Landgericht Augsburg Endurteil, 28. Aug. 2017 - 34 O 8/17

bei uns veröffentlicht am28.08.2017

Gericht

Landgericht Augsburg

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schmerzensgeld und Feststellung der Einstandspflicht zukünftiger materieller und immaterieller Schäden in Form der Amtshaftung aufgrund eines Skiunfalls.

Der Kläger, geboren am ... 2000, nahm an einer fünftägigen Ski-Freizeit der Mittelschule W. ab dem 18.02.2013 in T. teil. Die Skiausrüstung wurde von einem gewerblichen Verleiher, dem Nebenintervenienten, entgeltlich zur Verfügung gestellt. Am 20.02.2013 kam es, nachdem auch der Kläger zuvor zwei Tage Ski-Unterricht absolviert hatten, und der Vormittags-Kurs am 20.02.2013 beendet war, im Rahmen der sog. Freizeit zu einem Unfall, als der Kläger im Skikinderland über eine dort befindliche Schanze fuhr, sich die Bindung an seinem linken Ski öffnete und er stürzte. Hierbei zog er sich u. a. Schien- und Wadenbeinbruch sowie einen Muskelriss am linken Unterschenkel zu. Zu diesem Zeitpunkt haben sich die meistern der Mitschüler sowie der Schullehrer aus dem Skikinderland entfernt. Dem Kläger sowie drei weiteren Mitschülern war jedoch eine Weiterfahrt im Skikinderland gestattet.

Der Kläger behauptet, der Schullehrer G. habe sich mindestens 30 Minuten von dem Skihang zwecks Mittagspause mit anderen Schülern entfernt.

Der Kläger meint, der Zeuge G. hätte - vor Ort - dem Kläger das Befahren des Skihangs und insbesondere der Schanzen verbieten müssen. Er habe dadurch seine Aufsichtspflicht verletzt. Auch gehe aus der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums vom 09.07.2010 hervor, dass Schüler nicht unbeabsichtigt üben dürften. Ein Vorsatz auf die Verletzungsfolgen ergebe sich aufgrund des bewussten unbeaufsichtigten Zurücklassens u. a. des Klägers. (…)

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Dem Kläger stehen die geltend gemachten Ansprüche nicht zu. Eine Amtspflichtverletzung in Form einer Aufsichtspflichtverletzung liegt nicht vor (1.). Mangels Hauptanspruch kann der Kläger weder Feststellung der Einstandspflicht zukünftiger Schäden noch die geltend gemachten Nebenansprüche verlangen (2.).

1. Amtspflichtverletzung

1.1. Der Anspruch des Klägers scheitert jedenfalls an der fehlenden Kausalität zwischen Aufsichtspflichtverletzung und Verletzungsfolgen.

Der Zeuge G. ist als Schullehrer in Ausübung eines öffentlichen Amts i. S. des § 839 BGB i.V. m. Art. 34 GG tätig geworden. Die ihm grundsätzlich als Amtspflicht obliegende Aufsichtspflicht u. a. über den Kläger im Rahmen der verfahrensgegenständlichen Skifreizeit hat er verletzt.

Grundsätzlich trifft die organisierende Schule und damit den Zeugen G. die Pflicht, die ihm in Obhut gegebenen Teilnehmer der Skifreizeit letztlich zur Vermeidung von Schäden auch zu Lasten Dritter, zu beaufsichtigen. In welchem Umfang die erforderliche Beaufsichtigung zu erfolgen hat, ist an den konkreten Umständen des Einzelfalls auszurichten, wobei auch insbesondere die Erziehungsziele und der den Kindern zuzutrauenden und zuzumutenden Eigenverantwortung einzubeziehend sind, vgl. LG Bonn v. 05.09.2012, 1 O 110/12, juris. Der Umfang der Aufsichtspflicht richtet sich v. a. aber an der geistigen und charakterlichen Reife der zu beaufsichtigenden Schülerinnen und Schüler sowie nach der Art der durchgeführten Schülerfahrt. Hierbei ist letztlich auch zu berücksichtigen, dass eine lückenlose Aufsicht, mit durchgehendem Blick- und Sichtkontakt niemals gewährleistet werden kann und muss. Bei Schulkindern der 7. Jahrgangsstufe, bei denen es, wie der glaubwürdige Zeuge G. glaubhaft und letztlich unbestritten bekundete, es zu keinen Vorfällen, auch nicht in den - bekanntlich eher kritischen - Abend- und Nachtstunden kam, ist eine Aufsicht jedenfalls dann ausreichend, wenn in einem überschaubaren Areal zumindest die Möglichkeit bestand, die Schulkinder aus einer angemessenen Ferne zu sehen und mithin zu beaufsichtigen. Hierbei durfte der Zeuge G. eben auch das Verhalten der Schüler aus den vergangenen Skitagen berücksichtigen, dass ohne Beanstandung blieb sowie seine Erfahrung aus den vergangenen Skifreizeiten, wonach bisher in diesem Skigebiet, was auch der Nebenintervenient glaubhaft bestätigte, es zu keinen schwerwiegenden Verletzungen im Kinderskiland kam. Darüber hinaus hat die Beweisaufnahme ergeben, dass der Kläger - entgegen seinen eigenen Angaben - ausreichend gut Skifahren konnte. So gab der uneingeschränkt glaubwürdige Zeuge C., ein ehemaliger Mitschüler des Klägers, ruhig und sachlich und ohne erkennbaren Belastungseifer an, dass der Kläger „ganz gut“ gefahren sei. Dies wird auch durch die ebenso glaubwürdige Zeugin M. bestätigt, die als weitere Schullehrerin an der Skifreizeit beteiligt war und den Kläger an den ersten Skitagen wiederholt bei seinen Übungen gesehen hat. Letztlich bestätigt das der Kläger selbst, indem er angab, den Hügel bereits kurz vor dem verfahrensgegenständlichen Unfall wiederholt gefahren zu sein und hierbei auch die „Schanzen“ („ein bis zwei Mal gut“) passiert habe.

Insoweit schränken zwar die Durchführungshinweise des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, die ansonsten bestehende Möglichkeit, die Schülerinnen und Schüler unbeaufsichtigt üben zu lassen, ein, führen aber auch für sich gesehen nicht zu einem zwingenden - ununterbrochenen - Sichtbzw. Blickkontakt durch eine Aufsichtsperson.

Jedoch sind - wie ausgeführt - im Rahmen des Umfangs der Aufsichtspflicht neben den charakterlichen Eignungen der zu Beaufsichtigenden auch die örtlichen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Insoweit steht eine gänzliche, ca. 30-minütige -ca. 80m entfernte - Ortsabwesenheit des Zeugen G. vom Kinderskiland der ordnungsgemäß ausgeführten Aufsichtspflicht entgegen. Diese steht daher nicht mehr in Einklang mit den auch drittschützenden Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus, selbst dann nicht, wenn - wie der Nebenintervenient bestätigte - eine uneingeschränkte Sicht vom Pausenraum zum Skilift dem Grunde nach gegeben wäre. Dies v. a. vor dem Hintergrund, dass der Zeuge G. gerade nicht vorgab, den Skihang im Blick gehabt zu haben, sondern vielmehr entweder mit den anderen Schülern beim Mittagessen oder mit einer Schülerin hinsichtlich der Korrektur ihrer Bindung unterwegs war. Eine Übertragung der Aufsicht auf einen geeigneten Dritten erfolgte nicht.

