug auf die vollständige und korrekte Information über die empfohlene Anlage und deren Beurteilung als für die Anleger geeignet keine geringeren Aufklärungs- und Hinweispflichten obgelegen hätten als einem Anlageberater. Ob, wie die Revision der Streithelferin gerügt hat, das Berufungsgericht wegen der undifferenzierten Behandlung von Anlageberatern und Anlagevermittlern seiner rechtlichen Beurteilung einen unzutreffenden Prüfungsmaßstab zugrunde gelegt hat, kann dahinstehen. Denn auch wenn der rechtlichen Bewertung, der Auffassung des Klägers folgend, das Zustandekommen eines Anlageberatungsvertrags und nicht nur eines Auskunftsvertrags zugrunde gelegt wird (vgl. zur Abgrenzung von Anlageberatung und Anlagevermittlung etwa Senatsurteil vom 13. Mai 1993 - III ZR 25/92, NJW-RR 1993, 1114 f und Versäumnisurteil vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, NJW-RR 2007, 621, 622 Rn. 10), beruht die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten zu 1 seien verschiedene Pflichtverletzungen vorzuwerfen, auf Rechtsfehlern.
- 9
- 1. In Bezug auf das Anlageobjekt muss der Anlageberater rechtzeitig, richtig und sorgfältig, dabei für den Kunden verständlich und vollständig beraten. Insbesondere muss er den Interessenten über die Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können (vgl. z.B. Senatsurteile vom 19. Juni 2008 - III ZR 159/07, BeckRS 2008, 13080 Rn. 7 und vom 18. Januar 2007 - III ZR 44/06, NJW-RR 2007, 621, 622 Rn. 10, jew. mwN). Eine ordnungsgemäße Beratung kann dabei auch durch Übergabe von Prospektmaterial erfolgen, sofern der Prospekt nach Form und Inhalt geeignet ist, die nötigen Informationen wahrheitsgemäß und verständlich zu vermitteln und er dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss übergeben wird, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (vgl. z.B. Senatsurteile vom 14. April 2011 - III ZR 27/10, NJW-RR 2011, 1139 Rn. 7; vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118, 120 Rn. 24 und vom 18. Januar 2007 aaO).
- 10
- a) Dietatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts, der Kläger habe den ihm obliegenden Beweis nicht geführt, ihm und seiner Ehefrau sei der fragliche Emissionsprospekt nicht rechtzeitig vor der Zeichnung der Anlage übergeben worden, lässt Rechtsfehler nicht erkennen; die Revisionsbeklagtenhaben insoweit auch keine Gegenrügen erhoben.
- 11
- b) Indes ist die vorgenommene Bewertung des Prospekts, dessen inhaltliche Aussagen der Senat selbst auslegen kann (vgl. Senatsurteil vom 22. März 2007 - III ZR 218/06, NJW-RR 2007, 925, 926 Rn. 6), rechtsfehlerhaft.
- 12
- Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Beteiligungsangebot den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschließung von wesentlicher Bedeutung sind, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten. Dazu gehört eine Aufklärung über Umstände, die den Vertragszweck vereiteln oder den vom Anleger verfolgten Zweck gefährden können. Für die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist auf das Gesamtbild abzustellen, das er dem Anleger unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre vermittelt (vgl. Senatsurteile vom 20. Juni 2013 - III ZR 293/12, BeckRS 2013, 11561 Rn. 12 und vom 28. Februar 2008 - III ZR 149/07, BeckRS 2008, 04773 Rn. 8 mwN).
- 13
- Gemessen daran entspricht der Inhalt des vorliegenden Emissionsprospekts den Anforderungen.
- 14
- aa) Ein Anlageberater ist grundsätzlich gehalten, den Anlageinteressenten , dem er zur Eingehung einer Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds rät, darauf hinzuweisen, dass die Veräußerung eines solchen Anteils in Ermangelung eine entsprechenden Markts nur eingeschränkt möglich ist (vgl. etwa Senatsurteile vom 20. Juni 2013 - III ZR 293/12, BeckRS 2013, 11561 Rn. 7 und vom 19. November 2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118, 120 Rn. 20). Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Prospektangaben über die eingeschränkte Veräußerbarkeit der Anteile an der Fondsgesellschaft seien insoweit unzureichend, weil das daraus resultierende Risiko, die Anlage, wenn überhaupt, regelmäßig nur mit einem erheblichen Wertverlust übertragen zu können, nicht nachvollziehbar bezeichnet werde, teilt der Senat nicht. Mit seiner Forderung, es müsse konkret dargetan werden, in welchen Fällen ein Zugriff auf welchen Teil des angelegten Geldes und damit dessen Verwertung möglich sei und wann ein "Notfall" vorliege, in dem eine Veräußerung der Anlage sinnvoll sein könne, überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen, die an den - notwendigen - Hinweis auf die eingeschränkte Veräußerbarkeit der Anlage zu stellen sind. Im Prospekt wird schon im Kapitel "Das Angebot im Überblick" (S. 6) unter der Überschrift "Laufzeit der Beteiligung" (S. 7) darauf hingewiesen , dass für die Anteile kein geregelter Zweitmarkt bestehe, jedoch von marktführenden Anbietern in den vergangenen Jahren Zweitmarktstrukturen entwickelt worden seien, auf die im Falle der Veräußerung eines Anteils, die sich grundsätzlich nur im Notfall empfehle, zurückgegriffen werden könne. Verwiesen wird zudem auf das Kapitel "Chancen und Risiken" (S. 101); dort wird unter der Überschrift "Übertragung der Anteile" nicht nur der Begriff Fungibilität verständlich verwendet, sondern unter anderem nochmals erläutert, dass noch kein geregelter Markt vorhanden sei, die Veräußerung sich daher regelmäßig nur für den Notfall empfehle und der Verkaufspreis sowohl über als auch unter dem Nominalwert des Anteils liegen könne. Dies ist ausreichend, weil damit für einen verständigen Anleger klargestellt wird, dass eine solche Verwertung praktischen Schwierigkeiten begegnen kann, weil Marktmechanismen, die den Abschluss solcher Geschäfte einschließlich der Bildung angemessener Preise erleichtern , noch nicht vorhanden sind. Soweit dem veräußerungswilligen Gesellschafter in diesem Zusammenhang (S. 101) auch Vermittlungsdienste angeboten werden, stellt dies keine Einschränkung des Hinweises auf die bestehenden praktischen Schwierigkeiten beim Verkauf dar, zumal sogleich darauf hingewiesen wird, dass eine Gewähr für den Verkauf damit nicht verbunden sei.
- 15
- Darüber hinaus ist der im Prospekt enthaltene Hinweis auf einen "Notfall" entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts unschwer dahin zu verstehen, dass damit eine Situation gemeint ist, in der die finanzielle Lage des Anlegers eine vorzeitige Liquidation des Anteils notwendig machen könnte; dabei ist der Begriff "Notfall" ersichtlich auch deshalb gewählt worden, um zu verdeutlichen, dass ein Verkauf des Anteils im Hinblick auf die eingangs im Prospekt (S. 7 und
8) dargestellte Konzeption der Anlage als langfristige (Immobilien-)Investition möglichst vermieden werden sollte. Dies ist sachgerecht und ausreichend; eine nähere oder gar nur einigermaßen vollständige Beschreibung konkreter Notfallsituationen im Prospekt ist demgegenüber weder sinnvoll noch möglich, zumal dies von den jeweiligen individuellen Gegebenheiten und der Entwicklung der persönlichen Verhältnisse des einzelnen Anlegers abhängig ist. Auch ein Hinweis darauf, welcher Teil des Geldes wann flüssig gemacht werden kann, ist deshalb entbehrlich. Der Prospekt ist auch ohne diese Angaben aussagekräftig und geeignet, über das Risiko der eingeschränkten Veräußerbarkeit der Kapitalanlage ausreichend aufzuklären.
