Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Apr. 2010 - 2 Ta 21/10

ECLI:ECLI:DE:LAGST:2010:0413.2TA21.10.0A
bei uns veröffentlicht am13.04.2010

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers vom 22.02.2010 wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Magdeburg vom 02.02.2010 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 23.02.2010 – 2 Ca 3490/09 (PKH) –teilweise abgeändert. Dem Beschwerdeführer wird über die bereits erfolgte Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) hinaus auch PKH zur Rechtsverfolgung der geänderten Anträge zu 4. – 7. und 9. – 37. aus dem Schriftsatz vom 28.10.2009 gewährt. Ihm wird insoweit Rechtsanwältin R.K. aus M. mit der Einschränkung beigeordnet, dass deren Reisekosten zum Arbeitsgericht nur bis zu einer Entfernung von 97 km pro Geschäftsreise zu Lasten der Landeskasse abrechenbar sind. Die weitergehende sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers, die auf die Hälfte ermäßigt werden, zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

pp.

II.

pp.

III.

1

Die Beiordnung von Rechtsanwältin R.K. aus M. war hinsichtlich der Fahrtkosten gemäß § 121 Abs. 3 ZPO einzuschränken.

2

a.) Nach § 121 Abs. 3 ZPO kann ein nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen. Dieser Grundsatz ist Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung für die Beiordnung und daher von Amts wegen zu prüfen, BAG, Beschluss vom 18.07.2005, 3 AZB 65/03; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11.11.2005, 2 Ta 259/05. Ein im Bezirk des Prozessgerichtes nicht niedergelassener Anwalt kann demnach der Partei nur beigeordnet werden, wenn dadurch höhere Kosten für die Staatskasse nicht entstehen.

3

Nach neuem Recht ist, wenn ein nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt seine Beiordnung beantragt, wie folgt zu verfahren:

4

Zunächst ist zu prüfen, ob Reisekosten entstehen können. Können Reisenkosten anfallen, so ist zu klären, wie weit die Niederlassung (Kanzleisitz) des von der Partei beauftragten Rechtsanwaltes vom Prozessgericht entfernt liegt, und wie groß die Entfernung zwischen dem Ort im Bezirk des angerufenen Gerichts, der am weitesten zum Gerichtsort entfernt liegt, und dem Sitz des Arbeitsgerichts ist, vgl. Philippi in: Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 121 Rz. 13 b. Nur wenn diese Entfernung geringer ist als diejenige zwischen der Niederlassung des Rechtsanwaltes und dem Prozessgericht, können überhaupt höhere Reisekosten, die gemäß § 121 Abs. 3 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG einer Beiordnung entgegenstehen können, anfallen.

5

Trotz erhöhter Reisekosten ist darüber hinaus eine Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwaltes gerechtfertigt, wenn dadurch geringere Kosten als durch die zusätzliche Beiordnung dieses Rechtsanwaltes als Verkehrsanwalt entstehen; dies setzt allerdings voraus, dass die Notwendigkeit der Beiordnung eines Verkehrsanwaltes besteht; vgl. BGH FamRZ 2004, 1362; Philippi in: aaO, m. w. N..

6

Die von dem Beschwerdeführer beauftragte Rechtsanwältin hat ihren Sitz nicht im Bezirk des Arbeitsgerichts Magdeburg, sondern im Bezirk des Arbeitsgerichts Halle. Sie ist somit nicht im Gerichtsbezirk des angerufenen Gerichtes niedergelassen. Für sie kam daher eine Beiordnung nach § 121 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 11 a Abs. 3 ArbGG nur unter Berücksichtigung der einschränkenden Voraussetzungen des § 121 Abs. 3 ZPO in Betracht.

7

Damit ist Vergleichsmaßstab nicht das Kostenaufkommen eines Bevollmächtigten am Gerichtsort, sondern vielmehr das Kostenaufkommen eines Bevollmächtigten aus dem Bezirk des angerufenen Arbeitsgerichts, der zum Gerichtsort anreisen muss. Somit sind die Entfernungen zwischen dem beigeordneten Rechtsanwalt von seinem Kanzleisitz zum Sitz des Gerichtes und die weitest mögliche Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirkes zum Ort des Gerichts gegenüber zu stellen.

