Landgericht Dessau-Roßlau Beschluss, 12. Feb. 2014 - 1 T 16/14

ECLI:ECLI:DE:LGDESSA:2014:0212.1T16.14.0A
12.02.2014

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Treuhänders vom 15.01.2014 gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Dessau-Roßlau - Insolvenzgericht - vom 08.01.2014 - 2 IK 232/10 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Wert des Beschwerdeverfahrens: 232,05 Euro.

Gründe

1

Die nach §§ 64 Abs. 3, 6 Abs. 1 InsO, 567 Abs. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Treuhänders gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss des Insolvenzgerichts vom 08.01.2014 ist unbegründet.

I.

2

Der die Beschwerde führende Treuhänder und das Insolvenzgericht sind sich darin uneins, wie diejenigen Forderungsanmeldungen vergütungsrechtlich zu behandeln sind, die zwischenzeitlich durch die anmeldenden Personen zurückgenommen wurden. Das Amtsgericht meint in dem angefochtenen Beschluss - dem Treuhänder am 14.01.2014 zugestellt -, dass bei der Berechnung der Mindestvergütung nach § 13 Abs. 1 InsVV in Anbetracht der Tatsache, dass die „Gläubiger“ zu den lfd. Nrn. 6 und 7 der Tabelle ihre Forderungen zwischenzeitlich zurückgenommen hätten, lediglich von nicht mehr als fünf Gläubigern auszugehen sei. Abzustellen sei auf die Anzahl an Gläubigern gemäß dem Verteilungsverzeichnis. In der Folge verringere sich auch der maximale Pauschbetrag für die Auslagen (§ 8 Abs. 3 S. 3 InsVV).

3

Dem hält der Treuhänder in seiner am selben Tage beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde vom 15.01.2014 entgegen, eine solche Bewertung, die auf die Anzahl der am Ende des Verfahrens vorliegenden Anmeldungen abstellt, sei zu formal. Sie führe zu einer unangemessenen Vergütungshöhe. Die Rücknahmen der Forderungsanmeldungen hätten für ihn keinen minderen Aufwand erzeugt als wenn die Anmeldungen förmlich in einem Prüfungstermin geprüft worden wären. Beide Anmeldungen seien von ihm in die Tabelle eintragen und materiell-rechtlich geprüft worden. Er habe den beiden Anmeldenden die beabsichtigten Prüfungsergebnisse vorab mitgeteilt, woraufhin diese ihre Anmeldungen zurückgenommen hätten. Kausal für die Rücknahmen sei also seine bei der Prüfung der Anmeldungen entfaltete Tätigkeit gewesen. Sachgerecht sei es daher, bei der Bestimmung der Mindestvergütung nach § 13 Abs. 1 InsVV auch diejenigen Forderungsanmeldungen mitzuzählen, welche im Laufe des Verfahrens zurückgenommen werden, denn auch auf diese Forderungen erstrecke sich die Tätigkeit des Treuhänders.

4

Das Insolvenzgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 16.01.2014 nicht abgeholfen und das Rechtsmittel dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt: § 13 InsVV stelle nicht auf die Anzahl an Anmeldungen zur Tabelle ab, sondern es werde der Begriff des Gläubigers verwendet. Wer seine Forderungsanmeldung - wie hier, weil ihm tatsächlich keine Forderung (mehr) zustehe - zurücknehme, sei schon begrifflich nicht Gläubiger, weshalb es richtig sei, derartige Anmeldungen bei der Festsetzung der Mindestvergütung außen vor zu lassen. Auch gelte es zu berücksichtigen, dass der Treuhänder nicht nur für den Aufwand der Prüfung der Forderungen vergütet werde, sondern auch für den Aufwand der Erstellung des Schlussverzeichnisses und der Verteilung der Masse nebst dem damit verbundenen Haftungsrisiko für die korrekten Auszahlungen. Für zurückgenommene Forderungsanmeldungen entfalle der Aufwand für die Ausschüttung der Masse an diese vermeintlichen Gläubiger. Auch habe der Treuhänder insoweit kein Haftungsrisiko für eine korrekte Auszahlung und Überweisung der Quote zu tragen. Nach alledem sei es hier sachgerecht, bei der Bestimmung der Mindestvergütung von der im Verteilungsverzeichnis ausgewiesenen Anzahl von fünf Gläubigern auszugehen.

II.

5

Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

6

Der Wortlaut des § 13 Abs. 1 S. 3 InsVV streitet gegen ein Normverständnis, das davon ausgeht, es sei ausreichend, wenn Personen zu irgendeinem Zeitpunkt vor Verfahrensende Forderungen angemeldet haben, mögen diese Anmeldungen zwischenzeitlich auch zurückgenommen worden sein. War hier die Anmeldung der Forderungen zu den lfd. Nrn. 6 und 7 der Tabelle im Zeitpunkt des (berichtigten) Vergütungsantrages vom 13.12.2013 durch den actus contrarius der Anmeldungsrücknahme rückgängig gemacht worden, so kann nicht im Sinne von § 13 Abs. 1 S. 3 und 4 InsVV davon gesprochen werden, dass „mehr als 5 Gläubiger ihre Forderungenangemeldet haben“. Das verbietet sich aber nicht nur deshalb, weil eine zurückgenommene Anmeldung keine Anmeldung i. S. v. § 13 Abs. 1 InsVV (mehr) ist. Auch der Gläubigerbegriff in § 13 Abs. 1 InsVV spricht dagegen, falsch anmeldende Personen mitzuzählen. Wie vom Insolvenzgericht richtig angenommen, meint § 13 Abs. 1 InsVV mit „Gläubiger“ nicht jede falsch anmeldende Person, sondern gemeint sind die Anmeldungen von Insolvenzforderungen berechtigter Insolvenzgläubiger - wie sie sich aus dem Schlussverzeichnis ergeben. „Gläubiger“ sind nicht solche Personen, die - wie hier - Forderungen geltend machen, die sich als unberechtigt erweisen. So sieht es auch der BGH, wenn er in seinem Beschluss vom 19.05.2011 - IX ZB 27/10 - (juris-Rdn. 6) darauf verweist, der typisierenden Regelungsweise in § 2 Abs. 2 InsVV (für das Regelinsolvenzverfahren; gleichermaßen in § 13 Abs. 1 InsVV für die Treuhändervergütung in IK-Sachen) entspreche es,

7

„die maßgebliche Anzahl der Gläubiger formal zu bestimmen“.

8

Entscheidend sei,

9

„wer jeweils materiell-rechtlich Inhaber der angemeldeten Forderung ist (§ 241 Abs. 1 Satz 1 BGB)“.