1.2. Fehlende Kausalität Letztlich scheitert ein Anspruch aber an der erforderlichen Kausalität der Amtspflichtverletzung zu den Verletzungsfolgen. Es ist nicht anzunehmen, dass der Zeuge G. dem Kläger das Überfahren der verfahrensgegenständlichen Schanzen verboten hätte oder hätte verbieten müssen. Zwar ist bei der Durchführung gefahrgeneigter Unternehmungen besondere Sorgfalt geboten und auf die Grundfähigkeiten und Grundfertigkeiten der Schülerinnen und Schüler Rücksicht zu nehmen. Diese waren aber beim Kläger ausreichend, um den Gegebenheiten im Kinderskiland gerecht zu werden.

Das Gericht brauchte in diesem konkreten Fall zu dem Beweisangebot hinsichtlich der Gefährlichkeit des Kinderskihangs sowie der Schanzen auch kein Sachverständigengutachten einholen, da die tatsächlichen Gegebenheiten zum Zeitpunkt des Unfalls auch durch ein Sachverständigengutachten nicht rekonstruiert werden könnten. Soweit - vorgelegt als Anlage AG 2 - ein Lichtbild in den Prozess eingeführt wurde, das den Skihang unstreitig zeigt, vermag das Gericht nicht einmal ansatzweise eine Gefahrenstelle zu erkennen. Der Skihang ist insoweit - selbst für einen unerfahrenen Anfänger - gut geeignet. Darüber hinaus beschreibt auch die Zeugin M. den Hügel als für Anfänger geeignet.

Soweit die „Schanzen“ als Gefahrenstelle herangezogen werden, so konnte noch nicht einmal der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Befragung beschreiben, wie diese Schanzen zum Unfallzeitpunkt ausgesehen haben bzw. angeordnet waren. Der Zeuge G. beschrieb das Risiko dieser Schanzen als „sehr gering“, was auch die Zeugin M. bestätigte und eben aufgrund der Gegebenheiten vor Ort ebenso naheliegen. Es ist aus Sicht des Gerichts kein Grund ersichtlich, warum man - eine Aufsicht durch einen Schullehrer unterstellt - Schüler, die, wie die Zeugin M. berichtete, gut kontrolliert fahren konnten, nach dem 3. Skiunterrichtstag nicht auch über kleinere Gefahrenhügel fahren lassen sollte. Dies erst Recht, wenn die Schanzen, wie der Zeuge G. glaubhaft berichtete, im offiziellen Skiunterricht bereits befahren wurden. Hieran erinnerte sich der Zeuge G. auch insoweit, als die Anleitung hinsichtlich des Überfahrens durch zwei Sportstudenten erfolgte. Letztlich gehört „Hindernisse zu überfahren“ gerade zu einer Ski-Ausbildung dazu, zumal die Gefahr aufgrund der flachen Neigung, äußerst gering ist. Letztlich bleibt auch die Erkenntnis, dass Skifahren gewisse Gefahren mitsich bringt, die nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden können.

Letztlich fehlt dahingehend Vortrag der Klageseite, dass - eine Aufsicht vor Ort (wie müsste sie denn ausgestaltet sein?) unterstellt - geeignet gewesen wäre, das Unfallereignis zu verhindern.

1.3. Kein Vorsatz auf die Verletzungsfolgen Es fehlt letztlich auch am Vorsatz hinsichtlich der Verletzungsfolgen, § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b) SGB VII i.V. m. §§ 104, 105 SGB VII.

Aufgrund der durch den Zeugen G., die Zeugin M. sowie den Angaben des Nebenintervenienten ist das Gericht davon überzeugt, dass der Zeuge G. mit einem derartigen Unfall bzw. den hieraus erheblichen Verletzungsfolgen weder rechnete noch damit rechnen musste. Das Vorbringen des Klägers, der Zeuge G. habe bedingt vorsätzlich gehandelt ist nicht hinreichend substantiiert, insbesondere zum voluntativen Element, zumal dessen Vorliegen nicht bereits aus dem Vorliegen des kognitiven Elements folgt. Es ist schon schlicht keine Gefahrenquelle vorgetragen, noch anhand der Beschreibungen ersichtlich (s. auch Skizze der Zeugin M., Bl. 57 d. A.; Anlage AG 2), aus denen sich eine Gefahrenquelle ergibt, die ein zwingendes aktives Vorgehen des Zeugen G. erfordert. Nur in einem solchen Fall würde der Aufsichtspflichtige die Augen unzulässigerweise vor einer drohenden, sich aufdrängenden Gefahr verschließen, die einen durchschnittlich denkenden Aufsichtspflichtigen zu einem sofortigen Verbot veranlasst hätte. Hierzu fehlt es einerseits an nachvollziehbarem Vortrag und andererseits - selbst nach der erfolgten Beweisaufnahme - an jeglichen Anhaltspunkten.

1.4. Keine anderweitige Beurteilung wegen § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die Beweislastregelung des § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB gilt auch im vorliegenden Fall, vgl. BGH v. 13.12.2012, III ZR 226/12, NJW 2013, 1233. Danach tritt eine Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Aufsichtspflichtige seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtspflicht entstanden sein würde. Die Exkulpation gelingt, s. o. Der Zeuge C. und die Zeugin M. haben den Kläger als recht guten Skifahrer beschrieben, der - wie der Zeuge C. bekundete - auch schon bremsen konnte. Der Zeuge G. sowie die Zeugin M. haben zudem übereinstimmend die Skipiste als Anfängerhügel bezeichnet, die für Schüler in der Ski-Erfahrungsstufe des Klägers geeignet ist. Hierzu gehören nach Überzeugung des Gerichts eben gerade auch Hindernisse im Schnee selbst, zumal sie bewusst in das Skikinderland integriert wurden („kleine Rampen“, so der Zeuge L.). Hinzu kommt, dass nach den glaubhaften Angaben des Zeugen G., die Hindernisse im Skikurs bereits befahren wurden und die anwesenden Sportstudenten den Schülern gezeigt haben, wie man diese befährt. Hierzu habe es auch eine Anleitung gegeben. Der Zeuge G. ist nach Überzeugung des Gerichts vollumfänglich glaubwürdig. Dies ergibt sich neben dem ruhigen und sachlichen Eindruck auch anhand der Tatsache, dass er durchaus angab, wenn er sich an Umstände vor Ort nicht mehr erinnerte. Hierbei bekundete er auch, dass er sich an manche Umstände, die seine eigene Person durchaus in ein besseres Licht gerückt hätten, nicht mehr erinnerte, so z. B. die - mögliche -Aufsicht des Klägers durch einen Skibetreiber am Skilift, was allerdings der Zeuge C. tatsächlich bestätigte.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass - selbst bei ordnungsgemäßer Aufsicht - der verfahrensgegenständliche Unfall ebenso geschehen wäre. Weder der Kläger selbst noch die Zeugen haben von einer übermäßigen Geschwindigkeit des Klägers bei Überfahren der Hügel - oder im Vorfeld - berichtet, sodass eine anwesende Aufsichtsperson auch nicht hätte eingreifen müssen.

