Landgericht Dortmund Urteil, 07. Juli 2016 - 2 S 51/15
Gericht
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts
Hamm vom 04.11.2015 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger nach einem Streitwert von 4.631,35 €.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2I.
3Der Kläger nimmt die Beklagte als Privathaftpflichtversicherung auf Erstattung der von ihm bezahlten Reparaturkosten eines Motorschadens eines ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten, geleasten Pkw VW Polo in Anspruch.
4Der Motorschaden entstand durch eine Falschbetankung mit Super E 10 statt mit Diesel.
5Das Amtsgericht hat die Klage mit Urteil vom ##.##.2015 gestützt auf die „Benzinklausel“ in A.I.3. BBR abgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er meint, eine Falschbetankung unterfalle nicht der „Benzinklausel“.
6Der Kläger beantragt,
7das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.631,35 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2014 zu zahlen und die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 564,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Klage zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil und den Inhalt der Akten verwiesen.
11II.
12Die Klage und die Berufung sind nicht begründet.
13Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen versicherungsvertraglichen Anspruch auf Zahlung von 4.631,35 €, weil die Voraussetzungen der Ausschlussklausel A.I.3.a BBR erfüllt sind.
14Diese s.g. „Benzinklausel“ ist so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer diese Bestimmung bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges verstehen muss.
15Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit – auch – auf seine Interessen an. Als Ausschlussklausel ist die Benzinklausel grundsätzlich eng und nicht weiter auszulegen, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise erfordert. Denn der durchschnittliche Versicherungsnehmer braucht nicht damit zu rechnen, dass er Lücken im Versicherungsschutz hat, ohne dass ihm diese hinreichend verdeutlicht werden (BGH IV ZR 120/05 – Urteil vom 13.12.2006, Rd. 8).
16Die Benzinklausel nimmt vom Versicherungsschutz die Haftpflicht des Eigentümers, Besitzers, Halters oder Führers eines Kraftfahrzeuges wegen Schäden aus, „die durch den Gebrauch des Fahrzeugs….verursacht werden.“ Es muss sich also eine Gefahr verwirklicht haben, die dem Fahrzeuggebrauch eigen, diesem selbst oder unmittelbar zuzurechnen ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Gefahr von der Art des Fahrzeuggebrauchs oder aber beim Gebrauch vom Fahrzeug selbst ausgeht. Entscheidend ist aus der Sicht des verständigen Versicherungsnehmer vielmehr, dass der Anwendungsbereich der Klausel dann und nur dann eröffnet sein soll, wenn sich Gebrauchsrisiko gerade des Kraftfahrzeuges verwirklicht und zu einem Schaden geführt hat (BGH IV ZR 120/05, Urteil vom 13.12.2006 Rd. 9).
17Die „Benzinklausel“ gelangt deshalb nur dann nicht zur Anwendung, wenn sich unter Beteiligung eines Kraftfahrzeuges ein Risiko verwirklicht, dass sich bei verständiger Betrachtung nicht als Gebrauchtsrisiko des Fahrzeugs darstellt und deshalb auch in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung überhaupt nicht versichert werden konnte (BGH IV a ZR 161/87, Urteil vom 14.12.1988 = Versicherungsrecht 1989, 243). Umgekehrt folgt aus der Versagung des Versicherungsschutzes in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, etwa aufgrund eines Risikoausschlusses, nicht ohne Weiteres, dass der Schaden deshalb in den Bereich der Privathaftpflichtversicherung fällt, weil ansonsten eine Deckungslücke bestünde. Der Gedanke der Lückenlosigkeit des Versicherungsschutzes ist nämlich missverstanden, wenn ein der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zuzuordnendes, dort aber ausgeschlossenes Risiko deshalb als von der Privathaftpflichtversicherung gedeckt angesehen würde, weil nach der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung Deckungsschutz nicht zu erreichen ist (BGH, IV ZR 257/90, Urteil vom 16.10.1991 = Versicherungsrecht 1992, 47). Denn der Zweck der Klausel, lückenlosen Deckungsschutz zu gewähren, gebietet es, diejenigen Personen, die in der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung überhaupt keinen Versicherungs-schutz erlangen können, nicht unter den Ausschluss fallen zu lassen, nicht jedoch, ein der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zuzuordnendes, dort aber ausgeschlossenes Risiko, deshalb als von der Privathaftpflichtversicherung gedeckt anzusehen, weil nach der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung Deckungsschutz nicht zu erreichen ist (Beckmann/Matuschke-Beckmann Versicherungshandbuch, 3. Auflage 2015, § 24 Rd. 102). Zum Deckungsbereich der Kraftfahrzeughaftpflicht-versicherung und nicht der Privathaftpflichtversicherung zählen demnach diejenigen Schadensfälle, die mit dem Fahrzeuggebrauch in einem inneren Zusammenhang stehen (BGH IV a ZR 161/87, Urteil vom 14.12.1988 = Versicherungsrecht 1989, 243).
18Nach diesen Grundsätzen sind Schäden, die dem Be- und Entladen, und dazu zählt auch die Betankung, dem Gebrauch des Fahrzeuges und damit der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung zuzuordnen. Die Versorgung eines Kraftfahrzeuges mit den für die Fortsetzung der Fahrt notwendigen Betriebsmitteln gehört zu den Bedienungsvorgängen. Die Wahl des falschen Kraftstoffs erweist sich daher als Bedienungsfehler, der gleich nach dem Neustart die Beschädigung der Motorteile herbeigeführt hat (BGH IV ZR 322/02, Urteil vom 25.06.2003, Rd. 12, BGH IV ZR 243/92, Urteil vom 27.10.1993 = Versicherungsrecht 1994, 83, KG Berlin 6 U 13/11, Urteil vom 02.12.2011 Rd. 12, Beckmann/Matuschke-Beckmann, Versicherungshandbuch 3. Auflage 2015 § 24 Rd. 102 a, Prölss/Martin, 29. Auflage, 220, Ziffer 3 BBPHV Rd. 12).
19Die abweichende Mindermeinung von Prof. T2 teilt die Kammer nicht.
20Die Klage und die Berufung sind daher nicht begründet.
21Die Berufung war daher mit der Kostenfolgt des § 97 ZPO abzuweisen.
22Die Revision war nicht zugelassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2 ZPO bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Reichweite der „Benzinklausel“ ist durch die oben genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes und des Kammergerichtes geklärt.
Annotations
(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.
(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.
(3) (weggefallen)