Landgericht Dessau-Roßlau Urteil, 07. März 2017 - 2 O 131/16
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
- 1
Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Nacherfüllung eines Kaufvertrages auf Lieferung eines mangelfreien Pkw Marke VW Caddy in Anspruch.
- 2
Der Kläger erwarb am 25.4.2014 bei der Beklagten einen PKW Marke VW Caddy kw zum Preis von 31.625 Euro. Das Fahrzeug wurde dem Kläger am 21.2.2015 übergeben. Es ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet.
- 3
Dem Kaufvertrag lagen die Neuwagen - Verkaufsbedingungen zugrunde, die in IV. 6. folgende Regelung enthalten (vgl. Bd. I Bl. 68 d.A.):
- 4
"Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. Sofern der Verkäufer oder der Hersteller zur Bezeichnung der Bestellung oder des bestellten Kaufgegenstandes Zeichen oder Nummern gebraucht, können allein daraus keine Rechte hergeleitet werden."
- 5
Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der Kläger die Beklagte auf Ersatzlieferung eines mangelfreien Pkw Marke VW Caddy in Anspruch.
- 6
Hierzu vertritt der Kläger die Ansicht, das von ihm erworbene Fahrzeug mit dem eingebauten Dieselmotor EA 189 sei mangelhaft.
- 7
Er behauptet hierzu, dass das Fahrzeug wegen des Nichteinhaltens der von der Euro - 5 - Norm geforderten NOx - Werte (Stickoxidwerte) derzeit nicht zulassungsfähig sei (vgl. Bd. I Bl. 51, 52, 58 d.A.).
- 8
Eine folgenlose Nachbesserung sei technisch nicht möglich. Jedenfalls verbleibe selbst im Falle der Nachrüstung ein Mangelverdacht. Auch deshalb sei der Marktwert des betroffenen Fahrzeugs gesunken.
- 9
Die im vorliegenden Rechtsstreit verlangte Ersatzlieferung eines mangelfreien Neufahrzeugs sei auch nicht unmöglich. Der Hersteller biete nämlich das streitgegenständliche Fahrzeug in nahezu identischer Ausstattung an, wenn auch mit 110kw statt mit 103kw. Einzig der im Fahrzeug des Klägers noch verwendete mangelhafte Motor sei durch ein neues, den Anforderungen der Euro - 6 - Norm entsprechendes Aggregat ersetzt worden (vgl. Bd. I Bl. 67 d.A.). Lediglich die PS - Zahl habe sich verändert (vgl. Bd. I Bl. 67 d.A.; Bd. IV Bl. 186, 189, 190 d.A.). Das Fahrzeug habe im Wesentlichen noch dasselbe Aussehen und dieselbe Motorisierung (vgl. nicht nachgelassener Schriftsatz vom 10.2.2017 / Bd. V Bl. 172, 173 d.A.). Gegen eine Unmöglichkeit der Ersatzlieferung spreche auch der zum Vertragsinhalt erhobene IV. 6. der Neuwagen - Verkaufsbedingungen.
- 10
Der Anspruch auf Ersatzlieferung folge zudem auch aus einem Schadensersatzanspruch aufgrund einer vorvertraglichen Pflichtverletzung nach den Grundsätzen der Prospekthaftung.
- 11
Der Kläger beantragt,
- 12
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug VW Caddy Maxi, FIN: ... Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs VW Caddy Maxi, FIN ... nachzuliefern,
- 13
festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Neulieferung und mit der Rücknahme der im Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeuge in Verzug befindet,
- 14
die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.419,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit freizustellen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit 22.4.2016.
- 15
Die Beklagte beantragt,
- 16
die Klage abzuweisen.
- 17
Die Beklagte ist der Ansicht, dass ein Mangel des vom Kläger gekauften Fahrzeugs nicht vorliege. Insbesondere handele es sich bei der eingesetzten Software nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung, sondern um eine zulässige innermotorische Maßnahme.
- 18
Unabhängig davon, dass das Fahrzeug des Klägers bereits nicht mangelbehaftet sei, wäre die vom Kläger geforderte Nachlieferung jedenfalls unverhältnismäßig im Sinne des § 439 Abs. 3 S. 2 BGB. Die Nachbesserung sei nämlich mithilfe eines Softwareupdates mit Kosten von weniger als 100 Euro möglich.
