Landgericht Detmold Anerkenntnisurteil, 31. Jan. 2014 - 10 S 133/13
Tenor
Die Kosten des Verfahrens werden den Verfügungsbeklagten
als Gesamtschuldnern nach einem Gegenstandswert von bis
zu 5.000,-- € auferlegt.
1
I.
3Der Verfügungskläger hat im Wege der einstweiligen Verfügung von den Verfügungsbeklagten Folgendes begehrt:
4Die Verfügungsbeklagten haben es sofort zu unterlassen, das Grundstück H2 in S zu betreten und/oder für die Ausführung von Bauarbeiten an dem Hausgrundstück H3, insbesondere das Aufstellen eines Baugerüstes und/oder das Lagern von Werkzeugen und/oder Baumaterialien zu nutzen.
5Weiterhin hat er beantragt, die Verfügungsbeklagten zu verurteilen, das auf dem Grundstück H-Straße errichtete Baugerüst sofort zu entfernen.
6In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 20.06.2013 haben die Verfügungsbeklagten zu Protokoll des Amtsgerichts folgenden Widerantrag gestellt:
7Der Verfügungskläger hat es zu dulden, dass die Verfügungsbeklagten das Grundstück H-Straße im Zwischenbereich zwischen H-Straße und H in S betreten, um dort die Bauarbeiten an dem Hausgrundstück H durchzuführen. Hierbei sind insbesondere das Aufstellen eines Baugerüstes sowie das Lagern von Werkzeugen und/oder Baumaterialen in dem genannten Bereich zu dulden.
8Der Verfügungskläger hat es zu dulden und sicher zu stellen, dass die Verfügungsbeklagten den Bereich zwischen H und H-Straße in S für oben genannte Arbeiten betreten können, wobei dieses Betretungsrecht einen Monat ab Ermöglichung des Zugangs durch den Antragsschuldner ab heute bestehen soll. Hierfür ist das Tor zwischen den beiden Grundstücken zu öffnen, wobei es den Verfügungsbeklagten auch nachzulassen ist, den oben genannten Bereich früher zu betreten.
9Für jeden Verstoß gegen die vorstehende Verpflichtung sollte dem Verfügungskläger ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu 250.000,00 Euro je Einzelfall angedroht werden.
10Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien I. Instanz wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils wird Bezug genommen.
11Das Amtsgericht hat durch ein am 20.06.2013 verkündetes Urteil den Antrag des Verfügungsklägers auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 11.06.2013 zurückgewiesen und dem Widerantrag der Verfügungsbeklagten entsprochen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass zwar die Nutzung des klägerischen Grundstücks durch die Verfügungsbeklagten eine Beeinträchtigung im Sinne des § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB darstelle, der Verfügungskläger diese jedoch zu dulden habe, da die Verfügungsbeklagten vorliegend das Hammerschlags- und Leiterrecht nach den §§ 24 ff. NachbG NRW berechtigterweise ausübten bzw. beabsichtigten, dies zu tun. Die Gegenanträge der Verfügungsbeklagten seien zulässig und begründet. Zwar lasse sich die Zulassung eines wie die Widerklage zu behandelnden Gegenverfügungsantrages grundsätzlich nicht damit vereinbaren, dass das Eilverfahren auf eine schnelle Entscheidung angelegt und insbesondere eine Vertagung der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen sei. Dieser Grundsatz gelte jedoch dann nicht, wenn der Sinn und Zweck des Verfahrens nicht gefährdet wäre, was hier der Fall sei. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen des Hammerschlags-und Leiterrechts nach den §§ 24 ff. NachbG NRW vor.
12Gegen dieses Urteil, das dem Verfügungskläger am 11.07.2013 zugestellt worden ist, hat er mit einem am 17.07.2013 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese begründet.
13Der Verfügungskläger macht im Wesentlichen geltend, dass er keinerlei Gelegenheit gehabt habe, auf den erst am Ende der mündlichen Verhandlung vom 20.06.2013 gestellten Widerklageantrag substantiiert zu erwidern. Insbesondere sei er erstmals in der mündlichen Verhandlung mit einem angeblich am 13.03.2013 in den nicht beschrifteten Briefkasten an dem leer stehenden Hausgrundstück H2 eingelegten Brief konfrontiert worden. Er habe das streitgegenständliche Schriftstück vom 13.03.2013 in dem Briefkasten nicht vorgefunden. Zu Unrecht gehe das Amtsgericht davon aus, dass ein Zugang gem. § 16 NachbG NRW wirksam erfolgt sei. Darüber hinaus verkenne das Amtsgericht auch die Voraussetzungen des § 24 NachbG NRW.
