Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 04. Mai 2017 - 5 Sa 452/16

ECLI:ECLI:DE:LAGRLP:2017:0504.5Sa452.16.00
bei uns veröffentlicht am04.05.2017

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27. September 2016, Az. 2 Ca 1006/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche wegen Annahmeverzugs.

2

Der 1966 geborene Kläger wurde im Restaurant der Beklagten in C-Stadt ab 02.11.2015 als Thekenkraft beschäftigt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag ist ein Monatslohn von € 840,00 brutto bei einer monatlichen Arbeitszeit von 70 Stunden vereinbart worden. Das Arbeitsverhältnis endete spätestens durch eine ordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.04. zum 31.05.2016, die der Kläger nicht gerichtlich angegriffen hat.

3

Im Parallelrechtsstreit vor der hiesigen Berufungskammer (Az. 5 Sa 257/16) streiten die Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigungen der Beklagten vom 29.12.2015, 02.01. und 07.01.2016. Außerdem macht der Kläger rückständigen Lohn für November und Dezember 2015 sowie Annahmeverzugslohn für Januar bis März 2016 geltend. Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt er Annahmeverzugslohn für April und Mai 2016 iHv. € 840,00 brutto pro Monat abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. € 479,26 netto und € 448,34 netto, jeweils nebst Zinsen. Weil im Termin vom 21.06.2016 für die Beklagte niemand erschienen ist, hat das Arbeitsgericht ein klagestattgebendes Versäumnisurteil erlassen. Gegen das am 24.06.2016 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte am 30.06.2016 Einspruch eingelegt.

4

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

5

das Versäumnisurteil vom 21.06.2016, Az. 2 Ca 1006/16, aufrechtzuerhalten.

6

Die Beklagte hat beantragt,

7

das Versäumnisurteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

8

Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil mit Urteil vom 27.09.2016 aufrechterhalten. Wegen der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

9

Die Beklagte hat gegen das am 12.10.2016 zugestellte Urteil mit am 18.10.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 12.01.2017 verlängerten Begründungsfrist mit am 02.01.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet. Sie macht geltend, das Arbeitsverhältnis sei durch ihre handschriftliche Kündigung vom 29.12. am 30.12.2015 beendet worden. Sie schulde dem Kläger deshalb keine Vergütung für die Zeit danach.

10

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

11

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 27.09.2016, Az. 2 Ca 1006/16, abzuändern und die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils desselben Gerichts vom 21.06.2016 abzuweisen.

12

Der Kläger beantragt,

13

die Berufung zurückzuweisen.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften sowie den Inhalt der Akte 5 Sa 257/16 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger für den Monat April 2016 Annahmeverzugslohn iHv. € 840,00 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. € 479,26 netto und für den Monat Mai 2016 Annahmeverzugslohn iHv. € 840,00 brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeldes iHv. € 448,34 netto; jeweils nebst Zinsen zu zahlen.

16

Der Kläger hat nach § 615 Satz 1 BGB iVm. § 611 Abs. 1 BGB Anspruch auf die Vergütung, die er erhalten hätte, wenn die Beklagte im Streitzeitraum vom 01.04. bis zum 31.05.2016 seine Arbeitsleistung angenommen hätte. Denn die Beklagte befand sich im Annahmeverzug. Der Arbeitgeber kommt gem. § 293 BGB in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Nach einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung bedarf es zur Begründung des Annahmeverzugs eines Angebots des Arbeitnehmers nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Angebot der Arbeitsleistung regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich (vgl. unter vielen: BAG 22.02.2012 - 5 AZR 249/11 - Rn. 14).

17

Wie die Berufungskammer im Urteil vom 04.05.2017 im Parallelrechtsstreit (5 Sa 257/16) entschieden hat, ist das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten vom 29.12.2015, 02.01. und 07.01.2016 nicht aufgelöst worden. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird Bezug genommen.

18

Die Höhe des Anspruchs nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 BGB ist ebenso unstreitig wie der Betrag des anzurechnenden Arbeitslosengeldes, § 615 Satz 2 BGB (hierzu ErfK/Preis 17. Aufl. § 615 BGB Rn. 94). Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

19

Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen. Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 97 Rechtsmittelkosten


(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat. (2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vo

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 72 Grundsatz


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Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 286 Verzug des Schuldners


#BJNR001950896BJNE027902377 (1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Z

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 611 Vertragstypische Pflichten beim Dienstvertrag


(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. (2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 69 Urteil


(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Woch

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 615 Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko


Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch de

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 293 Annahmeverzug


Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 296 Entbehrlichkeit des Angebots


Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und ein

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bei uns veröffentlicht am 04.05.2017

weitere Fundstellen ... Tenor 1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26. April 2016, Az. 2 Ca 103/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand

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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26. April 2016, Az. 2 Ca 103/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und Lohnansprüche.

2

Der 1966 geborene Kläger wurde im Restaurant der Beklagten in C-Stadt ab 02.11.2015 als Thekenkraft beschäftigt. Erstinstanzlich war unstreitig, dass ein Stundenlohn von € 12,00 vereinbart war. Der schriftliche Arbeitsvertrag datiert vom 11.11.2015. Danach sollte der Kläger ab 01.01.2016 zu einem Monatslohn von € 840,00 brutto mit einer monatlichen Arbeitszeit von 70 Stunden eingestellt werden. In der Zeit von 02.11. bis 26.12.2015 arbeitete der Kläger an 20 Arbeitstagen insgesamt 133,75 Stunden. Für diese Arbeitsstunden soll ihm die Beklagte lediglich € 160,00 netto gezahlt haben. Die Beklagte meldete den Kläger, der seit 10.11.2015 Arbeitslosengeld bezog, nicht bei der Sozialversicherung an.

3

In einem Telefonat am 02.01.2016 teilte die Restaurantleiterin der Beklagten F. dem Kläger mit, dass er nicht mehr gebraucht werde und der Arbeitsvertrag demnach „hinfällig“ sei. Auf ein Anwaltsschreiben des Klägers vom 05.01.2016 antwortete der streitverkündete frühere Rechtsanwalt der Beklagten (künftig: Streitverkündete) mit Schreiben vom 07.01.2016, zwischen den Parteien habe lediglich eine Probezeit bestanden, die zum 31.12.2015 enden sollte. Ein Arbeitsverhältnis sei demnach nicht zustande gekommen. Die Lohnansprüche des Klägers seien stets in bar ausgeglichen worden. Außerdem sprach der Streitverkündete vorsorglich die fristlose Kündigung etwaiger noch bestehender Verträge aus. Mit Anwaltsschreiben vom 08.01.2016 wies der Kläger die fristlose Kündigung vom 07.01.2016 mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde nach § 174 BGB zurück.

4

Der Kläger erhob am 20.01.2016 Klage gegen die mündliche Kündigung vom 02.01.2016 sowie gegen die fristlose Kündigung vom 07.01.2016. Im Gütetermin vom 10.02.2016 legte der Streitverkündete den "Durchschlag" einer handschriftlichen fristlosen Kündigungserklärung der Beklagten vom 29.12.2015 (Bl. 31 d.A.) vor. Der Kläger erweiterte die Klage am 04.04.2016 gegen diese Kündigung. Ein Original sei ihm nie zugegangen. Eine weitere Kündigung, die der Streitverkündete im Namen der Beklagten am 27.04. zum 31.05.2016 erklärt hat, hat der Kläger ebenso wie eine Kündigung der Beklagten vom 18.05. zum 15.06.2016 nicht mehr angegriffen.

5

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

6

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29.12.2015 nicht beendet worden ist,

7

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die mündliche Kündigung vom 02.01.2016 noch durch die fristlose Kündigung vom 07.01.2016 aufgelöst worden ist,

8

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm rückständigen Lohn für November und Dezember 2015 iHv. insgesamt € 1.605,00 brutto abzüglich gezahlter € 160,00 netto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergangener € 788,46 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2016 zu zahlen,

9

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere

10

a) € 840,00 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener € 479,26 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.02.2016,

11

b) € 840,00 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener € 448,34 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.03.2016,

12

c) € 840,00 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener € 479,26 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.04.2016 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, die handschriftliche fristlose Kündigungserklärung vom 29.12.2015 habe der von ihr beauftragte Bote E. dem Kläger am selben Tag persönlich in den Briefkasten eingeworfen. Der Arbeitslohn von € 12,00 pro Stunde sei dem Kläger im November und Dezember 2015 am Ende des jeweiligen Arbeitstages von ihrer Restaurantleiterin F. oder dem Mitarbeiter G. in bar ausgezahlt worden.