10

Falsch anmeldende Personen sind materiell-rechtlich nicht Inhaber von Insolvenzforderungen.

11

Diese Bewertung ist auch unter teleologischen Gesichtspunkten richtig. Die Anzahl der Gläubiger wurde vom Verordnungsgeber als geeignetes Differenzierungskriterium erachtet, das den Aufwand des Verwalters in etwa abbilden soll (vgl. die Begründung der Verordnung, u. a. abgedruckt in ZIP 2004, 1927 ff.). Die Anzahl der Gläubiger, die Forderungen angemeldet haben, dient dabei lediglich als Indikator für den Aufwand des Verwalters und soll diesen nur pauschal und annäherungsweise wiedergeben. Die tatsächliche Belastung des Verwalters soll im Interesse einer praktikablen Handhabung der Vergütungsfestsetzung nicht ermittelt werden. Dadurch soll - für das Regelinsolvenzverfahren (§ 2 Abs. 2 InsVV) wie auch für das Verbraucherinsolvenzverfahren (§ 13 Abs. 1 InsVV) - imDurchschnitt der massearmen und in IK-Sachen oftmals masselosen Verfahren eine leistungsgerechte Vergütung erreicht werden. Wie auch in der Rechtsprechung des BGH vertreten (vgl. Beschluss vom 04.02.2010 - IX ZB 129/08 - ; Beschluss vom 19.05.2011 - IX ZB 27/10 -, jeweils zitiert nach juris), hat der Verordnungsgeber durch die Verwendung dieses formal-pauschalierenden Maßstabs im Interesse der Praktikabilität in Kauf genommen, dass die Mindestvergütung nicht in jedem Fall genau mit der individuellen Belastung des Verwalters in dem konkreten Verfahren korreliert. Danach ist der in Teilen der vergütungsrechtlichen Literatur (Graf-Schlicker/Kalkmann, 3. Aufl., § 2 InsVV, Rdnrn. 13, 15, u. § 13 InsVV, Rdn. 4; HambKomm/Büttner, 4. Aufl., § 13 InsVV, Rdn. 11; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 3. Aufl., Rdn. 423; Lorenz/Klanke, § 2 InsVV, Rdn. 22, u. § 13 InsVV, Rdn. 24; MK-InsO/Riedel, 3. Aufl., § 2 InsVV, Rdn. 13) in den Fokus gerückte Umstand, dass eine Häufung von Falschanmeldungen, die auf die Vorabprüfung des Verwalters hin wieder zurückgenommen werden, mitunter eine nicht unerhebliche Belastung für den Verwalter darstellen kann, kein überzeugendes Argument für ein „Mitzählen“ auch von falsch anmeldenden, vermeintlichen „Gläubigern“ bei der Berechnung der Mindestvergütung (in diesem Sinne auch: AG Potsdam, Beschlüsse vom 12.07.2005 - 35 IK 568/04 - und vom 05.12.2006 - 35 IN 1058/05 -, jeweils zitiert nach juris; Haarmeyer/Wutzke/Förster, 4. Aufl., § 13 InsVV, Rdn. 11).

12

Zudem lässt eine allein den Prüfungsaufwand als Tätigkeitsfeld des Treuhänders in den Blick rückende Betrachtung außer Betracht, dass mit der Mindestvergütung - wie vom Insolvenzgericht im Nichtabhilfebeschluss richtig erörtert - auch noch andere Tätigkeitsbereiche vergütet werden, in denen eine (Mehr-) Belastung durch die Falschanmeldung(en) nicht entsteht.

13

Auch die Gesetzgebungsmaterialien sprechen dafür, nur die aus dem Schlussverzeichnis ersichtlichen Gläubiger bei der Bestimmung der Mindestvergütungshöhe zu berücksichtigen. So heißt es in Abschnitt B. („Lösung“) des Verordnungsentwurfs des BMJ:

14

„Die Mindestvergütung des Treuhänders … soll ebenfalls maßvoll angehoben werden, wenn dieser die eingehenden Gelder an mehr als 5 Gläubiger zu verteilen hat.“

15

Soweit sich in der vergütungsrechtlichen Literatur die oben zitierte Gegenauffassung teilweise (sh. Graf-Schlicker/Kalkmann, 3. Aufl., § 2 InsVV, Rdn. 13, Fn. 4; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 3. Aufl., Rdn. 423, Fn. 104) auf Beschlüsse des BGH vom 13.07.2006 - IX ZB 104/05 - und 04.02.2010 - IX ZB 129/08 - zu stützen können glaubt, kann das nicht nachvollzogen werden. In jenen BGH-Entscheidungen ging es um die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters. Da im Eröffnungsverfahren die Zahl der Gläubiger, die nach Verfahrenseröffnung Forderungen anmelden, noch nicht bekannt ist, hat der IX. Zivilsenat die Anzahl der Gläubiger für maßgebend erachtet, denen nach den Unterlagen des Schuldners offene Forderungen gegen den Schuldner zustehen, soweit mit einer Forderungsanmeldung im (eröffneten) Insolvenzverfahren zu rechnen ist. Daraus kann für die hier in Rede stehende Frage, wie im eröffneten Insolvenzverfahren die Treuhändermindestvergütung im Hinblick auf zurückgenommene Falschanmeldungen zu bestimmen ist, nichts Durchgreifendes hergeleitet werden. Vielmehr betont der BGH-Beschluss vom 19.05.2011 - IX ZB 27/10 - (vgl. juris-Rdn. 7), dass die vorzitierte Rechtsprechung zur Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters im Eröffnungsverfahren nicht dahingehend missverstanden werden dürfe, dass auch im eröffneten Verfahren die Vergütungshöhe einer „mehr wertende(n) Betrachtung“ zu unterziehen sei (hier etwa dahin, dass der Aufwand der Prüfung von Falschanmeldungen wertend zugunsten des Treuhänders Berücksichtigung finden müsse).

16

Letztlich besteht vergütungsrechtlich auch kein Bedürfnis, falsch anmeldende, vermeintliche „Gläubiger“ bei der Berechnung der Mindestvergütung nach § 13 Abs. 1 InsVV mitzuzählen. Sollte es, was nach den Umständen des vorliegenden Falls zu verneinen ist, wegen einer massiven Häufung von Falschanmeldungen, die später auf Mitteilung des Vorabprüfungsergebnisses des Treuhänders zurückgenommen werden, zu einer augenfälligen Diskrepanz zwischen dem Arbeitsaufwand des Treuhänders und der Höhe einer anhand der Anzahl der Gläubiger laut Schlussverzeichnis bestimmten (Mindest-) Vergütung kommen, so kann in einem solchen Ausnahmefall das Ziel einer angemessenen Vergütung durch einen Zuschlag erreicht werden. Dabei entspricht es vorherrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur (vgl. die Nachw. bei MK-InsO/Stephan, 3. Aufl., § 13 InsVV, Rdn. 9), dass § 13 Abs. 2 InsVV lediglich bedeutet, dass die in § 3 InsVV geregelten Regelbeispiele nicht gelten. Atypischen, außerhalb des Anwendungsbereichs der Regelbeispiele liegenden Sachverhalten kann auch im Anwendungsbereich des § 13 InsVV mit angemessenen Zuschlägen begegnet werden.