14Nachdem die Bauarbeiten mittlerweile abgeschlossen sind und das streitgegenständliche Gerüst unstreitig abgebaut worden ist, haben die Parteien den Rechtsstreit im Termin vom 29.01.2014 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
15II.
16Gem. § 91 a ZPO war demnach durch Beschluss, der keiner mündlichen Verhandlung bedarf, über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach waren die Kosten des Verfahrens den Verfügungsbeklagten aufzuerlegen, da sie ohne die Erledigung in dem Verfahren voraussichtlich unterlegen wären.
171.
18Der Verfügungskläger hatte gegen die Verfügungsbeklagten einen Anspruch auf Unterlassung des Betretens, Aufstellens des Baugerüstes sowie Lagerns von Werkzeugen bzw. Baumaterialien sowie auch einen Anspruch auf Entfernung des Baugerüstes aus § 862 Abs. 1 BGB.
19a.
20Der Verfügungskläger ist unzweifelhaft unmittelbarer Besitzer des mit einem leer stehenden Haus bebauten Grundstücks H2 in S.
21b.
22Durch das Aufstellen des Gerüstes ist der Verfügungskläger in der Ausübung seines Besitzrechtes jedenfalls teilweise gestört worden. Insoweit kann es dahinstehen, ob durch das Aufstellen und Lagern des Gerüstes teilweise eine Besitzentziehung gem. § 861 BGB vorliegt, da die Voraussetzungen identisch sind.
23c.
24Der Verfügungsbeklagten zu 2.), der das Gerüst aufgestellt hat, ist als unmittelbarer Handlungsstörer anzusehen, während der Verfügungsbeklagte zu 1.) dessen Störung durch die Beauftragung des Gerüstbaus adäquat verursacht hat.
25d.
26Das Verhalten der Verfügungsbeklagten stellt eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB dar.
27aa.
28Die Störung erfolgte jedenfalls ohne den Willen des Verfügungsklägers, da er nach seinem unbestritten gebliebenen Vortrag von der Aufstellung des Gerüstes keine Kenntnis hatte.
29bb.
30Eine gesetzliche Gestattung der Störung ist ebenfalls nicht gegeben. Insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus dem hier allein in Betracht kommenden § 24 NachbG NRW. Nach dieser Vorschrift haben der Eigentümer und die Nutzungsberechtigten zu dulden, dass ihr Grundstück einschließlich der baulichen Anlagen zum Zwecke von Bau- oder Instandsetzungsarbeiten auf dem Nachbargrundstück vorübergehend betreten und benutzt wird, wenn und soweit die Arbeiten anders nicht zweckmäßig oder mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden können, die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von dem Berechtigten erstrebten Vorteil stehen, ausreichende Vorkehrungen zur Minderung der Nachteile und Belästigungen getroffen werden und das Vorhaben öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht widerspricht, wobei das Recht so schonend wie möglich auszuüben ist. Ein Nachbar darf nach dem Sinn des Gesetzes nur in dem unbedingt notwendigen Rahmen belastet werden, auch wenn damit höhere Kosten für den Berechtigten verbunden sind (vgl. Schäfer u.a., NachbG NRW, § 24 RandNr. 9). Schon diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, da die Verfügungsbeklagten die Inanspruchnahme des Grundstücks nicht auf den unbedingt notwendigen Umfang begrenzt haben.
31aaa.
32So ist es weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, warum es erforderlich sein sollte, Werkzeuge und Baumaterialien auf dem Grundstück des Verfügungsklägers zu lagern. Diese hätte ohne weiteres an einem anderen Ort ohne Inanspruchnahme des Grundstücks des Verfügungsklägers gelagert werden können.
33bbb.
34Zudem ergibt sich aus der eidesstattlichen Versicherung des Verfügungsbeklagten zu 2.), dass das Gerüst am 17. oder 18.04.2013 auf dem Grundstück des Verfügungsklägers zwischengelagert wurde, obwohl die Bauarbeiten nach dem Schreiben vom 13.03.2013 erst am 15.05.2013 begonnen werden sollten. Ein solches Verhalten überschreitet den unbedingt notwendigen Rahmen i.S.d. § 24 NachbG NRW und ist von der Vorschrift nicht gedeckt.
