Landgericht Hagen Urteil, 03. Juli 2015 - 9 O 379/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen einer behaupteten Verkehrssicherungspflichtverletzung in Anspruch.
3Die Beklagte betreibt in der F-Straße in XXX ein Ladenlokal.
4Der Eingangsbereich des Ladenlokals ist überdacht und mit Steinplatten ausgelegt. Auch vor diesem überdachten Eingangsbereich sind Gehwegplatten verlegt, die an die Platten zum überdachten Eingangsbereich angrenzen. Links neben dem Eingangsbereich befindet sich ein Treppenaufgang, der mit einer Betonmauer zu den Gehwegplatten und dem Q abgegrenzt ist. Zwischen dem Ende dieser Betonmauer und einem Betonpfeiler befindet sich ein Durchgang durch welchen man nach links hin den Treppenaufgang und nach rechts hin – hinter dem Betonpfeiler – den Eingang des Ladenlokals erreichen kann. Zwischen den Platten im Eingangsbereich und den Gehwegplatten des Q-Platz besteht eine Kante, die jedenfalls teilweise eine Höhendifferenz aufweist, deren konkretes Maß zwischen den Parteien streitig ist.
5Zwischen den Parteien ist ebenfalls streitig, ob der Kläger unter Benutzung dieses Durchgangs das Ladenlokal betreten wollte und aufgrund der Höhendifferenz zu Fall gekommen ist und sich hierbei verletzt hat.
6Das Universitätsklinikum Bergmannsheil führt in einem Schreiben vom 27.05.2013 an den den Kläger behandelnden Arzt aus, dass dieser in der Zeit vom 22.05.2013 bis zum 28.05.2013 dort stationär aufgenommen worden sei. Als Diagnose sei eine Oberarmschaftfraktur links mit Humeruskopfluxation gestellt worden. Zur Therapie wird ausgeführt, dass am 23.05.2013 eine Plattenosteosynthese linker Oberarm sowie eine osteosynthetische Schraubenversorgung des Glenoids und eine Neurolyse des Nervus radialis stattgefunden habe. Unter dem Stichwort „Anamnese“ wird sodann weiter ausgeführt, dass der Patient am 22.05.2013 auf dem Q bei Netto gestolpert und daraufhin gestürzt sei, wobei er sich die oben angegebene Verletzung zugezogen habe. Die Erstversorgung sei im evangelischen L gGmbH, Hagen erfolgt. Nach nativ-radiologischer Sicherung der oben angegebenen Frakturen sei die Verlegung in die Klinik Bergmannsheil zur weiteren Versorgung erfolgt.
7Als Aufnahmebefund wird sodann angegeben, dass der linke Oberarm in einer Kammerschiene ruhig gestellt sei bei Schwellung und Druckschmerz im Bereich des Oberarschaftes links. Bei nativ-gesicherter Fraktur erfolge die stationäre Aufnahme zur operativen Versorgung. Der postoperative Verlauf habe sich komplikationslos gestaltet. Für 6 Wochen sei das Bewegungsausmaß eingeschränkt.
8Der Kläger behauptet, er habe das Ladenlokal links von der zum Q gelegenen Betonsäule betreten wollen. Er sei an einer Kante zwischen den Plattensteinen, die in ihrem Verlauf einen Höhenunterschied zu den Platten von 1,8-3 cm aufweise, ins Straucheln gekommen und mit der linken Körperseite vor die dort befindliche Hauswand gestoßen.
9Die Platten wiesen die gleiche Farbgestaltung auf. Eine optische Abgrenzung liege zwar vor, da die Fläche im Eingangsbereich aber dunkler sei, sei die Kante hierdurch schlecht zu sehen und keinesfalls bestens zu erkennen. Sie könne auch nicht mit einem beiläufigen Blick bemerkt werden.
10Ein Mitverschulden sei ihm nicht zuzurechnen, er sei kein Anwohner und habe die Unfallörtlichkeit als Ortsunkundiger erstmalig aufgesucht.
11Aufgrund des Sturzes habe er eine Oberarmschaftfraktur links mit Humeruskopfluxation erlitten. Die Erstversorgung sei im evangelischen L GmbH erfolgt, er sei dann in das Universitätsklinikum Bergmanns Heil nach Bochum verlegt worden, wo
12eine Platten-Osteosynthese des linken Oberarmes sowie eine osteosynthetische Schraubenversorgung des Genozids und eine Neurolyse des Nervus radialis durchgeführt worden. Er habe sich in der Zeit vom 22.05.2013 bis zum 28.05.2013 stationär in dem Universitätsklinikum aufgehalten.; Er sei bis einschließlich September 2014 arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen.