2. Feststellungsantrag und Nebenforderungen

Mangels Hauptanspruch kann der Kläger die geltend gemachten Nebenansprüche nicht verlangen, §§ 280 Abs. 1, 2, 286 Abs. 1 BGB.

Mangels Hauptanspruch dem Grunde nach auf ein Schmerzensgeld, kann der Kläger auch keine Feststellung für zukünftige immaterieller Schäden verlangen. Ein Feststellungsanspruch auf den Ersatz zukünftigen materiellen Schadens steht dem Kläger ebenso nicht zu, da hierzu substantiierter Sachvortrag fehlt und im Übrigen nicht ersichtlich ist, welche materiellen Schäden noch anstehen, die seit dem Unfall vom 20.02.2013 noch nicht bekannt und damit bezifferbar sind.

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Landgericht Augsburg Endurteil, 28. Aug. 2017 - 34 O 8/17 zitiert 7 §§.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung


(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (2) Schadensersatz weg

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 839 Haftung bei Amtspflichtverletzung


(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Ansp

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 34


Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder g

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 104 Beschränkung der Haftung der Unternehmer


(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 105 Beschränkung der Haftung anderer im Betrieb tätiger Personen


(1) Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, sind diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschaden

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 832 Haftung des Aufsichtspflichtigen


(1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person

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Bundesgerichtshof Urteil, 13. Dez. 2012 - III ZR 226/12

bei uns veröffentlicht am 13.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL III ZR 226/12 Verkündet am: 13. Dezember 2012 K i e f e r Justizangestellter als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja BGB §§ 832,

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Nov. 2012 - 1 O 110/12

bei uns veröffentlicht am 13.11.2012

Gründe 1 Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 4. Kammer - vom 1. Oktober 2012 hat in der Sache keinen Erfolg. 2 Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die begehrte Änderung des angefochtene

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(1) Verletzt ein Beamter vorsätzlich oder fahrlässig die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so hat er dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Fällt dem Beamten nur Fahrlässigkeit zur Last, so kann er nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag.

(2) Verletzt ein Beamter bei dem Urteil in einer Rechtssache seine Amtspflicht, so ist er für den daraus entstehenden Schaden nur dann verantwortlich, wenn die Pflichtverletzung in einer Straftat besteht. Auf eine pflichtwidrige Verweigerung oder Verzögerung der Ausübung des Amts findet diese Vorschrift keine Anwendung.

(3) Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.

Verletzt jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit bleibt der Rückgriff vorbehalten. Für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff darf der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden.

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle - 4. Kammer - vom 1. Oktober 2012 hat in der Sache keinen Erfolg.

2

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt die begehrte Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht. Die Annahme des Verwaltungsgerichtes, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Sinne von § 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO keine hinreichenden Erfolgsaussichten bietet, wird nicht schlüssig in Frage gestellt.

3

Der Einwand des Klägers, das mit der Beschwerdeschrift vorgelegte Sanierungs- und Unternehmenskonzept sei tragfähig und räume den Vorwurf der gaststättenrechtlichen Unzuverlässigkeit wegen wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit aus, greift nicht durch.

4

Das Sanierungskonzept geht von Verbindlichkeiten in Höhe von 59.000,00 € bei einem Zinssatz von 4 vom Hundert aus, obgleich sich der zum Juli 2012 ermittelte Zahlungsrückstand bereits auf 59.520,66 € belaufen hat und mittlerweile durch Zinsen und/oder Säumniszuschläge weiter angestiegen sein dürfte, da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass der Kläger zwischenzeitliche Zahlungen geleistet hat. Unberücksichtigt bleibt dabei auch, dass der zur Zeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II beziehende Kläger neue Verbindlichkeiten eingegangen ist und ausweislich der nicht in Abrede gestellten Angaben im Widerspruchsbescheid des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 11. Juli 2012 von der K. Brauerei ein Darlehen über 10.000,00 € erhalten hat, dessen Rückzahlungsmodalitäten bislang unbekannt sind, so dass sich nicht beurteilen lässt, ob der neuen Verbindlichkeit Auswirkungen im Sanierungszeitraum beizumessen sind. Soweit der Kläger hiernach unter Pkt. 6 des im Beschwerdeverfahren vorgelegten Konzeptes erklärt, er nehme keine Kredite in Anspruch, dürfte dies nicht zutreffend sein. Im Übrigen verweist der Kläger auf die Notwendigkeit eines Zuschusses nach § 16c SGB II, ohne dass ersichtlich ist, dass der Kläger eine solche Ermessensleistung in der erforderlichen Höhe erhalten wird (§ 16c Abs. 1 Satz 1 SGB II: „Erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit aufnehmen oder ausüben, können Darlehen und Zuschüsse für die Beschaffung von Sachgüter erhalten, die für die Ausübung der selbständigen Tätigkeit notwendig und angemessen sind.“).

5

Der Kläger macht auch nicht plausibel, dass selbst wenn sich das Finanzamt D. als Hauptgläubiger der Zahlungsrückstände mit einer Ratenzahlung für den Sanierungszeitraum rechtsverbindlich einverstanden erklären würde, hinsichtlich der übrigen Gläubiger vergleichbare Vereinbarungen zustande kommen bzw. der Verzicht auf Vollstreckungsmaßnahmen im Sanierungszeitraum erwartet werden kann. Denn ohne Erfassung sämtlicher Gläubiger und ihre Einbindung in das Sanierungskonzept gefährden mögliche Vollstreckungsmaßnahmen nicht nur den geplanten Abbau der bestehenden Zahlungsrückstände, sondern vor allem auch die Bedienung laufender Verbindlichkeiten aus der angestrebten gastronomischen Tätigkeit. Soweit der Kläger der Beklagten einen Betrag von mindestens 10.818,77 € schuldet, ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger sich insoweit um eine Zahlungsvereinbarung bemüht hat bzw. die Beklagte das klägerische Sanierungskonzept mit trägt. Auch legt der Kläger nicht nachvollziehbar dar, dass seine Kleingläubiger bis zur Befriedigung ihrer Forderungen sein Sanierungskonzept nicht durch Vollstreckungsmaßnahmen gefährden werden. Ferner sind die im Unternehmenskonzept angegebenen Kosten und Aufwendungen weder belegt noch glaubhaft gemacht, so dass sich nicht nachvollziehen lässt, ob die ausgewiesenen Beträge dem Grunde und der Höhe nach schlüssig sind.