35ccc.
36Darüber hinaus fehlt es auch an einer hinreichenden Glaubhaftmachung, dass Bau- oder Instandsetzungsarbeiten durchgeführt wurden, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 14.12.2012, V ZR 49/12) eine Reparaturbedürftigkeit voraussetzen.
37ddd.
38Ferner ist es unstreitig, dass die Verfügungsbeklagten das Gerüst durch das im Eigentum des Verfügungsklägers stehende Welldach des Carports geführt und dafür Löcher in das Dach geschlagen haben. Ein solches Verhalten ist durch § 24 NachbG NRW eindeutig nicht gedeckt, denn bei der vorzunehmenden Abwägung sind Arbeiten stets als unverhältnismäßig anzusehen, wenn vorher abzusehen ist, dass durch die Ausübung des sog. Hammerschlags- und Leiterrechts substantielle Beeinträchtigungen des Nachbars nötig werden (vgl. Schäfer, a.a.O., RandNr. 20). Insoweit kommt es auch nicht auf das Alter oder den Wert des Daches an. Entscheidend ist, dass allein der Verfügungskläger als Eigentümer und Besitzer des Daches darüber zu bestimmen hat. Bei der erforderlichen Abwägung der Vor- und Nachteile hat außer Betracht zu bleiben, dass dem Nachbarn etwaige Schäden zu ersetzen sind (vgl. Schäfer, a.a.O., RandNr. 20). Das Argument des Amtsgerichts, der Verfügungsbeklagte zu 2.) unterhalte eine Haftpflichtversicherung, greift mithin - unabhängig von der Frage, ob diese im vorliegenden Fall überhaupt ersatzpflichtig ist - nicht durch.
39eee.
40Darüber hinaus liegt auch ein Verstoß gegen die Anzeigepflicht gem. § 24 Abs. 3
41i. V. m. § 16 NachbG NRW vor, die bereits die vorliegende Eigenmacht begründet. Der Berechtigte darf sein Recht aus § 24 NachbG NRW nicht im Wege der Selbsthilfe nutzen (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.07.2000 – 9 U 112/00; OLG Hamm, Beschluss vom 13.10.2011 – 5 W 48/11). Vielmehr ist die ordnungsgemäße Anzeige Voraussetzung für die Ausübung des Rechts.
42Unabhängig von der streitigen Frage, ob das Schreiben vom 13.03.2013 tatsächlich in den Briefkasten des unbewohnten Nachbarhauses geworfen wurde, reicht dieses jedenfalls formell und materiell nicht aus.
43Es wäre dem Verfügungsbeklagten zu 1.), der als Eigentümer des Nahbargrundstücks in erster Linie zur Anzeige verpflichtet war, ohne weiteres möglich und zumutbar gewesen, die Wohnanschrift des Verfügungsklägers zu ermitteln. Dieser musste nicht damit rechnen, dass in dem unstreitig nicht bewohnten Nachbarhaus derartig wichtige Schreiben eingeworfen wurden. Die Argumentation des Amtsgerichts, der Verfügungskläger hätte dafür Sorge tragen müssen, dass der Briefkasten geschlossen wurde, verfängt nicht. Eine Zustellung an eine natürliche Person hat grundsätzlich an ihrem Wohnort zu erfolgen, wobei es unstreitig ist, dass der Verfügungskläger in dem Haus H2 nicht wohnt.
44Darüber hinaus ist die Anzeige jedoch auch inhaltlich nicht ausreichend, da sie schon die Dauer der Baumaßnahme nicht nennt. Dies ist aber Voraussetzung für die ordnungsgemäße Anzeige (vgl. Urteil des BGH vom 4.12.2012 - V ZR 49/12).
452.
46Die für den Unterlassungsanspruch gem. § 862 Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche Wiederholungsgefahr wird durch Störung indiziert. Da die Verfügungsbeklagten verboten eigenmächtig gehandelt zu haben, ist ein gesonderter Verfügungsgrund nicht erforderlich. Im Übrigen war die Störung schon eingetreten, so dass Eilbedürftigkeit gegeben war.
473.