16

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 26.04.2016 Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Wegen der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 26.04.2016 Bezug genommen.

17

Die Beklagte hat gegen das am 02.06.2016 zugestellte Urteil mit am 13.06.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 02.09.2016 verlängerten Begründungsfrist mit am 01.09.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.

18

Sie macht geltend, das Arbeitsverhältnis sei durch die handschriftliche Kündigung vom 29.12.2015 beendet worden. Das Arbeitsgericht hätte den von ihr mit der Zustellung der Kündigung beauftragten Boten E. als Zeugen vernehmen müssen. E. habe das Kündigungsschreiben vom 29.12.2016 am selben Tag auf dem Heimweg von der Arbeit gegen 23:00 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Das Arbeitsverhältnis habe am 30.12.2015 geendet, weil der Kläger gegen diese Kündigung innerhalb von drei Wochen keine Klage erhoben habe. Er könne deshalb für die Monate von Januar bis März 2016 keinen Annahmeverzugslohn beanspruchen.

19

Der Kläger habe auch keine Lohnansprüche für die Zeit vom 02.11. bis 26.12.2015 mehr. Die Restaurantleiterin F. habe dem Kläger (mit Ausnahme des 19.12.2015) an folgenden Arbeitstagen jeweils nach Arbeitsschluss für folgende Arbeitsstunden folgende Geldbeträge in bar ausgezahlt:

20

lfd. Nr.

Datum 2015

Wochen-tag

Arbeits-zeit von

 bis   

Std:
Min.

EUR     

1.    

02.11.

Montag

16:00 

22:30 

6:30   

75,60 

2.    

06.11.

Freitag

16:00 

22:45 

6:45   

77,40 

3.    

07.11.

Samstag

17:00 

23:00 

6:00   

72,00 

4.    

09.11.

Montag

17:00 

23:30 

6:30   

75,60 

4.    

13.11.

Freitag

16:00 

23:45 

7:45   

89,40 

6.    

14.11.

Samstag

16:00 

23:30 

7:30   

87,60 

7.    

16.11.

Montag

16:00 

22:30 

6:30   

75,60 

8.    

20.11.

Freitag

16:00 

22:45 

6:45   

77,70 

9.    

22.11.

Sonntag

16:00 

23:00 

7:00   

84,00 

10.     

24.11.

Dienstag

16:00 

23:30 

7:30   

87,60 

11.     

27.11.

Freitag

16:00 

23:15 

7:15   

85,80 

12.     

28.11.

Samstag

16:00 

23:30 

7:30   

87,60 

13.     

04.12.

Freitag

16:00 

23:15 

7:15   

85,80 

14.     

05.12.

Samstag

16:00 

23:00 

7:00   

84,00 

15.     

11.12.

Freitag

16:15 

23:15 

7:00   

84,00 

16.     

12.12.

Samstag

16:00 

23:00 

7:00   

84,00 

17.     

18.12.

Freitag

16:00 

23:15 

7:15   

85,80 

18.     

19.12.

-       

-       

-       

-       

-       

19.     

25.12.

Freitag

11:45 

15:15 

3:30   

39,60 

20.     

26.12.

Samstag

11:45 

15:45 

4:00   

48,00 

21

Der Mitarbeiter G. habe dem Kläger am 19.12.2015 (Samstag) nach Arbeitsschluss den Lohn von € 12,00 pro Stunde in bar für die Arbeitszeit von 16:15 bis 23:30 Uhr ausbezahlt. Für 7 Stunden und 15 Minuten habe er ihm einen Betrag von € 85,80 (7,15 Std. x € 12,00) ausgehändigt.

22

Außerdem trägt die Beklagte (zweitinstanzlich neu) vor, sie habe dem Kläger am 26.12.2015 gegen 15:45 Uhr mündlich fristlos gekündigt. Sie habe ihm erklärt, er könne seine Sachen packen, er sei entlassen. Anfang Januar 2016 habe der Kläger wieder nach Arbeit gefragt. Dies habe am 02.01.2016 ihre Restaurantleiterin F. veranlasst, ihm mitzuteilen, dass man ihn nicht mehr benötige. Von der Kündigung habe die Restaurantleiterin Kenntnis gehabt. F. und G. hätten die Arbeitszeiten des Klägers und die Auszahlungsbeträge für jeden Arbeitstag auf einem Zettel notiert und ihr ausgehändigt. Sie habe die Zettel für die Buchhaltung in eine Geldkassette gelegt, die zwischen dem 04. und 05.01.2016 gestohlen worden sei. Aufgrund des Diebstahls habe sie keinen Beweis mehr über die aufgezeichneten Stunden und welche Beträge an den Kläger ausgekehrt worden seien. Ihr fehlten die quittierten Auszahlungen. Nach Erhalt der sozialversicherungsrechtlich relevanten Daten hätte sie das Arbeitsverhältnis angemeldet und abgerechnet. Sie habe die Auszahlung des Stundenlohns von € 12,00 als Bruttobetrag verstanden.

23

In ihrem letzten Schriftsatz vom 02.01.2017 trägt die Beklagte vor, ihr Steuerberater habe gewusst, dass sie mit dem Kläger einen Arbeitslohn von € 15,00 brutto vereinbart habe und das Arbeitsverhältnis zunächst auf den 31.12.2015 befristet sein sollte. Sie habe bis zur Einreichung der anmelderechtlichen Daten und Unterlagen einen Bruttobetrag von € 15,00 an den Kläger auszahlen wollen. Mit dem Steuerberater habe sie abgesprochen, dass der entsprechende überbezahlte Betrag mit dem kommenden Lohn abgerechnet werde, sobald die Anmeldung vorliege und das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet werden könne. Sie habe im November und Dezember 2015 den gesamten Bruttolohn an den Kläger ausgekehrt, weil der überbezahlte Betrag mit dem kommenden Lohn verrechnet werden sollte.

24

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

25

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26.04.2016, Az. 2 Ca 103/16, abzuändern und die Klage abzuweisen.

26

Der Kläger beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Er macht geltend, die Beklagte sei mit dem neuen Sachvortrag zum Zugang der Kündigung vom 29.12.2015 und zur Erfüllung der Lohnansprüche für November und Dezember 2015 präkludiert; Gründe für eine nachträgliche Zulassung habe sie nicht vorgetragen. Das Kündigungsschreiben vom 29.12.2015 habe sich weder am 30.12.2015 noch zu einem späteren Zeitpunkt in seinem Briefkasten befunden. Dies könne seine jetzige Ehefrau bezeugen.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften sowie den Inhalt der beigezogenen Akte 5 Sa 452/16 Bezug genommen. Die Berufungskammer hat über die Behauptungen der Beklagten Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E. und F. sowie durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des (schwer erkranken) Zeugen G.. Außerdem hat die Kammer die gegenbeweislich benannte Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 04.05.2017.

Entscheidungsgründe

I.

30

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

31

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch eine handschriftliche Kündigung der Beklagten vom 29.12.2015 noch durch eine mündliche Kündigung der Restaurantleiterin vom 02.01.2016 oder durch die Kündigung des Streitverkündeten vom 07.01.2016 aufgelöst worden ist. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, an den Kläger für die Monate November und Dezember 2015 Lohn für geleistete Arbeit und für die Monate Januar bis März 2016 Annahmeverzugslohn zu zahlen.

32

1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch eine handschriftliche Kündigungserklärung der Beklagten vom 29.12.2015 aufgelöst worden. Die Beklagte ist für den Zugang der Kündigungserklärung, deren "Durchschlag" der Streitverkündete im Gütetermin vom 10.02.2016 dem Arbeitsgericht vorgelegt hat, nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtig.

33

Nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Berufungskammer nicht zweifelsfrei davon überzeugt, dass der Zeuge E. die handschriftliche Kündigungserklärung vom 29.12.2015 in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen hat. Damit hat die Beklagte den ihr obliegenden Beweis nicht geführt.