13Der Kläger beantragt, |
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1. |
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld aus dem Vorfall vom 22.05.2013 zu zahlen und dieses ab dem 19.11.2013 mit 5%-Punkten über den Basiszinssatz für verzinslich zu erklären. |
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2. |
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sämtliche Folgeschäden des Klägers aus dem Ereignis vom 22.05.2013 zu ersetzen. |
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Die Beklagte beantragt, |
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die Klage abzuweisen. |
Die Beklagte meint, der Feststellungsantrag sei unzulässig und unbegründet, weil nach Ablauf von fast 2 Jahren davon auszugehen sei, dass die Verletzung des Klägers zwischenzeitlich verheilt sei.
15Sie bestreitet das gesamte Vorbringen des Klägers zu dem behaupteten Unfall mit Nichtwissen und widerspricht einer Parteivernehmung des Klägers.
16Die Platten, die im unmittelbaren Eingangsbereich des Ladenlokals verlegt seien, hätten eine dunkelgraue Farbe und würden sich von den hellgrauen Platten, die in dem anderen Bereich verlegt sein, abgrenzen. Zwischen den Gehwegplatten im Eingangsbereich und den übrigen angrenzenden Platten verlaufe eine leicht abschüssige Kante, die auf der gesamten Breite der in Rede stehenden Verkaufsstelle verlaufe. Es handele sich nicht um scharfkantige Niveauunterschiede, vielmehr liege eine nur geringfügige Absenkung von weniger als 2 cm an der Stelle des größten Niveauunterschiedes vor. Die Kante sei aufgrund der unterschiedlichen Platten verarmen bereits aus der Entfernung bestens zu erkennen. Dies gelte auch für den Fall, dass sich der Kläger zwischen der Treppe und der dort vorhandenen Säule genähert habe.
17Der Kläger müsse sich jedenfalls ein Mitverschulden anrechnen lassen, welches seinen Anspruch ausschließe. Er habe die Verkaufsstelle bereits häufig aufgesucht, er habe die örtlichen Gegebenheiten mit dem Niveauunterschied gekannt. Ein Überschreiten des höheren Versatzes sei für einen erwachsenen Menschen problemlos möglich gewesen
18Falls der Kläger tatsächlich gestürzt sei, so sei er gedankenverloren gestolpert. Die Folgen habe er dann aber ausschließlich allein zu tragen.
19Die Schmerzensgeldvorstellung des Klägers sei deutlich überhöht. Der Eingriff sei komplikationslos verlaufen. Gleiches gelte für den postoperativen Verlauf. Die Wohnverhältnisse hätten sich postoperativ reizlos gezeigt, so dass eine konservative Behandlung durch Einnahme von Schmerzmedikation erfolgen konnte.
20Irgendein Dauerschaden sei bei dem Kläger nicht ersichtlich. Es seien auch keine weiteren operativen Eingriffe erfolgt.
21Ein Schmerzensgeld in einer Größenordnung von allenfalls 5.000,00 EUR erscheine auch bei einer vollen Haftung angemessen und ausreichend.
22Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die überreichten Schriftsätze und die zu den Akten gelangten Unterlagen Bezug genommen.
23Entscheidungsgründe
24I.
25Die Klage ist zulässig.
26Der Feststellungsantrag ist zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist hier gegeben, Das Feststellungsverlangen ist bereits dann zulässig, wenn die bloße Möglichkeit von Zukunftsschäden besteht (vgl. nur BGH, NJW 1998, 160; BGH, NJW-RR 2007, 601). Diese Möglichkeit ist hier gegeben, weil der Kläger – wovon das Gericht aufgrund seiner persönlichen Anhörung und der Vorlage des Schreibens des Klinikums Bergmannsheil sicher überzeugt ist, eine Oberarmschaftfraktur erlitten hat, bei welcher etwa in Form einer später auftretenden Arthrose immer die Möglichkeit von Folgeschäden besteht.
27II.
28Die Klage ist aber nicht begründet.
291.
30Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB auf Zahlung eines Schmerzensgeldes.
31Die ohne Zweifel aufgrund eines Sturzes bei dem Kläger eingetretene Körperverletzung ist nicht durch ein Unterlassen der Beklagten verursacht worden. Diese hat keine Verkehrssicherungspflicht verletzt.
32Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass ein optimaler Straßenverlauf und der bestmögliche Zustand eines Weges oder einer der Allgemeinheit zugänglichen Verkehrsfläche von dem Verkehrssicherungspflichtigen gerade nicht geschuldet ist. Vielmehr muss der Benutzer die Verkehrsfläche so hinnehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet und sein Verhalten den gegebenen Verhältnissen anpassen (vgl. BGH vom 27. 10. 2005 - III ZR 176/04 - VersR 2005, 660). Der Verkehrssicherungspflichtige hat nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, für die ein echtes Sicherungsbedürfnis besteht und die im Rahmen der berechtigten Sicherheitserwartungen des in Betracht kommenden Verkehrs im Rahmen des wirtschaftlich Zumutbaren geeignet sind, Gefahren von den Verkehrsteilnehmern abzuwehren. Die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht dürfen dabei nicht überspannt werden. Denn im praktischen Leben kann und muss nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden. Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (BGH vom 6. 2. 2007 - VI ZR 274/05 - VersR 2007, 659 = NJW 2007, 1683).
33Bei Zugrundelegung dieses Maßstabes war der von dem Kläger behauptete Höhenunterschied von maximal 3 cm, der nur in einem kurzen Bereich des Durchgangs vorlag, nicht geeignet, ein Sicherungsbedürfnis hervorzurufen. Zwar geht die Rechtsprechung häufig davon aus, dass ab einer Höhendifferenz von 2,5 cm eine Verkehrssicherungspflicht ausgelöst wird. Hier bestand aber nur eine geringfügige Überschreitung dieser Höhendifferenz und dies auch nur in einem „kleinen“ Stück der Kante. Darüber hinaus wertet das Gericht gerade den engen Durchgang zwischen der Mauer, die die Treppe abgrenzt und der Betonsäule als „Warnung“ an den Benutzer sich besonders umsichtig zu verhalten.
34Letztlich kann dies aber dahin gestellt bleiben, da zur sicheren Überzeugung des Gerichts nicht feststeht, dass der Kläger gerade aufgrund der Höhendifferenz von maximal 3 cm am Rand der „Kante“ gestürzt ist. Aus der persönlichen Anhörung des Klägers folgt zwar ohne Zweifel, dass der Kläger gestürzt ist und sich hierbei verletzt hat. Es ist aber nicht sicher davon auszugehen, dass die Höhe der Kante gerade im äußerst rechten Bereich des Durchgangs – gesehen in Richtung auf das Gebäude – Ursache des Stolperns und des Sturzes war. Der Kläger hat – als er im Zusammenhang berichtet hat – nicht konkret angegeben, woran er mit dem Fuß hängengeblieben ist. Es bleibt sogar möglich, dass es gar nicht die streitgegenständliche Kante war, an der er hängengeblieben ist. Erst recht bleibt möglich, dass er nicht in dem Bereich der Kante „hängengeblieben“ ist, wo der Höhenunterschied mehr als 2,5 cm betrug. Erst nach Vorhalt eines Fotos und auf weiteren Vorhalt hat der Kläger angegeben, dass er am Ende der Mauer (gemeint ist die Mauer, die die Treppe abgrenzt) hängengeblieben und gestolpert ist. Es verbleiben unter diesen Umständen Zweifel, ob dies tatsächlich der Ort gewesen ist, an dem das Stolpern verursacht wurde.
352.
36Der Feststellungsantrag ist dann mangels Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz ebenfalls unbegründet.
37III.
38Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
39Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
40IV.
41Der Streitwert wird auf 8.500,00 EUR festgesetzt und setzt sich aus dem Wert des Schmerzensgeldantrages von 7.500,00 EUR und dem geschätzten Wert des Feststellungsantrages von 1.000,00 EUR zusammen.
42O2
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Urteil einreichenLandgericht Hagen Urteil, 03. Juli 2015 - 9 O 379/14 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).
(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.
BUNDESGERICHTSHOF
beschlossen:
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: 35.000 €.
Gründe:
I.
Die Klägerin verlangt vom beklagten Land im Wege der Teilklage Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Sie befuhr am 27. Dezember 2000 gegen 11.30 Uhr mit ihrem Pkw die Landesstraße L 3011 und kam in einem Streckenabschnitt, in dem zur damaligen Zeit häufig Verkehrsunfälle geschahen, aus ungeklärter Ursache von der Straße ab und prallte gegen einen an der Straßenböschung stehenden Baum. Die Klägerin hat infolge der unfallbedingten Verletzungen keine Erinne-
rungen an das Unfallgeschehen. Sie vermutet, daß sie in einer Rechtskurve der etwa 5,5 m breiten Landesstraße auf das Bankett geriet, das in diesem Abschnitt zum Teil abgebrochen ist und ca. 5 bis 8 cm tiefer als die Fahrbahn liegt. Sie führt den Unfall auf den nach ihrer Auffassung nicht ordnungsgemäßen Zustand der Straße bzw. des Banketts zurück. Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.