48Da – wie bereits ausgeführt – die Voraussetzungen der §§ 24 und 16 NachbG NRW nicht vorlagen, war der Widerantrag der Verfügungsbeklagten unbegründet, wobei die Kammer bereits ernsthafte Bedenken gegen die Zulässigkeit des sogenannten Widerantrags hat. Im einstweiligen Verfügungsverfahren ist eine Widerklage grundsätzlich unzulässig. Soweit ein Gegenantrag bei mündlicher Verhandlung in engen Grenzen als zulässig angesehen wird (vgl. Zöller-Vollkommer, 30. Aufl., ZPO, § 33 Rdnr.19 und § 935, RdNr. 4 mit Nachweisen aus dem Jahr 1959), teilt die Kammer die vom Oberlandesgericht Frankfurt in seiner Entscheidung vom 20.10.2011 – 6 U 101/11 – geäußerten Bedenken. Da eine Vertagung im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht zulässig ist, führt die Erhebung eines Gegenantrags im Termin zu einer erheblichen Verkürzung des rechtlichen Gehörs. Soweit das Landgericht Köln in einem Verfahren vom 12.10.2005 – 28 O 417/05 – einen Gegenantrag als eigenständigen Verfügungsantrag gewertet und deshalb seine Zulässigkeit bejaht hat, liegt ein solcher Fall hier nicht vor.
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(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.
(1) Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist.
(1) Wird der Besitz durch verbotene Eigenmacht dem Besitzer entzogen, so kann dieser die Wiedereinräumung des Besitzes von demjenigen verlangen, welcher ihm gegenüber fehlerhaft besitzt.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der entzogene Besitz dem gegenwärtigen Besitzer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft war und in dem letzten Jahre vor der Entziehung erlangt worden ist.
(1) Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).
(2) Der durch verbotene Eigenmacht erlangte Besitz ist fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit muss der Nachfolger im Besitz gegen sich gelten lassen, wenn er Erbe des Besitzers ist oder die Fehlerhaftigkeit des Besitzes seines Vorgängers bei dem Erwerb kennt.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Die Parteien sind Eigentümer (Klägerin) bzw. Nutzungsberechtigter (Beklagter ) aneinandergrenzender Grundstücke. Die Klägerin plant Renovierungsund Sanierungsarbeiten an der Giebelwand ihres Gebäudes, die an das von dem Beklagten genutzte Grundstück angrenzt. Mit Schreiben vom 7. April 2009 kündigte sie dem Beklagten ihre Absicht an, näher bezeichnete Arbeiten ab der ersten Juniwoche 2009 in einem Zeitraum von zwei bis drei Wochen durchzuführen. Sie bat den Beklagten, die Nutzung seines Grundstücks einschließlich der Aufstellung eines Gerüsts zu ermöglichen. Später teilte sie ihm mit, dass die Arbeiten in einem Zeitraum von etwa vier Wochen durchgeführt werden sollen. Der Beklagte stimmte der Nutzung des Grundstücks nicht zu.
- 2
- Die Klägerin hat die Verurteilung des Beklagten beantragt, es zu dulden, dass sie auf dem Nachbargrundstück für die Dauer von einem Monat an ihrer Hauswand ein Gerüst zur Durchführung von Sanierungsarbeiten errichten sowie das Nachbargrundstück für die Durchführung der Arbeiten betreten und benutzen lässt. Das Amtsgericht hat der Klage mit Versäumnisurteil stattgegeben und dieses nach Einspruch des Beklagten aufrechterhalten. Das Landgericht hat das Versäumnisurteil mit der Maßgabe aufrechterhalten, dass die Duldungsverpflichtung des Beklagten unter der Bedingung steht, dass die Klägerin Art und Umfang der beabsichtigten Arbeiten im Einzelnen mindestens einen Monat vor deren Beginn schriftlich anzeigt. Hinsichtlich der unbedingten Duldungsverurteilung hat es das Versäumnisurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
- 3
- Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision will der Beklagte die vollständige Aufhebung des Versäumnisurteils und die Abweisung der Klage erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe:
I.