- 19
Darüber hinaus sei die vom Kläger verlangte Ersatzlieferung unmöglich. Die Fahrzeuge der aktuellen Serienproduktion würden sich nicht nur hinsichtlich der streitgegenständlichen Software, sondern auch in ihrer Motorleistung und sonstigen technischen Weiterentwicklungen von denjenigen aus der alten Serie unterscheiden. Das vom Kläger gekaufte Fahrzeug entstamme der Modellreihe Generation 3, die von der Fahrzeugherstellerin im Zeitraum Ende 2009 bis April 2015 produziert worden sei und seither nicht mehr hergestellt werde. Die seither produzierten Fahrzeuge der Generation 4 würden erhebliche Unterschiede zur Vorgängerversion aufweisen (vgl. Bd. III Bl. 104 d.A.). So komme bei den neuen Dieselmotoren der Generation 4 des VW Caddy nunmehr eine NOx - Abgasnachbehandlung mit AdBlue aus dem Zusatztank zum Einsatz (vgl. Bd. V Bl. 87 - 90 d.A.).
- 20
Ein Schadensersatzanspruch aufgrund einer vorvertraglichen Pflichtverletzung nach den Grundsätzen der Prospekthaftung scheide aus, da die Beklagte eine vorvertragliche Pflichtverletzung nicht zu vertreten habe. Die Beklagte habe nämlich keine Kenntnis von der Konfiguration des AGR - Systems gehabt und habe sich diesbezüglich auch nicht in fahrlässiger Unkenntnis befunden.
- 21
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Urkunden Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
- 22
Die Klage ist unbegründet.
- 23
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 439 I 2. Alt. BGB auf Lieferung eines mangelfreien Pkw Marke VW Caddy.
- 24
Zwar ist der vom Kläger gekaufte Pkw Marke Caddy mangelhaft (Anlage K 29 - OLG Hamm).
- 25
Denn bereits aufgrund der Installation der Manipulationssoftware, die die korrekte Messung der Stickoxidwerte hindere und im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen vorspiegele, weicht das Fahrzeug von der bei vergleichbaren Fahrzeugen üblichen Beschaffenheit ab, § 434 I 2 Nr. 2 BGB (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.6.2016, Az. 28 W 14/16). Denn der Käufer eines Neuwagens kann erwarten, dass das Fahrzeug nicht mit einem Motor ausgestattet ist, der über eine Manipulationssoftware verfügt. Weiterhin kann der Käufer eines Neuwagens als übliche Beschaffenheit erwarten, dass es bei diesem Fahrzeug keine Diskrepanz zwischen Ausstoßmengen von Stickoxiden im Prüfbetrieb und im normalen Fährbetrieb gibt.
- 26
Die vom Kläger verlangte Ersatzlieferung gemäß § 439 I 2. Alt. BGB ist jedoch unmöglich, § 275 I BGB.
- 27
Gemäß § 439 I BGB kann der Käufer als Nacherfüllung die Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder die Lieferung einer mangelfreien Sache (Ersatzlieferung) verlangen. Insoweit besteht ein Wahlrecht des Käufers, wobei sich der Kläger hier für die Nacherfüllung in Form der Ersatzlieferung entschieden hat.
- 28
Es versteht sich allerdings von selbst, dass als Gegenstand einer Ersatzlieferung jeweils nur ein technisch identisches Fahrzeug in Betracht kommt. Der Käufer eines Neuwagens aus einer auslaufenden Serie kann deshalb nicht Ersatzlieferung des Nachfolgemodells verlangen (vgl. eingehend Ball NZV 2004, 217 (220) mwN). Ist ein Modell der ausgelaufenen Serie nicht nachlieferbar, weil der Hersteller die Produktion dieses Modells entweder komplett oder in der ursprünglich bestellten Version z.B. im Hinblick auf die Motorisierung eingestellt hat, liegt ein Fall der Unmöglichkeit gemäß § 275 I BGB vor (vgl. Reinking/Eggert Der Autokauf, 13.A., S. 200, 201/ Rz. 727).
- 29
So liegt es hier.