6

Kann nach alldem bislang nicht davon ausgegangen werden, dass sämtliche Gläubiger des Klägers mit dessen Sanierungskonzept einverstanden sind und die bei Aufnahme der geplanten Gaststättentätigkeit anfallenden Kosten und Ausgaben im Wesentlichen richtig und vollständig ermittelt wurden, kann auf sich beruhen, ob der erwartete Umsatz - wie die Beschwerdeschrift geltend macht - realistisch bzw. dauerhaft am Markt realisierbar ist. Auf die angeregte Einholung eines Sachverständigengutachtens kommt es hiernach bisher nicht entscheidungserheblich an.

7

Zudem fehlen bislang hinreichende Anknüpfungstatsachen dafür, dass sich der in der Beschwerdeschrift angegebene durchschnittliche stündliche/tägliche Umsatz von Anbeginn an, d. h. mit Lokaleröffnung erzielen lässt. Die Beklagte hat im Ablehnungsbescheid vom 15. Februar 2012 darauf verwiesen, dass die vom Kläger zu übernehmen beabsichtigte Gaststätte seit gut zwei Jahren nicht öffentlich bewirtschaftet wurde, sondern nur punktuell anlässlich bestimmter Veranstaltungen genutzt oder vermietet wurde und ein Gästekreis nicht vorhanden sei. Dem ist der Kläger bisher nicht substantiiert entgegen getreten. Sein Vorbringen unter Pkt. 5 des Konzeptes, sein Kundenpotenzial werde durch Empfehlung, langjährige Kunden, Bekannte und durch Laufkundschaft bestimmt, und er könne in der Region Dessau auf viele gute Verbindungen zurückgreifen, erschöpft sich in einer schlichten Behauptung, die zudem noch nicht plausibel macht, dass hiermit die sich aus den angeführten Umsatzbeispielen erforderliche tägliche Auslastung erreicht werden kann. Auch der Verweis auf den Standort des Lokals im Zentrum, das angeblich geringe Potenzial an direkten Wettbewerbern sowie die unspezifischen Angaben über Gästegewinnung am Wochenende aufgrund von Event-angeboten vermag in dieser Allgemeinheit noch nicht den Schluss zu rechtfertigen, dass der Kläger mit dem prognostizierten Gästeaufkommen tatsächlich rechnen kann. Wie sich das Gästeverhalten an Werktagen darstellt bzw. ob ein entsprechender gas-tronomischer Bedarf am Wochenende derart hoch ausfällt, dass er mangelnde Gästezahlen unter der Woche auszugleichen vermag, lässt sich hiernach nicht beurteilen. Dem in der Beschwerdeschrift zitierten Auszug aus einem Artikel des Ostdeutschen Sparkassenverbandes (OSV) vom 21. August 2012 kann in diesem Zusammenhang schon mangels Bezug zu den konkreten örtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten keine Aussagekraft hinsichtlich des zu erwartenden Umsatzes beigemessen werden.

8

Das Beschwerdevorbringen rechtfertigt auch nicht die Annahme, der Kläger könne bereits mit Lokaleröffnung mit mindestens 20 Gästen täglich und einem Umsatz von 13,00 € pro Gast rechnen. Da das vorgelegte Sanierungs- und Unternehmenskonzept keine Anlaufzeit für den Geschäftsbetrieb berücksichtigt und der Kläger - soweit ersichtlich - keine finanziellen Rücklagen zur Überbrückung vorhält, wäre die Einhaltung der geplanten Ratenzahlung wie auch die Erfüllung laufender Verbindlichkeiten aus dem Gaststättenbetrieb nur gewährleistet, wenn der Kläger die im Sanierungs-/Unternehmenskonzept angegebenen Umsätze von Anbeginn an erzielen kann. Auch insoweit fehlen bislang Anknüpfungstatsachen, die eine solche Annahme stützen. Vielmehr sprechen die Angaben unter Pkt. 1 des Konzeptes, wonach der Kläger davon ausgehe, dass er erst ab 2013 ein komplettes Jahr selbst wirtschaften könne, aber 2012 bereits mit der Gaststättentätigkeit beginnen wolle, dafür, dass auch der Kläger nicht davon ausgeht, dass die genannten Umsätze von Lokaleröffnung an erwirtschaftet werden können.

9

Im Hinblick auf die bei der Prüfung der Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden gebotene Gesamtschau, ob der Kläger unter Würdigung aller mit seiner Person und dem Gaststättenbetrieb zusammenhängender Umstände, insbesondere auch unter Berücksichtigung seines früheren Verhaltens, willens und in der Lage ist, in Zukunft seine beruflichen Pflichten zu erfüllen, ist vorliegend nicht nur seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, sondern auch die Bereitschaft des Klägers in den Blick zu nehmen, sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß zu betreiben. Soweit das Anhörungsschreiben der Beklagten vom 24. Januar 2012 darauf hinweist, dass anlässlich eines Ortsbesuches in der (vom Kläger mit Erlaubnis vom 4. Mai 2004 betriebenen) Gaststätte „B & B“ in Dessau am 25. November 2005 festgestellt worden sei, dass der Betrieb trotz mittlerweile bestandskräftiger Widerrufsverfügung vom Kläger weiter bewirtschaftet wurde, gibt dieses Verhalten Anlass zu Zweifeln, ob der Kläger bereit ist, sich künftig an behördliche Anordnungen zu halten und die gaststättenrechtlichen Bestimmungen zu beachten.

10

Weitere beachtliche, ernstliche Zweifel an einer ordnungsgemäßen Betriebsführung begründen auch die früheren Verletzungen seiner Mitwirkungspflichten gegenüber öffentlichen Institutionen, hier gegenüber dem Finanzamt. Ausweislich des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 11. Juli 2012 ist der Kläger in der Vergangenheit nicht seinen steuerlichen Erklärungspflichten nachgekommen. So seien Steuerschätzungen erfolgt, weil der Kläger ab dem Jahr 2000 nicht alle erforderlichen Einkommenssteuererklärungen eingereicht habe, insbesondere fehlten bezüglich der Umsatzsteuer die Voranmeldung für das Jahr 2005 und die Jahressteuererklärungen für die Jahre 2004 und 2005. Die letztgenannten Verstöße gegen seine abgabenrechtlichen Mitwirkungspflichten fallen mithin in den Zeitraum seiner letzten selbständigen gastronomischen Tätigkeit und sind mitursächlich für die aktuell bestehenden Zahlungsrückstände beim Finanzamt. Soweit der Kläger im Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 30. März 2012 an die Beklagte auf den Zeitablauf und die Möglichkeit einer Beauflagung verweist, macht der reine Zeitablauf noch nicht hinreichend plausibel, dass der Kläger sein fehlerhaftes Verhalten mittlerweile eingesehen und eine innere Abkehr dahingehend stattgefunden hat, eine Gaststätte künftig gemäß den kaufmännischen und gesetzlichen Anforderungen an einen ordentlichen Geschäftsbetrieb führen zu wollen. Auch lässt sich mit einer Auflage nicht der fehlende Wille ersetzen bzw. eine nicht gegebene Bereitschaft des Gewerbetreibenden sicherstellen, seinen Geschäftsbetrieb ordnungsgemäß zu führen. Der Umstand, dass der Kläger dem Finanzamt D. eine Ratenzahlung in Höhe von monatlich 450,00 €, beginnend ab Dezember 2011 zugesagt hat (vgl. Aktenvermerk der Beklagten vom 6. Dezember 2011 und Sprechnotiz der Beklagten vom 31. Januar 2012, Bl. 19, 57 der Beiakte A), die er nicht eingehalten hat und die angesichts seiner finanziellen Verhältnisse (ab 1. Februar 2012 Bezug von Leistungen nach dem SGB II) auch terminlich nicht realistisch erschien, spricht jedenfalls bislang nicht für einen erfolgten Reifeprozess, der künftig ein verantwortungsbewusstes und tatsachenorientiertes Verhalten des Klägers erwarten lässt. Soweit es zur Versagung der Erlaubnis wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG genügt, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der Gewerbebetrieb künftig nicht ordnungsgemäß geführt werden wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 16. September 1975 - 1 C 27.74 - juris), ist dies aufgrund der oben angeführten Umstände bisher nicht von der Hand zu weisen und rechtfertigt die Versagung der begehrten Prozesskostenhilfe.