II.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 54 3 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
1. Inhalt und Umfang der Verkehrssicherungspflicht für Straßenbankette sind in der Rechtsprechung des Senats grundsätzlich geklärt. Auszugehen ist von der Regelung in § 2 Abs. 1 StVO, wonach dem Fahrzeugverkehr lediglich die Fahrbahn und nicht auch die anderen Teile des Straßenkörpers zur Verfügung stehen. Insbesondere sind nach § 2 Abs. 1 Satz 2 StVO Seitenstreifen nicht Bestandteil der Fahrbahn. Damit ist den Fahrzeugen jedoch nicht schlechthin jedes Verlassen der Fahrbahn verboten; vielmehr ist es immer - aber auch nur dann - erlaubt, wenn die Verkehrslage dies als eine sachgerechte und vernünftige Maßnahme erscheinen läßt. Ein Verlassen der Fahrbahn muß jedoch den jeweils gegebenen Verhältnissen entsprechend vorsichtig geschehen. Der Straßenbenutzer hat sich grundsätzlich den gegebenen Straßenverhältnissen anzupassen und die Straße so hinzunehmen, wie sie sich ihm erkennbar darbietet. Er hat deswegen keinen Anspruch darauf, daß Seitenstreifen so befestigt werden, daß sie ein Befahren im Rahmen von Über-
hol- und Ausweichmanövern mit unverminderter Geschwindigkeit erlauben würden (vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1959 - III ZR 67/58 - VersR 1959, 830, 831 f). Der Senat hat verschiedentlich ausgesprochen, daß auf Banketten nur mit einer der Verkehrssituation angepaßten Geschwindigkeit gefahren werden darf, was die Annahme ausschließt, ein Bankett müsse so eingerichtet sein, daß es mit der allgemein zulässigen Geschwindigkeit gefahrlos befahren werden könne (vgl. Senatsurteile vom 2. April 1962 - III ZR 14/61 - VersR 1962, 574, 576; vom 20. Februar 1964 - III ZR 181/62 - VersR 1964, 617, 618).
Die von der Beschwerde als rechtsgrundsätzlich angesehene Fr age, ob das Straßenbankett geeignet sein müsse, auch Fahrzeugen mit relativ hoher Geschwindigkeit ein sicheres Wiederauffahren auf die Fahrbahn zu ermöglichen , stellt sich in dieser Allgemeinheit nicht und ist für ein erkennbar unbefestigtes Bankett, wie es hier vorliegt, auf der Grundlage der angeführten Rechtsprechung des Senats zu verneinen. Soweit in jüngeren Entscheidungen geäußert worden ist, im Hinblick auf den verkehrstechnischen Zweck, abirrende Fahrzeuge zu sichern, gehöre es auch zur Funktion des Banketts, mit verhältnismäßig hoher Geschwindigkeit von der Fahrbahn abgekommenen Fahrzeugen ein möglichst sicheres Wiederauffahren auf die Fahrbahn zu ermöglichen, dies jedenfalls nicht unnötigerweise zu erschweren (in diesem Sinn etwa OLG Schleswig NZV 1995, 153; OLG Jena DAR 1999, 71, 72; vgl. auch Staudinger/ Hager, BGB, 13. Bearbeitung 1999, § 823 Rn. E 165), vermag der Senat dem - was den Aspekt der Geschwindigkeit angeht - für ein erkennbar unbefestigtes Bankett nicht zu folgen. Denn es liegt auf der Hand, daß ein unbefestigtes Bankett in unterschiedlicher Höhe Abbruchkanten zur Fahrbahn aufweisen wird, die es schon für sich betrachtet erschweren, ein von der Fahrbahn mit den Außenrädern abgekommenes Fahrzeug wieder ohne weiteres auf die Fahrbahn
zurückzulenken. Stellt sich die Situation daher nicht so dar, daß der Seitenstreifen ebenso wie die Fahrbahn befestigt erscheint, kann sich der Fahrzeugführer nicht darauf einstellen, diesen ebenso leicht und mit der zulässigen Geschwindigkeit befahren zu können. Wollte man unter diesen Umständen aus der Sicherungsfunktion des Banketts ableiten, das Fahrzeug müsse ohne jede Schwierigkeit auf den nächsten Metern wieder auf die Fahrbahn zurückgesteuert werden können, dürfte man unbefestigte Bankette praktisch nicht mehr zulassen. Eine solche Forderung wäre jedoch nicht nur aus finanziellen, sondern in vielen Fällen auch aus topographischen Gründen nicht erfüllbar.