- 30
Die von der Volkswagen AG nunmehr in der sogenannten Generation 4 produzierten Fahrzeuge der Marke VW Caddy sind mit den Fahrzeugen der Generation 3, zu denen das vom Kläger gekaufte Fahrzeug Marke VW Caddy gehört, keineswegs technisch identisch. Vielmehr bestehen erhebliche Unterschiede, so dass der Kläger im Ergebnis die Lieferung eines "aliud" verlangt. Hierauf hat er jedoch keinen Anspruch. Die als wesentlich zu bewertenden technischen Unterschiede werden zum Teil auch vom Kläger nicht in Abrede genommen. So räumt der Kläger ein, dass der Hersteller das Fahrzeug Marke VW Caddy nunmehr mit 110kw statt mit 103kw anbietet und dass sich auch die PS - Zahl verändert habe. Darüber hinaus werden die als wesentlich zu bewertenden Änderungen bezüglich der Motorisierung des nunmehr produzierten PKW Marke VW Caddy vom Kläger in der Sache nicht bestritten. Der Kläger gesteht insoweit nämlich ein, dass sich im Gegensatz zu dem im Fahrzeug des Klägers befindlichen Motor in den derzeit produzierten Fahrzeugen der Marke VW Caddy neue Motoren befinden, die nunmehr den Anforderungen der Abgasnorm EU6 entsprechen (vgl. Bd. I Bl. 67d.A. (Kläger) sowie Bd. V Bl. 88 d.A. (Beklagte)). Im Ergebnis unterscheidet sich das nunmehr produzierte Nachfolgemodell des VW Marke Caddy erheblich vom Modell, welches der Kläger gekauft hat. Von daher ist die Ersatzlieferung unmöglich, § 275 Abs. 1 BGB.
- 31
Die Berücksichtigung von IV. 6. der Neuwagen - Verkaufsbedingungen führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn danach bleiben nur Konstruktions- und Formänderungen "während der Lieferzeit" und somit zwischen Bestellung und Auslieferung vorbehalten. Rückschlüsse für die Bewertung der Unmöglichkeit der Ersatzlieferung gemäß § 275 Abs. 1 BGB können hieraus nicht gezogen werden.
- 32
Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen auf Ersatzlieferung gerichteten Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 241 II, 311 II BGB.
- 34
Ein eigenes fahrlässiges Verhalten der Beklagten gemäß § 276 BGB scheidet aus. Die Beklagte hatte keine Kenntnis von der Konfiguration des AGR-Systems und befand sich diesbezüglich auch nicht in fahrlässiger Unkenntnis. Insoweit bestand bereits keine Untersuchungspflicht der Beklagten, da reine Zwischenhändler wie die Beklagte ohne konkrete Anhaltspunkte nicht untersuchungspflichtig sind (vgl. Reinking/Eggert Der Autokauf, 12.A., 2014, Rz. 3850 f.).
- 35
Die Beklagte muss sich auch nicht gemäß § 278 BGB ein etwaiges Verschulden der Volkswagen AG zurechnen lassen. Die Beklagte als Verkäufer muss sich ein Hersteller verschulden nicht gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, weil der Hersteller nicht Erfüllungsgehilfe dse Verkäufers ist (vgl. BGH NJW 1967, 1903; BGH NJW 1978, 1157; BGH NJW 2014,2183).
- 36
Im Ergebnis war die Klage abzuweisen.
- 37
Die Einräumung einer Schriftsatzfrist für den Kläger kam schon deswegen nicht in Betracht, weil der Kläger im Nachgang zur mündlichen Verhandlung bereits einen vom 10.2.2017 datierenden Schriftsatz zur Akte gereicht hat, der bei der Entscheidungsfindung Berücksichtigung gefunden hat.
- 39
Streitwert: 31.625 Euro
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(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.
(3) Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, bevor der Mangel offenbar wurde, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen.
(4) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.
(5) Der Käufer hat dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen.
(6) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 verlangen. Der Verkäufer hat die ersetzte Sache auf seine Kosten zurückzunehmen.
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 09.03.2016 aufgehoben.
Der Antragstellerin wird für die beabsichtigte Klage ratenfrei Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt S aus N bewilligt.
1
Gründe
2I.
3Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für die Geltendmachung kaufvertraglicher Gewährleistungsrechte aus Anlass eines Neufahrzeugkaufs; mit der beabsichtigten Klage will sie die Antragsgegnerin auf Nachlieferung eines mangelfreien Fahrzeugs in Anspruch nehmen.
