Landgericht Hamburg Urteil, 09. Nov. 2016 - 332 O 203/16
Gericht
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte 2.533,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.7.2015 zu zahlen. Die weitergehende Widerklage wird abgewiesen.
3. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.749,95 € festgesetzt.
Tatbestand
- 1
Die Kläger machen die Rückabwicklung eines Immobilienkreditvertrages geltend.
- 2
Im März 2003 schlossen sie mit der Beklagten einen Immobilienkreditvertrag über 30.000,00 € (Anlage K1). Sie konnten den Kreditvertrag in der Folgezeit nicht vertragsgemäß bedienen. Mit Schreiben vom 10.2.2015 (Anlage K2) haben sie den Vertrag widerrufen. Die Beklagte hat den Widerruf nicht anerkannt. Die Kläger haben daraufhin keine Zahlungen mehr geleistet. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 2.6.2015 (Anlage B1) einen Rückstand in Höhe von 1.204,08 € zur Zahlung angefordert. Mit Schreiben vom 18.6.2015 hat die Beklagte den Kreditvertrag wegen Zahlungsrückstands gekündigt und eine Restforderung in Höhe von 2.533,46 € geltend gemacht (Anlage B2). Mit Schreiben vom 22.7.2015 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger erklärt, dass diese keine weiteren Zahlungen mehr leisten werden (Anlage B3).
- 3
Kläger behaupten, dass die Widerrufsbelehrung fehlerhaft sei, weil es darin heißt: „die Frist beginnt frühestens…“. Der Beklagten stehe kein Vertrauensschutz zur Seite, weil sie die in der Musterwiderrufsbelehrung enthaltene Zwischenüberschrift: „Widerrufsrecht“ nicht übernommen habe. Die Belehrung sei daher nicht hinreichend deutlich.
- 4
Sie verlangen die Herausgabe der gezogenen Nutzungen, die sie mit insgesamt 8.216,49 € berechnen.
- 5
Sie verlangen ferner die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 2.180,44 €.
- 6
Die Kläger beantragen,
- 7
die Beklagte zu verurteilen, an sie 8.216,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 13.8.2015, zuzüglich außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.180,44 € zu Händen dessen Rechtsschutzversicherer, der D... Rechtschutzversicherungs AG, zur Schadennummer S...0...5 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt
- 9
Klagabweisung
- 10
und im Wege der Widerklage
- 11
die Kläger als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 2.533,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.6.2015 zu zahlen.
- 12
Die Beklagte beruft sich auf Vertrauensschutz und hält den Widerruf für rechtsmissbräuchlich. Er diene im vorliegenden Fall nicht dem Übereilungsschutz, sondern der Inanspruchnahme von Zinsvorteilen. Mit den bis zum Widerruf verstrichenen 12 Jahren sei eine erhebliche Zeit verstrichen, nach der sie mit einem Widerruf nicht mehr gerechnet habe und auch nicht mehr habe rechnen müssen. Sie habe - unbestritten - aus dem Kreditvertrag Zinsvorteile gezogen, die Gegenstand der Jahresabschlüsse waren und der Besteuerung unterlegen hätten. Sie wendet sich auch gegen die Höhe des der Berechnung zugrunde gelegten Zinssatzes von 5 %.
- 13
Der Kläger beantragt,
- 14
die Widerklage abzuweisen.
- 15
Zum Sach- und Streitstand wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
- 16
Die Klage ist unbegründet, die Widerklage ist im Wesentlichen begründet.
1.)
- 17
Den Klägern steht kein Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen (§§ 355, 346 Abs. 1 BGB) zu, weil der Widerruf verspätet erklärt worden ist.
- 18
Zwar ist die Widerrufsbelehrung deshalb fehlerhaft, weil sie bestimmt, dass die Widerrufsfrist frühestens mit dem Erhalt dieser Belehrung beginnt und damit hinsichtlich des tatsächlichen Fristbeginns unklar ist. Es besteht jedoch zugunsten der Beklagten Vertrauensschutz:
- 19
Auf die Unrichtigkeit der Belehrung kommt es dann nicht an, wenn die von der Beklagten erteilte Widerrufsbelehrung inhaltlich wie auch in der äußeren Gestaltung der Musterbelehrung der Anlage 2 des § 14 BGB-InfoV vollständig entspricht (BGH vom 28.6.2011 – XI 349/10; vom 18.3.2014, II ZR 109/13). In dem Fall kann sich die Beklagte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes auf die Schutzwirkung der Verordnung berufen (BGH 15.8.2012 VIII ZR 378/11). Entscheidend ist dabei, ob der Unternehmer den Text der Musterbelehrung bei der Abfassung der Widerrufsbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung unterzogen hat (BGH vom 28.6.2011 – XI ZR 349/10; 1.3.2012 – III ZR 83/11 20.11.2012, II ZR 264/10).