17

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 4 InsO, 97 Abs. 1 ZPO.


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(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen. (2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Re

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Insolvenzordnung - InsO | § 64 Festsetzung durch das Gericht


(1) Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters durch Beschluß fest. (2) Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt i

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(1) Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist insbesondere festzusetzen, wenn a) die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne daß ein entsprechender Mehrbetrag

Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung - InsVV | § 2 Regelsätze


(1) Der Insolvenzverwalter erhält in der Regel 1. von den ersten 35 000 Euro der Insolvenzmasse 40 Prozent,2. von dem Mehrbetrag bis zu 70 000 Euro 26 Prozent,3. von dem Mehrbetrag bis zu 350 000 Euro 7,5 Prozent,4. von dem Mehrbetrag bis zu 700 000

Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung - InsVV | § 8 Festsetzung von Vergütung und Auslagen


(1) Die Vergütung und die Auslagen werden auf Antrag des Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht festgesetzt. Die Festsetzung erfolgt für Vergütung und Auslagen gesondert. Der Antrag soll gestellt werden, wenn die Schlußrechnung an das Gericht gesan

Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung - InsVV | § 13 Vergütung des Insolvenzverwalters im Verbraucherinsolvenzverfahren


Werden in einem Verfahren nach dem Neunten Teil der Insolvenzordnung die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der Insolvenzordnung von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt, ermäßigt sich die Vergütung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 auf 1 120 Eur

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Bundesgerichtshof Beschluss, 04. Feb. 2010 - IX ZB 129/08

bei uns veröffentlicht am 04.02.2010

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(1) Das Insolvenzgericht setzt die Vergütung und die zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters durch Beschluß fest.

(2) Der Beschluß ist öffentlich bekanntzumachen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuß bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Die festgesetzten Beträge sind nicht zu veröffentlichen; in der öffentlichen Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, daß der vollständige Beschluß in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann.

(3) Gegen den Beschluß steht dem Verwalter, dem Schuldner und jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. § 567 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung gilt entsprechend.

Werden in einem Verfahren nach dem Neunten Teil der Insolvenzordnung die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der Insolvenzordnung von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt, ermäßigt sich die Vergütung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 auf 1 120 Euro.

(1) Die Vergütung und die Auslagen werden auf Antrag des Insolvenzverwalters vom Insolvenzgericht festgesetzt. Die Festsetzung erfolgt für Vergütung und Auslagen gesondert. Der Antrag soll gestellt werden, wenn die Schlußrechnung an das Gericht gesandt wird.

(2) In dem Antrag ist näher darzulegen, wie die nach § 1 Abs. 2 maßgebliche Insolvenzmasse berechnet worden ist und welche Dienst- oder Werkverträge für besondere Aufgaben im Rahmen der Insolvenzverwaltung abgeschlossen worden sind (§ 4 Abs. 1 Satz 3).

(3) Der Verwalter kann nach seiner Wahl anstelle der tatsächlich entstandenen Auslagen einen Pauschsatz fordern, der im ersten Jahr 15 vom Hundert, danach 10 vom Hundert der Regelvergütung, höchstens jedoch 350 Euro je angefangenen Monat der Dauer der Tätigkeit des Verwalters beträgt. Der Pauschsatz darf 30 vom Hundert der Regelvergütung nicht übersteigen.

Werden in einem Verfahren nach dem Neunten Teil der Insolvenzordnung die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der Insolvenzordnung von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt, ermäßigt sich die Vergütung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 auf 1 120 Euro.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 27/10
vom
19. Mai 2011
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Gebietskörperschaft zählt bei der Berechnung der Mindestvergütung des Insolvenzverwalters
auch dann als (nur) eine Gläubigerin, wenn sie durch verschiedene
Behörden mehrere Forderungen aus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen angemeldet
hat.
BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - IX ZB 27/10 - LG Chemnitz
AG Chemnitz
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Grupp und die
Richterin Möhring
am 19. Mai 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 25. Januar 2010 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 232,05 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die weitere Beteiligte war Verwalterin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. In dem Verfahren meldeten neben der Landesjustizkasse Chemnitz und dem Finanzamt Schwarzenberg 19 Gläubiger Forderungen an. Das Insolvenzgericht hat die (Mindest-)Vergütung der weiteren Beteiligten für ihre Tätigkeit als Insolvenzverwalterin gemäß § 2 Abs. 2 InsVV auf 2.059,65 € festgesetzt (1.300 € Vergütung, 390 € Auslagen, 40,80 € Zustellkosten , 19 v.H. Umsatzsteuer). Es hat seiner Berechnung eine Anzahl von 20 Gläubigern zugrunde gelegt, die ihre Forderungen angemeldet haben. Die sofortige Beschwerde der Verwalterin, mit der sie eine Berechnung nach 21 Gläubigern erreichen wollte, hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Begehren weiter.

II.


