Landgericht Aachen Urteil, 01. Sept. 2016 - 9 O 262/15
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zur Vollstreckung kommenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d
2Die Parteien sind über die zu Gunsten des Klägers als versicherte Person durch den damaligen Arbeitgeber am 16.06.2011 abgeschlossene fondsgebundene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bAV-Strategie Nr. 1 zu Vers.-Nr. ##### verbunden. Darüber hinaus besteht zwischen den Parteien eine weitere fondsgebundene Rentenversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bAV-Strategie Nr. 1 zu Vers.-Nr. #####, eine Erwerbsunfähigkeitsversicherung Vermögensaufbau und Sicherheitsplan Nr. ##### sowie eine Basisrente Strategie Nr. 1 Nr.#####. Im Antrag vom 07.06.2011 zu Vers.-Nr. ##### sind sämtliche Gesundheitsfragen durch Ankreuzen mit Nein beantwortet. Die Antworten sind – ebenfalls durch Ankreuzen erklärt – durch den Vermittler nach Angaben der versicherten Person vorgenommen worden. Tatsächlich wurden bei dem Kläger von seinem Hausarzt in den Jahren 2007 und 2009 psychovegetative Erschöpfungszustände diagnostiziert, er wurde wegen somatoformen Störungen (F 45) für 5 Tage arbeitsunfähig geschrieben sowie wegen HWS-Beschwerden, Verdacht auf Divertikulitis, Dyspepsie und Lumbalgie behandelt.
3Nach dem der Kläger im Jahr 2014 Leistungen aufgrund einer Berufsunfähigkeit beantragte, erklärte die Beklagte, die im Rahmen der Leistungsprüfung Kenntnis von den Diagnosen und Behandlungen erhielt, mit Schreiben vom 2.2.2015 zu dem Vertrag Nr. ##### den Rücktritt vom Vertrag betreffend die Arbeitskraftabsicherung, die Hinterbliebenenversicherung und die Pflegefallabsicherung und zu den Verträgen Nr. ##### und ##### den Rücktritt von den Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen. Überdies erklärte sie, sie habe behandelnde Ärzte um ergänzende Auskünfte gebeten. Nachdem diese eingegangen waren, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 18.02.2015 folgendes mit:
4„Da sie berufsunfähig sind, zahlen wir für Sie zu Vers.-Nr. ##### ab dem 01.02.2014 die Beiträge. Ihr Anspruch entsteht mit Ablauf des Monats, in dem sie berufsunfähig wurden. Die Leistung erhalten sie für die Zeit, in der die bedingungsgemäß berufsunfähig sind, längstens jedoch bis zum vereinbarten Ablauf der Leistungsdauer der Berufsunfähigkeitsversicherung.“
5Zu diesem Vertrag erteilte die Beklagte Abrechnung und zahlte einen Guthabenbetrag von 773,93 € an den Kläger aus. Weiterhin teilte sie im gleichen Schreiben mit, dass aus der Erwerbsunfähigkeitsversicherungsvertrages Nr. ##### keine Leistungen fällig würden. Zur Versicherung Nr. ##### erklärte sie erneut den Rücktritt von der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung im Hinblick auf die bereits im Schreiben vom 02.02.2015 niedergelegten und weitere zwischenzeitlich bekannt gewordene ärztliche Behandlungen. Weiterhin heißt es in dem Schreiben, dass der Kläger zur Versicherung Nr. ##### gesonderte Nachricht erhalte.
6Mit der Klage nimmt der Kläger die Beklagte auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente aus dem Vertrag Nummer ##### in Anspruch. Der Kläger behauptet, er sei seit dem 01.02.2014 berufsunfähig. Er ist der Ansicht, die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Klägers sei vorprozessual hinsichtlich der Beklagten anerkannt und bestätigt worden. Deshalb sei er sei von einer feststehenden Berufsunfähigkeit auszugehen, jedenfalls sei das Bestreiten der Beklagten prozessual nicht zu berücksichtigen. Der Kläger behauptet, dem Vermittler der Beklagten sämtliche Behandlungen und Diagnosen mitgeteilt zu haben, dieser habe dann entschieden, dass die Diagnosen und Beschwerden im Rahmen der Beantwortung der Risikofragen aus dem Antrag nicht erwähnt werden mussten, trotz Nachfrage des Klägers habe der Vermittler die Fragen entsprechend beantwortet.