34

Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass er besagtes Kündigungsschreiben am 29.12.2015 gegen 23:00 Uhr auf dem Heimweg von der Arbeit in den Briefkasten des Klägers eingeworfen habe. Auch auf mehrfaches Befragen hat der Zeuge konstant wiederholt, er sei sich sicher, dass er das Kündigungsschreiben an diesem Tag in den richtigen Briefkasten geworfen habe. Die gegenbeweislich benannte Ehefrau des Klägers hat bei ihrer Vernehmung bekundet, dass sie den (gemeinsamen) Briefkasten seit ihrem Einzug in die Wohnung am 20.12.2015 täglich geleert habe, sie habe darin keine Kündigung gefunden. Damit steht letztlich "Aussage gegen Aussage", ohne dass einer Seite zwingend im Sinne positiver richterlicher Überzeugungsbildung der Vorzug gegeben werden könnte. Letztlich sieht sich die Kammer nicht in der Lage, zweifelsfrei festzustellen, ob die Aussage des Zeugen E. der Wahrheit entspricht.

35

Hinzu kommt, dass die Würdigung des außergerichtlichen Schriftverkehrs und des prozessualen Vortrags der Beklagten eher gegen einen Zugang der handschriftlichen Kündigungserklärung vom 29.12.2015 sprechen. So antwortete der Streitverkündete auf das Anwaltsschreiben des Klägers vom 05.01. am 07.01.2016, der Kläger sei lediglich in einem bis zum 31.12.2015 befristeten Probearbeitsverhältnis von der Beklagten beschäftigt worden; ein Arbeitsverhältnis sei "danach nicht zustande" gekommen. Von einer fristlosen Kündigung der Beklagten vom 29.12.2015 ist in diesem Schreiben keine Rede. Wenn das dem schriftlichen Arbeitsvertrag, der erst mit Wirkung ab 01.01.2016 beginnen sollte, aus Sicht der Beklagten "vorgeschaltete" Probearbeitsverhältnis ohnehin am 31.12.2015 durch Fristablauf enden sollte, hätte es überhaupt keinen Sinn gemacht, am 29.12.2015 fristlos zu kündigen. Außerdem führte der Streitverkündete in einem außergerichtlichen Schreiben vom 13.01.2016 ergänzend aus, dem Kläger sei mitgeteilt worden, dass kein Interesse am "eigentlichen" Arbeitsvertrag, der erst ab 01.01.2016 wirksam werden sollte, bestehe; das Arbeitsverhältnis sei nach Ablauf der Probezeit zum 31.12.2015 beendet. Auch in diesem Anwaltsschreiben ist von einer fristlosen Kündigung vom 29.12.2015 keine Rede. Erstmals im Gütetermin vom 10.02.2016 behauptete die Beklagte, dass sie bereits am 29.12.2015 eine fristlose schriftliche Kündigung erklärt habe. Zu diesem Zeitpunkt muss ihr klargeworden sein, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf (§ 14 Abs. 4 TzBfG) und der Streitverkündete der vorsorglichen Kündigung vom 07.01.2016 eine Vollmachtsurkunde hätte beifügen müssen (§ 174 BGB). Das vorgelegte ärztliche Attest vom 10.02.2016, wonach die Beklagte "durch die Art ihrer Erkrankung" zwar ein "verfasstes Schreiben" per Boten habe zustellen können, aber wegen einer plötzlichen Verschlimmerung ihrer Erkrankung eine "Kopie dieses Schreibens" nicht fristgerecht dem Arbeitsgericht habe zustellen können, hilft nicht weiter. Es ist schon unklar, von welchem "verfassten Schreiben" die Beklagte ihrem Arzt berichtet haben mag. Weshalb die Beklagte nicht in der Lage gewesen sein könnte, den Streitverkündeten bei seiner Mandatierung über eine schriftliche Kündigungserklärung vom 29.12.2015 zu informieren, erklärt sie nicht. Insgesamt bestehen daher für die Berufungskammer auch nach Vernehmung des Zeugen E. nicht überwindbare Zweifel am Zugang einer Kündigung vom 29.12.2015, die zu Lasten der Beklagten gehen.

36

2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die mündliche Kündigung der Restaurantleiterin der Beklagten F. vom 02.01.2016 aufgelöst worden. Die Kündigung ist formunwirksam. Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu ihrer Wirksamkeit zwingend der Schriftform (§ 623 BGB). Dies wird von der Berufung nicht in Frage gestellt.

37

3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die schriftliche Kündigung, die der Streitverkündete am 07.01.2016 im Namen der Beklagten erklärt hat, aufgelöst worden. Die Kündigung ist unwirksam, weil sie der Kläger nach § 174 Satz 1 BGB berechtigterweise mit Anwaltsschreiben vom 08.01.2016 - und damit unverzüglich - wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen hat. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

38

Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Folge der Zurückweisung iSd. § 174 Satz 1 BGB ist - unabhängig vom Bestehen einer Vollmacht - die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts; eine Heilung oder Genehmigung nach § 177 BGB scheidet aus (vgl. BAG 25.09.2014 - 2 AZR 567/13 - Rn. 12 mwN). Weil der Streitverkündete dem Kündigungsschreiben vom 07.01.2016 keine Vollmachtsurkunde beigefügt hat, lagen die Voraussetzungen einer Zurückweisung vor. Dies wird von der Berufung nicht in Abrede gestellt.

39

4. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Lohn für geleistete Arbeit für die Monate November und Dezember 2015 in eingeklagter Höhe.

40

a) Der Kläger hat unstreitig in der Zeit vom 02.11. bis 26.12.2015 an 20 Arbeitstagen insgesamt 133,75 Stunden gearbeitet. Für diese Arbeitsstunden kann er den eingeklagten Stundenlohn von € 12,00 brutto verlangen. Wegen der Bindung des Gerichts an Parteianträge (§ 308 Abs. 1 ZPO) ist unerheblich, dass die Beklagte zweitinstanzlich zuletzt vorgetragen hat, sie habe mit dem Kläger einen Stundenlohn von € 15,00 brutto vereinbart. Von dem eingeklagten Gesamtbetrag iHv. € 1.605,00 brutto ist die von der Beklagten unstreitig geleistete Zahlung iHv. € 160,00 netto abzuziehen. Außerdem ist das Arbeitslosengeld iHv. € 788,46 abzuziehen, dass dem Kläger im Zeitraum vom 10.11. bis 31.12.2015 gewährt worden ist. Der Vergütungsanspruch ist insoweit auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen (§ 115 Abs. 1 SGB X). Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

41

b) Der Anspruch des Klägers auf Arbeitsentgelt ist nicht vollständig durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Nach allgemeinen Grundsätzen trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Geldschuld. Nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung und dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme ist es der Beklagten nicht gelungen, die Berufungskammer davon zu überzeugen, dass dem Kläger jeweils am Ende eines Arbeitstages von ihrer Restaurantleiterin F. oder dem Mitarbeiter G. € 12,00 pro Stunde in bar ausgezahlt worden sind.

42

aa) Zunächst ist festzuhalten, dass der prozessuale Vortrag der Beklagten an wechselnden und widersprüchlichen Angaben zur Höhe des vereinbarten Stundenlohnes leidet. Dem Kläger soll pro Arbeitsstunde Lohn iHv. € 12,00 in bar - und damit netto - ausgezahlt worden sein. Dass die Beklagte, die als Gastwirtin zwei Restaurants betreibt, die Barauszahlung von - nicht versteuertem und nicht verbeitragtem - Lohn an den arbeitslosen Kläger, den sie nicht angemeldet hat, als "Bruttobetrag" verstanden haben will, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 01.09.2016 (dort Seite 9 oben) vortragen lässt, nimmt ihr die Kammer nicht ab.