2
Die statthafte (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch sonst zulässige (§§ 575, 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
3
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, sowohl hinter der Landesjustizkasse Chemnitz als auch hinter dem Finanzamt Schwarzenberg stehe der Freistaat Sachsen. Er sei bei der Bestimmung der Gläubigerzahl nur einmal zu berücksichtigen. Dass unterschiedliche Behörden tätig geworden seien, ändere daran nichts.
4
2. Diese Beurteilung trifft zu.
5
a) Die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters beträgt nach § 2 Abs. 2 InsVV in Insolvenzverfahren, in denen nicht mehr als zehn Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben, regelmäßig 1.000 €. Sie erhöht sich, wenn in dem Verfahren 11 bis 30 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben , für je angefangene fünf Gläubiger um 150 Euro. Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene fünf Gläubiger um 100 Euro. Die mit der Änderungsverordnung vom 4. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2569) eingeführte Regelung soll dem unterschiedlichen Aufwand der Verwalter in den jeweiligen Verfahren Rechnung tragen. Die Anzahl der Gläubiger wurde als geeignetes Diffe- renzierungskriterium erachtet, das den Aufwand des Verwalters in etwa abbildet (vgl. die Begründung der Verordnung, abgedruckt u.a. in ZIP 2004, 1927, 1930 f). Maßgebend ist die Kopfzahl der anmeldenden Gläubiger, nicht die Anzahl der angemeldeten Forderungen (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - IX ZB 39/10, ZIP 2011, 132 Rn. 4). Der Verordnungsgeber hat sich damit für ein Kriterium entschieden, das den tatsächlichen Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters nur näherungsweise wiedergibt, dafür aber dem Insolvenzgericht eine einfache und sichere Handhabung ermöglicht. Er hat durch die Verwendung eines pauschalierenden Maßstabs im Interesse der Praktikabilität in Kauf genommen, dass die Mindestvergütung nicht in jedem Fall genau mit der Belastung des Verwalters korreliert (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 - IX ZB 129/08, ZIP 2010, 486 Rn. 8). Diese Regelung ist von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt und verfassungsgemäß (BGH, Beschluss vom 13. März 2008 - IX ZB 63/05, ZIP 2008, 976 Rn. 6 ff).
6
b) Der typisierenden Regelungsweise entspricht es, die maßgebliche Anzahl der Gläubiger formal zu bestimmen. Entscheidend ist, wer jeweils materiell -rechtlich Inhaber der angemeldeten Forderung ist (vgl. § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB). Unerheblich ist hingegen, ob ein Gläubiger mehrere Forderungen geltend macht, auch wenn diese auf unterschiedlichen Rechtsverhältnissen beruhen und von verschiedenen Organisationseinheiten des Gläubigers bearbeitet werden. Handelt es sich bei dem Gläubiger wie hier um eine öffentlichrechtliche Gebietskörperschaft, die durch verschiedene Behörden rechtlich selbständige Forderungen angemeldet hat, ist sie bei der Ermittlung der Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV nur einmal zu zählen, auch wenn im konkreten Fall für den Insolvenzverwalter ein ähnlicher Arbeitsaufwand entsteht wie bei der Forderungsanmeldung durch unterschiedliche Gläubiger (aA GrafSchlicker /Kalkmann, InsO, 2. Aufl., § 2 InsVV Rn. 19). Eine auskömmliche Ver- gütung muss im Blick auf den Gesichtspunkt der Querfinanzierung nicht in jedem einzelnen Verfahren erzielt werden (BGH, Beschluss vom 13. März 2008, aaO Rn. 11 f).
7
c) Die Rechtsbeschwerde befürwortet unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 4. Februar 2010 (IX ZB 129/08, aaO) eine mehr wertende Betrachtung. Dort ging es jedoch nicht um die Vergütung des endgültigen, sondern um diejenige des vorläufigen Insolvenzverwalters. Da im Eröffnungsverfahren die Zahl der Gläubiger, die nach Verfahrenseröffnung Forderungen anmelden , noch nicht bekannt ist, hat der Senat für diesen Verfahrensabschnitt die Zahl der Gläubiger für maßgeblich erachtet, bei denen nach der Eröffnung des Verfahrens mit einer Forderungsanmeldung zu rechnen ist. Daraus ist nicht der Schluss zu ziehen, auch im eröffneten Verfahren müsse die Anzahl der Gläubiger, die in diesem Verfahrensstadium bekannt sind, wertend bestimmt werden.
8
d) Meldet ein Gläubiger mehrere Forderungen an, erhöht dies nach der geltenden Regelung nicht die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters. Eine daraus resultierende Diskrepanz zwischen dem Arbeitsaufwand des Verwalters und der Höhe seiner Vergütung ist im Grundsatz hinzunehmen. In besonderen Fällen kann eine unangemessen niedrige Vergütung durch einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 InsVV vermieden werden. Die Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen einen solchen Zuschlag jedoch nicht.
Kayser Gehrlein Fischer
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
AG Chemnitz, Entscheidung vom 08.10.2009 - 1517 IN 2372/06 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 25.01.2010 - 3 T 778/09 -

(1) Der Insolvenzverwalter erhält in der Regel

1.
von den ersten 35 000 Euro der Insolvenzmasse 40 Prozent,
2.
von dem Mehrbetrag bis zu 70 000 Euro 26 Prozent,
3.
von dem Mehrbetrag bis zu 350 000 Euro 7,5 Prozent,
4.
von dem Mehrbetrag bis zu 700 000 Euro 3,3 Prozent,
5.
von dem Mehrbetrag bis zu 35 000 000 Euro 2,2 Prozent,
6.
von dem Mehrbetrag bis zu 70 000 000 Euro 1,1 Prozent,
7.
von dem Mehrbetrag bis zu 350 000 000 Euro 0,5 Prozent,
8.
von dem Mehrbetrag bis zu 700 000 000 Euro 0,4 Prozent,
9.
von dem darüber hinausgehenden Betrag 0,2 Prozent.

(2) Haben in dem Verfahren nicht mehr als 10 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet, so soll die Vergütung in der Regel mindestens 1 400 Euro betragen. Von 11 bis zu 30 Gläubigern erhöht sich die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 210 Euro. Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene 5 Gläubiger um 140 Euro.

Werden in einem Verfahren nach dem Neunten Teil der Insolvenzordnung die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der Insolvenzordnung von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt, ermäßigt sich die Vergütung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 auf 1 120 Euro.

(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.

(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

(1) Der Insolvenzverwalter erhält in der Regel

1.
von den ersten 35 000 Euro der Insolvenzmasse 40 Prozent,
2.
von dem Mehrbetrag bis zu 70 000 Euro 26 Prozent,
3.
von dem Mehrbetrag bis zu 350 000 Euro 7,5 Prozent,
4.
von dem Mehrbetrag bis zu 700 000 Euro 3,3 Prozent,
5.
von dem Mehrbetrag bis zu 35 000 000 Euro 2,2 Prozent,
6.
von dem Mehrbetrag bis zu 70 000 000 Euro 1,1 Prozent,
7.
von dem Mehrbetrag bis zu 350 000 000 Euro 0,5 Prozent,
8.
von dem Mehrbetrag bis zu 700 000 000 Euro 0,4 Prozent,
9.
von dem darüber hinausgehenden Betrag 0,2 Prozent.

(2) Haben in dem Verfahren nicht mehr als 10 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet, so soll die Vergütung in der Regel mindestens 1 400 Euro betragen. Von 11 bis zu 30 Gläubigern erhöht sich die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 210 Euro. Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene 5 Gläubiger um 140 Euro.