- 16
- bb) Nicht frei von Rechtsfehlern ist auch die Beurteilung des Berufungsgerichts , es liege ein Prospektfehler hinsichtlich der anfallenden Provisionen vor.
- 17
- Bei der Prüfung der Frage, ob der Prospekt hinsichtlich der beim Vertrieb der Anlage anfallenden Provisionen unzulängliche oder irreführende Angaben enthält, ist in den Blick zu nehmen, dass der freie Anlageberater nicht verpflichtet ist, ungefragt Auskünfte über ihm zufließende Provisionen zu geben, wenn der Anleger - wie im Streitfall - selbst keine Provision zahlt und offen ein Agio oder Kosten für die Eigenkapitalbeschaffung ausgewiesen sind, aus denen ihrerseits die Vertriebsprovisionen aufgebracht werden. Dabei ist es, was das Berufungsgericht bei seiner rechtlichen Würdigung nicht hinreichend beachtet hat, nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats ohne Belang, ob die Provision des Anlageberaters (nur) aus dem angegebenen Agio oder (auch) aus sonstigen ausgewiesenen Kosten der Eigenkapitalbeschaffung/-vermittlung entnommen wird (vgl. Beschluss vom 30. Januar 2013 - III ZR 184/12, BeckRS 2013, 03232; Urteile vom 7. März 2013 - III ZR 160/12, BeckRS 2013, 05593 Rn. 11, 16; vom 10. November 2011 - III ZR 245/10, NJW-RR 2012, 372, 373 Rn. 14 und vom 15. April 2010 - III ZR 196/09, NZG 2010, 623, 624 Rn. 14).
- 18
- Der streitgegenständliche Prospekt gewährt unter der Überschrift "Erläuterungen zur Investitionskalkulation" (S. 34) und der dazu gegebenen Begründung (S. 35 bis 37) ausreichende Aufklärung. In der Tabelle zur Investitionskalkulation (S. 34) werden im Abschnitt 2.0 "Mittelverwendung" die Kosten der Eigenkapitalbeschaffung unter der Position 2.5 mit 7,5 % der Gesamtinvestition und absolut mit 64.769.337 € ausgewiesen. Aus dieser Tabelle ist unter Position 1.7 und 1.9 auch zu entnehmen, dass die Abwicklungsgebühr zu der Gesamtinvestitionssumme hinzukommt. Deutlich gemacht wird zudem, dass die Abwicklungsgebühr "zur Deckung der mit der Eigenkapitalbeschaffung verbundenen Kosten herangezogen wird" (vgl. 1.0- S. 35); verwiesen wird außerdem auf den Prospektteil "Rechtliche und vertragliche Angaben"; dort wird unter 8.0 "Eigenkapitalbeschaffung" (S. 85 f) ebenso wie in § 10 des Gesellschaftsvertrags hervorgehoben, dass zusätzlich zu der Grundvergütung für die Eigenkapitalbeschaffung von 7,5 % der kalkulierten Gesamtinvestitionssumme die Abwicklungsgebühr in Höhe von 5 % des Beteiligungskapitals zur Abdeckung weiterer Kosten der Eigenkapitalbeschaffung dient.
- 19
- Die Annahme des Berufungsgerichts, hinzu kämen weitere Provisionsbeträge für die Einschaltung weiterer Gesellschaften, die den wirtschaftlichen Erfolg der Anlage schmälerten und über die aufzuklären sei, trägt dem Prospektinhalt ebenfalls nicht hinreichend Rechnung. So sind in der Tabelle auf Seite 34 sowie auf Seite 85 f weitere Prozentsätze an Vergütungen (2.8 Konzeption und Marketing, 2.9 Prospekterstellung und 2.10 Finanzierungsvermittlung) ausgewiesen. Dass Vergütungen gezahlt worden sind, die von den angegebenen Kostenpositionen nicht erfasst worden sind, ist weder dargetan noch vom Berufungsgericht festgestellt.
- 20
- Im Hinblick auf die detaillierte Darstellung der - vollständig offen ausgewiesenen - Vertriebskosten im Prospekt kann nicht davon ausgegangen werden , der Leser werde bei der gebotenen sorgfältigen und eingehenden Lektüre des Prospekts (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2012 - XI ZR 344/11, NZG 2012, 1262, 1265 Rn. 30; Senatsurteil vom 28. Februar 2008 - III ZR 149/07, BeckRS 2008, 04773 Rn. 8) über deren Höhe nicht ausreichend informiert oder in die Irre geführt.
- 21
- Demgegenüber ist der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand, dass das Formular des Beteiligungsangebots neben der Angabe der Beteiligungssumme "explizit" die Abwicklungsgebühr von 5 % ausweist, ohne Aussagekraft. Mit dieser - allgemein üblichen und keineswegs als Besonderheit des vorliegenden Falles anzusehenden - Ausgestaltung des Beitrittsformulars wird dem Anleger deutlich der von ihm zu tragende Gesamtaufwand für den Erwerb der Beteiligung vor Augen geführt. In Anbetracht der ausführlichen Prospektangaben zu den Kosten der Eigenkapitalbeschaffung ist die Gefahr eines Missverständnisses dahin, dass außer dem Agio keinerlei Vertriebskosten entstehen werden, fernliegend (vgl. auch Senatsurteile vom 7. März 2013 - III ZR 160/12, BeckRS 2013, 05593 Rn. 16 und vom 10. November 2011 - III ZR 245/10, NJW-RR 2012, 372, 373 Rn. 14).
- 22
- 2. Vor dem Hintergrund, dass der Prospekt keine für die Anlageentscheidung erheblichen Unrichtigkeiten oder Unvollständigkeiten enthält, ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, eine Haftung der Beklagten zu 1 ergebe sich auch aufgrund unzureichender ergänzender Angaben der Beklagten zu 2, von Rechtsfehlern beeinflusst.
- 23
- Im Ausgangspunkt trifft es allerdings zu, dass in einem solchen Falle die hinreichende Darstellung (insbesondere) der Risiken und Chancen der Anlage im Prospekt für den Berater kein Freibrief ist, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet oder für die Entscheidung des Anlegers mindert (vgl. Senatsurteile vom 19. Juni 2008 - III ZR 159/07, BeckRS 2008, 13080 Rn. 7 und vom 12. Juli 2007 - III ZR 83/06, NJW-RR 2007, 1690, 1691 Rn. 8). Eine derartige Sachlage liegt im Streitfall nicht vor.
- 24
- a) Bezüglich der Frage der Fungibilität hat sich das Landgericht nach Anhörung des Klägers, der Drittwiderbeklagten und der Beklagten zu 2 nicht in der Lage gesehen zu beurteilen, ob den Angaben des Klägers - wonach die Beklagte zu 2 erklärt habe, man könne jederzeit an das Geld heran, wenn man es benötige - oder der Aussage der Beklagten zu 2 - wonach sie darauf hingewiesen habe, dass die Anlage nicht zum Verkauf gedacht sei - zu folgen sei (non liquet). Gegenteilige Feststellungen hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Soweit es darauf abgestellt hat, dass die Beklagte zu 2 nicht klargestellt habe, unter welchen Voraussetzungen genau welcher Teil des Geldes im Bedarfsfall flüssig gemacht werden könne, ist festzuhalten, dass die Beklagte zu 2 ohne konkrete Nachfragen auf derartige Einzelheiten nicht eingehen musste (s. die Ausführungen zu 1 b, aa).