2. Eine andere Frage ist, welche Toleranzen bei einem unbefestigten Bankett bestehen dürfen, ohne daß der Verkehrssicherungspflichtige zu einer Warnung der Verkehrsteilnehmer verpflichtet ist. Insoweit hat der Senat ausgesprochen , der Übergang von der Fahrbahn zum Bankett dürfe keine gefährlichen Höhenunterschiede aufweisen, an denen ein Fahrzeug hängenbleiben oder durch die es aus der Fahrbahn gerissen werden könne (Senatsurteile vom 16. Februar 1959 - III ZR 216/57 - VersR 1959, 435, 436; vom 6. Juli 1959 - III ZR 67/58 - VersR 1959, 830, 832). Der Senat hat in diesem Zusammenhang zum einen den Grundsatz betont, eine Warnung vor einem erkennbar unbefestigten Bankett sei nicht erforderlich (Urteil vom 15. Dezember 1988 - III ZR 112/87 - VersR 1989, 847, 848), andererseits ausgesprochen, da Höhenunterschiede zwischen Fahrbahn und Seitenstreifen bis zu 15 cm auch dem vorsichtigen Kraftfahrer, der bei einwandfreier Fahrweise den Seitenstreifen - sei es zum Überholen oder zum Ausweichen oder aus sonstigen diese Fahrweise rechtfertigenden Gründen - benutze, durch Hängenbleiben der Räder gefährlich werden könnten, dürfe eine Bundesstraße bei ordnungsmäßigem
Zustand derartige Höhenunterschiede zwischen Fahrbahn und Bankett nicht aufweisen, ohne daß der Verkehrsteilnehmer hiervor ausreichend gewarnt werde. Demgegenüber verlange die Verkehrssicherungspflicht nicht, auf einen Höhenunterschied von 6,8 cm hinzuweisen (Urteil vom 6. Juli 1959 aaO). Nach Auffassung des Senats veranlaßt auch eine Absatzkante, die sich nach den Feststellungen des Landgerichts auf 5 bis 8 cm belaufen hat, eine Warnung unter den hier gegebenen örtlichen Verhältnissen nicht. Ein Kraftfahrer, der - wie hier die Klägerin - eine Straße benutzt, die nur über einen minimalen Seitenstreifen verfügt, der erkennbar abgesenkt ist, muß seine Fahrweise so einrichten , daß er, falls er aus verkehrsbedingten Gründen das Bankett befahren muß, es nach Herabsetzung der Geschwindigkeit mit der gebotenen Vorsicht wieder verläßt. Steuert er - aus Schreck, Panik oder mangelnder Erfahrung - bei unverminderter Geschwindigkeit zu stark zurück, kann ihm auch schon ein geringer Höhenunterschied zum Verhängnis werden. Die für die Straßenverkehrssicherungspflicht Verantwortlichen wären überfordert, wenn sie dieses Risiko vollkommen ausschließen müßten.
3. Auf dieser Grundlage waren die Vorinstanzen nicht gehalten, dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens über den genaueren Verursachungsbeitrag des Banketts für den Unfall zu entsprechen.
Schlick Wurm Dörr
Galke Herrmann
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Ersatz des Brandschadens an einer Brücke.
- 2
- Die Brücke, deren Eigentümerin die Klägerin ist, ist Teil einer Bundesstraße. Unter der Brücke liegt der in der Gemeinde G. gelegene A-weg. Durch einen Wassergraben vom Weg getrennt, reicht eine gepflasterte Fläche bis ans Widerlager der Brücke. Die Fläche liegt einerseits stadtnah, da südlich ein Industriegebiet angrenzt, andererseits abgeschieden, da das einzige Wohnhaus in der Nähe zweihundert Meter entfernt ist und eine Sichtverbindung nicht besteht. An dem Widerlager der Brücke und an den Brückenpfeilern befinden sich mehrere Graffiti.
- 3
- Am Freitag, dem 27. Juni 2003, abends gegen 22.00 Uhr fuhr der Beklagte vom A-weg über einen in Sichtweite der Brücke gelegenen Steg und eine Wiese auf die gepflasterte Fläche und stellte dort drei landwirtschaftliche Anhänger mit zuvor eingefahrenem, aufgrund des Wetters sehr trockenem Heu in Ballen für die Nacht unter, denn es war Regen vorhergesagt. Die für Samstag, den 28. Juni 2003, vorgesehene Abfuhr verzögerte sich jedoch. Die drei nebeneinander stehenden Heuwagen gingen am Samstagabend gegen 23.00 Uhr in Flammen auf. Beim Eintreffen der Feuerwehr schlugen die Flammen bereits gegen die Brückenkonstruktion, auf deren Unterseite sich auf ca. dreißig Quadratmetern eine ungefähr fünf bis zehn Zentimeter dicke Betonschicht löste. Die Brücke und ein Streckenabschnitt wurden daraufhin bis zum 29. Juni 2003 um 14.30 Uhr für den gesamten Fahrzeugverkehr gesperrt. Die Höhe des Schadens ist zwischen den Parteien streitig. Die Brandursache konnte nicht geklärt werden.