Werden in einem Verfahren nach dem Neunten Teil der Insolvenzordnung die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der Insolvenzordnung von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt, ermäßigt sich die Vergütung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 auf 1 120 Euro.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 129/08
vom
4. Februar 2010
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Die Höhe der Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters richtet sich
nach der Anzahl der Gläubiger, denen nach den Unterlagen des Schuldners
offene Forderungen gegen den Schuldner zustehen, soweit mit einer Forderungsanmeldung
im Insolvenzverfahren zu rechnen ist. Es kommt nicht darauf
an, ob sich der vorläufige Verwalter mit den Forderungen konkret befasst hat.
BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 - IX ZB 129/08 - LG Hechingen
AG Hechingen
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter
Prof. Dr. Kayser, Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Dr. Pape und Grupp
am 4. Februar 2010

beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hechingen vom 13. Mai 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 813,70 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Der weitere Beteiligte (im Folgenden: Beteiligter) wurde im Verfahren über den Antrag des Schuldners auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1. Februar 2006 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. In seinem Abschlussbericht ermittelte er die freie Masse unter Berücksichtigung von Anfechtungstatbeständen auf 18.000 €. Am 16. Mai 2006 beantragte er, seine Vergü- tung als vorläufiger Insolvenzverwalter auf 3.010,70 € festzusetzen. Dem Antrag legte er, weil die Realisierung der Anfechtungstatbestände zweifelhaft war, die Mindestvergütung nach einer Anzahl von 56 Gläubigern zugrunde. Am 18. Juni 2006 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Vergütung des Beteiligten wurde auf 2.197 € festgesetzt. Dabei ging das Insolvenzgericht von 31 Gläubigern aus. Die 24 Arbeitnehmer des Schuldners und seine Ehefrau, welche nach Angabe des Beteiligten offene Lohnforderungen hatten, berücksichtigte es nicht. Die sofortige Beschwerde blieb ohne Erfolg. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Beteiligte seinen Vergütungsanspruch weiter.

II.


2
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Bundesgerichtshof hat bislang noch nicht entschieden, nach welchen Kriterien die für die Berechnung der Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters maßgebliche Gläubigeranzahl zu bestimmen ist.
3
Rechtsbeschwerde Die führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO).
4
1. Das Landgericht hat eine Berücksichtigung der Arbeitnehmer und der Ehefrau des Schuldners abgelehnt, weil der weitere Beteiligte nicht ausreichend dargelegt habe, ob jeweils ein konkreter, ins Gewicht fallender Mehraufwand wegen der Prüfung einer Forderung angefallen sei. Dies gelte umso mehr, als er sich mit den Arbeitnehmern ohnehin im Zusammenhang mit dem Gewerbe- http://localhost:8025/jportal/portal/t/5/page/dvdbundesrechtsonderedition.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR286600994BJNE018503301&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint - 4 - betrieb des Schuldners habe befassen müssen und auf dem Arbeitsverhältnis beruhende Lohnforderungen im Regelfall wenige individuelle Besonderheiten aufwiesen.
5
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
6
a) Der vorläufige Insolvenzverwalter erhält für seine Tätigkeit aufgrund der Verweisung in § 10 InsVV wie der endgültige Insolvenzverwalter die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV, wenn sich als Regelvergütung nach § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 InsVV ein niedrigerer Betrag ergäbe. Die Mindestvergütung beträgt in Insolvenzverfahren, in denen nicht mehr als zehn Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben, 1.000 €. Sie erhöht sich je angefangene fünf Gläubiger von elf bis 30 Gläubigern um 150 €, ab 31 Gläubigern um 100 €. Für die Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters kann allerdings nicht auf die Anzahl der Gläubiger abgestellt werden, die Forderungen "angemeldet" haben, weil im Eröffnungsverfahren Forderungsanmeldungen (§ 174 InsO) noch nicht vorliegen und die Anzahl der Gläubiger, die im eröffneten Verfahren Forderungen anmelden, bei Beantragung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters regelmäßig noch nicht bekannt ist. Maßgeblich ist deshalb nach der Rechtsprechung des Senats die Anzahl der im Eröffnungsverfahren beteiligten Gläubiger (BGHZ 168, 321, 338 Rn. 41). Offen gelassen hat der Senat bisher, ob dabei sämtliche Gläubiger zu berücksichtigen sind, die nach den Schuldnerunterlagen voraussichtlich im Insolvenzverfahren beteiligt sein werden, oder nur diejenigen, die den Eröffnungsantrag gestellt haben oder mit deren Forderungen sich der vorläufige Insolvenzverwalter konkret befasst hat.
7
b) Die Höhe der Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters richtet sich nach der Anzahl der Gläubiger, denen nach den Unterlagen des Schuldners Forderungen zustehen, soweit mit einer Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren zu rechnen ist.
8
aa) Die Staffelung der Mindestvergütung nach der Anzahl der Gläubiger wurde mit der Änderungsverordnung vom 4. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2569) eingeführt. Sie soll dem unterschiedlichen Aufwand der Verwalter in den jeweiligen Verfahren Rechnung tragen. Die Anzahl der Gläubiger wurde als geeignetes Differenzierungskriterium erachtet, das den Aufwand des Verwalters in etwa abbildet (vgl. die Begründung der Verordnung, abgedruckt u.a. in ZIP 2004, 1927). Der Senat hat entschieden, dass sich diese Neuregelung im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage des § 65 i.V.m. § 63 InsO hält und nicht verfassungswidrig ist (Beschl. v. 13. März 2008 - IX ZB 63/05, ZIP 2008, 976). Für das eröffnete Insolvenzverfahren wird mit der Anzahl der Gläubiger, die ihre Forderungen angemeldet haben, ein Kriterium verwendet, das als Indikator für den Aufwand des Verwalters dient, diesen also nur pauschal und näherungsweise wiedergeben soll. Die tatsächliche Belastung des Verwalters braucht im Interesse einer praktikablen Handhabung der Vergütungsfestsetzung nicht ermittelt zu werden. Dadurch soll im Durchschnitt der massearmen Verfahren eine leistungsgerechte Vergütung erreicht werden.
9
bb) Diesem pauschalierenden Charakter der Regelung würde es nicht entsprechen, im Eröffnungsverfahren nur auf die Anzahl der Gläubiger abzustellen , mit denen sich der vorläufige Verwalter nachweislich konkret befasst hat (so aber Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 4. Aufl. § 2 Rn. 50 und § 11 Rn. 75; Graeber, Vergütung in Insolvenzverfahren von A-Z Rn. 315; dagegen GrafSchlicker /Mäusezahl, InsO, § 11 InsVV Rn. 5). Die Anzahl der Gläubiger, die selbst einen Antrag auf Eröffnung des Verfahrens gestellt haben, ist kein geeigneter Indikator für den Umfang der Tätigkeit eines vorläufigen Verwalters (Blersch in Blersch/Goetsch/Haas, Insolvenzrecht § 11 InsVV Rn. 47). Den Gläubigern, die im eröffneten Verfahren Forderungen anmelden, entspricht im Eröffnungsverfahren am ehesten die Gesamtzahl der festgestellten Gläubiger, bei denen mit einer Forderungsanmeldung im eröffneten Verfahren zu rechnen ist (Stephan/Riedel, InsVV § 11 Rn. 56; HK-InsO/Keller, 5. Aufl. § 11 InsVV Rn. 7; HmbKomm-InsO/Büttner, 3. Aufl. § 11 InsVV Rn. 141).
10
Danach cc) sind als Gläubiger im Sinne der §§ 10, 2 Abs. 2 InsVV grundsätzlich auch die Arbeitnehmer des Schuldners zu berücksichtigen, die zum Zeitpunkt der Bestellung des vorläufigen Verwalters offene Forderungen haben. Eine konkrete Befassung mit diesen Forderungen braucht der vorläufige Insolvenzverwalter nicht nachzuweisen. Nicht selten wird es aber in diesen Fällen zu keiner Forderungsanmeldung der einzelnen Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren kommen, weil ihre Lohnforderungen mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit übergehen (§§ 183, 187 SGB III). Für die Berechnung der Mindestvergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters sind solche Arbeitnehmer daher zu einem Gläubiger zusammenzufassen. Ansonsten käme es zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besserstellung des vorläufigen gegenüber dem endgültigen Insolvenzverwalter. Arbeitnehmer mit Lohnforderungen aus Zeiträumen, für die kein Insolvenzgeld gewährt wird, bleiben hingegen auch im eröffneten Verfahren als Gläubiger zur Anmeldung ihrer Forderung berechtigt. Sie sind bei der Berechnung der Mindestvergütung gesondert zu berücksichtigen.
11
c) Mit der vom Beschwerdegericht gegebenen Begründung können die 24 Arbeitnehmer des Schuldners und seine bei ihm geringfügig beschäftigte Ehefrau danach nicht unberücksichtigt bleiben. Ob sie nach den vorgenannten Maßstäben die Mindestvergütung erhöhen, kann auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilt werden. Die Sache ist daher zur erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
Kayser Gehrlein Fischer
Pape Grupp
Vorinstanzen:
AG Hechingen, Entscheidung vom 29.10.2007 - IN 11/07 -
LG Hechingen, Entscheidung vom 13.05.2008 - 3 T 23/08 -