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Außergerichtliche Kosten werden gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.

12

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


(1) Unternehmer sind den Versicherten, die für ihre Unternehmen tätig sind oder zu ihren Unternehmen in einer sonstigen die Versicherung begründenden Beziehung stehen, sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens, den ein Versicherungsfall verursacht hat, nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Ein Forderungsübergang nach § 116 des Zehnten Buches findet nicht statt.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend für Personen, die als Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall im Sinne des § 12 geschädigt worden sind.

(3) Die nach Absatz 1 oder 2 verbleibenden Ersatzansprüche vermindern sich um die Leistungen, die Berechtigte nach Gesetz oder Satzung infolge des Versicherungsfalls erhalten.

(1) Personen, die durch eine betriebliche Tätigkeit einen Versicherungsfall von Versicherten desselben Betriebs verursachen, sind diesen sowie deren Angehörigen und Hinterbliebenen nach anderen gesetzlichen Vorschriften zum Ersatz des Personenschadens nur verpflichtet, wenn sie den Versicherungsfall vorsätzlich oder auf einem nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 versicherten Weg herbeigeführt haben. Satz 1 gilt entsprechend bei der Schädigung von Personen, die für denselben Betrieb tätig und nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 versicherungsfrei sind. § 104 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.

(2) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn nicht versicherte Unternehmer geschädigt worden sind. Soweit nach Satz 1 eine Haftung ausgeschlossen ist, werden die Unternehmer wie Versicherte, die einen Versicherungsfall erlitten haben, behandelt, es sei denn, eine Ersatzpflicht des Schädigers gegenüber dem Unternehmer ist zivilrechtlich ausgeschlossen. Für die Berechnung von Geldleistungen gilt der Mindestjahresarbeitsverdienst als Jahresarbeitsverdienst. Geldleistungen werden jedoch nur bis zur Höhe eines zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs erbracht.

(1) Wer kraft Gesetzes zur Führung der Aufsicht über eine Person verpflichtet ist, die wegen Minderjährigkeit oder wegen ihres geistigen oder körperlichen Zustands der Beaufsichtigung bedarf, ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den diese Person einem Dritten widerrechtlich zufügt. Die Ersatzpflicht tritt nicht ein, wenn er seiner Aufsichtspflicht genügt oder wenn der Schaden auch bei gehöriger Aufsichtsführung entstanden sein würde.

(2) Die gleiche Verantwortlichkeit trifft denjenigen, welcher die Führung der Aufsicht durch Vertrag übernimmt.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 226/12
Verkündet am:
13. Dezember 2012
K i e f e r
Justizangestellter
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Beschädigen in einer Kindertagesstätte untergebrachte Kinder Eigentum Dritter,
so kommt dem Geschädigten, der gegen eine Gemeinde als Trägerin der Kindertagesstätte
wegen Verletzung der den Erzieherinnen der Kindertagesstätte
obliegenden Aufsichtspflichten Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB in
Verbindung mit Art. 34 GG geltend macht, die Beweislastregel des § 832 BGB
zugute (Aufgabe des Senatsurteils vom 15. März 1954 - III ZR 333/52, BGHZ
13, 25).
BGH, Urteil vom 13. Dezember 2012 - III ZR 226/12 - OLG Koblenz
LG Trier
Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 13. Dezember 2012 durch den Vizepräsidenten Schlick und die Richter
Wöstmann, Seiters, Tombrink und Dr. Remmert

für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 21. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Von Rechts wegen

Tatbestand


1
Der Kläger nimmt die beklagte Stadt als Träger einer Kindertagesstätte wegen Lackschäden an seinem Fahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Der Kläger parkte sein Fahrzeug am 22. Juni 2010 im Eingangsbereich eines Schulgebäudes, in dem er - als Inhaber eines Sanitärunternehmens - einen Wasserschaden beseitigte. In dem Schulgebäude befindet sich auch eine Kindertagesstätte, deren 20 x 25 Meter großer Außenbereich mit einem Gittermattenzaun aus Metall eingezäunt ist.
3
Am Schadenstag war eine aus acht Kindern bestehende Gruppe der Tagesstätte unter der Leitung einer Erzieherin mit Gartenarbeiten beschäftigt. Drei Kinder dieser Gruppe entfernten sich und warfen mehrere Kieselsteine, die als Ziersteine um das Gebäude der Tagesstätte lagen, auf das Fahrzeug des Klägers , das etwa zwei Meter von dem Außenbereich der Tagesstätte entfernt parkte.
4
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die beklagte Stadt hafte für die an seinem Fahrzeug durch den Steinwurf entstandenen Lackschäden wegen Verletzung der Aufsichtspflicht seitens der Erzieherinnen der Kindertagesstätte. Soweit die als Zeuginnen vernommenen Erzieherinnen nichts Näheres zur Wahrnehmung der ihnen obliegenden Aufsichtspflicht bekundet hätten, gehe dies zu Lasten der Beklagten.
5
Die beklagte Stadt hat die Auffassung vertreten, die Bediensteten der Kindertagesstätte hätten ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt. Eine ständige Überwachung der Kinder "auf Schritt und Tritt" könne nicht verlangt werden.
6
Das Landgericht hat - nach Beweisaufnahme - die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Klägers abgeändert und die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen zur Zah- lung von 1.125,58 € verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Re- vision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe


7
Die Revision ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

I.


