Landgericht Freiburg Beschluss, 20. Juli 2010 - 4 T 133/10

bei uns veröffentlicht am20.07.2010

Tenor

Die Beschwerde der Bevollmächtigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Lörrach vom 27.04.2010 - XVII 7918 - wird zurückgewiesen.

Gründe

 
I.
Die Bevollmächtigte ist die Tochter der Betroffenen. Am 03.07.2004 hat ihr die Betroffene eine Vorsorgevollmacht (As.7 f.) erteilt. Diese Vorsorgevollmacht enthält unter anderem die Befugnis zur Aufenthaltsbestimmung und zur Einwilligung in freiheitsbeschränkende und -entziehende Maßnahmen.
Die Betroffene ist Bewohnerin des Pflegeheims M. in W. am Rhein. Mit Beschluss vom 16.10.2006 (As. 33) genehmigte das Amtsgericht Lörrach erstmals die Unterbringung der Betroffenen in einer beschützenden Abteilung des Pflegeheims bis längstens 15.10.2008.
Mit Schreiben vom 17.08.2009 (As. 51) beantragte die Bevollmächtigte die betreuungsgerichtliche Genehmigung eines Bettgitters (Bettseitenteil), eines Bauchgurts am Bett, eines Gurtes am Stuhl sowie des Abschließens des Zimmers zum Eigenschutz.
Mit weiterem Schreiben vom 12.10.2009 (As. 53) beantragte die Bevollmächtigte die Verlängerung der betreuungsgerichtlichen Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen in einer beschützenden Abteilung des Pflegeheims.
Die Heimärztin Dr. P. diagnostizierte in ihrem ärztlichen Zeugnis vom 15.10.2009 (As. 55 f.) bei der Betroffenen eine senile Demenz und befürwortete deren geschlossene Unterbringung und die Anbringung eines Bettgitters.
Der Sachverständige Dr. R. diagnostizierte in seinem Gutachten vom 15.03.2010 (As. 63 f.) bei der Betroffenen ein schweres dementielles Syndrom und befürwortete eine Unterbringung der Betroffenen, da diese komplett verwirrt, desorientiert und gleichzeitig wiederholt unruhig sei.
Die Betroffene wurde am 26.04.2010 durch das Amtsgericht Lörrach persönlich angehört. Auf das Anhörungsprotokoll (As. 87) wird verwiesen.
Mit Beschluss vom 27.04.2010 (As. 81 f.) erteilte das Amtsgericht Lörrach die betreuungsgerichtliche Genehmigung der Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 26.04.2012 sowie die Sicherung der Betroffenen mit einem Bettgitter sowie einem Bauchgurt am Bett und Stuhl. Dagegen wurde die Genehmigung der freiheitsbeschränkenden Maßnahme „Abschließen des Zimmers“ abgelehnt.
Mit Schreiben vom 07.05.2010 (As. 105) legte die Bevollmächtigte gegen die Ablehnung einer Genehmigung des Abschließens des Zimmers der Betroffenen Beschwerde ein und führte aus, dass das Zimmer der Betroffenen abgeschlossen sein müsse, wenn diese nachts im Bett fixiert werde.
10 
Mit Beschluss vom 08.06.2010 (As.111) half das Amtsgericht Lörrach der Beschwerde der Bevollmächtigten nicht ab und legte die Akten dem Beschwerdegericht vor.
11 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
12 
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
13 
Das Amtsgericht Lörrach hat im Ergebnis zu Recht die betreuungsgerichtliche Genehmigung des Abschließens des Zimmers abgelehnt.
14 
Das Amtsgericht Lörrach hat in dem nicht angefochtenen Teil des Beschlusses vom 27.04.2010 die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung gemäß § 1906 Abs. 1, Abs. 5 BGB betreuungsgerichtlich genehmigt. Diese Genehmigung erfasst bereits von Gesetzes wegen auch sogenannte unterbringungsähnliche Maßnahmen. Diese bedürfen gemäß § 1906 Abs. 4 BGB nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut nur der gerichtlichen Genehmigung, wenn der Betroffene nicht untergebracht ist.
15 
Der eindeutige Wortlaut des Gesetzes, der trotz der Diskussionen in Rechtsprechung und Literatur bei den erfolgten Änderungen des Betreuungsrechts unangetastet geblieben ist sowie der Wille des Gesetzgebers, der nur Fixierungen im offenen Vollzug regeln wollte, verbietet eine andere Auslegung der Vorschrift (vgl. BT-Drucksache 11/4528 S.148f.).
16 
Auch aus verfassungsrechtlichen Gründen ist eine gesonderte Genehmigung unterbringungsähnlicher Maßnahmen bei bereits betreuungsgerichtlich untergebrachten Betroffenen nicht geboten (vgl. Palandt/Diederichsen, BGB, 69. Aufl., § 1906 Rn. 34 m.w.N., Klüsener/Rausch NJW 1993, 617 (623), a.A. OLG Düsseldorf Beschluss vom 29.07.1994 - 3 Wx 406/94 - Rn. 35 zitiert nach juris unter Verweis auf BayObLG Beschluss vom 06.05.1993 - 3Z BR 79/93 - Rn. 6-8 zitiert nach juris, MüKo/Schwab, BGB, 5. Aufl. § 1906 Rn. 47, Dodegge MDR 1992, 437). Nach Art. 104 Abs.2 GG hat der Richter über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung zu entscheiden. Diesem verfassungsrechtlichen Richtervorbehalt ist mit der Genehmigung der Unterbringung nach § 1906 Abs.1, Abs. 5 BGB genüge getan, denn Art. 104 Abs. 2 GG gebietet nicht zwingend auch eine richterliche Entscheidung über Einzelmaßnahmen innerhalb des Vollzugs (vgl. BVerfGE 2, 118 sowie §§ 88 Abs.1, 2 Nr. 6, 91, 156 Abs. 3 StVollzG).
17 
Aber selbst wenn man mit der Gegenmeinung eine gesonderte betreuungsgerichtliche Genehmigung nach § 1906 Abs.4 BGB für Maßnahmen erforderlich hält, die in ihrer freiheitsbeschränkenden bzw. -entziehenden Wirkung über das mit einer Unterbringung einhergehende normale Maß hinausgehen, ist im vorliegenden Fall eine zusätzliche Genehmigung nicht geboten, da ein solches Übermaß jedenfalls nicht bei einem nächtlichen Abschließen des Zimmers einer bereits am Bett fixierten Betroffenen gegeben ist (vgl. auch Bieg/Jaschinski, jurisPK-BGB, Band 4, Rn. 67 m.w.N.).
III.
18 
Das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 131 Abs.5 Satz 1 KostO gebührenfrei.
19 
Eine Überbürdung von Auslagen ist nach den Grundsätzen der §§ 84, 337 FamFG nicht geboten.