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 27/10
vom
19. Mai 2011
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Gebietskörperschaft zählt bei der Berechnung der Mindestvergütung des Insolvenzverwalters
auch dann als (nur) eine Gläubigerin, wenn sie durch verschiedene
Behörden mehrere Forderungen aus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen angemeldet
hat.
BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - IX ZB 27/10 - LG Chemnitz
AG Chemnitz
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Grupp und die
Richterin Möhring
am 19. Mai 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 25. Januar 2010 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 232,05 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die weitere Beteiligte war Verwalterin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. In dem Verfahren meldeten neben der Landesjustizkasse Chemnitz und dem Finanzamt Schwarzenberg 19 Gläubiger Forderungen an. Das Insolvenzgericht hat die (Mindest-)Vergütung der weiteren Beteiligten für ihre Tätigkeit als Insolvenzverwalterin gemäß § 2 Abs. 2 InsVV auf 2.059,65 € festgesetzt (1.300 € Vergütung, 390 € Auslagen, 40,80 € Zustellkosten , 19 v.H. Umsatzsteuer). Es hat seiner Berechnung eine Anzahl von 20 Gläubigern zugrunde gelegt, die ihre Forderungen angemeldet haben. Die sofortige Beschwerde der Verwalterin, mit der sie eine Berechnung nach 21 Gläubigern erreichen wollte, hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Begehren weiter.

II.


2
Die statthafte (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch sonst zulässige (§§ 575, 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
3
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, sowohl hinter der Landesjustizkasse Chemnitz als auch hinter dem Finanzamt Schwarzenberg stehe der Freistaat Sachsen. Er sei bei der Bestimmung der Gläubigerzahl nur einmal zu berücksichtigen. Dass unterschiedliche Behörden tätig geworden seien, ändere daran nichts.
4
2. Diese Beurteilung trifft zu.
5
a) Die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters beträgt nach § 2 Abs. 2 InsVV in Insolvenzverfahren, in denen nicht mehr als zehn Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben, regelmäßig 1.000 €. Sie erhöht sich, wenn in dem Verfahren 11 bis 30 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben , für je angefangene fünf Gläubiger um 150 Euro. Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene fünf Gläubiger um 100 Euro. Die mit der Änderungsverordnung vom 4. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2569) eingeführte Regelung soll dem unterschiedlichen Aufwand der Verwalter in den jeweiligen Verfahren Rechnung tragen. Die Anzahl der Gläubiger wurde als geeignetes Diffe- renzierungskriterium erachtet, das den Aufwand des Verwalters in etwa abbildet (vgl. die Begründung der Verordnung, abgedruckt u.a. in ZIP 2004, 1927, 1930 f). Maßgebend ist die Kopfzahl der anmeldenden Gläubiger, nicht die Anzahl der angemeldeten Forderungen (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - IX ZB 39/10, ZIP 2011, 132 Rn. 4). Der Verordnungsgeber hat sich damit für ein Kriterium entschieden, das den tatsächlichen Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters nur näherungsweise wiedergibt, dafür aber dem Insolvenzgericht eine einfache und sichere Handhabung ermöglicht. Er hat durch die Verwendung eines pauschalierenden Maßstabs im Interesse der Praktikabilität in Kauf genommen, dass die Mindestvergütung nicht in jedem Fall genau mit der Belastung des Verwalters korreliert (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 - IX ZB 129/08, ZIP 2010, 486 Rn. 8). Diese Regelung ist von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt und verfassungsgemäß (BGH, Beschluss vom 13. März 2008 - IX ZB 63/05, ZIP 2008, 976 Rn. 6 ff).
6
b) Der typisierenden Regelungsweise entspricht es, die maßgebliche Anzahl der Gläubiger formal zu bestimmen. Entscheidend ist, wer jeweils materiell -rechtlich Inhaber der angemeldeten Forderung ist (vgl. § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB). Unerheblich ist hingegen, ob ein Gläubiger mehrere Forderungen geltend macht, auch wenn diese auf unterschiedlichen Rechtsverhältnissen beruhen und von verschiedenen Organisationseinheiten des Gläubigers bearbeitet werden. Handelt es sich bei dem Gläubiger wie hier um eine öffentlichrechtliche Gebietskörperschaft, die durch verschiedene Behörden rechtlich selbständige Forderungen angemeldet hat, ist sie bei der Ermittlung der Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV nur einmal zu zählen, auch wenn im konkreten Fall für den Insolvenzverwalter ein ähnlicher Arbeitsaufwand entsteht wie bei der Forderungsanmeldung durch unterschiedliche Gläubiger (aA GrafSchlicker /Kalkmann, InsO, 2. Aufl., § 2 InsVV Rn. 19). Eine auskömmliche Ver- gütung muss im Blick auf den Gesichtspunkt der Querfinanzierung nicht in jedem einzelnen Verfahren erzielt werden (BGH, Beschluss vom 13. März 2008, aaO Rn. 11 f).
7
c) Die Rechtsbeschwerde befürwortet unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 4. Februar 2010 (IX ZB 129/08, aaO) eine mehr wertende Betrachtung. Dort ging es jedoch nicht um die Vergütung des endgültigen, sondern um diejenige des vorläufigen Insolvenzverwalters. Da im Eröffnungsverfahren die Zahl der Gläubiger, die nach Verfahrenseröffnung Forderungen anmelden , noch nicht bekannt ist, hat der Senat für diesen Verfahrensabschnitt die Zahl der Gläubiger für maßgeblich erachtet, bei denen nach der Eröffnung des Verfahrens mit einer Forderungsanmeldung zu rechnen ist. Daraus ist nicht der Schluss zu ziehen, auch im eröffneten Verfahren müsse die Anzahl der Gläubiger, die in diesem Verfahrensstadium bekannt sind, wertend bestimmt werden.
8
d) Meldet ein Gläubiger mehrere Forderungen an, erhöht dies nach der geltenden Regelung nicht die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters. Eine daraus resultierende Diskrepanz zwischen dem Arbeitsaufwand des Verwalters und der Höhe seiner Vergütung ist im Grundsatz hinzunehmen. In besonderen Fällen kann eine unangemessen niedrige Vergütung durch einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 InsVV vermieden werden. Die Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen einen solchen Zuschlag jedoch nicht.
Kayser Gehrlein Fischer
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
AG Chemnitz, Entscheidung vom 08.10.2009 - 1517 IN 2372/06 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 25.01.2010 - 3 T 778/09 -