- 25
- b) Eine Beschönigung oder Verharmlosung der Prospektangaben ist auch nicht mit der allgemein gehaltenen Äußerung der Beklagten zu 2 verbunden , das Risiko des Totalverlusts sei wegen der breiten Streuung der Objekte geringer als bei Anlagen, die nur in ein Projekt investieren. Diese Aussage ist für sich genommen nicht zu beanstanden und steht nicht in Widerspruch zu den den Prospektangaben, nach denen ein Totalvermögensverlust nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. insbesondere S. 96 f). Dass demgegenüber im Streitfall aufgrund der konkret vorgenommenen Zusammenstellung der drei Fondsbestandteile ein erhöhtes Verlustrisiko bestanden hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
- 26
- 3. Ebenfalls rechtsfehlerhaft ist die Annahme des Berufungsgerichts, es habe keine anlegergerechte Beratung vorgelegen, weil die fragliche Anlage selbst für eine nur ergänzende Altersvorsorge nicht geeignet gewesen sei, sondern es sich um eine hochspekulative Anlage gehandelt habe, die der Kläger und seine Ehefrau gerade nicht hätten tätigen wollen.
- 27
- a) Im Rahmen der von dem Anlageberater geschuldeten anlegergerechten Beratung müssen die persönlichen (wirtschaftlichen) Verhältnisse des Kunden berücksichtigt und insbesondere das Anlageziel, die Risikobereitschaft und der Wissensstand des Anlageinteressenten abgeklärt werden. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung des Anlageziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten sein (vgl. nur Senatsurteil vom 6. Dezember 2012 - III ZR 66/12, NJW-RR 2013, 296 Rn. 20 mwN). Soll das beabsichtigte Geschäft einer sicheren Geldanlage dienen, kann die Empfehlung einer un- ternehmerischen Beteiligung wegen des damit regelmäßig verbundenen Verlustrisikos fehlerhaft sein (vgl. Senatsurteile 19. November 2009 - III ZR 169/08, BKR 2010, 118, 120 Rn. 21 und vom 19. Juni 2008 - III ZR 159/07, BeckRS 2008, 13080 Rn. 6).
- 28
- b) Ausgehend von diesen Grundsätzen rechtfertigt nicht schon allein der Umstand, dass die Kapitalanlage auch der ergänzenden Altersvorsorge hat dienen sollen, den Schluss, die Empfehlung der Beteiligung an dem vorliegenden Dreiländer-Fonds stelle keine anlegergerechte Beratung dar. Dabei nimmt das Berufungsgericht nicht ausreichend in den Blick, dass im Hinblick auf die bereits bestehende Absicherung des Klägers (gesetzliche Rente, schuldenfreie Immobilie) die Altersvorsorge gerade nicht im Vordergrund stand. Vielmehr sollten Steuern eingespart werden; dies ist aber regelmäßig nicht ohne Verlustrisiko zu erreichen (vgl. Senatsurteil vom 19. Juni 2008 - III ZR 159/07, BeckRS 2008, 13080 Rn. 6). Darüber hinaus handelt es sich bei einem geschlossenen Immobilienfonds um eine Art der Unternehmensbeteiligung, bei der das Risiko eines hohen oder vollständigen Kapitalverlusts gering ist, weil selbst bei unzureichendem Mietertrag jedenfalls der Sachwert des Immobilienvermögens, das bei dem streitgegenständlichen Fonds zum Zweck der Risikostreuung auf mehrere (Immobilien-)Projekte in verschiedenen Ländern verteilt ist, normalerweise erhalten bleibt (vgl. Senatsurteil vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, NJW 2010, 3292, 3294 Rn. 18 mwN). Dass vorliegend ein Teil des Fondskapitals (etwa ein Drittel) in ein S. Wertpapierdepots angelegt werden sollte und darüber hinaus der Fonds - wie üblich - zu einem bestimmten Anteil (etwas mehr als 45 %) fremd finanziert wurde (vgl. dazu BGH, Urteil vom 27. Oktober 2009 - XI ZR 337/08, NJW-RR 2010, 115 Rn. 25), macht die Fondsbeteiligung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts noch nicht zu einer "hochspekulati- ven" Anlage, die auch für eine nur ergänzende Altersvorsorge von vorneherein als untauglich angesehen werden müsste.
- 29
- Die mangelnde Eignung der Anlage lässt sich auch nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hat, auf die Erwägung stützen, das Risiko eines Totalverlusts sei für den Kläger und seine Ehefrau nicht (sicher) abzuschätzen gewesen. Dabei zieht das Berufungsgericht abermals nicht hinreichend in Betracht, dass sich angesichts der Absicht, Steuern zu sparen, die Anlageempfehlungen der Beklagten zu 1 nicht, jedenfalls nicht vorrangig, auf "absolut" sichere Anlageformen ausrichten konnten beziehungsweise mussten. Dass das Risiko eines Totalverlusts nicht sicher abzuschätzen war, liegt in der Natur einer unternehmerischen Beteiligung. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass im Prospekt die Risiken der Anlage und vor allem die Hinweise auf ein mögliches Totalverlustrisiko dem Anleger hinreichend deutlich vor Augen gehalten wurden. Insoweit enthält der Prospekt, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, keine Mängel (s. dazu auch den ebenfalls den Dreiländer-Fonds betreffenden Senatsbeschluss vom 12. Januar 2012 - III ZR 407/04, NJW-RR 2006, 770). Verharmlosende oder beschönigende Hinweise dazu hat die Beklagte zu 2 im Beratungsgespräch - wie ausgeführt (unter 2 b) - nicht gegeben.
- 30
- 4. Die angefochtene Entscheidung ist nach alledem aufzuheben, soweit zum Nachteil der Beklagten zu 1 entschieden worden ist. Da weitere Feststellungen hinsichtlich eine Haftung der Beklagten zu 1 begründender Beratungs- fehler nicht zu erwarten sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Remmert Reiter
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 12.10.2010 - 14 O 438/08 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 30.10.2012 - 4 U 517/10-7/11- -
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Der Kläger beteiligte sich im Dezember 1993 auf der Grundlage eines Prospekts mit insgesamt 105.000 DM (53.685,65 €) an dem B. Invest-Fonds Nr. 7, einem geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (künftig: GbR).
- 2
- Auf Seite 34 des Prospekts heißt es unter der Überschrift „Die rechtli- chen Grundlagen der Investition“: Die Haftung der Gesellschafter Die Gesellschafter haften gegenüber Gläubigern der Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen als Gesamtschuldner. Mit ihrem sonstigen Vermögen haften sie nur quotal entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft. Diese Haftungsbeschränkung hat die Geschäftsführung/der Geschäftsbesorger der Gesellschaft durch Aufnahme entsprechender Vereinbarungen in die Verträge mit Dritten sicherzustellen. Soweit Gläubiger durch Grundpfandrechte gesichert sind, haftet zunächst das Grundstück - wie auch für öffentliche Lasten - insgesamt. Darüber hinaus haften die Gesellschafter nur quotal entsprechend ihrer Beteiligung.