43

Der neue Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 02.01.2017, sie habe mit dem Kläger einen Stundenlohn von € 15,00 brutto vereinbart, beruht offenbar auf einer Hochrechnung ihres Steuerberaters, denn sowohl bei Nettolohnvereinbarungen als auch bei sog. "Schwarzlöhnen" gelten gem. § 14 Abs. 2 SGB IV als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt die Nettoeinnahmen des Beschäftigten zuzüglich der auf sie entfallenden (direkten) Steuern und des gesetzlichen Arbeitnehmeranteils an den Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung (vgl. BAG 22.06.2016 - 10 AZR 806/14 - Rn. 19, 20 mwN). Im Hinblick darauf, dass angelernte Hilfskräfte im Jahr 2015 nach dem Entgelttarifvertrag im Hotel- und Gaststättengewerbe Rheinland-Pfalz im ersten Beschäftigungsjahr einen Stundenlohn von € 9,00 brutto und Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung einen tariflichen Stundenlohn von € 9,50 brutto beanspruchen konnten, ist die Behauptung der Beklagten, sie habe mit dem Kläger - noch dazu in der nach ihrem Vortrag vereinbarten Probezeit - einen Stundenlohn von € 15,00 brutto vereinbart, wenig überzeugend. Gegen diesen Vortrag spricht auch, dass im schriftlichen Arbeitsvertrag, der erst ab 01.01.2016 gelten sollte, zwischen den Parteien ein Stundenlohn von € 12,00 brutto vereinbart worden ist (Monatslohn € 840,00 : 70 Stunden). Warum der Stundenlohn in der Probezeit höher gewesen sein sollte, erschließt sich nicht.

44

Auch der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 02.01.2017 (dort Seite 2), sie habe "bis zur Erreichung der anmelderechtlichen Daten und Unterlagen" dem Kläger einen Bruttobetrag von € 15,00 "auszahlen", und - nach Anmeldung - den überzahlten Betrag mit dem kommenden Lohn verrechnen wollen, wirkt konstruiert und lebensfremd. Außerdem widersprechen die Vorstellungen der Beklagten, die sie nach Beratung mit ihrem Steuerberater entwickelt haben will, den gesetzlichen Vorschriften, die sie als Restaurantbetreiberin kennen muss. Im Gaststättengewerbe muss - zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung - spätestens bei Arbeitsaufnahme eine Sofortmeldung des Beschäftigten erfolgen. Dafür reicht neben der Betriebsnummer des Arbeitgebers und dem Tag der Beschäftigungsaufnahme der Familien- und Vorname, der Geburtstag und -ort sowie die Anschrift des Beschäftigten aus, wenn dessen Versicherungsnummer dem Arbeitgeber nicht bekannt ist (§ 28a Abs. 4 SGB IV iVm. § 7 DEÜV). Solange der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Lohnsteuerabzugsmerkmale schuldhaft nicht mitteilt, hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach Steuerklasse VI zu ermitteln (§ 39c Abs. 1 EStG). Da die Beklagte wusste, dass sich der - von ihr illegal beschäftigte - Kläger in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, war es auch abwegig anzunehmen, sie könne den "überbezahlten Betrag mit dem kommenden Lohn verrechnen". Der Kläger sollte laut schriftlichem Arbeitsvertrag ab 01.01.2016 einen Monatslohn von € 840,00 brutto erhalten. Der daraus resultierende Nettolohn ist unpfändbar, so dass eine Aufrechnung verboten ist (§§ 394 Satz 1 BGB, 850 Abs. 1, 850c ZPO). Hinzu kommt, dass ein unterbliebener Abzug der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge nur begrenzt nachgeholt werden darf.

45

bb) Der zweitinstanzliche Vortrag zum Erfüllungseinwand wirkt auch deshalb konstruiert, weil die Beklagte die angegebene Echtzeit, die der Kläger (unstreitig) in ihrem Restaurant gearbeitet hat, nicht nach Dezimalzahlen berechnet hat. So hat die Beklagte bspw. unter Beweis bestellt, dass ihre Restaurantleiterin dem Kläger am 02.11.2015 bei einer Arbeitszeit von 6 Stunden und 30 Minuten einen Lohn iHv. € 75,60 in bar ausgezahlt haben soll. Die Beklagte hat in ihrem zweitinstanzlichen Vortrag im Schriftsatz vom 01.09.2016 (Seite 7 unten, Seite 10 oben) den Stundensatz von € 12,00 nicht mit 6,5, sondern mit 6,3 multipliziert. Dieser Fehler bei der Umrechnung von Echtminuten in Dezimalminuten (sog. Industriezeit) zieht sich durch die unter Beweis gestellten Geldübergaben an den Arbeitstagen des Klägers, die nicht zur vollen Stunde endeten. Bei einem Stundenlohn von € 12,00 sind - entgegen dem zweitinstanzlichen Beweisantritt der Beklagten - 15 Minuten rechnerisch nicht mit € 1,80 (bspw. 27.11.2015), 30 Minuten nicht mit € 3,60 (bspw. 02.11.2015) und 45 Minuten nicht mit € 5,40 (bspw. 06.11.2015) zu vergüten. Diese eklatanten Fehler sprechen für einen nachträglich konstruierten Sachvortrag. Es ist nicht vorstellbar, dass die Restaurantleiterin der Beklagten dem Kläger für eine halbe Stunde Arbeit statt € 6,00, nur € 3,60 bezahlt haben könnte.

46

cc) Die Restaurantleiterin F. hat bei ihrer zweitinstanzlichen Zeugenvernehmung bekundet, dass sie dem Kläger jeweils nach Arbeitsende pro Stunde € 12,00 in bar ausgezahlt habe. Auf die konkrete Frage, ob sie dem Kläger bspw. am 02.11.2015 für eine Arbeitszeit von 6 Stunden und 30 Minuten einen Betrag von € 75,60 ausgezahlt habe, antwortete die Zeugin: "Das könnte stimmen". Nach eineinhalb Jahren könne sie sich nicht mehr an einzelne Tage erinnern. Sie könne nicht bestätigen, ob die Aufstellung im Beweisbeschluss stimme, denn die Liste der Arbeitstage stamme vom Kläger. Sie könne sich nicht mehr daran erinnern, wieviel Stunden der Kläger an den einzelnen Tagen gearbeitet habe, und wieviel Geld sie ihm genau bezahlt habe. Für seine gearbeitete Zeit habe sie den Kläger jedenfalls immer ausgezahlt.

47

Der an Krebs erkrankte Zeuge G., der wegen Chemo- und Strahlentherapie verhindert war, vor Gericht zu erscheinen, hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 18.04.2017 ausgeführt, dass er dem Kläger zum relevanten Datum [laut Beweisthema wahrscheinlich am 18. oder 19.12.2015] im Auftrag der Beklagten seinen Lohn ausgezahlt habe, und zwar € 12,00 pro Stunde, weil die Restaurantleiterin nicht anwesend gewesen sei. Nach seiner Kenntnis habe es sich um Lohn für geleistete Arbeit und keine Bezahlung zum Kauf von Lebensmitteln oder Käse gehandelt. Dies hätte am Wochenende nach Geschäftsschluss auch keinen Sinn gemacht.

48

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnten beide Zeugen nicht konkret bestätigen, dass sie dem Kläger an den im Beweisbeschluss angeführten Arbeitstagen für die dort aufgeführten Arbeitszeiten die im Einzelnen angegebenen Geldbeträge in bar ausgezahlt haben. Die pauschalen Angaben der Zeugen reichen nicht aus, um die Berufungskammer davon zu überzeugen, dass dem Kläger für 133,75 Arbeitsstunden insgesamt € 1.605,00 in bar ausgezahlt worden sind. Beide Zeugen haben die behaupteten Barzahlungen, die an insgesamt 20 Arbeitstagen des Klägers erfolgt sein sollen, nicht nach Datum, Arbeitsstunden und jeweiligem Geldbetrag konkret schildern können. Der Umstand, dass die in die Tagesgeldkasse eingelegten Zettel, die der Kläger nach der Aussage der Zeugin F. unterschrieben haben soll, gestohlen worden sein sollen, geht mit der beweisbelasteten Beklagten heim. Die Berufungskammer hält es zwar für sehr unwahrscheinlich, dass der Kläger für ein Arbeitsentgelt in einer Gesamthöhe von nur € 160,00 netto an 20 Arbeitstagen insgesamt 133,75 Stunden für die Beklagte gearbeitet hat, zumal ihm für den Weg zur Arbeit (einfache Strecke 34 km) nicht unerhebliche Treibstoffkosten entstanden sind. Für die behaupteten Zahlungen trägt jedoch die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Das Arbeitsgericht hat konkreten Vortrag der Beklagten vermisst, wer wann welchen Betrag an den Kläger ausgezahlt haben soll, und ihren erstinstanzlichen Beweisantrag deshalb -zutreffend - als unzulässigen Ausforschungsbeweis angesehen. Die Beklagte hat zweitinstanzlich zwar einen konkreten Beweisantrag gestellt, jedoch haben die Zeugen F. und G. nicht bestätigen können, wer wann welchen konkreten Betrag an den Kläger ausgezahlt hat. Damit ist der von ihr zu erbringende Beweis für den Erfüllungseinwand misslungen.

