Landgericht Hamburg Teilurteil, 30. Okt. 2015 - 304 O 451/14
Gericht
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen, soweit die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger als Gesamtgläubiger Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am 13.10.2011 in H.- H. verstorbenen Frau H. G. zu erteilen und zwar durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses mit Belegen und Nachweisen, welches folgende Punkte umfasst:
- Alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva),
- alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Erblasser- und Erbfallschulden),
- alle ergänzungspflichtigen Zuwendungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat,
- alle unter Abkömmlingen ausgleichspflichtigen Zuwendungen, die der Erblasser zu Lebzeiten an seine Abkömmlinge getätigt hat, den Güterstand, in dem der Erblasser verheiratet gewesen ist.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
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Die Beklagte ist testamentarische Alleinerbin nach ihrer Großmutter, der am 13.10.2011 verstorbenen Frau H. G., und Tochter der Klägerin zu 1). Die Klägerin zu 1) ist Tochter der Erblasserin, der Kläger zu 2) ist Sohn der Erblasserin. Die Kläger wären nach gesetzlicher Erbfolge zu je ½ Erben geworden.
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Die Beklagte war mit Beschluss des Amtsgerichts B. vom 29.06.2009 (Az. ... ) zur Betreuerin der Erblasserin bestellt worden. Der Aufgabenkreis umfasste auch die Vermögenssorge. Ausweislich des Prüfvermerks des Betreuungsgerichts vom 17.11.2011 (Anlage B1) wurde die Schlussrechnung der Beklagten in der Betreuungssache sachlich und rechnerisch geprüft. In dem Prüfvermerk heißt es:
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„[Die Schlussrechnung] enthielt die nach §§ 1908i, 1841 BGB erforderliche Zusammenstellung der Einnahmen und Ausgaben für den Rechnungszeitraum und ließ die Verminderung bzw. den Zuwachs des Vermögens erkennen. Die notwendigen Belege waren beigefügt. […] Anhand der eingereichten Unterlagen war eine ordnungsgemäße Prüfung möglich. Es ergaben sich keine Beanstandungen. Bestand am 13.10.2011: 132.623,41 € zzgl. Bargeld (91,48 €) und Genossenschaftsanteil (1.530 €)“
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Unter dem 12.03.2012 (Urkundenrolle Nr. ... des Notars C. M. S. in B.) errichtete die Beklagte auf Verlangen der Kläger ein notarielles Nachlassverzeichnis. Wegen dessen Inhalt wird auf die Anlage K1 Bezug genommen. Die Beklagte erklärte darüber hinaus, ergänzungs- oder ausgleichspflichtige Zuwendungen habe es nicht gegeben.
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Den sich aus dem Nachlassverzeichnis ergebenden Pflichtteilsanspruch von jeweils 32.704,64 Euro zahlte die Beklagte an die Kläger aus.
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Die Kläger bezweifeln die Richtigkeit des notariellen Nachlassverzeichnisses vom 12.03.2012 und beziehen sich zur Begründung auf Vorgänge aus der Zeit der Betreuung der Erblasserin durch die Beklagte. Die Abrechnungen der Beklagten im Rahmen ihrer Bestellung zur Betreuerin der Erblasserin seien intransparent. Durch diese Intransparenz der Abrechnungen werde der Auskunftsanspruch der Kläger ausgehöhlt. Es sei daher eine gänzlich neue Auskunft zu erteilen. In diesem Zusammenhang bestehe auch ein Anspruch auf Vorlage von Belegen. Wegen des weiteren klägerischen Vortrags wird auf die Schriftsätze vom 29.12.2014 (Bl. 6 ff. d.A.), vom 21.04.2015 (Bl. 34 ff. d.A.) und vom 10.07.2015 (Bl. 65 ff. d.A.) Bezug genommen.
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Die Kläger beantragen,
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die Beklagte zu verurteilen,
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1. an die Kläger als Gesamtgläubiger Auskunft über den Bestand des Nachlasses der am 13.10.2011 in H.- H. verstorbenen Frau H. G. zu erteilen und zwar durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses mit Belegen und Nachweisen, welches folgende Punkte umfasst:
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- Alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva),
- alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Erblasser- und Erbfallschulden),
- alle ergänzungspflichtigen Zuwendungen, die der Erblasser zu Lebzeiten getätigt hat,
- alle unter Abkömmlingen ausgleichspflichtigen Zuwendungen, die der Erblasser zu Lebzeiten an seine Abkömmlinge getätigt hat, den Güterstand, in dem der Erblasser verheiratet gewesen ist;
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2. für den Fall, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wird, an Eidesstatt zu versichern, dass sie den Bestand des Nachlasses und die darin enthaltenen Auskünfte über lebzeitige Schenkungen und Vorausempfänge sowie des Güterstandes, in dem der Erblasser gelebt hat, nach bestem Wissen so vollständig angegeben hat, wie sie dazu in der Lage war;
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3. an die Kläger jeweils 25 % des sich aus der nach Ziffer 1 zu erteilenden Auskunft errechneten Betrags nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält den Anspruch auf Auskunft für erfüllt und einen Anspruch auf Vorlage von Belegen nicht für gegeben.