- 3
- Die GbR nahm zur Objektfinanzierung Kredite auf, die durch Grundschulden besichert wurden. In den Darlehensverträgen mit den finanzierenden Banken wurde die persönliche Haftung der Gesellschafter in einer ihrer Beteiligung am Gesellschaftsvermögen entsprechenden Höhe vereinbart. Wegen Liquiditätsschwierigkeiten beschlossen die Gesellschafter im Jahr 2009, die Fondsimmobilie zu verkaufen und die Gesellschaft zu liquidieren. Der aus dem Verkauf erzielte Kaufpreis wurde zur teilweisen Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten verwendet. Der Kläger zahlte den nach der vorläufigen Berechnung auf ihn entfallenden Verlustanteil von 67.757,42 € und 2010 weitere 15.096,45 €.
- 4
- Der Kläger nimmt den Beklagten als Gründungsgesellschafter nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne auf Schadensersatz in Anspruch mit der Behauptung, der Prospekt sei fehlerhaft, weil er die Haftung der Anleger gegenüber den Gläubigern unzutreffend darstelle. Anders als in den Darlehensverträgen vereinbart, werde in dem Prospekt der Eindruck er- weckt, dass das Fondsgrundstück für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft vorrangig hafte und die Gesellschafter persönlich erst nach seiner Verwertung in Anspruch genommen werden könnten. Zudem werde der Anleger nicht darüber aufgeklärt, dass sich die quotale Haftung für die Darlehensverbindlichkeiten auf einen festen Teilbetrag belaufe, der sich durch Zahlungen der Gesellschaft nicht verringere.
- 5
- Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung (67.690,66 € nebst Zinsen zuzüglich 1.761,08 € vorgerichtliche Anwaltskosten) verurteilt und die Verpflichtung des Beklagten festgestellt, den Kläger von jeglichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit seiner Beteiligung an der GbR freizustellen, jeweils Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus seiner Beteiligung. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
- 6
- Die Revision des Beklagten hat Erfolg und führt unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zur Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils (§ 563 Abs. 3 ZPO).
- 7
- I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 8
- Ob der Prospekt unrichtig sei, weil der Anleger nicht darüber aufgeklärt werde, dass er in Höhe eines festen Teilbetrags der ursprünglichen Darlehensvaluta unabhängig davon hafte, in welcher Höhe die Gesellschaft zum Zeitpunkt seiner Inanspruchnahme die Darlehensverbindlichkeiten schon getilgt habe, könne dahinstehen, weil dieser Fehler für den Beitritt des Klägers nicht kausal gewesen sei. Der Prospekt sei jedenfalls fehlerhaft, weil er zur Haftungsreihenfolge zumindest missverständliche Angaben mache. Bei dem Anleger werde die unzutreffende Erwartung geweckt, dass das Risiko einer persönlichen Inanspruchnahme für Verbindlichkeiten der Gesellschaft erst dann drohe, wenn die Gesellschaft in Liquidation gerate und das Grundstück verwertet werde. Da die unrichtigen Angaben zur Haftungsreihenfolge für die Anlageentscheidung kausal gewesen seien, sei der Kläger so zu stellen, als wäre er der GbR nicht beigetreten.
- 9
- II. Diese Ausführungen halten revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand.
- 10
- Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerhaft einen Prospektfehler angenommen.
- 11
- Wie der Senat für die - gleichlautende - Formulierung in den Prospekten anderer Immobilienfonds (BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 Rn. 43 ff.; Beschluss vom 10. Juli 2012 - II ZR 246/10, juris Rn. 3, 5; Beschluss vom 21. August 2012 - II ZR 99/11, juris Rn. 3, 5) und - nach Erlass des angefochtenen Urteils - auch für den hier betroffenen Fonds (Beschluss vom 13. November 2012 - II ZR 23/12, juris) ausgesprochen hat, kann dem verwendeten Prospekt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht entnommen werden, dass die Gesellschafter mit ihrem persönlichen Vermögen erst nach der Verwertung des Fondsgrundstücks haften. Die vom Kläger beanstandete Formulierung ruft unter Berücksichtigung des sprachlichen Zusammenhangs, der Systematik der Prospektdarstellung und des vom Prospekt vermittelten Gesamtbildes (BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 - II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 924) bei einem Anlageinteressenten nicht die - unzutreffende - Vorstellung hervor, dass er von den durch ein Grundpfandrecht gesicherten Banken erst nach Verwertung des Gesellschaftsgrundstücks aus seiner persönlichen Haftung in Anspruch genommen werden kann (BGH, Beschluss vom 10. Juli 2012 - II ZR 246/10, juris Rn. 5; Beschluss vom 21. August 2012 - II ZR 99/11, juris Rn. 5; Beschluss vom 13. November 2012 - II ZR 23/12, juris). Der Senat kann die Auslegung uneingeschränkt selbst vornehmen, weil der Emissionsprospekt über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus verwendet wurde und daher ein Bedürfnis nach einer einheitlichen Auslegung besteht (BGH, Urteil vom 23. Oktober 2012 - II ZR 294/11, ZIP 2013, 315 Rn. 11 mwN).
- 12
- 1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts legt der Begriff „zu- nächst“ schon für sich betrachtet nicht ohne weiteres nahe, dass die Bank zu- erst das Fondsgrundstück verwerten muss und die Gesellschafter persönlich erst nach dessen Verwertung in der Liquidation der Gesellschaft in Anspruch nehmen kann. Dem Wort „zunächst“ kommt nicht nur die Bedeutung „zeitlich vorrangig“ zu, sondern es kann auch im Sinne einer abstrakten Reihenfolge bzw. einer Aufzählung zu verstehen sein. So verhält es sich hier. Wie die Revision mit Recht geltend macht, spricht der Umstand, dass auf die Verwendung des Begriffs „zunächst“ mit „darüber hinaus“ fortgefahren wird und keine zeitliche oder eine bestimmte Reihenfolge beschreibende Anknüpfung wie „erst dann“ oder „danach“ folgt, gegendas Verständnis der Formulierung im Sinne einer vorrangigen Verwertung des Fondsgrundstücks.
- 13
- 2. Jedenfalls scheidet die Annahme eines Prospektfehlers unter Berücksichtigung des sprachlichen Zusammenhangs, der Systematik der Prospektdarstellung und des vom Prospekt vermittelten Gesamtbildes aus.
- 14
- a) Für die Beurteilung, ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist nicht isoliert auf eine bestimmte Formulierung, sondern auf das Gesamtbild ab- zustellen, das er dem Anleger unter Berücksichtigung der von ihm zu fordernden sorgfältigen und eingehenden Lektüre (BGH, Urteil vom 31. März 1992 - XI ZR 70/91, ZIP 1992, 912, 915; Urteil vom 14. Juni 2007 - III ZR 300/05, WM 2007, 1507 Rn. 8; Urteil vom 23. Oktober 2012 - II ZR 294/11, ZIP 2013, 315 Rn. 12) vermittelt (BGH, Urteil vom 31. Mai 2010 - II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 11; Urteil vom 28. Februar 2008 - III ZR 149/07, VuR 2008, 178 Rn. 8; Urteil vom 12. Juli 1982 - II ZR 175/81, ZIP 1982, 923, 924). Gemessen daran kann dem Prospekt nicht entnommen werden, dass die Gesellschafter erst nach der Verwertung des Fondsgrundstücks haften.