7Der Kläger beantragt,
81) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger rückständige Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum 01.02.2014 bis 31.08.2015 in Höhe von 20.898,10 € nebst Zinsen im Umfang von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
92) Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger ab 01.09.2015 Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von monatlich 1099,90 €, fällig jeweils zum ersten des laufenden Monats zu zahlen.
103) Die Beklagte wird weiter verurteilt, den Kläger vorprozessualer Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1029,35 € nebst Zinsen im Umfang von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Die Beklagte behauptet zu Zeugnis des Vermittlers, der Kläger habe diesem gegenüber die behaupteten Angaben nicht gemacht. Sie bestreitet die Berufsunfähigkeit des Klägers und hält den entsprechenden Vortrag für unschlüssig.
14Die Kammer hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2016 auf Bedenken gegen die Schlüssigkeit im Hinblick auf die Darlegung der zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit des Klägers hingewiesen. Der Kläger hat hierzu mit Schriftsatz vom 26.7.2016 in rechtlicher Hinsicht Stellung genommen. Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insbesondere zum Krankheitsbild des Klägers, wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
15E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
16Die Klage ist nicht begründet. Dem Kläger stehen Ansprüche aus dem Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Nr. ##### gegen die Beklagte nicht zu.
17Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger bei Abschluss des Vertrages seiner Anzeigepflicht über gefahrerhebliche Umstände vorsätzlich verletzt hat. Denn der Kläger hat seine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit nicht dargelegt. Die Schlüssigkeit von Klagen auf Leistungen aus Berufsunfähigkeitsversicherungen erfordert die detaillierte Darlegung der zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit gerade des Klägers. Zu beschreiben sind in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht die verschiedenen Tätigkeitsaspekte mit ihren Anforderungen an das körperliche und geistige Leistungsvermögen des Versicherungsnehmers. Es empfiehlt sich die Darstellung einer „Musterwoche“ - vorzugsweise auch in Gestalt einer Zeittafel („Stundenplan“). Erforderlich ist auch die detaillierte Darlegung der Auswirkungen der nach Ansicht des Klägers zur Berufsunfähigkeit führenden Erkrankung auf die zuletzt ausgeübte berufliche Tätigkeit (vgl. nur BGH VersR 1992, 1386; BGH NJW-RR 1996, 345).
18Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Er hat bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 01.07.2016 keinerlei Sachvortrag zur zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeit gehalten. Dies hat der auch nach einem entsprechenden Hinweis der Kammer mit Schriftsatz vom 26.07.2016 nicht nachgeholt.
19Entsprechender Sachvortrag des Klägers ist entgegen der von ihm vertretenen Ansicht auch nicht entbehrlich, weil die Beklagte eine Berufsunfähigkeit des Klägers anerkannt hätte oder sich hierauf im Rechtsstreit nicht berufen dürfte.
20Bei dem bereits mit der Klageerwiderung von der Beklagten vorgelegten Schreiben vom 18.02.2015 handelt es sich nicht um ein Anerkenntnis im Sinne von § 173 VVG betreffend den streitbefangenen Vertrag #####. Dahinstehen kann, ob es sich trotz der bereits zuvor erklärten Anfechtung um ein Anerkenntnis im Sinne dieser Vorschrift betreffend den Vertrag ##### handelt und sich die Beklagte deshalb nur unter den Voraussetzungen des § 174 VVG von dieser Erklärung lösen kann. Denn das Schreiben vom 18.02.2015 enthält ausdrücklich zum streitbefangenen Vertrag ##### nur eine Wiederholung der Rücktrittserklärung, die die Beklagte bereits am 02.02.2015 zu beiden zwischen den Parteien bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherungsverträgen ausgesprochen hatte, die vom Kläger als Anerkenntnis gewertete Formulierung ist auf den Vertrag ##### beschränkt.