49

5. Der Kläger hat nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB einen Anspruch gegen die Beklagte auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Monate von Januar bis März 2016.

50

Aufgrund der festgestellten Unwirksamkeit der gegenüber dem Kläger erklärten Kündigungen (mit Ausnahme der letzten Kündigung vom 27.04. zum 31.05.2016) steht fest, dass zwischen den Parteien im hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01. bis 31.03.2016 ein Arbeitsverhältnis bestand. Die Beklagte kam durch den Ausspruch der unwirksamen Kündigungen in Annahmeverzug. Da in den Kündigungen zugleich die Erklärung der Beklagten lag, sie werde die Leistung nicht annehmen, bedurfte es keines tatsächlichen Arbeitsangebots des Klägers, §§ 295, 296 Satz 1 BGB (vgl. BAG 16.05.2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 12).

51

Die Höhe des Anspruchs nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 BGB ist ebenso unstreitig wie der Betrag des anzurechnenden Arbeitslosengeldes, § 615 Satz 2 BGB (hier-zu ErfK/Preis 17. Aufl. § 615 BGB Rn. 94). Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

III.

52

Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

53

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

(1) Das Urteil nebst Tatbestand und Entscheidungsgründen ist von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben. § 60 Abs. 1 bis 3 und Abs. 4 Satz 2 bis 4 ist entsprechend mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Frist nach Absatz 4 Satz 3 vier Wochen beträgt und im Falle des Absatzes 4 Satz 4 Tatbestand und Entscheidungsgründe von sämtlichen Mitgliedern der Kammer zu unterschreiben sind.

(2) Im Urteil kann von der Darstellung des Tatbestandes und, soweit das Berufungsgericht den Gründen der angefochtenen Entscheidung folgt und dies in seinem Urteil feststellt, auch von der Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden.

(3) Ist gegen das Urteil die Revision statthaft, so soll der Tatbestand eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien enthalten. Eine Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen ist zulässig, soweit hierdurch die Beurteilung des Parteivorbringens durch das Revisionsgericht nicht wesentlich erschwert wird.

(4) § 540 Abs. 1 der Zivilprozessordnung findet keine Anwendung. § 313a Abs. 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe entsprechende Anwendung, dass es keiner Entscheidungsgründe bedarf, wenn die Parteien auf sie verzichtet haben; im Übrigen sind die §§ 313a und 313b der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.

Ist für die von dem Gläubiger vorzunehmende Handlung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt, so bedarf es des Angebots nur, wenn der Gläubiger die Handlung rechtzeitig vornimmt. Das Gleiche gilt, wenn der Handlung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Handlung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt.

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Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26. April 2016, Az. 2 Ca 103/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses und Lohnansprüche.

2

Der 1966 geborene Kläger wurde im Restaurant der Beklagten in C-Stadt ab 02.11.2015 als Thekenkraft beschäftigt. Erstinstanzlich war unstreitig, dass ein Stundenlohn von € 12,00 vereinbart war. Der schriftliche Arbeitsvertrag datiert vom 11.11.2015. Danach sollte der Kläger ab 01.01.2016 zu einem Monatslohn von € 840,00 brutto mit einer monatlichen Arbeitszeit von 70 Stunden eingestellt werden. In der Zeit von 02.11. bis 26.12.2015 arbeitete der Kläger an 20 Arbeitstagen insgesamt 133,75 Stunden. Für diese Arbeitsstunden soll ihm die Beklagte lediglich € 160,00 netto gezahlt haben. Die Beklagte meldete den Kläger, der seit 10.11.2015 Arbeitslosengeld bezog, nicht bei der Sozialversicherung an.

3

In einem Telefonat am 02.01.2016 teilte die Restaurantleiterin der Beklagten F. dem Kläger mit, dass er nicht mehr gebraucht werde und der Arbeitsvertrag demnach „hinfällig“ sei. Auf ein Anwaltsschreiben des Klägers vom 05.01.2016 antwortete der streitverkündete frühere Rechtsanwalt der Beklagten (künftig: Streitverkündete) mit Schreiben vom 07.01.2016, zwischen den Parteien habe lediglich eine Probezeit bestanden, die zum 31.12.2015 enden sollte. Ein Arbeitsverhältnis sei demnach nicht zustande gekommen. Die Lohnansprüche des Klägers seien stets in bar ausgeglichen worden. Außerdem sprach der Streitverkündete vorsorglich die fristlose Kündigung etwaiger noch bestehender Verträge aus. Mit Anwaltsschreiben vom 08.01.2016 wies der Kläger die fristlose Kündigung vom 07.01.2016 mangels Vorlage einer Vollmachtsurkunde nach § 174 BGB zurück.

4

Der Kläger erhob am 20.01.2016 Klage gegen die mündliche Kündigung vom 02.01.2016 sowie gegen die fristlose Kündigung vom 07.01.2016. Im Gütetermin vom 10.02.2016 legte der Streitverkündete den "Durchschlag" einer handschriftlichen fristlosen Kündigungserklärung der Beklagten vom 29.12.2015 (Bl. 31 d.A.) vor. Der Kläger erweiterte die Klage am 04.04.2016 gegen diese Kündigung. Ein Original sei ihm nie zugegangen. Eine weitere Kündigung, die der Streitverkündete im Namen der Beklagten am 27.04. zum 31.05.2016 erklärt hat, hat der Kläger ebenso wie eine Kündigung der Beklagten vom 18.05. zum 15.06.2016 nicht mehr angegriffen.

5

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

6

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29.12.2015 nicht beendet worden ist,

7

2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die mündliche Kündigung vom 02.01.2016 noch durch die fristlose Kündigung vom 07.01.2016 aufgelöst worden ist,

8

3. die Beklagte zu verurteilen, ihm rückständigen Lohn für November und Dezember 2015 iHv. insgesamt € 1.605,00 brutto abzüglich gezahlter € 160,00 netto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergangener € 788,46 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 04.01.2016 zu zahlen,

9

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere

10

a) € 840,00 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener € 479,26 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.02.2016,

11

b) € 840,00 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener € 448,34 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.03.2016,

12

c) € 840,00 brutto abzüglich auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangener € 479,26 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 02.04.2016 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt,

14

die Klage abzuweisen.

15

Die Beklagte hat erstinstanzlich vorgetragen, die handschriftliche fristlose Kündigungserklärung vom 29.12.2015 habe der von ihr beauftragte Bote E. dem Kläger am selben Tag persönlich in den Briefkasten eingeworfen. Der Arbeitslohn von € 12,00 pro Stunde sei dem Kläger im November und Dezember 2015 am Ende des jeweiligen Arbeitstages von ihrer Restaurantleiterin F. oder dem Mitarbeiter G. in bar ausgezahlt worden.

16

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 26.04.2016 Bezug genommen. Das Arbeitsgericht hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Wegen der erstinstanzlichen Begründung wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils vom 26.04.2016 Bezug genommen.

17

Die Beklagte hat gegen das am 02.06.2016 zugestellte Urteil mit am 13.06.2016 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 02.09.2016 verlängerten Begründungsfrist mit am 01.09.2016 eingegangenem Schriftsatz begründet.

18

Sie macht geltend, das Arbeitsverhältnis sei durch die handschriftliche Kündigung vom 29.12.2015 beendet worden. Das Arbeitsgericht hätte den von ihr mit der Zustellung der Kündigung beauftragten Boten E. als Zeugen vernehmen müssen. E. habe das Kündigungsschreiben vom 29.12.2016 am selben Tag auf dem Heimweg von der Arbeit gegen 23:00 Uhr in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen. Das Arbeitsverhältnis habe am 30.12.2015 geendet, weil der Kläger gegen diese Kündigung innerhalb von drei Wochen keine Klage erhoben habe. Er könne deshalb für die Monate von Januar bis März 2016 keinen Annahmeverzugslohn beanspruchen.

19

Der Kläger habe auch keine Lohnansprüche für die Zeit vom 02.11. bis 26.12.2015 mehr. Die Restaurantleiterin F. habe dem Kläger (mit Ausnahme des 19.12.2015) an folgenden Arbeitstagen jeweils nach Arbeitsschluss für folgende Arbeitsstunden folgende Geldbeträge in bar ausgezahlt:

20

lfd. Nr.