- 4
- Die Zufahrt zu der gepflasterten Fläche unter der Brücke ist nach dem Brand durch Pfähle gesperrt worden.
- 5
- Das Landgericht hat die Klage auf Schadensersatz in Höhe von 36.993,85 € nebst Zinsen und auf Feststellung der Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz allen weiteren materiellen Schadens, welcher der Klägerin aus dem Brandschaden vom 27. Juni 2003 an dem Brückenbauwerk noch entstehen wird, abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
- 6
- Das Berufungsgericht hat Ansprüche der Klägerin auf Schadensersatz verneint.
- 7
- Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB bestehe nicht, weil dem Beklagten keine Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht zur Last falle. Die Gefahr einer fahrlässigen Inbrandsetzung des Heus durch Benutzer des A-weges oder durch die Brücke passierende Kraftfahrzeuginsassen, insbesondere durch achtloses Wegwerfen von Zigarettenkippen, sei an diesem Abstellort gering gewesen. Gleiches gelte für die Gefahr einer vorsätzlichen Inbrandsetzung. Der Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz, der Beklagte habe gewusst, dass der Platz unter der Brücke häufig von Jugendlichen als Treffpunkt benutzt werde, sei neu und bestritten und daher nicht zu berücksichtigen. Eine Selbstentzündung des Heus liege aufgrund dessen Trockenheit fern.
- 9
- § 8 Abs. 2a Satz 3 Bundesfernstraßengesetz (künftig: FStrG) könne nicht analog herangezogen werden; das Abstellen der Anhänger sei keine Sondernutzung , sondern stelle eine Benutzung der Bundesfernstraße gemäß § 8 Abs. 10 FStrG dar.
II.
- 10
- Die zulässige Revision der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.
- 12
- 2. Das Berufungsgericht hat auch einen Anspruch der Klägerin aus § 823 Abs. 1 BGB ohne Rechtsfehler verneint. Der Brand der mit Heu beladenen Anhänger hat zwar die im Eigentum der Klägerin stehende Brücke beschädigt. Für diese Eigentumsverletzung war das Handeln des Beklagten ursächlich. Der Beklagte hätte jedoch nur dann für die Schädigung einzustehen, wenn er pflichtwidrig gehandelt hätte, als er die mit Heu beladenen Anhänger unter der Brücke abstellte (vgl. Staudinger/Hager, 13. Bearbeitung 1999, § 823 Rn. A 9 f. und E 2 ff.; Soergel/Spickhoff, BGB, 13. Aufl., Vor § 823 Rn. 17 und § 823 Rn. 12 f.; Spindler in: BeckOK BGB, § 823 Rn. 10; Raab, JuS 2002, 1041, 1048). Das ist hier jedoch nicht der Fall.
- 13
- a) Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht hat das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler verneint.
- 14
- Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern (vgl. etwa Senat, Urteile vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - VersR 2002, 247, 248; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - VersR 2003, 1319; vom 5. Oktober 2004 - VI ZR 294/03 - VersR 2005, 279, 280 und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - VersR 2006, 233, 234, - jeweils m.w.N.). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen , die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen (vgl. Senat, Urteile vom 16. September 1975 - VI ZR 156/74 - VersR 1976, 149, 150; vom 19. Dezember 1989 - VI ZR 182/89 - aaO).
- 15
- Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden , wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt , ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Haftungsbegründend wird eine Gefahr daher erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden (vgl. Senatsurteil vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO m.w.N.). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senat, Urteile vom 10. Oktober 1978 - VI ZR 98/77 - und - VI ZR 99/77 - VersR 1978, 1163, 1165; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senat, Urteile vom 16. Februar 1972 - VI ZR 111/70 - VersR 1972, 559, 560; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO und vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise - hier: der Verkehrsteilnehmer - für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier: der Eigentümer angrenzender Bauwerke - vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (vgl. Senat, Urteile vom 12. Februar 1963 - VI ZR 145/62 - VersR 1963, 532; vom 19. Mai 1967 - VI ZR 162/65 - VersR 1967, 801; vom 4. Dezember 2001 - VI ZR 447/00 - aaO; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - VersR 2006, 1083).
- 16
- Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen , aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden , so muss der Geschädigte - so hart dies im Einzelfall sein mag - den Schaden selbst tragen (vgl. Senat, Urteile vom 15. April 1975 - VI ZR 19/74 - VersR 1975, 812; vom 15. Juli 2003 - VI ZR 155/02 - aaO; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO und vom 16. Mai 2006 - VI ZR 189/05 - aaO).