- 4
- Nach Ansicht des Berufungsgerichts hat die Klägerin einen Duldungsanspruch nach § 24 NachbG NRW. Der Beklagte sei Nutzungsberechtigter des Nachbargrundstücks im Sinne dieser Vorschrift. Seine Duldungspflicht bestehe unabhängig davon, ob die beabsichtigten Arbeiten notwendig oder erforderlich seien. Die Absicht der Klägerin, an der Giebelwand Sanierungsarbeiten durch- zuführen, reiche aus. Obwohl Art und Umfang der Arbeiten bisher nicht ausreichend dargelegt seien, sei ersichtlich, dass sie anders nicht zweckmäßig oder nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten durchgeführt werden könnten. Es bestünden keine Zweifel, dass die mit der Duldung verbundenen Nachteile oder Belästigungen nicht außer Verhältnis zu dem von der Klägerin erstrebten Vorteil stünden. Allerdings fehle es bisher an der Anzeige der beabsichtigten Arbeiten, welche Voraussetzung der Duldungspflicht sei. Die Anzeige vom 7. April 2009 sei unzureichend, weil der darin genannte Zeitpunkt für den Beginn der Arbeiten längst verstrichen sei und Art und Umfang der beabsichtigten Arbeiten nicht im Einzelnen angegeben seien. Da die ordnungsgemäße Anzeige nachgeholt werden könne, sei es sachgerecht, sie als Bedingung des Duldungsanspruchs auszuurteilen. Denn dem Kläger dürfte es nahezu unmöglich sein, den Zeitpunkt des beabsichtigten Beginns der Arbeiten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nach Tag und Stunde anzugeben. Sollte zwischen den Parteien ein Streit über die Rechtzeitigkeit oder die inhaltliche Ordnungsmäßigkeit der Anzeige entstehen, könne hierüber im Vollstreckungsverfahren entschieden werden.
II.
- 5
- Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
- 6
- 1. Zu Unrecht bejaht das Berufungsgericht einen Duldungsanspruch der Klägerin. Die bisherigen Feststellungen ergeben nicht, dass die in § 24 Abs. 1 NachbG NRW genannten Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen.
- 7
- a) Das in der Vorschrift geregelte Hammerschlags- und Leiterrecht gibt dem Berechtigten die Befugnis, bestimmte Arbeiten an den auf seinem Grundstück stehenden Baulichkeiten unter den in den Nachbarrechtsgesetzen der Bundesländer genannten Voraussetzungen von dem Nachbargrundstück aus durchzuführen. Nach der hier maßgeblichen Vorschrift des § 24 Abs. 1 NachbG NRW ist die Befugnis auf Bau- und Instandsetzungsarbeiten beschränkt. Bauarbeiten sind nicht Gegenstand des Rechtsstreits; die Klägerin will allenfalls Instandsetzungsarbeiten durchführen. Diese setzen begrifflich eine Reparaturbedürftigkeit voraus; denn was instand ist, kann und muss nicht instand gesetzt werden (M./S./Hodes/Dehner, Bundesnachbarrecht, 7. Aufl. B § 28 Anm. I 1 b). Sie müssen zur Beseitigung von Schäden notwendig sein (Schäfer, SchsZtg 1985, 34, 35). Auch Unterhaltungsarbeiten, die den Eintritt von Schäden vermeiden und die Baulichkeiten in einem ordnungsgemäßen Zustand erhalten sollen (Schäfer, aaO), gehören dazu (M./S./Hodes/Dehner, aaO, B § 28 Anm. I 1 a; Schäfer/Fink-Jamann/Peter, NachbG NRW, 16. Aufl., § 24 Rn. 3; Stollenwerk, NachbG NRW, § 24 Anm. 1), ebenso Maßnahmen, die dazu führen , dass die Baulichkeiten in einen den heutigen Erfordernissen und Anschauungen entsprechenden Zustand versetzt werden, z.B. durch das Anbringen einer Wärmedämmung (vgl. Senat, Urteil vom 11. April 2008 - V ZR 158/07, NJW 2008, 2032, 2033). Reine Verschönerungsmaßnahmen, bei denen lediglich das Aussehen der Baulichkeit verändert wird, ohne dass dafür eine objektive Notwendigkeit besteht, sind dagegen keine Instandhaltungsarbeiten im Sinne der Vorschrift (aA Schäfer/Fink-Jamann/Peter, aaO). Der bloße Wunsch des Eigentümers nach einer solchen Veränderung rechtfertigt nicht den Eingriff in das von der Rechtsordnung besonders geschützte Eigentums- bzw. Besitzrecht (§ 862 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 BGB) des Grundstücksnachbarn. Die diesem durch das Hammerschlags- und Leiterrecht auferlegte Duldungspflicht wird nicht erst durch die in den Landesnachbarrechtsgesetzen aufgeführten besonderen Voraussetzungen begrenzt (hier: § 24 Abs. 1 Nr. 1-4 NachbG NRW), sondern bereits dadurch, dass sie nur bei bestimmten Arbeiten (hier: Instandsetzungsarbeiten , § 24 Abs. 1 NachbG NRW) besteht (vgl. Senat, Urteil vom 28. Januar 2011 - V ZR 147/10, NJW 2011, 1060, 1071 Rn. 28).