Datum 2015

Wochen-tag

Arbeits-zeit von

 bis   

Std:
Min.

EUR     

1.    

02.11.

Montag

16:00 

22:30 

6:30   

75,60 

2.    

06.11.

Freitag

16:00 

22:45 

6:45   

77,40 

3.    

07.11.

Samstag

17:00 

23:00 

6:00   

72,00 

4.    

09.11.

Montag

17:00 

23:30 

6:30   

75,60 

4.    

13.11.

Freitag

16:00 

23:45 

7:45   

89,40 

6.    

14.11.

Samstag

16:00 

23:30 

7:30   

87,60 

7.    

16.11.

Montag

16:00 

22:30 

6:30   

75,60 

8.    

20.11.

Freitag

16:00 

22:45 

6:45   

77,70 

9.    

22.11.

Sonntag

16:00 

23:00 

7:00   

84,00 

10.     

24.11.

Dienstag

16:00 

23:30 

7:30   

87,60 

11.     

27.11.

Freitag

16:00 

23:15 

7:15   

85,80 

12.     

28.11.

Samstag

16:00 

23:30 

7:30   

87,60 

13.     

04.12.

Freitag

16:00 

23:15 

7:15   

85,80 

14.     

05.12.

Samstag

16:00 

23:00 

7:00   

84,00 

15.     

11.12.

Freitag

16:15 

23:15 

7:00   

84,00 

16.     

12.12.

Samstag

16:00 

23:00 

7:00   

84,00 

17.     

18.12.

Freitag

16:00 

23:15 

7:15   

85,80 

18.     

19.12.

-       

-       

-       

-       

-       

19.     

25.12.

Freitag

11:45 

15:15 

3:30   

39,60 

20.     

26.12.

Samstag

11:45 

15:45 

4:00   

48,00 

21

Der Mitarbeiter G. habe dem Kläger am 19.12.2015 (Samstag) nach Arbeitsschluss den Lohn von € 12,00 pro Stunde in bar für die Arbeitszeit von 16:15 bis 23:30 Uhr ausbezahlt. Für 7 Stunden und 15 Minuten habe er ihm einen Betrag von € 85,80 (7,15 Std. x € 12,00) ausgehändigt.

22

Außerdem trägt die Beklagte (zweitinstanzlich neu) vor, sie habe dem Kläger am 26.12.2015 gegen 15:45 Uhr mündlich fristlos gekündigt. Sie habe ihm erklärt, er könne seine Sachen packen, er sei entlassen. Anfang Januar 2016 habe der Kläger wieder nach Arbeit gefragt. Dies habe am 02.01.2016 ihre Restaurantleiterin F. veranlasst, ihm mitzuteilen, dass man ihn nicht mehr benötige. Von der Kündigung habe die Restaurantleiterin Kenntnis gehabt. F. und G. hätten die Arbeitszeiten des Klägers und die Auszahlungsbeträge für jeden Arbeitstag auf einem Zettel notiert und ihr ausgehändigt. Sie habe die Zettel für die Buchhaltung in eine Geldkassette gelegt, die zwischen dem 04. und 05.01.2016 gestohlen worden sei. Aufgrund des Diebstahls habe sie keinen Beweis mehr über die aufgezeichneten Stunden und welche Beträge an den Kläger ausgekehrt worden seien. Ihr fehlten die quittierten Auszahlungen. Nach Erhalt der sozialversicherungsrechtlich relevanten Daten hätte sie das Arbeitsverhältnis angemeldet und abgerechnet. Sie habe die Auszahlung des Stundenlohns von € 12,00 als Bruttobetrag verstanden.

23

In ihrem letzten Schriftsatz vom 02.01.2017 trägt die Beklagte vor, ihr Steuerberater habe gewusst, dass sie mit dem Kläger einen Arbeitslohn von € 15,00 brutto vereinbart habe und das Arbeitsverhältnis zunächst auf den 31.12.2015 befristet sein sollte. Sie habe bis zur Einreichung der anmelderechtlichen Daten und Unterlagen einen Bruttobetrag von € 15,00 an den Kläger auszahlen wollen. Mit dem Steuerberater habe sie abgesprochen, dass der entsprechende überbezahlte Betrag mit dem kommenden Lohn abgerechnet werde, sobald die Anmeldung vorliege und das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet werden könne. Sie habe im November und Dezember 2015 den gesamten Bruttolohn an den Kläger ausgekehrt, weil der überbezahlte Betrag mit dem kommenden Lohn verrechnet werden sollte.

24

Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,

25

das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 26.04.2016, Az. 2 Ca 103/16, abzuändern und die Klage abzuweisen.

26

Der Kläger beantragt,

27

die Berufung zurückzuweisen.

28

Er macht geltend, die Beklagte sei mit dem neuen Sachvortrag zum Zugang der Kündigung vom 29.12.2015 und zur Erfüllung der Lohnansprüche für November und Dezember 2015 präkludiert; Gründe für eine nachträgliche Zulassung habe sie nicht vorgetragen. Das Kündigungsschreiben vom 29.12.2015 habe sich weder am 30.12.2015 noch zu einem späteren Zeitpunkt in seinem Briefkasten befunden. Dies könne seine jetzige Ehefrau bezeugen.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften sowie den Inhalt der beigezogenen Akte 5 Sa 452/16 Bezug genommen. Die Berufungskammer hat über die Behauptungen der Beklagten Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen E. und F. sowie durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage des (schwer erkranken) Zeugen G.. Außerdem hat die Kammer die gegenbeweislich benannte Ehefrau des Klägers als Zeugin vernommen. Wegen des Inhalts der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 04.05.2017.

Entscheidungsgründe

I.

30

Die nach § 64 Abs. 1 und 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist gem. §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG iVm. §§ 519, 520 ZPO zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch ordnungsgemäß begründet worden.

II.

31

In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch eine handschriftliche Kündigung der Beklagten vom 29.12.2015 noch durch eine mündliche Kündigung der Restaurantleiterin vom 02.01.2016 oder durch die Kündigung des Streitverkündeten vom 07.01.2016 aufgelöst worden ist. Das Arbeitsgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, an den Kläger für die Monate November und Dezember 2015 Lohn für geleistete Arbeit und für die Monate Januar bis März 2016 Annahmeverzugslohn zu zahlen.

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1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch eine handschriftliche Kündigungserklärung der Beklagten vom 29.12.2015 aufgelöst worden. Die Beklagte ist für den Zugang der Kündigungserklärung, deren "Durchschlag" der Streitverkündete im Gütetermin vom 10.02.2016 dem Arbeitsgericht vorgelegt hat, nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweispflichtig.

33

Nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung und dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Berufungskammer nicht zweifelsfrei davon überzeugt, dass der Zeuge E. die handschriftliche Kündigungserklärung vom 29.12.2015 in den Hausbriefkasten des Klägers eingeworfen hat. Damit hat die Beklagte den ihr obliegenden Beweis nicht geführt.

34

Der Zeuge E. hat bei seiner Vernehmung bekundet, dass er besagtes Kündigungsschreiben am 29.12.2015 gegen 23:00 Uhr auf dem Heimweg von der Arbeit in den Briefkasten des Klägers eingeworfen habe. Auch auf mehrfaches Befragen hat der Zeuge konstant wiederholt, er sei sich sicher, dass er das Kündigungsschreiben an diesem Tag in den richtigen Briefkasten geworfen habe. Die gegenbeweislich benannte Ehefrau des Klägers hat bei ihrer Vernehmung bekundet, dass sie den (gemeinsamen) Briefkasten seit ihrem Einzug in die Wohnung am 20.12.2015 täglich geleert habe, sie habe darin keine Kündigung gefunden. Damit steht letztlich "Aussage gegen Aussage", ohne dass einer Seite zwingend im Sinne positiver richterlicher Überzeugungsbildung der Vorzug gegeben werden könnte. Letztlich sieht sich die Kammer nicht in der Lage, zweifelsfrei festzustellen, ob die Aussage des Zeugen E. der Wahrheit entspricht.