4Im Jahr 2011 erwarb die Antragstellerin – durch Vermittlung der Fa. U & P GmbH / H - bei der Antragsgegnerin ein Neufahrzeug vom Typ VW Polo Trendline 1,6 l TDI zum Preis von 19.509,21 €.
5Das Fahrzeug wurde im September 2011 ausgeliefert.
6Im Oktober 2015 erfuhr die Klägerin, dass ihr Fahrzeug vom sog. Abgas-Skandal betroffen ist; der verbaute Dieselmotor (Typ EA 189) ist von einer Software betroffen, die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf „optimiert“.
7Mit Anwaltsschreiben vom 16.10.2015 warf die Antragstellerin der Antragsgegnerin vor, diesen Mangel arglistig verschwiegen zu haben, verlangte die Neulieferung eines mangelfreien Fahrzeugs mit der aus der Rechnung vom 14.09.2011 ersichtlichen Ausstattung (Bl. 8ff. d.A.) und setzte hierzu vergeblich eine Frist zum 30.10.2015.
8Die Antragstellerin begehrt nun Prozesskostenhilfe für eine Klage, gerichtet auf Nachlieferung eines solchen Neufahrzeugs Zug um Zug gegen Rückgabe des gelieferten Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten.
9Die Antragsgegnerin steht auf dem Standpunkt, das Fahrzeug sei nicht mangelhaft, weil es technisch sicher und in der Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt sei und über alle Genehmigungen verfüge.
10Im Übrigen sei das Nachlieferungsverlangen unverhältnismäßig. Sie, die Antragsgegnerin, sei bereit, sämtliche mit dem Motor Typ EA 189 ausgestatteten Fahrzeugs technisch zu überarbeiten. Sie gehe davon aus, dass die Umsetzung der technischen Maßnahme an dem einzelnen Fahrzeug voraussichtlich weniger als eine Stunde in Anspruch nehme und dafür Kosten von deutlich weniger als 100 € anfielen. Demgegenüber entstünden ihr im Falle einer Nachlieferung Kosten von etwa 19.300 €.
11Das Landgericht hat mit Beschluss vom 09.03.2016 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt und zur Begründung – u.a. – ausgeführt:
12Zwar begründe die Installation einer Manipulationssoftware einen Sachmangel i.S. des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB und lasse sich ein Mangel auch über § 434 Abs. 1 S. 3 BGB begründen. Jedoch berufe sich die Antragsgegnerin zutreffend auf die Unverhältnismäßigkeit des Nachlieferungsbegehrens (§ 439 Abs. 3 BGB). Die Kosten und der Zeitaufwand einer Mängelbeseitigung seien relativ so gering, dass die Antragstellerin gehalten sei, zunächst diese zu fordern. Dass die angekündigte Mängelbeseitigungsmaßnahme nicht greife oder mit anderen Nachteilen verbunden sei, sei nicht bekannt.
13Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin sofortige Beschwerde eingelegt und den Verstoß gegen das Gebot rechtlichen Gehörs gerügt.
14Sie vertieft ihre Ausführungen zur Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs, wobei sie darauf hinweist, dass mit der monierten Software in dem Fahrzeug eine Abschalteinrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorhanden sei, die gegen die Bestimmungen zum Erhalt der Typengenehmigung und damit auch der Betriebserlaubnis verstoße.
15Die Antragstellerin geht davon aus, dass es nach Deaktivierung oder Rückbau dieser Vorrichtung entweder zu höheren Verbrauchswerten oder zu einer reduzierten Fahrleistung kommt.
16Mit der Beschwerde wird gerügt, dass die Antragsgegnerin nicht substanziiert dargelegt habe, welche technische Maßnahme sie zur Überarbeitung beabsichtige, wobei die Antragstellerin den angeblich geringen Kosten- und Zeitaufwand mit Nichtwissen bestreitet.
17Im Übrigen stellt sich die Antragstellerin auf den Standpunkt, die Kosten der Nachbesserung umfassten nicht nur den Reparaturaufwand i.e.S., sondern u.a. auch Aufwendungen zur Feststellung des Mangels, Transportkosten, Anwaltskosten, Nutzungsausfallschaden, Verdienstausfall und Kosten für die Begutachtung der durchgeführten Nachbesserung.