8
Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers gemäß § 839 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG bejaht. Die Erzieherinnen der Kindertagesstätte seien in Ausübung eines öffentlichen Amts tätig geworden. Die ihnen im Hinblick auf die ihnen anvertrauten Kleinkinder obliegende Aufsichtspflicht bezwecke auch den Schutz Dritter vor aufgrund kindlichen Verhaltens drohenden Gefahren. Diese Aufsichtspflicht hätten die Erzieherinnen bei der Aufsicht über die am 22. Juni 2010 sich im Außenbereich der Tagesstätte aufhaltenden Kinder verletzt.
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Das Spielverhalten der Kinder sei in regelmäßigen Abständen von wenigen Minuten zu kontrollieren gewesen. Letztlich bleibe ungeklärt, ob und inwieweit die für die Kinderbetreuung verantwortlichen Erzieherinnen ihre Aufsichtspflicht konkret erfüllt hätten. Hierfür sowie für die Kausalität der Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden und für das Verschulden treffe die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Insoweit sei - entgegen einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 15. März 1954 (III ZR 333/52, BGHZ 13, 25) - der Auffassung zu folgen, die eine Anwendung der Beweislastumkehr nach § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB auch bei öffentlich-rechtlichen Aufsichtsverhältnissen befürworte. Ein überzeugender Grund für eine rechtliche Ungleichbehandlung des Geschädigten je nach der Natur der Aufsichtspflicht sei nicht ersichtlich.
10
Den somit ihr entsprechend § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB obliegenden Entlastungsbeweis habe die Beklagte nicht erbracht. Das Ergebnis der Beweisaufnahme trage nicht die Behauptung der Beklagten, die zuständige Erzieherin habe regelmäßig nach den Kindern der Gruppe geschaut.

II.


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Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung stand.
12
1. Zu Recht und mit zutreffender Begründung ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Erzieherinnen der in öffentlicher Trägerschaft stehenden Kindertagesstätte in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig waren und sich die Haftung der beklagten Stadt daher nach Amtshaftungsgrundsätzen gemäß § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG beurteilt. Dies wird von der Revision auch nicht in Frage gestellt.
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2. Zutreffend hat das Berufungsgericht des Weiteren den Umfang und den Inhalt der den Erzieherinnen der Kindertagesstätte - auch zum Schutz Dritter (vgl. Senat, Urteil vom 15. März 1954 - III ZR 333/52, BGHZ 13, 25, 26 zur Aufsichtspflicht beamteter Lehrer; OLG Düsseldorf, VersR 1996, 710; Staudinger/ Belling [2012], BGB, § 832 Rn. 24) - obliegenden Aufsichtspflicht bestimmt. Maßgeblich sind stets die Umstände des Einzelfalls, insbesondere Alter, Eigenart und Charakter der Aufsichtsbedürftigen, das örtliche Umfeld, das Ausmaß der drohenden Gefahren, die Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie die Zumutbarkeit der Aufsichtsmaßnahme für den Aufsichtspflichtigen (BGH, Urteile vom 10. Juli 1984 - VI ZR 273/82, NJW 1984, 2574, 2575; vom 7. Juli 1987 - VI ZR 176/86, NJW-RR 1987, 1430, 1431 und vom 24. März 2009 - VI ZR 199/08, NJW 2009, 1954 Rn. 8; OLG Düsseldorf aaO; Staudinger /Belling aaO Rn. 65 ff; Spindler in Beck OK [2012], BGB, § 832 Rn. 19 ff). Danach waren vorliegend die Kleinkinder der von der Zeugin K. betreuten Gruppe zwar nicht "auf Schritt und Tritt", aber doch in kurzen Abständen regelmäßig zu kontrollieren (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2009 - VI ZR 51/08, VersR 2009, 788, 789 mwN; OLG Köln, MDR 1999, 997 f; OLG Düsseldorf aaO S. 711). Dies gilt auch deshalb, weil es aufgrund der Lage des Außengeländes der Tagesstätte und der konkreten Tätigkeit der Kinder dieser Gruppe (Gartenarbeiten unter Zuhilfenahme von Gartengeräten) nicht ausgeschlossen erschien , dass die Kinder selbst oder Dritte in Folge kindlichen Spiels und gruppendynamischer Prozesse gefährdet werden konnten.
14
Gegen das auf diese Weise bestimmte Maß der Aufsicht erhebt auch die Revision keine Einwände.
15
3. a) Revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist ferner die Feststellung des Berufungsgerichts, es bleibe letztlich ungeklärt, ob und inwieweit die für die Kinderbetreuung auf dem Freigelände der Kindertagesstätte verantwortlichen Erzieherinnen, namentlich die Zeugin K. , ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen seien.
16
Nach § 286 Abs. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung wahr oder nicht wahr ist. Diese Würdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters, an dessen Feststellungen das Revisionsgericht gemäß § 559 Abs. 2 ZPO gebunden ist. Dieses kann lediglich überprüfen, ob das Berufungsgericht die Voraussetzungen und die Grenzen des § 286 ZPO gewahrt hat. Damit unterliegt der Nachprüfung nur, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff und den etwaigen Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt (vgl. nur Senat, Urteile vom 19. Juni 2008 - III ZR 46/06, NJW-RR 2008, 1484 Rn. 22 und vom 5. November 2009 - III ZR 6/09, NJW 2010, 1456 Rn. 8, jeweils mwN).