35

Hinzu kommt, dass die Würdigung des außergerichtlichen Schriftverkehrs und des prozessualen Vortrags der Beklagten eher gegen einen Zugang der handschriftlichen Kündigungserklärung vom 29.12.2015 sprechen. So antwortete der Streitverkündete auf das Anwaltsschreiben des Klägers vom 05.01. am 07.01.2016, der Kläger sei lediglich in einem bis zum 31.12.2015 befristeten Probearbeitsverhältnis von der Beklagten beschäftigt worden; ein Arbeitsverhältnis sei "danach nicht zustande" gekommen. Von einer fristlosen Kündigung der Beklagten vom 29.12.2015 ist in diesem Schreiben keine Rede. Wenn das dem schriftlichen Arbeitsvertrag, der erst mit Wirkung ab 01.01.2016 beginnen sollte, aus Sicht der Beklagten "vorgeschaltete" Probearbeitsverhältnis ohnehin am 31.12.2015 durch Fristablauf enden sollte, hätte es überhaupt keinen Sinn gemacht, am 29.12.2015 fristlos zu kündigen. Außerdem führte der Streitverkündete in einem außergerichtlichen Schreiben vom 13.01.2016 ergänzend aus, dem Kläger sei mitgeteilt worden, dass kein Interesse am "eigentlichen" Arbeitsvertrag, der erst ab 01.01.2016 wirksam werden sollte, bestehe; das Arbeitsverhältnis sei nach Ablauf der Probezeit zum 31.12.2015 beendet. Auch in diesem Anwaltsschreiben ist von einer fristlosen Kündigung vom 29.12.2015 keine Rede. Erstmals im Gütetermin vom 10.02.2016 behauptete die Beklagte, dass sie bereits am 29.12.2015 eine fristlose schriftliche Kündigung erklärt habe. Zu diesem Zeitpunkt muss ihr klargeworden sein, dass die Befristung eines Arbeitsvertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf (§ 14 Abs. 4 TzBfG) und der Streitverkündete der vorsorglichen Kündigung vom 07.01.2016 eine Vollmachtsurkunde hätte beifügen müssen (§ 174 BGB). Das vorgelegte ärztliche Attest vom 10.02.2016, wonach die Beklagte "durch die Art ihrer Erkrankung" zwar ein "verfasstes Schreiben" per Boten habe zustellen können, aber wegen einer plötzlichen Verschlimmerung ihrer Erkrankung eine "Kopie dieses Schreibens" nicht fristgerecht dem Arbeitsgericht habe zustellen können, hilft nicht weiter. Es ist schon unklar, von welchem "verfassten Schreiben" die Beklagte ihrem Arzt berichtet haben mag. Weshalb die Beklagte nicht in der Lage gewesen sein könnte, den Streitverkündeten bei seiner Mandatierung über eine schriftliche Kündigungserklärung vom 29.12.2015 zu informieren, erklärt sie nicht. Insgesamt bestehen daher für die Berufungskammer auch nach Vernehmung des Zeugen E. nicht überwindbare Zweifel am Zugang einer Kündigung vom 29.12.2015, die zu Lasten der Beklagten gehen.

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2. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die mündliche Kündigung der Restaurantleiterin der Beklagten F. vom 02.01.2016 aufgelöst worden. Die Kündigung ist formunwirksam. Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu ihrer Wirksamkeit zwingend der Schriftform (§ 623 BGB). Dies wird von der Berufung nicht in Frage gestellt.

37

3. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist nicht durch die schriftliche Kündigung, die der Streitverkündete am 07.01.2016 im Namen der Beklagten erklärt hat, aufgelöst worden. Die Kündigung ist unwirksam, weil sie der Kläger nach § 174 Satz 1 BGB berechtigterweise mit Anwaltsschreiben vom 08.01.2016 - und damit unverzüglich - wegen fehlender Vorlage einer Vollmachtsurkunde zurückgewiesen hat. Auch dies hat das Arbeitsgericht zutreffend erkannt.

38

Nach § 174 Satz 1 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Folge der Zurückweisung iSd. § 174 Satz 1 BGB ist - unabhängig vom Bestehen einer Vollmacht - die Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts; eine Heilung oder Genehmigung nach § 177 BGB scheidet aus (vgl. BAG 25.09.2014 - 2 AZR 567/13 - Rn. 12 mwN). Weil der Streitverkündete dem Kündigungsschreiben vom 07.01.2016 keine Vollmachtsurkunde beigefügt hat, lagen die Voraussetzungen einer Zurückweisung vor. Dies wird von der Berufung nicht in Abrede gestellt.

39

4. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Lohn für geleistete Arbeit für die Monate November und Dezember 2015 in eingeklagter Höhe.

40

a) Der Kläger hat unstreitig in der Zeit vom 02.11. bis 26.12.2015 an 20 Arbeitstagen insgesamt 133,75 Stunden gearbeitet. Für diese Arbeitsstunden kann er den eingeklagten Stundenlohn von € 12,00 brutto verlangen. Wegen der Bindung des Gerichts an Parteianträge (§ 308 Abs. 1 ZPO) ist unerheblich, dass die Beklagte zweitinstanzlich zuletzt vorgetragen hat, sie habe mit dem Kläger einen Stundenlohn von € 15,00 brutto vereinbart. Von dem eingeklagten Gesamtbetrag iHv. € 1.605,00 brutto ist die von der Beklagten unstreitig geleistete Zahlung iHv. € 160,00 netto abzuziehen. Außerdem ist das Arbeitslosengeld iHv. € 788,46 abzuziehen, dass dem Kläger im Zeitraum vom 10.11. bis 31.12.2015 gewährt worden ist. Der Vergütungsanspruch ist insoweit auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen (§ 115 Abs. 1 SGB X). Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

41

b) Der Anspruch des Klägers auf Arbeitsentgelt ist nicht vollständig durch Erfüllung erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB). Nach allgemeinen Grundsätzen trägt die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung der Geldschuld. Nach dem gesamten Inhalt der mündlichen Verhandlung und dem Ergebnis der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme ist es der Beklagten nicht gelungen, die Berufungskammer davon zu überzeugen, dass dem Kläger jeweils am Ende eines Arbeitstages von ihrer Restaurantleiterin F. oder dem Mitarbeiter G. € 12,00 pro Stunde in bar ausgezahlt worden sind.

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aa) Zunächst ist festzuhalten, dass der prozessuale Vortrag der Beklagten an wechselnden und widersprüchlichen Angaben zur Höhe des vereinbarten Stundenlohnes leidet. Dem Kläger soll pro Arbeitsstunde Lohn iHv. € 12,00 in bar - und damit netto - ausgezahlt worden sein. Dass die Beklagte, die als Gastwirtin zwei Restaurants betreibt, die Barauszahlung von - nicht versteuertem und nicht verbeitragtem - Lohn an den arbeitslosen Kläger, den sie nicht angemeldet hat, als "Bruttobetrag" verstanden haben will, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 01.09.2016 (dort Seite 9 oben) vortragen lässt, nimmt ihr die Kammer nicht ab.

43

Der neue Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 02.01.2017, sie habe mit dem Kläger einen Stundenlohn von € 15,00 brutto vereinbart, beruht offenbar auf einer Hochrechnung ihres Steuerberaters, denn sowohl bei Nettolohnvereinbarungen als auch bei sog. "Schwarzlöhnen" gelten gem. § 14 Abs. 2 SGB IV als beitragspflichtiges Arbeitsentgelt die Nettoeinnahmen des Beschäftigten zuzüglich der auf sie entfallenden (direkten) Steuern und des gesetzlichen Arbeitnehmeranteils an den Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung (vgl. BAG 22.06.2016 - 10 AZR 806/14 - Rn. 19, 20 mwN). Im Hinblick darauf, dass angelernte Hilfskräfte im Jahr 2015 nach dem Entgelttarifvertrag im Hotel- und Gaststättengewerbe Rheinland-Pfalz im ersten Beschäftigungsjahr einen Stundenlohn von € 9,00 brutto und Fachkräfte mit abgeschlossener Berufsausbildung einen tariflichen Stundenlohn von € 9,50 brutto beanspruchen konnten, ist die Behauptung der Beklagten, sie habe mit dem Kläger - noch dazu in der nach ihrem Vortrag vereinbarten Probezeit - einen Stundenlohn von € 15,00 brutto vereinbart, wenig überzeugend. Gegen diesen Vortrag spricht auch, dass im schriftlichen Arbeitsvertrag, der erst ab 01.01.2016 gelten sollte, zwischen den Parteien ein Stundenlohn von € 12,00 brutto vereinbart worden ist (Monatslohn € 840,00 : 70 Stunden). Warum der Stundenlohn in der Probezeit höher gewesen sein sollte, erschließt sich nicht.