- 8
- b) Feststellungen dazu, ob die Klägerin Instandsetzungsarbeiten in dem vorgenannten Sinn ausführen will, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Dazu war es jedoch verpflichtet.
- 9
- aa) Der Beklagte hat ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils die Instandsetzungsbedürftigkeit des Anstrichs der Giebelwand ebenso bestritten wie das Vorhandensein von Dachrinnen und Fallrohren an der Wand sowie die Notwendigkeit des Aufstellens eines Gerüsts. Er hat damit zulässigerweise geltend gemacht, dass zum Teil kein Anlass für die Durchführung der beabsichtigten Arbeiten besteht (vgl. M./S./Hodes/Dehner, aaO, B § 28 Anm. I 1 b), zum Teil das von ihm genutzte Grundstück nicht in der von der Klägerin gewünschten Weise in Anspruch genommen werden muss.
- 10
- bb) Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht die Darlegungen der Klägerin zu Art und Umfang der beabsichtigten Arbeiten für nicht ausreichend hält. Zwar meint es, es sei ersichtlich, dass Putz-, Abdichtungs- und Malerarbeiten ausgeführt werden sollen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass es sich um Instandsetzungsarbeiten im Sinn von § 24 Abs. 1 NachbG NRW handelt.
- 11
- 2. Fehlt es somit an der Grundvoraussetzung für das Bestehen des Duldungsanspruchs , kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), damit es die fehlenden Feststellungen nachholen kann. Es muss klären, ob die von der Klägerin beabsichtigten Arbeiten - die sie noch konkretisieren kann - Instandsetzungsarbeiten im Sinne von § 24 Abs. 1 NachbG NRW sind. Falls es das bejaht, muss das Berufungsgericht prüfen, ob die in § 24 Abs. 1 Nr. 1-4 NachbG NRW genannten zusätzlichen Voraussetzungen vorliegen. Erst wenn diese Prüfung - die das Berufungsgericht bisher mangels ausreichender Darlegungen der Klägerin zu Art und Umfang der Arbeiten im Einzelnen und zu dem räumlichen Umfang der gewünschten Inanspruchnahme des benachbarten Grundstücks nicht durchführen konnte - zugunsten der Klägerin ausfällt, besteht der Duldungsanspruch.
- 12
- 3. Für diesen Fall weist der Senat darauf hin, dass die Verurteilung des Beklagten nicht, wie in der angefochtenen Entscheidung geschehen, unter der Bedingung erfolgen darf, dass die Klägerin dem Beklagten Art und Umfang der beabsichtigten Arbeiten vorher anzeigt. Die Anzeigepflicht besteht nur noch hinsichtlich des Beginns der Arbeiten.
- 13
- a) Nach § 16 Abs. 1, § 24 Abs. 3 NachbG NRW muss der Berechtigte dem Verpflichteten die Absicht, das Hammerschlags- und Leiterrecht in Anspruch zu nehmen, mindestens einen Monat vor dem Beginn der Arbeiten anzeigen. Dadurch soll der Verpflichtete in die Lage versetzt werden, sich auf die geplanten Arbeiten einzustellen; zugleich soll er auch Gelegenheit erhalten zu überprüfen, ob er zur Duldung des Betretens und Nutzens der Grundstücke verpflichtet ist (OLG Hamm, Urteil vom 1. Juni 1978 - 5 U 312/77, juris Rn. 1). Hierfür ist es erforderlich, sowohl den Beginn der Arbeiten nach Tag und Uhrzeit anzugeben als auch - entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Ansicht - den voraussichtlichen Umfang der Arbeiten so genau wie möglich zu umreißen (OLG Hamm, Urteil vom 1. Juni 1978 - 5 U 312/77, aaO), also die Maßnahme konkret zu bezeichnen (M./S./Hodes/Dehner, aaO, A § 6 Anm. II 6). Da der Verpflichtete sich auch darauf einstellen können muss, in welchem Umfang er sein Grundstück freizuhalten hat (OLG Hamm, Urteil vom 1. Juni 1978 - 5 U 312/77, aaO), sind Art und Umfang der beabsichtigten Grundstücksnutzung ebenfalls anzugeben (M./S./Hodes/Dehner, aaO). Schließlich sind Angaben zu der voraussichtlichen Dauer der Arbeiten notwendig.