- 15
- b) Gegen die Annahme, den Sätzen 4 und 5 sei eine Haftungsreihenfolge zu entnehmen, spricht schon der Umstand, dass in den ersten beiden Sät- zen des mit „Die Haftung der Gesellschafter“ überschriebenen Abschnitts eben- so wie in den Sätzen 4 und 5 die Haftung mit dem Gesellschaftsvermögen der Haftung mit dem persönlichen Vermögen der Gesellschafter gegenübergestellt wird. Nimmt man nicht nur die vom Berufungsgericht zumindest für missverständlich erachteten Sätze 4 und 5, sondern den gesamten ersten Absatz die- ses Abschnitts in den Blick, steht dem Verständnis des Wortes „zunächst“ als zeitlich vorrangig ferner entgegen, dass Satz 3 die Geschäftsführung/den Geschäftsbesorger lediglich verpflichtet, die in Satz 2 beschriebene, nur quotale Haftung der Gesellschafter mit ihrem persönlichen Vermögen durch Aufnahme entsprechender Vereinbarungen in Verträge mit Dritten sicherzustellen. Wären die Sätze 4 und 5 - wie das Berufungsgericht meint - dahingehend zu verstehen , dass die Gesellschafter mit ihrem persönlichen Vermögen für grundpfandrechtlich gesicherte Forderungen erst nachrangig nach Verwertung des - das wesentliche Vermögen der Gesellschaft darstellenden - Gesellschaftsgrundstücks hafteten, wäre zu erwarten gewesen, dass die Geschäftsführung/der Geschäftsbesorger verpflichtet würden, auch diese Haftungsbeschränkung in Verträgen mit Dritten, insbesondere in den Kreditverträgen mit den finanzierenden Banken, umzusetzen. Dies ist jedoch nicht der Fall.
- 16
- c) Hinzu kommt, dass der Prospekt mehrfach unmissverständlich auf die anteilige, in der Höhe unbeschränkte persönliche Haftung der Gesellschafter hinweist. Von einer Verpflichtung der Gläubiger zur vorrangigen Verwertung des Gesellschaftsvermögens oder einer lediglich nachrangigen Haftung der Gesellschafter mit ihrem persönlichen Vermögen ist an keiner Stelle des Prospekts die Rede. So wird auf Seite 34 am Ende des Abschnitts „Die Haftung der Gesellschafter“ in unmittelbarer räumlicher Nähe zum ersten Absatz des Ab- schnitts ausgeführt, dass die Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts „regelmäßig für die Gesellschaftsschulden anteilig in der Höhe unbeschränkt haften“ und „der Gläubiger stets auf das Gesellschaftsvermögenzugreifen kann“. In Übereinstimmung hierzu heißt es in § 8 Nr. 1 und 2 des dem Prospekt als Anlage I beigefügten Gesellschaftsvertrags, dass die Gesellschafter den Gläubigern der Gesellschaft mit dem Gesellschaftsvermögen als Gesamtschuldner und mit ihrem sonstigen Vermögen nur quotal entsprechend ihrer kapitalmäßigen Beteiligung an der Gesellschaft, in der Höhe jedoch unbe- grenzt haften. Auf Seite 44 des Prospekts wird in dem Kapitel „Chancen und Risiken“ lediglich das Recht der Darlehensgeberhervorgehoben, die Immobilie zu verwerten, „sofern die Bedienung der Fremdmittel durch die Grundstücksge- sellschaft nicht möglich ist und auch entsprechende Nachschüsse trotz Ver- pflichtung im Gesellschaftsvertrag nicht durchsetzbar sind“, und erläutert, dass „dieses Risiko auch jene Gesellschafter tragen, die ihre anteiligen Verpflichtungen voll erfüllen“. Von einer Verpflichtung der Banken, das Grundstück vorran- gig zu verwerten, und zu dem damit verbundenen Risiko findet sich in diesem Zusammenhang nichts.
- 17
- d) Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts konnte ein Anleger bei sorgfältiger Lektüre des Prospekts nicht davon ausgehen, eine persönliche Inanspruchnahme für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft sei erst im Falle des Scheiterns der Gesellschaft und deren Liquidation zu befürchten. Einem Anlageinteressenten wurde sowohl durch die im Prospekt auf Seite 34 unter der Überschrift „Gesellschaftskapital, Nachschussverpflichtung“ beschriebene Ver- pflichtung zur Zahlung von Nachschüssen bei Überschreiten der dem Investitionsplan zugrunde gelegten Gesamtkosten als auch durch die in § 8 Nr. 4 des prospektierten Gesellschaftsvertrags geregelte Verpflichtung, Unterdeckungen sowohl aus der Finanzierung des Bauvorhabens als auch aus dessen Bewirtschaftung anteilig zu tragen und auf Anforderung der Geschäftsführung Nachschüsse zu leisten, ungeachtet der Frage der Wirksamkeit dieser Regelung vor Augen geführt, dass eine persönliche Inanspruchnahme für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft auch vor deren Liquidation in Betracht kam. Dass diese Bestimmungen lediglich Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber den Gläubigern festlegen, ändert daran nichts.
- 18
- 3. Ohne Erfolg beruft sich die Revisionserwiderung für ihre Auffassung, die Prospektdarstellung sei unrichtig, darauf, der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs habe diese Sichtweise in seinem Urteil vom 29. September 2009 (XI ZR 179/07, WM 2009, 2210 Rn. 20) für eine gleichlautende Formulierung gebilligt. Der XI. Zivilsenat hat in dem von der Revisionserwiderung angezogenen Urteil nicht selbst geprüft, ob ein Prospektfehler vorliegt. Er hat dieser Entscheidung , die die Klagen von Anlegern gegen eine finanzierende Bank (dortige Beklagte zu 1) betraf, der von den Klägern zur Last gelegt worden war, an der Täuschung der Anleger über die Verwertungsreihenfolge mitgewirkt zu haben, ausdrücklich die Feststellungen des Berufungsgerichts im rechtskräftigen Schlussurteil gegen den dortigen Beklagten zu 2 zugrunde gelegt, dieser habe als Gründungsgesellschafter die Anleger über die Verwertungsreihenfolge getäuscht.
- 19
- III. Das angefochtene Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
- 20
- 1. Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob der Prospekt auch deshalb fehlerhaft ist, weil er die Anleger nicht darüber aufkläre, dass sie nicht in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der zum Zeitpunkt ihrer Inanspruchnahme noch bestehenden Verbindlichkeiten, sondern in Höhe eines festen Teilbetrags unabhängig davon haften, in welcher Höhe die Gesellschaft die Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Bank zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme aus der persönlichen Haftung getilgt hat.