8

Der Gerichtsbezirk des Arbeitsgerichtes Magdeburg ist flächenmäßig sehr groß. Die weiteste Entfernung eines Ortes innerhalb des Arbeitsgerichtsbezirks Magdeburg zum Sitz des Gerichtes in Magdeburg beträgt – dies ist widerlegbar – rd. 97 km (Benneckenstein/Harz nach Magdeburg, Breiter Weg 203 – 206, ermittelt nach Routenplaner). Bis zu dieser maximalen Entfernung können Fahrtkosten gemäß Ziffer 7003 der VV zum RVG in die Vergleichsberechnung für den Fahrtkostenaufwand eines auswärtigen Anwaltes eingestellt werden.

9

Dies führt vorliegend dazu, dass die beigeordnete Rechtsanwältin, deren Kanzleisitz M. (angegebene Absenderadresse der Klage) 114 km von Magdeburg entfernt ist, bei Vorliegen der Voraussetzung des § 46 RVG i. V. m. 7003 VV zum RVG Anspruch auf Kostenerstattung für 97 km pro Strecke ihrer Geschäftsreise hat.

pp.

IV.

10

Diese Entscheidung ergeht durch Beschluss ohne ehrenamtliche Richter, § 78 S. 3 ArbGG und ohne mündliche Verhandlung.

V.

11

Die Rechtsbeschwerde war – soweit die sofortige Beschwerde teilweise nicht erfolgreich war – nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht ersichtlich sind.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Apr. 2010 - 2 Ta 21/10

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Apr. 2010 - 2 Ta 21/10

Referenzen - Gesetze

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Apr. 2010 - 2 Ta 21/10 zitiert 8 §§.

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 121 Beiordnung eines Rechtsanwalts


(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet. (2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 78 Beschwerdeverfahren


Hinsichtlich der Beschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte oder ihrer Vorsitzenden gelten die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Für die Zulassung der Rech

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 46 Auslagen und Aufwendungen


(1) Auslagen, insbesondere Reisekosten, werden nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren. (2) Wenn das Gericht des Rechtszugs auf Antrag des Rechtsanwalts vor Antritt der Reise feststellt, da

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Apr. 2010 - 2 Ta 21/10 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Beschluss, 13. Apr. 2010 - 2 Ta 21/10.

Oberlandesgericht Rostock Beschluss, 17. Jan. 2011 - 1 W 53/09

bei uns veröffentlicht am 17.01.2011

Tenor Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 11.05.2009 gegen den Beschluss des Landgerichts vom 07.04.2009 in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 09.07.2009 wird dieser dahingehend abgeändert, dass die Prozesskostenhilfe - r

Referenzen

(1) Ist eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben, wird der Partei ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet.

(2) Ist eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben, wird der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist.

(3) Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen.

(4) Wenn besondere Umstände dies erfordern, kann der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden.

(5) Findet die Partei keinen zur Vertretung bereiten Anwalt, ordnet der Vorsitzende ihr auf Antrag einen Rechtsanwalt bei.

(1) Auslagen, insbesondere Reisekosten, werden nicht vergütet, wenn sie zur sachgemäßen Durchführung der Angelegenheit nicht erforderlich waren.

(2) Wenn das Gericht des Rechtszugs auf Antrag des Rechtsanwalts vor Antritt der Reise feststellt, dass eine Reise erforderlich ist, ist diese Feststellung für das Festsetzungsverfahren (§ 55) bindend. Im Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde tritt an die Stelle des Gerichts die Verwaltungsbehörde. Für Aufwendungen (§ 670 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) gelten Absatz 1 und die Sätze 1 und 2 entsprechend; die Höhe zu ersetzender Kosten für die Zuziehung eines Dolmetschers oder Übersetzers ist auf die nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz zu zahlenden Beträge beschränkt.

(3) Auslagen, die durch Nachforschungen zur Vorbereitung eines Wiederaufnahmeverfahrens entstehen, für das die Vorschriften der Strafprozessordnung gelten, werden nur vergütet, wenn der Rechtsanwalt nach § 364b Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung bestellt worden ist oder wenn das Gericht die Feststellung nach § 364b Absatz 1 Satz 2 der Strafprozessordnung getroffen hat. Dies gilt auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren (§ 85 Absatz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten).

Hinsichtlich der Beschwerde gegen Entscheidungen der Arbeitsgerichte oder ihrer Vorsitzenden gelten die für die Beschwerde gegen Entscheidungen der Amtsgerichte maßgebenden Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gilt § 72 Abs. 2 entsprechend. Über die sofortige Beschwerde entscheidet das Landesarbeitsgericht ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter, über die Rechtsbeschwerde das Bundesarbeitsgericht.