- 14
- b) Die Anzeige ist an den Eigentümer und den Nutzungsberechtigten des betroffenen Grundstücks zu richten (§ 16 Abs. 1 NachbG NRW). Ob die Klägerin dieser Verpflichtung hinsichtlich der Anzeige an den Grundstückseigentümer nachgekommen ist, spielt - anders als das Berufungsgericht offenbar meint - für das Rechtsverhältnis der Parteien keine Rolle und ist deshalb für den Ausgang des Rechtsstreits unerheblich.
- 15
- c) Die Anzeige ist Voraussetzung für die Ausübung des Rechts (M./S./Hodes/Dehner, aaO, A § 6 Anm. II 8), nicht aber - wie das Berufungsgericht meint - Bedingung des Duldungsanspruchs. Erklärt sich der Verpflichtete nicht, darf der Berechtigte das Nachbargrundstück ohne weiteres für die Durchführung der Arbeiten betreten und nutzen. Verweigert der Verpflichtete - wie hier - dies, darf der Berechtigte das Recht - außer in dem Fall des Notstands (§ 904 BGB) - nicht im Wege der Selbsthilfe durchsetzen; vielmehr muss er Duldungsklage erheben und darf das Nachbargrundstück erst aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung in Anspruch nehmen (OLG Hamm, Beschluss vom 13. Oktober 2011 - 5 W 48/11, juris Rn. 14 mwN; KG, OLGZ 1977, 448, 449 f.; Reich, NachbG NRW, § 24 Rn. 8; Schäfer/Fink-Jamann/Peter, NachbG NRW, 16. Aufl., § 24 Rn. 34; Stollenwerk, NachbG NRW, § 24 Rn. 8; M./S./Hodes/Dehner, aaO, A § 6 Anm. II 7).
- 16
- d) In diesem Fall besteht kein Bedürfnis dafür, dass der Berechtigte im Fall der Verurteilung des Verpflichteten diesem die Arbeiten und deren Dauer anzeigt. Denn mit der Klageerhebung setzt er den Verpflichteten - ebenso wie mit der Anzeige - über seine Absicht, die Arbeiten auszuführen, in Kenntnis (M./S./Hodes/Dehner, aaO). Die Klage muss auf die Verurteilung zur Duldung des Betretens und Nutzens des Nachbargrundstücks für ihrer Art nach aufgeführte und innerhalb eines bestimmten Zeitraums auszuführende Arbeiten gerichtet sein. Der Vortrag des Klägers zu Art und Umfang der Arbeiten und der Nutzung des Nachbargrundstücks hat zwangsläufig denselben Inhalt wie die Anzeige, wenn er der Klage zum Erfolg verhelfen soll.
- 17
- e) Die von dem Berufungsgericht gesehene Schwierigkeit, in dem Rechtsstreit den Zeitpunkt des beabsichtigten Beginns der Arbeiten anzugeben, besteht nicht. Zum einen kommt es auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der Entscheidung entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht an, weil sie von Amts wegen für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist (§§ 708, 709 ZPO). Der Berechtigte kann also bereits vor der Rechtskraft seinen Anspruch durchsetzen. Zum anderen muss er seinen Klageantrag dahingehend formulieren, dass er die Arbeiten erst einen Monat nach dem Zugang der Mitteilung über den beabsichtigten Arbeitsbeginn ausführen darf. Dass er der Mitteilungspflicht nachgekommen ist, hat er im Zwangsvollstreckungsverfahren durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde nachzuweisen (§ 726 Abs. 1 ZPO).
Vorinstanzen:
AG Remscheid, Entscheidung vom 30.05.2011 - 8 C 176/10 -
LG Wuppertal, Entscheidung vom 07.02.2012 - 16 S 33/11 -
(1) Wird der Besitzer durch verbotene Eigenmacht im Besitz gestört, so kann er von dem Störer die Beseitigung der Störung verlangen. Sind weitere Störungen zu besorgen, so kann der Besitzer auf Unterlassung klagen.
(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Besitzer dem Störer oder dessen Rechtsvorgänger gegenüber fehlerhaft besitzt und der Besitz in dem letzten Jahre vor der Störung erlangt worden ist.