- 21
- Auch dieser Prospektfehler liegt nicht vor. Wie der Senat für die gleichlautende Formulierung in Prospekten anderer Fonds bereits entschieden hat, konnten die Anleger der Aussage, dass sie mit ihrem persönlichen Vermögen nur quotal haften, nicht entnehmen, dass Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen und die aus seiner Verwertung erzielten Erlöse ihren Haftungsanteil gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft verringern würden (BGH, Urteil vom 22. März 2010 - II ZR 203/08, juris Rn. 14; Beschluss vom 30. März 2009 - II ZR 67/08, juris; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - II ZR 263/09, BGHZ 188, 233 Rn. 43, 45; BGH, Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 57). Anders als die Revisionserwiderung meint, führt ein solches Verständnis des Begriffs der quotalen Haftung nicht dazu, dass Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen ohne jeden Einfluss auf den Umfang der Haftung des einzelnen Gesellschafters sind. Sie kommen dem einzelnen Gesellschafter in jedem Fall zugute. Im Außenverhältnis verringert sich die persönliche Haftung des einzelnen Gesellschafters, wenn die noch offene Darlehens- schuld unter seinen persönlichen Haftungsbetrag absinkt, was - außer durch Zahlungen anderer Gesellschafter - vor allem durch Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen und dessen Verwertung bewirkt werden kann. Im Innenverhältnis stehen dem Gesellschafter, der aufgrund seiner Außenhaftung an einen Gesellschaftsgläubiger mehr gezahlt hat als seiner Quote an den - unter Berücksichtigung der Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen und der hieraus erzielten Erlöse - noch bestehenden Verbindlichkeiten der Gesellschaft entspricht, analog § 110 HGB gegen die Gesellschaft und - sofern diese nicht leistungsfähig ist - gegen seine Mitgesellschafter Ausgleichsansprüche zu, soweit diese von einer Inanspruchnahme in Höhe der im Innenverhältnis auf sie entfallenden Haftungsquote befreit wurden (BGH, Urteil vom 8. Februar 2011 - II ZR 243/09, ZIP 2011, 914 Rn. 40). Nach Auflösung der Gesellschaft findet der Ausgleich unter den Gesellschaftern im Rahmen der Abwicklung des Gesellschaftsvermögens gemäß § 730 ff. BGB statt (vgl. BGH, Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 34).
- 22
- 2. Der Prospekt ist entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht deshalb fehlerhaft, weil er den Anlageinteressenten nicht darüber aufklärt, dass er möglicherweise im Außenverhältnis einen höheren Betrag schuldet als im Innenverhältnis auf ihn entfällt und er insoweit das Risiko der Zahlungsunfähigkeit seiner Mitgesellschafter trägt. Die Sichtweise der Revisionserwiderung lässt unberücksichtigt, dass nach § 9 Nr. 3 des prospektierten Gesellschaftsvertrags (S. 51 des Prospekts) und der beigefügten Mustervollmacht (S. 65) der Anleger die Geschäftsführer bevollmächtigen sollte, ihn entsprechend seiner Quote persönlich zur Zahlung des Darlehensbetrages gegenüber dem Darlehensgeber zu verpflichten und in dieser Höhe der Zwangsvollstreckung in sein gesamtes privates Vermögen zu unterwerfen. Angesichts dessen musste der Anleger damit rechnen, im Außenverhältnis in Höhe des auf seine Quote entfallenden Betrages zu haften und das Risiko der Zahlungsunfähigkeit seiner Mit- gesellschafter zu tragen, soweit ihm Ausgleichsansprüche gegen diese zustehen.
Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Berlin, Entscheidung vom 03.03.2011 - 28 O 69/10 -
KG, Entscheidung vom 01.11.2011 - 27 U 63/11 -
(1) Im Verhältnis zu den Gläubigern der Gesellschaft wird nach der Eintragung in das Handelsregister die Einlage eines Kommanditisten durch den in der Eintragung angegebenen Betrag bestimmt.
(2) Auf eine nicht eingetragene Erhöhung der aus dem Handelsregister ersichtlichen Einlage können sich die Gläubiger nur berufen, wenn die Erhöhung in handelsüblicher Weise kundgemacht oder ihnen in anderer Weise von der Gesellschaft mitgeteilt worden ist.
(3) Eine Vereinbarung der Gesellschafter, durch die einem Kommanditisten die Einlage erlassen oder gestundet wird, ist den Gläubigern gegenüber unwirksam.
(4) Soweit die Einlage eines Kommanditisten zurückbezahlt wird, gilt sie den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet. Das gleiche gilt, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird. Bei der Berechnung des Kapitalanteils nach Satz 2 sind Beträge im Sinn des § 268 Abs. 8 nicht zu berücksichtigen.
(5) Was ein Kommanditist auf Grund einer in gutem Glauben errichteten Bilanz in gutem Glauben als Gewinn bezieht, ist er in keinem Falle zurückzuzahlen verpflichtet.
(6) Gegenüber den Gläubigern einer Gesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, gilt die Einlage eines Kommanditisten als nicht geleistet, soweit sie in Anteilen an den persönlich haftenden Gesellschaftern bewirkt ist. Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft gehört, bei der ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.
Tenor
Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 07.05.2014 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 8 O 221/13 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beklagten erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.
Der Klägerin wird zum Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren aufgegeben, innerhalb von drei Wochen eine aktuelle Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vollständig ausgefüllt nebst aussagekräftigen Belegen zur Akte zu reichen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).
41.
5Die Beklagten machen eine Rechtsverletzung geltend und wenden sich gegen die vom Landgericht ausgeworfene Haftungsquote. Sie sind der Meinung, dass nach den erstinstanzlich getroffenen Tatsachenfeststellungen nur eine hälftige Schadensteilung anzunehmen sei. Dem ist nicht zu folgen.
6Wenn - wie vorliegend unzweifelhaft - keine der Parteien bewiesen hat, dass der Unfall für sie ein unabwendbares Ereignis darstellt (§ 17 Abs. 3 StVG), hängt die Ersatzpflicht der Beteiligten untereinander gemäß § 17 Abs. 1 und 2 StVG von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Unfallbeteiligten sind auf beiden Seiten nur die unstreitigen, zugestandenen oder nachgewiesenen Tatsachen betreffend die Betriebsgefahr, die Mitverursachung und das Mitverschulden zu berücksichtigen. Dabei hat jede Partei die die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeuges erhöhenden Umstände sowie Mitverursachungs- und Verschuldensanteile seines Fahrers zu beweisen, wobei auch die Grundsätze des Anscheinsbeweises Anwendung finden können.
7Die Abwägung der Verursachungsbeiträge durch das Landgericht ist im Ergebnis fehlerfrei.
8Das Landgericht hat zutreffend erkannt, dass der verstorbene Beklagte zu 1. schuldhaft gegen die „Garantiepflicht“ des § 5 Abs. 1 S. 1 StVO verstoßen hat. Dies wird von den Beklagten grundsätzlich auch nicht in Frage gestellt.
9Die Garantiepflichten der StVO sind dadurch gekennzeichnet, dass eine Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen werden muss, was nach § 5 Abs. 2 S. 1 StVO beim Überholen zugunsten des Gegenverkehrs der Fall ist. Die Verletzung einer Garantiepflicht stellt einen besonders schwerwiegenden, die Betriebsgefahr erheblich erhöhenden, Verkehrsverstoß dar, der regelmäßig zur Alleinhaftung führt. Eine Mithaftung des Unfallgegners kommt allerdings in Betracht, wenn die Betriebsgefahr des von ihm geführten Kraftfahrzeuges durch eine eigene Sorgfaltspflichtverletzung oder einen sonstigen gefahrträchtigen Fahrvorgang ebenfalls erhöht ist. So ist es hier.
10Der Klägerin ist zumindest ein Verstoß gegen das allgemeine Rücksichtnahmegebot gem. § 1 Abs. 2 StVO anzulasten, weil sie nach den Feststellungen des Sachverständigen Dipl.-Ing. C unter Ziffer 3.3.2. im Gutachten vom 29.10.2010 (Sonderheft zur Ermittlungsakte der StA Aachen, AZ.: 603 Js 612/10) das fehlerhafte Fahrverhalten des Beklagten zu 1. in der Annäherungsphase frühzeitig hätte erkennen und unfallvermeidend an den rechten Fahrbahnrand bzw. auf den Standstreifen ausweichen können. Dies zieht die Klägerin im Berufungsverfahren auch nicht in Zweifel.