- 17
- b) Nach diesen Grundsätzen war der Beklagte nicht aus Gründen der Verkehrssicherungspflicht gehalten, vom Abstellen der mit Heu beladenen Anhänger unter der Brücke abzusehen.
- 18
- aa) Das Unterstellen der mit Heu beladenen Anhänger war - anders als in den den Entscheidungen OLG München (VersR 1974, 443 f.) und LG Mannheim (NJW-RR 1997, 921, 922) zugrunde liegenden Fällen - weder gesetzlich noch behördlich wegen möglicher Gefahren für die Brücke untersagt.
- 19
- bb) Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler in tatrichterlicher Würdigung des Sachvortrags der Parteien verneint, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergeben habe, es könnten Rechtsgüter anderer verletzt werden. Das wäre jedoch nach den dargestellten Grundsätzen Voraussetzung für die Annahme einer Verkehrssicherungspflicht.
- 20
- (1) Zwar ist nicht auszuschließen, dass untergestellte, mit Heu beladene Anhänger objektiv eine Gefahrenquelle sein können, weil Heu grundsätzlich leicht entzündbar ist (vgl. etwa OLG Oldenburg, r+s 1999, 162 f.; OLG Hamm, NZV 1997, 309). Es ist revisionsrechtlich aber nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht unter den Umständen des konkreten Falles angenommen hat, für ein sachkundiges Urteil habe vorausschauend die Gefahr einer Verletzung von Rechtsgütern durch einen Brand der für zwei Nächte untergestellten Heuanhänger nicht nahe gelegen.
- 21
- Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Parteien vor dem Tatrichter angenommen, dass die Gefahr einer Selbstentzündung des Heus aufgrund der Trockenheit des Materials fern liegend war. Das beanstandet die Revision vergeblich als widersprüchlich. Allein dadurch, dass das Berufungsgericht die Realisierung der fernliegenden Möglichkeit einer Brandstiftung nicht ausschließen konnte, wurde diese nicht zu einer nahe liegenden Möglichkeit, deren Verwirklichung hätte verhindert werden müssen.
- 22
- (2) Fern lag grundsätzlich auch die Gefahr einer Selbstentzündung der Anhänger (vgl. OLG München, NZV 1996, 199, 200).
- 23
- (3) Das Berufungsgericht hat auch die Gefahr eines fahrlässigen InBrand -Setzens des Heus durch Dritte als nicht nahe liegend angesehen. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht in tatrichterlicher Würdigung aufgrund der Besonderheiten der Örtlichkeit für unwahrscheinlich hält, dass auf dem A-weg oder auf der Bundesstraße achtlos weggeworfene brennende oder glühende Zigarettenstummel oder sonstige Gegenstände bis zu den Anhängern gelangten. Übergangener Vortrag oder sonstige Umstände, die einer solchen Würdigung entgegenstünden, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Revision nicht aufgezeigt.
- 24
- (4) Die Gefahr einer vorsätzlichen Brandstiftung hat das Berufungsgericht aufgrund der Abgelegenheit der Örtlichkeit als vernachlässigbar angesehen. Das begegnet revisionsrechtlich keinen Bedenken, da entsprechende Vorgänge für diese Örtlichkeit bisher nicht bekannt waren (vgl. OLG Oldenburg, r+s 2001, 107, 108; Wussow/Hemmerich-Dornick, UHR, 15. Aufl., Kap. 3 Rn. 75). Die Revision zeigt keine Umstände auf, denen der Tatrichter eine Pflicht des Beklagten hätte entnehmen müssen, aus dem Vorhandensein von - auch sonst häufigen - Graffiti gegenteilige Schlüsse zu ziehen.
- 25
- (5) Erfolglos verweist die Revision auf den Grundsatz, dass typischen Gefahren, auch wenn sie selten eintreten, um so eher zu begegnen ist, je gewichtiger die drohenden Schäden sind (vgl. Senat, Urteile vom 17. Oktober 1989 - VI ZR 258/88 - VersR 1989, 1307; vom 8. November 2005 - VI ZR 332/04 - aaO, 235 - je m.w.N.; vgl. auch Steffen, VersR 1980, 409, 411; Staudinger /Hager aaO, § 823 Rn. E 27). Die Revision zeigt jedoch nicht auf, dass die Gefahr einer Entzündung des Heus mit der Folge eines erheblichen Sachschadens an der Brücke und einer Verkehrsbehinderung typisch gewesen wäre. Zudem war die Verwirklichung einer solchen Gefahr innerhalb von nur zwei Tagen des Unterstellens wenig wahrscheinlich.