Werden in einem Verfahren nach dem Neunten Teil der Insolvenzordnung die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der Insolvenzordnung von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt, ermäßigt sich die Vergütung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 auf 1 120 Euro.

(1) Der Insolvenzverwalter erhält in der Regel

1.
von den ersten 35 000 Euro der Insolvenzmasse 40 Prozent,
2.
von dem Mehrbetrag bis zu 70 000 Euro 26 Prozent,
3.
von dem Mehrbetrag bis zu 350 000 Euro 7,5 Prozent,
4.
von dem Mehrbetrag bis zu 700 000 Euro 3,3 Prozent,
5.
von dem Mehrbetrag bis zu 35 000 000 Euro 2,2 Prozent,
6.
von dem Mehrbetrag bis zu 70 000 000 Euro 1,1 Prozent,
7.
von dem Mehrbetrag bis zu 350 000 000 Euro 0,5 Prozent,
8.
von dem Mehrbetrag bis zu 700 000 000 Euro 0,4 Prozent,
9.
von dem darüber hinausgehenden Betrag 0,2 Prozent.

(2) Haben in dem Verfahren nicht mehr als 10 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet, so soll die Vergütung in der Regel mindestens 1 400 Euro betragen. Von 11 bis zu 30 Gläubigern erhöht sich die Vergütung für je angefangene 5 Gläubiger um 210 Euro. Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene 5 Gläubiger um 140 Euro.

Werden in einem Verfahren nach dem Neunten Teil der Insolvenzordnung die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der Insolvenzordnung von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt, ermäßigt sich die Vergütung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 auf 1 120 Euro.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IX ZB 27/10
vom
19. Mai 2011
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Eine Gebietskörperschaft zählt bei der Berechnung der Mindestvergütung des Insolvenzverwalters
auch dann als (nur) eine Gläubigerin, wenn sie durch verschiedene
Behörden mehrere Forderungen aus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen angemeldet
hat.
BGH, Beschluss vom 19. Mai 2011 - IX ZB 27/10 - LG Chemnitz
AG Chemnitz
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Dr. Fischer, Grupp und die
Richterin Möhring
am 19. Mai 2011

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Chemnitz vom 25. Januar 2010 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 232,05 € festgesetzt.

Gründe:


I.


1
Die weitere Beteiligte war Verwalterin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. In dem Verfahren meldeten neben der Landesjustizkasse Chemnitz und dem Finanzamt Schwarzenberg 19 Gläubiger Forderungen an. Das Insolvenzgericht hat die (Mindest-)Vergütung der weiteren Beteiligten für ihre Tätigkeit als Insolvenzverwalterin gemäß § 2 Abs. 2 InsVV auf 2.059,65 € festgesetzt (1.300 € Vergütung, 390 € Auslagen, 40,80 € Zustellkosten , 19 v.H. Umsatzsteuer). Es hat seiner Berechnung eine Anzahl von 20 Gläubigern zugrunde gelegt, die ihre Forderungen angemeldet haben. Die sofortige Beschwerde der Verwalterin, mit der sie eine Berechnung nach 21 Gläubigern erreichen wollte, hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Begehren weiter.

II.