11Ob darin zugleich ein Verstoß gegen § 11 Abs. 3 StVO zu erblicken ist, erscheint zumindest zweifelhaft, weil diese Vorschrift die Lösung besonderer Verkehrsanlagen im Blick hat, in denen es im Interesse des Verkehrsflusses und der Verkehrssicherheit dem sichunverschuldet in einer schwierigen Verkehrslage befindlichen, aber nicht bevorrechtigten Unfallgegner ermöglicht werden soll, durch einen Vorrangverzicht des anderen Fahrzeugführers seiner Zwangslage zu entgehen. Hierunter fallen z. B. echte Kreuzungsräumer, die Erleichterung des Fahrspurwechsels durch den geradeaus Weiterfahrenden, das Ermöglichen der Einfahrt durch Benutzung des linken Fahrstreifens an Autobahn-Einfahrten, das Ermöglichen des Einbiegens eines Lastzuges in die Straße oder des Abbiegens eines auf ihr Entgegenkommenden, um Fahrzeugschlangen hinter ihnen zu vermeiden (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. 2014, § 11 Rn. 4). Eine solche Verkehrslage ist hier aber eigentlich nicht gegeben, weil der Beklagte zu 1. sich durch die schuldhafte Verletzung einer Kardinalpflicht selbst in eine missliche Zwangslage gebracht hat und er mangels erkennbarer Verständigung auch nicht auf einen Vorrangverzicht der Klägerin vertrauen durfte (§ 11 Abs. 3 HS. 2 StVO).
12Ebenso nicht unkritisch erscheint es, ob die Klägerin gegen das Rechtsfahrgebot gemäß § 2 Abs. 2 StVO verstoßen hat, weil diese Vorschrift an sich nur dem Schutz deserlaubtermaßen überholenden Gegenverkehrs dient (vgl. Burmann/Heß/Jahnke/Janker, a. a. O., § 2 Rn. 30).
13All dies bedarf aber keiner Vertiefung, weil der Verursachungsbeitrag der Klägerin selbst bei Annahme der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 2 Abs. 2, 11 Abs. 3 StVO im Verhältnis zu der unzweifelhaft vorliegenden Verletzung des allgemeinen Rücksichtnahmegebotes nach § 1 Abs. 2 StVO keine weitere Steigerung erführe. Denn die genannten Vorschriften begründen bei der hier vorliegenden Verkehrssituation eine - auch vom Schutzzweck her - einheitliche Verhaltensanweisung, nämlich das Gebot zumutbaren Ausweichens durch den Vorfahrtsberechtigten. Die Verhaltensgebote gehen hier quasi ineinander auf und haben nebeneinander kein eigenständiges Gewicht.
14Aus diesem Grund hat es letztlich auch bei der ganz überwiegenden Haftung der Beklagten zu verbleiben. Wenn das Landgericht insoweit lediglich eine Mithaftung der Klägerin i. H. v. 20 % angenommen hat, was in etwa der einfachen Betriebsgefahr entspricht, ist dies jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden (vgl. dazu die Rechtsprechungsnachweise in Grüneberg, Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen13. Aufl. 2013, Rn. 216; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, a. a. O., § 5 Rn. 68, m. w. N.).
152.
16Auch im Übrigen werden von den Beklagten keine Umstände aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen oder sonst eine fehlerhafte Anwendung materiellen oder formellen Rechts durch das Landgericht erkennen lassen.
17II.
18Die Beklagten werden auf die Möglichkeit der Berufungsrücknahme und die damit einhergehende Kostenersparnis nach Nr. 1220 KV-GKG hingewiesen.
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 24.04.2013, Az. 21 O 387/12, abgeändert.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.07.2012 und außergerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 911,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 11.07.2012 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
5. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
7. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert: 50000 EUR
Gründe
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BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Gründe:
I.
- 1
- Der Kläger beansprucht von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Beratungspflichtverletzung die Rückabwicklung einer Beteiligung an einer Fondsgesellschaft.
- 2
- Der Kläger nahm im Jahr 2008 an einer Informationsveranstaltung der n. mbH, einer hundertprozentigen Tochter der Beklagten (künftig: n. ), teil, anlässlich derer die Beteiligung an dem geschlossenen Publikumsfonds L. KG (künftig: Fondsgesellschaft) beworben wurde. Diese Fondsgesellschaft handelte mit US-amerikanischen Lebensversicherungspolicen. Mit dem Vertrieb der Beteiligungen war die B. GmbH (künftig: B. ) befasst, die sich der Unterstützung der n. bediente. In dem Emissionsprospekt der Fondsgesellschaft war darauf hingewiesen , dass die B. "eine Vergütung in Höhe von 5% des aufgenommenen Kommanditkapitals (ohne Agio) zuzüglich des gesamten Agios" erhalte und sie diese Beträge an von ihr "eingeschaltete[…] Kapitalvermittler" weitergebe.
- 3
- Nach Gesprächen mit einem Mitarbeiter der Beklagten am 23. April 2008 und 30. Juni 2008 und Erhalt des Emissionsprospekts beteiligte sich der Kläger über eine Treuhänderin mit einem Betrag von 30.000 € zuzüglich eines Agios in Höhe von 1.500 € an der Fondsgesellschaft. Die B. erhielt gemäß den Angaben im Emissionsprospekt eine Provision von 3.000 €. Davon gab sie 2.550 € an die n. weiter, die ihrerseits der Beklagten 300 € zuwandte.
- 4
- Der auf Zahlung von 31.500 € zuzüglich entgangenen Gewinns und weiterer Zinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung, Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten und Feststellung gerichteten Klage hat das Landgericht mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen stattgegeben. Auf die dagegen gerichteten Rechtsmittel beider Parteien hat das Berufungsgericht (MDR 2013, 1109 f.) den Zinsausspruch zugunsten des Klägers geringfügig modifiziert und die Berufungen im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat es - soweit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren noch von Interesse - ausgeführt:
- 5
- Zwischen den Parteien sei im Vorfeld der Beteiligung des Klägers ein Beratungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte sei dem Kläger wegen der Verletzung ihrer aus dem Beratungsvertrag resultierenden Aufklärungspflicht über Rückvergütungen zum Schadenersatz verpflichtet. Den ihr obliegenden Nachweis, dass der Kläger auch im Falle einer ordnungsgemäßen Beratung die Beteiligung gezeichnet hätte, habe die Beklagte nicht geführt. Ihren "Beweisantritten" sei nicht nachzugehen gewesen. Insofern habe die Beklagte eine "bloße Vermutung" angestellt, "auf die sich kein Zeugenbeweis stützen" lasse. Die Revision hat das Berufungsgericht nicht zugelassen.
II.
- 6
- Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Soweit das Berufungsgericht gegen die Beklagte erkannt hat, ist die Revision nach § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen, weil das angegriffene Urteil den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 11. Mai 2004 - XI ZB 39/03, BGHZ 159, 135, 139 f. und vom 9. Februar 2010 - XI ZR 140/09, BKR 2010, 515, 516). Aus demselben Grund ist es gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
- 7
- 1. Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht allerdings auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsbeschluss vom 9. März 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 925 Rn. 19 mwN) davon ausgegangen, zwischen den Parteien sei ein Beratungsvertrag und nicht nur ein Auskunftsvertrag zustande gekommen, aufgrund dessen die Beklagte verpflichtet gewesen sei, den Kläger über die Höhe von ihr vereinnahmter Rückvergütungen aufzuklären. Weiter hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen, eine ordnungsgemäße Aufklärung des Klägers sei weder mündlich noch durch die Übergabe von Informationsmaterial erfolgt (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 19 ff.). Korrekt hat es insoweit, ohne dies allerdings näher auszuführen, auch ein Verschulden der Beklagten bejaht (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 aaO Rn. 24 f. mwN).