- 20
Die streitgegenständliche Widerrufsbelehrung unterscheidet sich von der Musterwiderrufsbelehrung allein darin, dass sie nicht noch einmal die Zwischenüberschrift: Widerrufsrecht enthält. Dabei handelt es sich jedoch um keine inhaltliche Bearbeitung. Diese Auslassung tut der Deutlichkeit ebenfalls keinen Abbruch. Die Belehrung ist deutlich mit Widerrufsbelehrung überschrieben und konnte daher von den Kreditnehmern nicht übersehen werden.
- 21
Der geltend gemachte Anspruch auf die Nutzungen besteht daher nicht, so dass auch die Nebenforderungen, d.h. die Zinsen und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nicht verlangt werden können.
2.)
- 22
Der Beklagten steht demgegenüber nach Kündigung des Darlehensvertrages der geltend gemachte Restbetrag in Höhe von 2.533,46 € zu.
- 23
Zinsen kann die Beklagte darauf erst seit dem 22.7.2015 verlangen. Für die Zeit davor ist ein Verzug der Kläger nicht dargelegt. Dieser ist erst durch die endgültige Zahlungsverweigerung durch Schreiben vom 22.7.2015 eingetreten (§§ 286 Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB).
- 24
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO. Der Streitwert ergibt sich unter Zusammenrechnung von Klag- und Widerklagforderung (§ 45 Abs. 1 GKG).
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(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willenserklärungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willenserklärung fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf erfolgt durch Erklärung gegenüber dem Unternehmer. Aus der Erklärung muss der Entschluss des Verbrauchers zum Widerruf des Vertrags eindeutig hervorgehen. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten. Zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs.
(2) Die Widerrufsfrist beträgt 14 Tage. Sie beginnt mit Vertragsschluss, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(3) Im Falle des Widerrufs sind die empfangenen Leistungen unverzüglich zurückzugewähren. Bestimmt das Gesetz eine Höchstfrist für die Rückgewähr, so beginnt diese für den Unternehmer mit dem Zugang und für den Verbraucher mit der Abgabe der Widerrufserklärung. Ein Verbraucher wahrt diese Frist durch die rechtzeitige Absendung der Waren. Der Unternehmer trägt bei Widerruf die Gefahr der Rücksendung der Waren.
(1) Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.
(2) Statt der Rückgewähr oder Herausgabe hat der Schuldner Wertersatz zu leisten, soweit
- 1.
die Rückgewähr oder die Herausgabe nach der Natur des Erlangten ausgeschlossen ist, - 2.
er den empfangenen Gegenstand verbraucht, veräußert, belastet, verarbeitet oder umgestaltet hat, - 3.
der empfangene Gegenstand sich verschlechtert hat oder untergegangen ist; jedoch bleibt die durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme entstandene Verschlechterung außer Betracht.
(3) Die Pflicht zum Wertersatz entfällt,
- 1.
wenn sich der zum Rücktritt berechtigende Mangel erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung des Gegenstandes gezeigt hat, - 2.
soweit der Gläubiger die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten hat oder der Schaden bei ihm gleichfalls eingetreten wäre, - 3.
wenn im Falle eines gesetzlichen Rücktrittsrechts die Verschlechterung oder der Untergang beim Berechtigten eingetreten ist, obwohl dieser diejenige Sorgfalt beobachtet hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt.
(4) Der Gläubiger kann wegen Verletzung einer Pflicht aus Absatz 1 nach Maßgabe der §§ 280 bis 283 Schadensersatz verlangen.
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) Eine rechtsfähige Personengesellschaft ist eine Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben und Verbindlichkeiten einzugehen.
(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.
(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn
- 1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist, - 2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt, - 3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert, - 4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.
(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.
(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.
(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.
(1) Wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last.
(2) Das Gericht kann der einen Partei die gesamten Prozesskosten auferlegen, wenn
- 1.
die Zuvielforderung der anderen Partei verhältnismäßig geringfügig war und keine oder nur geringfügig höhere Kosten veranlasst hat oder - 2.
der Betrag der Forderung der anderen Partei von der Festsetzung durch richterliches Ermessen, von der Ermittlung durch Sachverständige oder von einer gegenseitigen Berechnung abhängig war.
(1) In einer Klage und in einer Widerklage geltend gemachte Ansprüche, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, werden zusammengerechnet. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch wird mit dem Hauptanspruch zusammengerechnet, soweit eine Entscheidung über ihn ergeht. Betreffen die Ansprüche im Fall des Satzes 1 oder 2 denselben Gegenstand, ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend.
(2) Für wechselseitig eingelegte Rechtsmittel, die nicht in getrennten Prozessen verhandelt werden, ist Absatz 1 Satz 1 und 3 entsprechend anzuwenden.
(3) Macht der Beklagte hilfsweise die Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung geltend, erhöht sich der Streitwert um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht.
(4) Bei einer Erledigung des Rechtsstreits durch Vergleich sind die Absätze 1 bis 3 entsprechend anzuwenden.