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Bei Anwendung dieses revisionsrechtlichen Maßstabes bestehen gegen die Würdigung des Berufungsgerichts, nach dem vom Landgericht gefundenen Beweisergebnis verblieben zumindest Restzweifel, ob die Erzieherinnen ihrer Aufsichtspflicht hinreichend nachgekommen seien, keine Bedenken. Die Beweisaufnahme hat insbesondere nicht ergeben, welche Kontrollmaßnahmen in welchen zeitlichen Abständen die Zeugin K. hinsichtlich der Gruppe, die ihrer Aufsicht unterlag und aus der die Kinder stammten, die das Fahrzeug des Klägers mit Steinen beworfen haben, ergriffen hat. Zwar ist der Umstand, dass die Zeugin den Steinwurf und das von ihm erzeugte Aufprallgeräusch nicht mitbekommen hat, in Bezug auf die hinreichende Wahrnehmung ihrer Aufsichtspflicht unergiebig, da die Wurfstelle nach den Feststellungen des Berufungsgerichts 10 beziehungsweise 20 bis 25 Meter von der zu beaufsichtigenden Gruppe entfernt war und Kinderlärm das Aufprallgeräusch überdeckt haben mag. Der Umstand, dass sich drei Kinder und damit ein ganz erheblicher Teil der von ihr zu beaufsichtigenden Gruppe von den Gartenarbeiten entfernt hatten, konnte der Zeugin jedoch bei Beobachtung der ihr obliegenden Aufsichtspflicht nicht über einen längeren Zeitraum verborgen geblieben sein.
18
Gleichermaßen ist nicht festgestellt, ob eine - unterstellte - Aufsichtspflichtverletzung der Zeugin K. ursächlich für den Schaden des Klägers geworden ist. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass es den drei Kindern auch bei einer im Abstand von wenigen Minuten erfolgenden und damit hinreichenden Kontrolle durch die Zeugin hätte gelingen können, unbeobachtet Steine aufzusammeln, sich von der Gruppe für kurze Zeit zu entfernen und die Steine auf das Fahrzeug des Klägers zu werfen.
19
b) Damit ist vorliegend - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - die Frage der Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Aufsichtspflicht und die Ursächlichkeit einer etwaigen Aufsichtspflichtverletzung für den Schaden des Klägers von entscheidender Bedeutung. Fraglich ist insbesondere, ob die Beweislastregel des § 832 BGB im Rahmen der Amtshaftung nach § 839 BGB anwendbar ist. Dies ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten:
20
aa) Der Senat hat in einer älteren Entscheidung (Urteil vom 15. März 1954 - III ZR 333/52, BGHZ 13, 25, 27 f) eine Anwendung des § 832 BGB und des dort geregelten Entschuldigungsbeweises bei einem Zusammentreffen mit einem Anspruch aus § 839 BGB abgelehnt (so auch OLG Düsseldorf VersR 1996, 710; OLG Dresden, NJW-RR 1997, 857, 858; OLG Hamburg, OLGR 1999, 190, 191; OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. März 2006 - 12 U 298/05, Juris Rn. 18 ff; Staudinger/Wöstmann [2013], BGB, § 839 Rn. 780; MünchKomm BGB/Wagner, 5. Aufl., § 839 Rn. 6, 12; Palandt/Sprau, BGB, 71. Aufl., § 832 Rn. 3, § 839 Rn. 3; NK-BGB/Katzenmeier, 2. Aufl. § 832 Rn. 6; Oberhardt, Die Aufsichtspflicht öffentlicher Einrichtungen nach § 832 BGB - im Spannungsfeld zur Amtshaftung, 2010, S. 291 ff). Die Haftung des Beamten sei in § 839 BGB abschließend und selbständig in dem Sinn geregelt, dass neben diesen Vorschriften die Bestimmungen in §§ 823 ff BGB über die allgemeine Deliktshaftung keine Anwendung finden könnten (so auch OLG Düsseldorf; OLG Karlsruhe , jew. aaO; zur methodischen Begründung vgl. Oberhardt aaO S. 311 ff). Das gelte auch für die Bestimmungen in § 832 BGB, die nicht nur eine Beweisregel enthielten, sondern einen selbständigen Deliktstatbestand schafften. Es sei zwar nicht zu verkennen, dass danach der beamtete Aufsichtspflichtige günstiger gestellt sei als der allgemeine Aufsichtspflichtige, der nach § 832 BGB den Entschuldigungsbeweis führen müsse. Eine solche Begünstigung von fahrlässig ihre Amtspflicht verletzenden Beamten sei aber auch sonst dem Gesetz nicht fremd, wie sich aus § 839 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 BGB ergebe. Andererseits könne eine Verpflichtung zum Schadensersatz aus § 839 BGB auch dann begründet sein, wenn einer der sonstigen Deliktstatbestände nicht oder nicht voll verwirklicht sei. Soweit es sich um Ausübung öffentlicher Gewalt handele, komme dem Geschädigten überdies zugute, dass er sich an den Staat halten könne, statt an den möglicherweise nicht leistungsfähigen Beamten (Senat aaO).
21
Ergänzend wird angeführt, für eine analoge Anwendung der Beweislastregel des § 832 BGB fehle es an den Analogievoraussetzungen der Rechtsähnlichkeit und der planwidrigen Regelungslücke (Oberhardt aaO S. 315). Einer Übertragung der Beweislastregel des § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB auf den Amtshaftungsanspruch bedürfe es im Übrigen auch deshalb nicht, weil mit Hilfe der flexiblen, im Bereich des Amtshaftungsanspruchs bestehenden Instrumentarien der Beweiserleichterung etwaige Beweisschwierigkeiten bei einer möglichen Unbilligkeit interessengerecht gelöst werden könnten (Oberhardt aaO S. 303 ff, 324).
22
bb) Nach anderer Auffassung, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, soll die in § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmte Beweislast auch bei öffentlich-rechtlichen Aufsichtsverhältnissen Anwendung finden (OLG Köln MDR 1999, 997, 998; Marburger, VersR 1971, 777, 788; Mertens, MDR 1999, 998; Staudinger/Belling [2012], BGB, § 832 Rn. 211; Soergel/Krause [2005], BGB, § 832 Rn. 19; Spindler in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 832 Rn. 3; Schaub in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 7. Aufl., § 832 Rn. 2; Ansgar Staudinger in Hk-BGB, 7. Aufl., § 832 Rn. 4; Geigel/Kapsa, Haftpflichtprozess, 26. Aufl., 20. Kap. Rn. 251; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl., § 12 Rn. 13; so wohl auch Moritz in JurisPK [2012], BGB, § 832 Rn. 10 f). Es könne keinen Unterschied machen, ob eine bestehende Aufsichtspflicht sich als Amtspflicht darstelle oder nicht (so in einem vergleichbaren Fall OLG Köln aaO: "konkret also, ob die Steine vom Gelände eines städtischen Kindergartens oder eines Kindergartens in freier Trägerschaft geworfen wurden." ). Nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs würden zudem sowohl bei der Haftung für Tiere als auch bei der Haftung für den Zustand von Gebäuden die Beweislastregeln des § 833 Satz 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 26. Juni 1972 - III ZR 32/70, VersR 1972, 1047) beziehungsweise des § 836 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 1990 - III ZR 4/89, NJW-RR 1990, 1500, 1501) im Rahmen des § 839 BGB entsprechend herangezogen. Ein plausibler Grund, warum für § 832 Abs. 1 Satz 2 BGB etwas anderes gelten solle, sei nicht zu erkennen (OLG Köln; Staudinger/Belling; Ansgar Staudinger; Mertens, jew. aaO; Marburger aaO S. 788). Auch die Aufsichtspflicht nach § 832 BGB regele - wie § 836 BGB - nur einen Unterfall der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht , da auch sie der Verhinderung von Schäden an Rechtsgütern Dritter infolge einer "Verkehrseröffnung" diene (Mertens aaO S. 998 f). Zudem finde im Fall der Aufsichtspflicht die Beweislastumkehr ihren Grund darin , dass dem Geschädigten regelmäßig der Nachweis der Aufsichtspflichtverletzung ohne Einblick in die internen Vorgänge beim Verpflichteten nicht möglich sein werde (Staudinger/Belling aaO; Mertens aaO S. 999; Spindler; Moritz, jew. aaO; Marburger aaO S. 788). Es entspreche dem Wesen der Aufsichtspflicht als einer gesetzlichen Pflicht gegenüber dem Geschädigten, dass der Pflichtige Rechenschaft darüber ablege, was er zur Erfüllung seiner Pflicht getan habe (Staudinger/Belling aaO). Diese ratio greife unabhängig davon, ob die Aufsichtspflicht dem Pflichtigen aufgrund eines privatrechtlichen Rechtsverhältnisses oder als Amtspflicht obliege (Mertens aaO). Der zur Begründung der Nichtanwendbarkeit der Beweislastregel des § 832 BGB herangezogene Verweis auf die gesetzlichen Haftungsprivilegien des seine Amtspflicht verletzen- den Organwalters (§ 839 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2, 3 BGB) trage nicht, weil diese sämtlich auf anderen Erwägungen beruhten als solchen, die für die Verteilung der Beweislast maßgeblich seien (Mertens aaO). Auch lasse die Tatsache, dass der Kreis der Amtspflichten weiter reiche als das Verbot, die durch §§ 823 ff BGB geschützten Güter zu verletzen, keinen Schluss darauf zu, dass der Geschädigte auf anderem Gebiet (beweismäßig) schlechter zu stellen sei (Mertens aaO). Schließlich habe das Argument, dem Geschädigten einer Amtspflichtverletzung stehe ein leistungsfähiger Schuldner gegenüber, in anderen Fällen der Beweislastumkehr die Rechtsprechung zu Recht nicht davon abgehalten, auch diese auf die haftende Körperschaft überzuleiten. Die Frage, wer hafte, habe mit der Frage, wer welche Haftungsvoraussetzungen darlegen und beweisen müsse, nichts zu tun (Mertens aaO).
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cc) Der Senat schließt sich - unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (Urteil vom 15. März 1954, aaO) - der zuletzt genannten Auffassung an. Die Beweislastregel des § 832 BGB gilt auch im Rahmen der Haftung für die Verletzung der öffentlich-rechtlichen Aufsichtspflicht nach § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG.
24
Die den Bediensteten einer Kindertagesstätte obliegende Aufsichtspflicht über die ihnen anvertrauten Kinder ist, soweit sie der Vermeidung von Schäden Dritter dient, eine besondere Ausprägung der Verkehrssicherungspflichten, wie sie allgemein von der Grundnorm des § 823 BGB erfasst werden. Im Bereich der privatrechtlichen Haftung ist sie in § 832 BGB geregelt, der im Rahmen der §§ 823 ff BGB einen eigenständigen Haftungstatbestand bildet (Staudinger/ Belling aaO Rn. 2 mwN). Zwar ist für eine unmittelbare Anwendung der deliktsrechtlichen Haftungstatbestände der §§ 823 ff BGB im Fall von Amtspflichtverletzungen grundsätzlich kein Raum, weil § 839 BGB insofern einen Sondertat- bestand darstellt (Senat, Urteil vom 5. April 1990 - III ZR 4/89, NJW-RR 1990, 1500, 1501). Dies bedeutet indes nicht, dass die besonderen Beweislastregeln der §§ 832, 833 Satz 2 und § 836 BGB im Rahmen der Amtshaftung keine Anwendung finden können. Verdrängt werden durch den Sondertatbestand des § 839 BGB lediglich die Haftungstatbestände der §§ 823 ff BGB als solche, nicht hingegen die in ihnen enthaltenen besonderen Beweislastregeln (vgl. Senat aaO zur Anwendbarkeit von § 836 BGB sowie Urteil vom 26. Juni1972 - III ZR 32/70, VersR 1972, 1047, 1048 zur Anwendbarkeit der Beweislastregel des § 833 Satz 2 BGB).
25
Soweit demgegenüber in der Entscheidung des Senats vom 15. März 1954 (aaO) die Nichtanwendbarkeit der in § 832 BGB enthaltenen Beweislastregel im Bereich der Amtshaftung angenommen wird, hält der Senat hieran nicht mehr fest. Der dort zur Begründung herangezogene Normcharakter des § 832 BGB als selbständiger Deliktstatbestand ist für die Anwendbarkeit der in ihm zugleich enthaltenen Beweislastregel im Rahmen der Amtshaftung nicht von entscheidender Bedeutung. Insbesondere hat die Verdrängung des Haftungstatbestandes des § 832 BGB durch den Sondertatbestand des § 839 BGB nicht zwingend zur Folge, dass die in § 832 BGB enthaltenen Beweislastregel zu vernachlässigen wäre. Letztere ist hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit im Bereich der Amtshaftung vielmehr getrennt zu betrachten. Ein Grund, sie insoweit anders zu behandeln als die - ebenfalls eine Vermutung mit Möglichkeit des Entlastungsbeweises enthaltenden - Beweislastregeln des § 833 Satz 2 und des § 836 BGB, ist nicht erkennbar. Die Anwendung der Beweislastregel des § 832 BGB stellt auch nicht die grundsätzliche Ausgestaltung der gesetzlichen Amtshaftung als Haftung für Verschulden in Frage. Letzteres wird lediglich vermutet , nicht aber als Haftungsvoraussetzung derogiert.
26
Die Geltung der Beweislastregel des § 832 BGB im Bereich der Amtshaftung ist sachlich gerechtfertigt. Für eine Haftung für eine vermutete Aufsichtspflichtverletzung sprechen dort dieselben Gründe wie im Bereich der privatrechtlichen Haftung (Mertens aaO S. 999). Es entspricht dem Wesen der Aufsichtspflicht als einer gesetzlichen Pflicht gegenüber dem Geschädigten, dass der Pflichtige Rechenschaft darüber ablegt, was er zur Erfüllung seiner Pflicht getan hat (Staudinger/Belling aaO Rn. 211 unter Hinweis auf Prot II 595). Dagegen ist dem Geschädigten der Nachweis der Aufsichtspflichtverletzung häufig nicht möglich, da er regelmäßig nicht weiß, welche konkreten Maßnahmen zur Erfüllung der Aufsichtspflicht im Einzelfall ergriffen beziehungsweise unterlassen wurden. Die sonst im Bereich der Amtshaftung bis hin zum Anscheinsbeweis geltenden Beweiserleichterungen helfen ihm insoweit nicht, da sie eine Amtspflichtverletzung - hier: eine Aufsichtspflichtverletzung - gerade voraussetzen (vgl. etwa Senat, Urteil vom 21. Oktober 2004 - III ZR 254/03, VersR 2005, 1079, 1082 f). Vor der Beweisnot, in die er geriete, wenn er eine Aufsichtspflichtverletzung der Erzieherinnen nachzuweisen hätte, vermag ihn daher nur die Vermutung gemäß § 832 BGB zu bewahren.
27
Gegen eine Anwendung der Beweislastregel des § 832 BGB im Bereich der Amtshaftung können schließlich nicht die in § 839 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 und 3 BGB bestimmten gesetzlichen Haftungsprivilegien des Amtsträgers angeführt werden. Sie weisen nach Inhalt und Grund keinen Zusammenhang mit der Beweislastregel des § 832 BGB auf (vgl. Mertens aaO). Auch kann mit ihnen nicht eine generelle Haftungsprivilegierung des Amtsträgers gerechtfertigt werden unabhängig von deren Anwendungsbereich und sachlicher Berechtigung.
28
Nach alledem ist kein überzeugender Grund für eine unterschiedliche Ausgestaltung der Beweislast danach ersichtlich, ob die (im Übrigen inhaltsglei- che) Aufsichtspflicht dem Betreffenden als Amtspflicht oder als privatrechtliche Pflicht obliegt. Die in § 832 BGB enthaltene Beweislastregel ist gleichermaßen in beiden Konstellationen anwendbar.
29
4. Anhaltspunkte für ein Mitverschulden des Klägers ergeben sich entgegen der Auffassung der Revision weder aus den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts noch aus dem Sachvortrag der Beklagten.
Schlick Wöstmann Seiters
Tombrink Remmert
Vorinstanzen:
LG Trier, Entscheidung vom 23.08.2011 - 11 O 36/11 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 21.06.2012 - 1 U 1086/11 -

(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.

(2) Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 verlangen.

(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.