- 26
- cc) Den weitergehenden und mit Parteivernehmung des Beklagten unter Beweis gestellten Vortrag der Klägerin in der Berufungsinstanz, auch neben den Anhängern habe Heu herumgelegen, hat das Berufungsgericht als verspätet nicht zugelassen (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO). Gleiches gilt für das weitere Vorbringen der Klägerin, der Beklagte habe gewusst, dass die Fläche häufig von Jugendlichen als Treffpunkt genutzt werde. Entgegen der Ansicht der Revision ist hierin keine unzulässig vorweggenommene Beweiswürdigung und kein Verstoß gegen § 286 ZPO, sondern eine aus Rechtsgründen nicht zu beanstandende Zurückweisung verspäteten Vortrags zu sehen. Die Voraussetzungen für eine Parteivernehmung des Beklagten (§ 448 ZPO) lagen deshalb nicht vor.
- 27
- 3. Der Klägerin steht auch kein Ersatzanspruch aus § 8 Abs. 2a Satz 3 FStrG zu. Nach dieser Bestimmung hat bei Sondernutzung einer Bundesstraße der Erlaubnisnehmer alle Kosten zu ersetzen, die dem Träger der Straßenbaulast durch die Sondernutzung entstehen; zu diesen zählen grundsätzlich auch die Kosten für die Beseitigung von Schäden (vgl. Grupp in: Marschall/Schroeter /Kastner, FStrG, 5. Aufl., § 8 Rn. 35).
- 28
- a) Die Bestimmung des § 8 Abs. 2a Satz 3 FStrG spricht schon nach ihrem Wortlaut nicht von einem Nutzer, sondern von einem Erlaubnisnehmer, und setzt deshalb nicht (nur) eine Sondernutzung voraus, sondern auch eine dafür erteilte Erlaubnis. Fehlt diese - wie vorliegend -, dann bestehen bei Beschädigung einer Bundesstraße keine (vertragsähnlichen) Schadensersatzansprüche nach dem Bundesfernstraßengesetz, sondern nur solche nach den allgemeinen Vorschriften.
- 29
- b) Hier lag auch keine Sondernutzung (§ 8 Abs. 1 FStrG) vor. Eine solche wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn die Nutzung der Bundesstraße über den Gemeingebrauch (§ 7 FStrG) hinaus erfolgte (§ 8 Abs. 1 Satz 1 FStrG) und dieser beeinträchtigt würde oder werden könnte (vgl. Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 7. Aufl., S. 795, 800). Das ist hier nicht der Fall.
- 30
- Die Nutzung von Flächen außerhalb der Verkehrsfläche richtet sich regelmäßig gemäß § 8 Abs. 10 FStrG ausschließlich nach bürgerlichem Recht (Grupp aaO, § 8 Rn. 46; Pradel, Entstehung und Entwicklung des Bundesfernstraßenrechts , Dissertation 2003, Seite 132 ff.). Eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 2a FStrG in solchen Fällen scheidet - entgegen der Ansicht der Revision - mangels einer gesetzlichen Regelungslücke aus.
- 31
- c) Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Fläche unter der Brücke wegerechtlich Teil der Bundesfernstraße ist (vgl. § 1 Abs. 4 FStrG), was der Beklagte bestreitet. Nicht nachgegangen werden muss auch dem Vortrag des Beklagten, der hier in Rede stehende Platz sei über eine seit Jahren gebildete Zuwegung frei zugänglich gewesen. Träfe dies zu, könnte es sich - selbst wenn es sich wegerechtlich nicht um eine öffentliche Verkehrsfläche handelte - um eine Fläche handeln, die jedenfalls tatsächlich der Allgemeinheit zum Verkehr offen stand und auf der verkehrsrechtlich die StVO gelten würde (vgl. Grupp aaO, § 1 Rn. 12; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl., § 1 StVO Rn. 13).
- 32
- Soweit nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts unter Beachtung dieser Rechtslage nicht auszuschließen ist, dass die Benutzung einer in fremdem Eigentum stehenden Fläche außerhalb des Verkehrsraumes ohne eine Erlaubnis durch den Träger der Straßenbaulast (vgl. Grupp aaO, § 8 Rn. 46 a. E) pflichtwidrig gewesen sein könnte, bedürfen die damit zusammenhängenden Fragen unter den Umständen des Streitfalles keiner abschließenden Entscheidung.
Pauge Zoll
Vorinstanzen:
LG Münster, Entscheidung vom 28.04.2005 - 14 O 40/05 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 19.10.2005 - 13 U 110/05 -
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.