- 8
- 2. Das Berufungsurteil verletzt jedoch den Anspruch der Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG), soweit das Berufungsgericht einen erheblichen Beweisantritt der Beklagten zur Widerlegung der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens des Klägers unbeachtet gelassen hat. Dies rügt die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zu Recht.
- 9
- a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, den Vortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 60, 247, 249; 65, 293, 295; 70, 288, 293; 83, 24, 35). Dazu gehört , erhebliche Beweisanträge zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 60, 247, 249; 65, 305, 307; 69, 141, 143 f.). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG setzt dabei eine gewisse Evidenz der Gehörsverletzung voraus. Im Einzelfall müssen besondere Umstände vorliegen, die deutlich ergeben, dass das Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei der Entscheidung ersichtlich nicht erwogen worden ist (vgl. BVerfGE 22, 267, 274; 65, 293, 295 f.; 70, 288, 293; 79, 51, 61; 86, 133, 145 f.; 96, 205, 216 f.). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfGE 50, 32, 36; 60, 250, 252; 65, 305, 307; 69, 141, 144).
- 10
- b) Nach diesen Maßstäben ist Art. 103 Abs. 1 GG verletzt.
- 11
- aa) Die Beklagte hat bereits in der Klageerwiderung (dort S. 39) zum Beweis dafür, dass der Kläger im Falle einer Unterrichtung über die Rückvergü- tung die Beteiligung gleichwohl gezeichnet hätte, Beweis durch Vernehmung des Klägers als Partei angeboten. Sie hat das Beweisangebot später gegenüber dem Landgericht wiederholt und sich in der Berufungsbegründungsschrift erneut darauf bezogen.
- 12
- bb) Dieses Beweisangebot der Beklagten war erheblich. Die Beklagte hat eine für die Entscheidung wesentliche Tatsache - Fehlen der Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden - unmittelbar selbst zum Gegenstand des Beweisantrags gemacht. Stellte sich der Sachvortrag in der Beweisaufnahme als richtig heraus, stünde die fehlende Kausalität der Pflichtverletzung fest. Weitere Einzelheiten oder Erläuterungen sind zur Substantiierung des Beweisantrags auf Vernehmung des Gegners als Partei grundsätzlich nicht erforderlich (Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 39).
- 13
- cc) Ein unbeachtlicher, auf Ausforschung zielender Beweisermittlungsantrag , der auf der willkürlichen Behauptung einer bestimmten Motivationslage "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" gründete, ist nicht gegeben. Die Beklagte hat mit dem Verweis auf die Motivation des Klägers, eine möglichst hohe Rendite zu erzielen, und mittels der Schilderung seines aufgrund der Informationsveranstaltung gefassten Vorentschlusses Anhaltspunkte vorgetragen, die dafür sprechen, dass der Kläger auch in Kenntnis der Rückvergütung die Beteiligung gezeichnet hätte. Angesichts dessen kann eine Behauptung ins Blaue hinein nicht angenommen werden, zumal die Parteivernehmung nach § 445 Abs. 1 ZPO nicht die Wahrscheinlichkeit der unter Beweis gestellten Tatsache voraussetzt (BGH, Urteil vom 6. Juli 1960 - IV ZR 322/59, BGHZ 33, 63, 66) und das Berufungsgericht, das die von der Beklagten angeführten Indizien im Zusammenhang mit der Kausalitätsprüfung als "Vermutung" abgetan hat, bei der Befassung mit dem Vortrag des Klägers zu einem ihm entgangenen Gewinn mit ebendiesen Aspekten argumentiert hat.
- 14
- dd) Von einer Vernehmung des Klägers als Partei konnte das Berufungsgericht nicht absehen, weil der Kläger auf die Anordnung seines persönlichen Erscheinens durch seinen Prozessbevollmächtigten vor dem Landgericht hatte erklären lassen, er sei "nicht bereit, persönlich vor Gericht zu erscheinen", und wolle "auch keine Angaben zum Sachverhalt machen", und gegenüber dem Berufungsgericht schriftsätzlich hatte ausführen lassen, er werde "im Rahmen einer formlosen Anhörung keine Angaben machen" und sich "daher" gemäß § 141 Abs. 3 Satz 2 ZPO von seinem Prozessbevollmächtigten "vertreten lassen". Darin lag keine hinreichende Erklärung im Sinne des § 446 ZPO. Im Übrigen wäre das Berufungsgericht - die Voraussetzungen des § 446 ZPO als gegeben unterstellt - gehalten gewesen, die Gründe für die Weigerung des Klägers zu würdigen.
- 15
- ee) Schließlich stand der Grundsatz der Subsidiarität der Parteivernehmung nach § 445 Abs. 1 ZPO der Beweiserhebung nicht entgegen. Für die unmittelbare Beweisführung zur Motivation des Klägers hat die Beklagte kein anderes Beweismittel vorgebracht.
- 16
- c) Das Berufungsurteil beruht auf der Gehörsverletzung. Diese Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht bei Berücksichtigung des übergangenen Vorbringens anders entschieden hätte (vgl. BVerfGE 7, 95, 99; 60, 247, 250; 62, 392, 396; 65, 305, 308; 89, 381, 392 f.). Dies ist der Fall, weil die Beklagte den Nachweis einer mangelnden Kausalität der vom Berufungsgericht festgestellten Aufklärungspflichtverletzung mit dem von ihr angebotenen Beweismittel möglicherweise geführt hätte.
III.
- 17
- Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
- 18
- Das Berufungsgericht wird den Kläger als Partei (§ 445 Abs. 1 ZPO) zu der Behauptung der Beklagten, die Rückvergütung sei für seine Anlageentscheidung ohne Bedeutung gewesen, zu vernehmen haben. Eine Anhörung nach § 141 ZPO genügt, wie der Kläger in der Berufungsinstanz zu Recht angemerkt hat, nicht (BGH, Beschluss vom 28. April 2011 - V ZR 220/10, juris Rn. 12 ff.). Bei der Würdigung der Aussage des Klägers wird es die von der Beklagten für ihre Behauptung benannten Indizien mit zu berücksichtigen haben.
- 19
- Bei der erneuten Untersuchung der Frage, ob ein Beratungsfehler der Beklagten für die Anlageentscheidung des Klägers ursächlich war, wird das Berufungsgericht zu beachten haben, dass die Beklagte nur über solche Rückflüsse zu unterrichten gehalten war, die hinter dem Rücken des Klägers an sie selbst gelangten. Ein über eine Konzerngesellschaft vermitteltes wirtschaftliches Interesse ist grundsätzlich nicht aufklärungspflichtig. Besondere Umstände , die im konkreten Einzelfall anderes ergäben, hat der Kläger nicht vorgetragen und das Berufungsgericht nicht festgestellt.
- 20
- Sollte das Berufungsgericht nach erneuter Verhandlung die Kausalitätsvermutung in Bezug auf verschwiegene Rückvergütungen als widerlegt ansehen , wird es den sonst vom Kläger gerügten Beratungspflichtverletzungen nachzugehen haben.
Vorinstanzen:
LG Bremen, Entscheidung vom 21.11.2012 - 1 O 2420/11 -
OLG Bremen, Entscheidung vom 14.06.2013 - 2 U 122/12 -
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.