2
Die statthafte (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch sonst zulässige (§§ 575, 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
3
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, sowohl hinter der Landesjustizkasse Chemnitz als auch hinter dem Finanzamt Schwarzenberg stehe der Freistaat Sachsen. Er sei bei der Bestimmung der Gläubigerzahl nur einmal zu berücksichtigen. Dass unterschiedliche Behörden tätig geworden seien, ändere daran nichts.
4
2. Diese Beurteilung trifft zu.
5
a) Die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters beträgt nach § 2 Abs. 2 InsVV in Insolvenzverfahren, in denen nicht mehr als zehn Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben, regelmäßig 1.000 €. Sie erhöht sich, wenn in dem Verfahren 11 bis 30 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben , für je angefangene fünf Gläubiger um 150 Euro. Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene fünf Gläubiger um 100 Euro. Die mit der Änderungsverordnung vom 4. Oktober 2004 (BGBl. I S. 2569) eingeführte Regelung soll dem unterschiedlichen Aufwand der Verwalter in den jeweiligen Verfahren Rechnung tragen. Die Anzahl der Gläubiger wurde als geeignetes Diffe- renzierungskriterium erachtet, das den Aufwand des Verwalters in etwa abbildet (vgl. die Begründung der Verordnung, abgedruckt u.a. in ZIP 2004, 1927, 1930 f). Maßgebend ist die Kopfzahl der anmeldenden Gläubiger, nicht die Anzahl der angemeldeten Forderungen (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2010 - IX ZB 39/10, ZIP 2011, 132 Rn. 4). Der Verordnungsgeber hat sich damit für ein Kriterium entschieden, das den tatsächlichen Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters nur näherungsweise wiedergibt, dafür aber dem Insolvenzgericht eine einfache und sichere Handhabung ermöglicht. Er hat durch die Verwendung eines pauschalierenden Maßstabs im Interesse der Praktikabilität in Kauf genommen, dass die Mindestvergütung nicht in jedem Fall genau mit der Belastung des Verwalters korreliert (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2010 - IX ZB 129/08, ZIP 2010, 486 Rn. 8). Diese Regelung ist von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt und verfassungsgemäß (BGH, Beschluss vom 13. März 2008 - IX ZB 63/05, ZIP 2008, 976 Rn. 6 ff).
6
b) Der typisierenden Regelungsweise entspricht es, die maßgebliche Anzahl der Gläubiger formal zu bestimmen. Entscheidend ist, wer jeweils materiell -rechtlich Inhaber der angemeldeten Forderung ist (vgl. § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB). Unerheblich ist hingegen, ob ein Gläubiger mehrere Forderungen geltend macht, auch wenn diese auf unterschiedlichen Rechtsverhältnissen beruhen und von verschiedenen Organisationseinheiten des Gläubigers bearbeitet werden. Handelt es sich bei dem Gläubiger wie hier um eine öffentlichrechtliche Gebietskörperschaft, die durch verschiedene Behörden rechtlich selbständige Forderungen angemeldet hat, ist sie bei der Ermittlung der Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV nur einmal zu zählen, auch wenn im konkreten Fall für den Insolvenzverwalter ein ähnlicher Arbeitsaufwand entsteht wie bei der Forderungsanmeldung durch unterschiedliche Gläubiger (aA GrafSchlicker /Kalkmann, InsO, 2. Aufl., § 2 InsVV Rn. 19). Eine auskömmliche Ver- gütung muss im Blick auf den Gesichtspunkt der Querfinanzierung nicht in jedem einzelnen Verfahren erzielt werden (BGH, Beschluss vom 13. März 2008, aaO Rn. 11 f).
7
c) Die Rechtsbeschwerde befürwortet unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 4. Februar 2010 (IX ZB 129/08, aaO) eine mehr wertende Betrachtung. Dort ging es jedoch nicht um die Vergütung des endgültigen, sondern um diejenige des vorläufigen Insolvenzverwalters. Da im Eröffnungsverfahren die Zahl der Gläubiger, die nach Verfahrenseröffnung Forderungen anmelden , noch nicht bekannt ist, hat der Senat für diesen Verfahrensabschnitt die Zahl der Gläubiger für maßgeblich erachtet, bei denen nach der Eröffnung des Verfahrens mit einer Forderungsanmeldung zu rechnen ist. Daraus ist nicht der Schluss zu ziehen, auch im eröffneten Verfahren müsse die Anzahl der Gläubiger, die in diesem Verfahrensstadium bekannt sind, wertend bestimmt werden.
8
d) Meldet ein Gläubiger mehrere Forderungen an, erhöht dies nach der geltenden Regelung nicht die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters. Eine daraus resultierende Diskrepanz zwischen dem Arbeitsaufwand des Verwalters und der Höhe seiner Vergütung ist im Grundsatz hinzunehmen. In besonderen Fällen kann eine unangemessen niedrige Vergütung durch einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 InsVV vermieden werden. Die Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen einen solchen Zuschlag jedoch nicht.
Kayser Gehrlein Fischer
Grupp Möhring
Vorinstanzen:
AG Chemnitz, Entscheidung vom 08.10.2009 - 1517 IN 2372/06 -
LG Chemnitz, Entscheidung vom 25.01.2010 - 3 T 778/09 -

Werden in einem Verfahren nach dem Neunten Teil der Insolvenzordnung die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der Insolvenzordnung von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt, ermäßigt sich die Vergütung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 auf 1 120 Euro.

(1) Eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist insbesondere festzusetzen, wenn

a)
die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne daß ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 angefallen ist,
b)
der Verwalter das Unternehmen fortgeführt oder Häuser verwaltet hat und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist,
c)
die Masse groß war und die Regelvergütung wegen der Degression der Regelsätze keine angemessene Gegenleistung dafür darstellt, daß der Verwalter mit erheblichem Arbeitsaufwand die Masse vermehrt oder zusätzliche Masse festgestellt hat,
d)
arbeitsrechtliche Fragen zum Beispiel in bezug auf das Insolvenzgeld, den Kündigungsschutz oder einen Sozialplan den Verwalter erheblich in Anspruch genommen haben oder
e)
der Verwalter einen Insolvenzplan ausgearbeitet hat.

(2) Ein Zurückbleiben hinter dem Regelsatz ist insbesondere gerechtfertigt, wenn

a)
ein vorläufiger Insolvenzverwalter in Verfahren tätig war,
b)
die Masse bereits zu einem wesentlichen Teil verwertet war, als der Verwalter das Amt übernahm,
c)
das Insolvenzverfahren vorzeitig beendet wird oder das Amt des Verwalters vorzeitig endet,
d)
die Masse groß war und die Geschäftsführung geringe Anforderungen an den Verwalter stellte,
e)
die Vermögensverhältnisse des Schuldners überschaubar sind und die Zahl der Gläubiger oder die Höhe der Verbindlichkeiten gering ist oder
f)
der Schuldner in ein Koordinationsverfahren einbezogen ist, in dem ein Verfahrenskoordinator nach § 269e der Insolvenzordnung bestellt worden ist.

Werden in einem Verfahren nach dem Neunten Teil der Insolvenzordnung die Unterlagen nach § 305 Absatz 1 Nummer 3 der Insolvenzordnung von einer geeigneten Person oder Stelle erstellt, ermäßigt sich die Vergütung nach § 2 Absatz 2 Satz 1 auf 1 120 Euro.

Für das Insolvenzverfahren gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend. § 128a der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe, dass bei Gläubigerversammlungen sowie sonstigen Versammlungen und Terminen die Beteiligten in der Ladung auf die Verpflichtung hinzuweisen sind, wissentliche Ton- und Bildaufzeichnungen zu unterlassen und durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass Dritte die Ton- und Bildübertragung nicht wahrnehmen können.