21Ein mögliches Anerkenntnis der Beklagten betreffend den Vertrag ##### hat auch für den streitbefangenen Vertrag keine Bedeutung in dem Sinne, dass die Beklagte eine Berufsunfähigkeit des Klägers insgesamt und insbesondere auch für den streitbefangenen Vertrag anerkannt hätte. Ein Anerkenntnis nach § 173 VVG bezieht sich nicht auf die Bewertung eines bestimmten Gesundheitszustandes, sondern auf die Leistungspflicht des Versicherers aus einem Versicherungsvertrag. Diese ist jedoch maßgeblich geprägt von den jeweiligen Versicherungsbedingungen, die sich von Vertrag zu Vertrag unterscheiden können. Deshalb kann der Kläger aus dem Schreiben der Beklagten vom 18.02.2015 unter dem Gesichtspunkt von § 173 VVG nichts für sich herleiten.
22Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte mit dem Schreiben vom 18.02.2015 unabhängig von § 173 VVG den Gesundheitszustand des Klägers im Sinne eines konstitutiven oder deklaratorischen Schuldanerkenntnisses als bedingungsgemäße im Sinne der Versicherungsbedingungen des streitbefangenen Versicherungsvertrages anerkennen wollte, sind nicht ersichtlich. Die Beklagte handelte bei Abfassung dieses Schreibens ersichtlich in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus § 7 der Bedingungen für die Berufsunfähigkeit-Zusatzversicherung, innerhalb von vier Wochen nach Vorlage der relevanten Unterlagen in Textform eine Erklärung nach § 173 VVG abzugeben. Ein Anlass für die Abgabe eines entsprechenden Schuldanerkenntnisses durch die Beklagte bestand insbesondere auch deshalb nicht, weil sie bereits mit Schreiben vom 02.02.2015 die Anfechtung (auch) des streitbefangenen Vertrages erklärt hatte und nach ihrer Auffassung deshalb schon aus diesem Grund nicht leistungspflichtig war.
23Angesichts dessen ist die Beklagte auch weder nach § 288 ZPO noch nach § 138 ZPO in prozessualer Hinsicht gehindert, die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Klägers zu bestreiten, zumal der Kläger auch kein schutzwürdiges Vertrauen darauf genießt, dass sich die Beklagte im Rechtsstreit nur mit den vorgerichtlich bereits vorgebrachten Verteidigungsmittel verteidigen wird.
24Eines wiederholten Hinweises an den Kläger bedurfte es nicht. Aus dem Inhalt seines Schriftsatzes vom 26.07.2016 ergibt sich, dass der Kläger den Hinweis der Kammer nicht etwa missverstanden hat, sondern aus Rechtsgründen entsprechenden Vortrag nicht für erforderlich hält. Bei dem anwaltlichen vertretenen Kläger kann die Kammer davon ausgehen, dass bei einer unzureichenden Reaktion auf einen unmissverständlichen Hinweis weiterer Vortrag nicht beabsichtigt ist (BGH NJW 2008, 2036; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 139 Rn. 14d mit weiteren Nachweisen).
25Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 23.08.2016 erfordert nicht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.
26Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 709 ZPO
27Streitwert: 67.093,90 €.
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(1) Stellt der Versicherer fest, dass die Voraussetzungen der Leistungspflicht entfallen sind, wird er nur leistungsfrei, wenn er dem Versicherungsnehmer diese Veränderung in Textform dargelegt hat.
(2) Der Versicherer wird frühestens mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung nach Absatz 1 beim Versicherungsnehmer leistungsfrei.
(1) Die von einer Partei behaupteten Tatsachen bedürfen insoweit keines Beweises, als sie im Laufe des Rechtsstreits von dem Gegner bei einer mündlichen Verhandlung oder zum Protokoll eines beauftragten oder ersuchten Richters zugestanden sind.
(2) Zur Wirksamkeit des gerichtlichen Geständnisses ist dessen Annahme nicht erforderlich.
(1) Die Parteien haben ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben.
(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.
(3) Tatsachen, die nicht ausdrücklich bestritten werden, sind als zugestanden anzusehen, wenn nicht die Absicht, sie bestreiten zu wollen, aus den übrigen Erklärungen der Partei hervorgeht.
(4) Eine Erklärung mit Nichtwissen ist nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind.
(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.
(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.
(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.
(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.
(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.
Andere Urteile sind gegen eine der Höhe nach zu bestimmende Sicherheit für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Soweit wegen einer Geldforderung zu vollstrecken ist, genügt es, wenn die Höhe der Sicherheitsleistung in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages angegeben wird. Handelt es sich um ein Urteil, das ein Versäumnisurteil aufrechterhält, so ist auszusprechen, dass die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden darf.