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Referenzen - Gesetze

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 84 Rechtsmittelkosten


Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 104


(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden. (2) Über die Zuläss

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 2 Aufgaben des Vollzuges


Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.

Strafvollzugsgesetz - StVollzG | § 88 Besondere Sicherungsmaßnahmen


(1) Gegen einen Gefangenen können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach seinem Verhalten oder auf Grund seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maß Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen ode

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 337 Kosten in Unterbringungssachen


(1) In Unterbringungssachen kann das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen, wenn eine Unterbringungsmaßnahme nach § 312 Nummer 1 bis 3

Referenzen

(1) Die Freiheit der Person kann nur auf Grund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen beschränkt werden. Festgehaltene Personen dürfen weder seelisch noch körperlich mißhandelt werden.

(2) Über die Zulässigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden. Bei jeder nicht auf richterlicher Anordnung beruhenden Freiheitsentziehung ist unverzüglich eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Die Polizei darf aus eigener Machtvollkommenheit niemanden länger als bis zum Ende des Tages nach dem Ergreifen in eigenem Gewahrsam halten. Das Nähere ist gesetzlich zu regeln.

(3) Jeder wegen des Verdachtes einer strafbaren Handlung vorläufig Festgenommene ist spätestens am Tage nach der Festnahme dem Richter vorzuführen, der ihm die Gründe der Festnahme mitzuteilen, ihn zu vernehmen und ihm Gelegenheit zu Einwendungen zu geben hat. Der Richter hat unverzüglich entweder einen mit Gründen versehenen schriftlichen Haftbefehl zu erlassen oder die Freilassung anzuordnen.

(4) Von jeder richterlichen Entscheidung über die Anordnung oder Fortdauer einer Freiheitsentziehung ist unverzüglich ein Angehöriger des Festgehaltenen oder eine Person seines Vertrauens zu benachrichtigen.

(1) Gegen einen Gefangenen können besondere Sicherungsmaßnahmen angeordnet werden, wenn nach seinem Verhalten oder auf Grund seines seelischen Zustandes in erhöhtem Maß Fluchtgefahr oder die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr des Selbstmordes oder der Selbstverletzung besteht.

(2) Als besondere Sicherungsmaßnahmen sind zulässig:

1.
der Entzug oder die Vorenthaltung von Gegenständen,
2.
die Beobachtung auch mit optisch-elektronischen Einrichtungen,
3.
die Absonderung von anderen Gefangenen,
4.
der Entzug oder die Beschränkung des Aufenthalts im Freien,
5.
die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände und
6.
die Fesselung.

(3) Maßnahmen nach Absatz 2 Nr. 1, 3 bis 5 sind auch zulässig, wenn die Gefahr einer Befreiung oder eine erhebliche Störung der Anstaltsordnung anders nicht vermieden oder behoben werden kann.

(4) Bei einer Ausführung, Vorführung oder beim Transport ist die Fesselung auch dann zulässig, wenn aus anderen Gründen als denen des Absatzes 1 in erhöhtem Maß Fluchtgefahr besteht.

(5) Besondere Sicherungsmaßnahmen dürfen nur soweit aufrechterhalten werden, als es ihr Zweck erfordert.

Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel). Der Vollzug der Freiheitsstrafe dient auch dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten.

Das Gericht soll die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Beteiligten auferlegen, der es eingelegt hat.

(1) In Unterbringungssachen kann das Gericht die Auslagen des Betroffenen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, ganz oder teilweise der Staatskasse auferlegen, wenn eine Unterbringungsmaßnahme nach § 312 Nummer 1 bis 3 abgelehnt, als ungerechtfertigt aufgehoben, eingeschränkt oder das Verfahren ohne Entscheidung über eine Maßnahme beendet wird.

(2) Wird ein Antrag auf eine Unterbringungsmaßnahme nach den Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker nach § 312 Nummer 4 abgelehnt oder zurückgenommen und hat das Verfahren ergeben, dass für die zuständige Verwaltungsbehörde ein begründeter Anlass, den Antrag zu stellen, nicht vorgelegen hat, hat das Gericht die Auslagen des Betroffenen der Körperschaft aufzuerlegen, der die Verwaltungsbehörde angehört.