18Der pauschal mit 19.300 € angegebene Aufwand einer Nachlieferung sei nicht nachvollziehbar; jedenfalls sei nicht auf den Verkaufswert des nachzuliefernden Fahrzeugs abzustellen. Die Antragstellerin meint, der Antragsgegnerin entstünden für die Beschaffung eines identisch ausgestatteten Fahrzeugs gar keine Kosten, zumal die Überführungskosten für die Lieferung des mangelbehafteten Fahrzeugs von ihr, der Antragstellerin, getragen worden seien.
19Die Antragstellerin stützt ihr Begehren auch auf den Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung.
20Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
21Mit der Versagung der Prozesskostenhilfe sei keine Festlegung verbunden; die „Fehlerhaftigkeit“ sei im Hauptverfahren weiter zu klären.
22Die Unverhältnismäßigkeit der Kosten einer Nachlieferung sei aufgrund einer umfassenden Würdigung aller Einzelfallumstände festzustellen. Insgesamt springe bei der im Rahmen des Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahrens nur überschlägig vorzunehmenden Abwägung ins Auge, dass es für die Antragsgegnerin deutlich kostengünstiger sei, die Software, die ohnehin für eine Vielzahl von Fahrzeugen zu entwickeln sei, aufzuspielen, als ein Neufahrzeug zu liefern, zumal ihr nicht einmal eine Nutzungsentschädigung für das klägerische Fahrzeug zustehe.
23Von einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung i.S. des § 826 BGB oder einem gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB festzustellenden Betrug könne nicht ausgegangen werden. Es sei nicht erkennbar, dass es der Antragstellerin beim Erwerb des Wagens auf die angegebenen Abgaswerte angekommen sei.
24Mit Schriftsatz vom 09.03.2016 hat die Antragsgegnerin ihr Sachvorbringen, insbesondere zu der von ihr angenommenen Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung ergänzt. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf einen mit dem Kraftfahrtbundesamt vereinbarten Zeit-und Maßnahmenplan. Dass eine technische Überarbeitung aller betroffenen Fahrzeuge ohne Nachteile in Bezug auf Leistungs- und Verbrauchsparameter möglich sei, ergebe sich aus den Prüfbescheiden und Freigaben, die vom Kraftfahrtbundesamt sukzessive für bestimmte Fahrzeugtypen erteilt worden seien bzw. werden.
25Für den im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motor vom Typ EA 189 EU 5 mit 1,6l Hubraum sei neben einem Software-Update die Befestigung eines Strömungsgleichrichters vor dem Luftmassenmesser vorgesehen, was voraussichtlich weniger als 1 Stunde dauere und einen Kostenaufwand von deutlich weniger als 100 € ausmache.
26Diesem Wert ist nach Auffassung der Antragsgegnerin der vielfach höhere aktuelle Kaufpreis für ein Neufahrzeug desselben Modells gegenüberzustellen, welches sie sonst – ohne Nachlieferung an die Antragstellerin – anderweitig verkaufen könnte.
27II.
28Die sofortige Beschwerde ist begründet.
29Der Antragstellerin war gemäß den §§ 114 ff. ZPO Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Rechtsverfolgung zu bewilligen, weil die Nachlieferungsklage hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht, nicht mutwillig ist und die Antragstellerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung zu tragen.
301.
31Die Antragstellerin hat schlüssig vorgetragen, dass ihr gegen die Antragsgegnerin ein Anspruch auf Nachlieferung eines Neufahrzeugs gemäß § 439 Abs. 1 BGB zusteht.
32Sie hat insbesondere mit hinreichender Erfolgsaussicht geltend gemacht, dass das bei der Antragsgegnerin erworbene Fahrzeug einen bereits bei Übergabe vorhandenen Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB aufweist. Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin entspricht ein Neufahrzeug nicht schon dann der üblichen und berechtigterweise von einem Käufer zu erwartenden Beschaffenheit, wenn es technisch sicher und fahrbereit ist und über alle Genehmigungen verfügt. Durch die Installation der Manipulationssoftware, die die korrekte Messung der Stickoxidwerte verhindert und im Prüfbetrieb niedrigere Ausstoßmengen vorspiegelt, dürfte ein Fahrzeug vielmehr von der bei vergleichbaren Fahrzeugen üblichen Beschaffenheit abweichen.
332.