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Das Gericht hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2015 darauf hingewiesen, dass der Auskunftsanspruch nach vorläufiger Bewertung erfüllt und ein Anspruch auf Vorlage von Belegen nicht bestehen dürfte und den Übergang zur zweiten Stufe der Stufenklage angeregt. Die Protokollierung dieses Hinweises im Rahmen der ausführlichen Erörterung der Sach- und Rechtslage ist versehentlich unterblieben. Die Kläger haben nach Beratung dieses Hinweises mit ihrer Prozessbevollmächtigten den Antrag zu 1. gestellt.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist als Stufenklage zulässig. Mit dem Teilurteil entscheidet das Gericht zunächst nur über den Klagantrag zu 1. in der ersten Stufe.
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Der Klagantrag zu 1. ist unbegründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte grundsätzlich den geltend gemachten Anspruch auf Auskunft gemäß § 2314 BGB. Dieser Anspruch ist jedoch durch Erfüllung erloschen. Die Beklagte hat ihrer Auskunftspflicht vollständig genügt, indem sie ein notarielles Nachlassverzeichnis errichtete, welches sich zu Aktiva und Passiva abschließend verhält. Darüber hinaus hat die Beklagte ergänzungs- oder ausgleichspflichtige Zuwendungen verneint. Die Kläger machen in der Sache nicht geltend, dass dieses Verzeichnis erkennbar unvollständig sei, also Lücken enthalte. Nur in diesem Fall bestünde ein Anspruch auf ergänzende Auskunft. Die Kläger machen vielmehr geltend, das Verzeichnis sei inhaltlich unrichtig. Dies ist jedoch Gegenstand der zweiten Stufe der Stufenklage, nicht der Auskunftsstufe.
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Ein Anspruch auf Vorlage von Belegen besteht darüber hinaus nicht. Eine allgemeine Pflicht zur Vorlage von Belegen nur zur Kontrolle der Angaben des Auskunftspflichtigen findet in §§ 2314, 260 BGB keine Stütze, das gesetzliche Mittel zur Verifizierung der geleisteten Auskunft ist vielmehr die eidesstattliche Versicherung (Palandt/Weidlich, BGB, 74. A. 2015, § 2314 Rn. 10; BeckOK BGB/J. Mayer, BGB, § 2314 Rn. 13-14, beck-online). Im Rahmen des § 2314 BGB besteht eine Verpflichtung zur Vorlage von Belegen nur ausnahmsweise, und zwar, wenn der Wert einzelner Nachlassgegenstände ungewiss ist, etwa bei vererbten Unternehmen oder Grundstücken. Die Auskunft gestattet keine Nachprüfung, um den Wahrheitsgehalt erfüllter Informationen zu kontrollieren. Ausnahmen hiervon sind nur dort angezeigt, wo die Vorlage von Unterlagen bzw. Belegen erforderlich ist, damit der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch berechnen kann (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 10. September 2013 – 2 W 5/13 –, Rn. 43, juris; OLG Karlsruhe, Urteil vom 09. Dezember 2014 – 8 U 187/13 –, Rn. 24, juris m.w.N.). So liegt der Fall hier jedoch nicht. Die Kläger machen nicht geltend, den Wert einzelner Nachlassgegenstände nicht ermitteln zu können, sondern misstrauen den Angaben der Beklagten.
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Eine Pflicht zur Vorlage von Belegen im Rahmen des Streits um den Pflichtteil besteht vorliegend auch nicht ausnahmsweise unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Kläger bezweifeln die Korrektheit der Abrechnungen der Beklagten im Zusammenhang mit ihrer vor dem Tod der Erblasserin ausgeübten Betreuertätigkeit. Aus dem Zusammentreffen von Betreuereigenschaft und Alleinerbenstellung ergibt sich jedoch keine Pflicht zur Vorlage von Belegen, da die Überprüfung der Betreuungstätigkeit in dem dafür vorgesehenen betreuungsgerichtlichen Verfahren erfolgt und vorliegend auch ohne Beanstandungen erfolgt ist.
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Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war mangels vollstreckungsfähigem Tenor nicht angezeigt.
Annotations
(1) Ist der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe, so hat ihm der Erbe auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 vorzulegenden Verzeichnisses der Nachlassgegenstände zugezogen und dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird. Er kann auch verlangen, dass das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.
(2) Die Kosten fallen dem Nachlass zur Last.
(1) Wer verpflichtet ist, einen Inbegriff von Gegenständen herauszugeben oder über den Bestand eines solchen Inbegriffs Auskunft zu erteilen, hat dem Berechtigten ein Verzeichnis des Bestands vorzulegen.
(2) Besteht Grund zu der Annahme, dass das Verzeichnis nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden ist, so hat der Verpflichtete auf Verlangen zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass er nach bestem Wissen den Bestand so vollständig angegeben habe, als er dazu imstande sei.
(3) Die Vorschrift des § 259 Abs. 3 findet Anwendung.
(1) Ist der Pflichtteilsberechtigte nicht Erbe, so hat ihm der Erbe auf Verlangen über den Bestand des Nachlasses Auskunft zu erteilen. Der Pflichtteilsberechtigte kann verlangen, dass er bei der Aufnahme des ihm nach § 260 vorzulegenden Verzeichnisses der Nachlassgegenstände zugezogen und dass der Wert der Nachlassgegenstände ermittelt wird. Er kann auch verlangen, dass das Verzeichnis durch die zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.
(2) Die Kosten fallen dem Nachlass zur Last.
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.