34Ob die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin gewählte Art der Nacherfüllung in Form der Nachlieferung gemäß § 439 Abs. 3 BGB verweigern darf, ist derzeit noch nicht abschließend und sicher festzustellen.
35Nach § 439 Abs. 3 BGB kann der Verkäufer die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 BGB verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.
36Die Antragsgegnerin beruft sich hier weder auf die Unmöglichkeit der Nachlieferung (§ 275 Abs. 2 BGB) noch auf die Unzumutbarkeit des damit verbundenen Aufwandes (§ 275 Abs. 3 BGB), sondern auf die Unverhältnismäßigkeit der mit dieser Form der Nacherfüllung verbundenen Kosten.
37Über diesen Einwand, dessen Berechtigung nicht unzweifelhaft ist, ist nicht im summarischen Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden, dies ist dem Hauptsacheverfahren vorzubehalten.
38Die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe notwendige hinreichende Erfolgsaussicht ist in der Regel schon dann zu bejahen, wenn die Entscheidung schwieriger Rechts- und Tatfragen abhängt (BGH, Beschl. v. 07.03.2007, IV ZB 37/06, NJW-RR 2007, 908).
39Bei der Beurteilung der Streitfrage der von der Antragsgegnerin geltend gemachten Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung wird zu berücksichtigen sein, dass § 439 Abs. 3 BGB richtlinienkonform einschränkend dahin auszulegen ist, dass nur die Berufung auf die relative Unverhältnismäßigkeit der vom Käufer gewählten Art der Nachlieferung statthaft ist (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 21.12.2011, VIII ZR 70/08, NJW 2012, 1073),
40Das setzt voraus, dass der Antragsgegnerin beide Arten der Nacherfüllung tatsächlich möglich sind.
41Die Parteien streiten nicht darum, dass der Antragsgegnerin die von der Antragstellerin gewünschte Nachlieferung möglich ist, jedoch lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, dass dies auch für die von der Antragsgegnerin favorisierte Nachbesserung gilt.
42Dabei mag das in Abstimmung mit dem Kraftfahrtbundesamt durchgeführte Prüfungsverfahren darauf hinweisen, dass, soweit Freigaben erfolgen, die von der Antragsgegnerin vorgesehene technische Nachrüstung nicht zu den von der Antragstellerin befürchteten Nachteilen in Form erhöhter Verbrauchswerte oder einer reduzierten Fahrleistung führen wird. Allerdings ist zu konstatieren, dass der Antragsgegnerin nach ihrer eigenen Darstellung bislang keine Freigabe des Kraftfahrtbundesamts für die technische Umrüstung des streitgegenständlichen Fahrzeugmodells vorliegt. Wann damit zu rechnen ist und bis zu welchem Zeitpunkt die technische Maßnahme ggfls. an dem Fahrzeug der Antragstellerin umgesetzt werden könnte, ist bislang nicht vorgetragen.
43Es erscheint aber zweifelhaft, ob die Antragsgegnerin die Antragstellerin unter Hinweis auf die Unverhältnismäßigkeit der Nachlieferung auf eine Nachbesserung verweisen könnte, wenn ihr diese nicht binnen angemessener Frist möglich ist. Welche Frist als angemessen anzusehen ist, ist nicht ohne weiteres festzulegen (s. dazu LG Frankenthal, Urt. v. 12.05.2016, 8 O 208/15, zit. nach juris). Die rechtliche und tatsächliche Bewertung dieses Gesichtspunkts ist nicht im Rahmen des summarischen Prozesskostenhilfeverfahrens vorzunehmen.
44Die zwischen den Parteien kontrovers diskutierten Fragen um die im Rahmen der Prüfung der Unverhältnismäßigkeit einzustellenden Kosten der einen und der anderen Art der Nacherfüllung können deswegen - einstweilen - offen bleiben.
(1) Der Anspruch auf Leistung ist ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.
(2) Der Schuldner kann die Leistung verweigern, soweit diese einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen ist auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat.
(3) Der Schuldner kann die Leistung ferner verweigern, wenn er die Leistung persönlich zu erbringen hat und sie ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses mit dem Leistungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann.
(4) Die Rechte des Gläubigers bestimmen sich nach den §§ 280, 283 bis 285, 311a und 326.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
Der Schuldner hat ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Die Vorschrift des § 276 Abs. 3 findet keine Anwendung.