44

Auch der Vortrag der Beklagten im Schriftsatz vom 02.01.2017 (dort Seite 2), sie habe "bis zur Erreichung der anmelderechtlichen Daten und Unterlagen" dem Kläger einen Bruttobetrag von € 15,00 "auszahlen", und - nach Anmeldung - den überzahlten Betrag mit dem kommenden Lohn verrechnen wollen, wirkt konstruiert und lebensfremd. Außerdem widersprechen die Vorstellungen der Beklagten, die sie nach Beratung mit ihrem Steuerberater entwickelt haben will, den gesetzlichen Vorschriften, die sie als Restaurantbetreiberin kennen muss. Im Gaststättengewerbe muss - zur Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung - spätestens bei Arbeitsaufnahme eine Sofortmeldung des Beschäftigten erfolgen. Dafür reicht neben der Betriebsnummer des Arbeitgebers und dem Tag der Beschäftigungsaufnahme der Familien- und Vorname, der Geburtstag und -ort sowie die Anschrift des Beschäftigten aus, wenn dessen Versicherungsnummer dem Arbeitgeber nicht bekannt ist (§ 28a Abs. 4 SGB IV iVm. § 7 DEÜV). Solange der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Lohnsteuerabzugsmerkmale schuldhaft nicht mitteilt, hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach Steuerklasse VI zu ermitteln (§ 39c Abs. 1 EStG). Da die Beklagte wusste, dass sich der - von ihr illegal beschäftigte - Kläger in massiven wirtschaftlichen Schwierigkeiten befand, war es auch abwegig anzunehmen, sie könne den "überbezahlten Betrag mit dem kommenden Lohn verrechnen". Der Kläger sollte laut schriftlichem Arbeitsvertrag ab 01.01.2016 einen Monatslohn von € 840,00 brutto erhalten. Der daraus resultierende Nettolohn ist unpfändbar, so dass eine Aufrechnung verboten ist (§§ 394 Satz 1 BGB, 850 Abs. 1, 850c ZPO). Hinzu kommt, dass ein unterbliebener Abzug der Lohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge nur begrenzt nachgeholt werden darf.

45

bb) Der zweitinstanzliche Vortrag zum Erfüllungseinwand wirkt auch deshalb konstruiert, weil die Beklagte die angegebene Echtzeit, die der Kläger (unstreitig) in ihrem Restaurant gearbeitet hat, nicht nach Dezimalzahlen berechnet hat. So hat die Beklagte bspw. unter Beweis bestellt, dass ihre Restaurantleiterin dem Kläger am 02.11.2015 bei einer Arbeitszeit von 6 Stunden und 30 Minuten einen Lohn iHv. € 75,60 in bar ausgezahlt haben soll. Die Beklagte hat in ihrem zweitinstanzlichen Vortrag im Schriftsatz vom 01.09.2016 (Seite 7 unten, Seite 10 oben) den Stundensatz von € 12,00 nicht mit 6,5, sondern mit 6,3 multipliziert. Dieser Fehler bei der Umrechnung von Echtminuten in Dezimalminuten (sog. Industriezeit) zieht sich durch die unter Beweis gestellten Geldübergaben an den Arbeitstagen des Klägers, die nicht zur vollen Stunde endeten. Bei einem Stundenlohn von € 12,00 sind - entgegen dem zweitinstanzlichen Beweisantritt der Beklagten - 15 Minuten rechnerisch nicht mit € 1,80 (bspw. 27.11.2015), 30 Minuten nicht mit € 3,60 (bspw. 02.11.2015) und 45 Minuten nicht mit € 5,40 (bspw. 06.11.2015) zu vergüten. Diese eklatanten Fehler sprechen für einen nachträglich konstruierten Sachvortrag. Es ist nicht vorstellbar, dass die Restaurantleiterin der Beklagten dem Kläger für eine halbe Stunde Arbeit statt € 6,00, nur € 3,60 bezahlt haben könnte.

46

cc) Die Restaurantleiterin F. hat bei ihrer zweitinstanzlichen Zeugenvernehmung bekundet, dass sie dem Kläger jeweils nach Arbeitsende pro Stunde € 12,00 in bar ausgezahlt habe. Auf die konkrete Frage, ob sie dem Kläger bspw. am 02.11.2015 für eine Arbeitszeit von 6 Stunden und 30 Minuten einen Betrag von € 75,60 ausgezahlt habe, antwortete die Zeugin: "Das könnte stimmen". Nach eineinhalb Jahren könne sie sich nicht mehr an einzelne Tage erinnern. Sie könne nicht bestätigen, ob die Aufstellung im Beweisbeschluss stimme, denn die Liste der Arbeitstage stamme vom Kläger. Sie könne sich nicht mehr daran erinnern, wieviel Stunden der Kläger an den einzelnen Tagen gearbeitet habe, und wieviel Geld sie ihm genau bezahlt habe. Für seine gearbeitete Zeit habe sie den Kläger jedenfalls immer ausgezahlt.

47

Der an Krebs erkrankte Zeuge G., der wegen Chemo- und Strahlentherapie verhindert war, vor Gericht zu erscheinen, hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 18.04.2017 ausgeführt, dass er dem Kläger zum relevanten Datum [laut Beweisthema wahrscheinlich am 18. oder 19.12.2015] im Auftrag der Beklagten seinen Lohn ausgezahlt habe, und zwar € 12,00 pro Stunde, weil die Restaurantleiterin nicht anwesend gewesen sei. Nach seiner Kenntnis habe es sich um Lohn für geleistete Arbeit und keine Bezahlung zum Kauf von Lebensmitteln oder Käse gehandelt. Dies hätte am Wochenende nach Geschäftsschluss auch keinen Sinn gemacht.

48

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme konnten beide Zeugen nicht konkret bestätigen, dass sie dem Kläger an den im Beweisbeschluss angeführten Arbeitstagen für die dort aufgeführten Arbeitszeiten die im Einzelnen angegebenen Geldbeträge in bar ausgezahlt haben. Die pauschalen Angaben der Zeugen reichen nicht aus, um die Berufungskammer davon zu überzeugen, dass dem Kläger für 133,75 Arbeitsstunden insgesamt € 1.605,00 in bar ausgezahlt worden sind. Beide Zeugen haben die behaupteten Barzahlungen, die an insgesamt 20 Arbeitstagen des Klägers erfolgt sein sollen, nicht nach Datum, Arbeitsstunden und jeweiligem Geldbetrag konkret schildern können. Der Umstand, dass die in die Tagesgeldkasse eingelegten Zettel, die der Kläger nach der Aussage der Zeugin F. unterschrieben haben soll, gestohlen worden sein sollen, geht mit der beweisbelasteten Beklagten heim. Die Berufungskammer hält es zwar für sehr unwahrscheinlich, dass der Kläger für ein Arbeitsentgelt in einer Gesamthöhe von nur € 160,00 netto an 20 Arbeitstagen insgesamt 133,75 Stunden für die Beklagte gearbeitet hat, zumal ihm für den Weg zur Arbeit (einfache Strecke 34 km) nicht unerhebliche Treibstoffkosten entstanden sind. Für die behaupteten Zahlungen trägt jedoch die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast. Das Arbeitsgericht hat konkreten Vortrag der Beklagten vermisst, wer wann welchen Betrag an den Kläger ausgezahlt haben soll, und ihren erstinstanzlichen Beweisantrag deshalb -zutreffend - als unzulässigen Ausforschungsbeweis angesehen. Die Beklagte hat zweitinstanzlich zwar einen konkreten Beweisantrag gestellt, jedoch haben die Zeugen F. und G. nicht bestätigen können, wer wann welchen konkreten Betrag an den Kläger ausgezahlt hat. Damit ist der von ihr zu erbringende Beweis für den Erfüllungseinwand misslungen.

49

5. Der Kläger hat nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 Abs. 1 BGB einen Anspruch gegen die Beklagte auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für die Monate von Januar bis März 2016.

50

Aufgrund der festgestellten Unwirksamkeit der gegenüber dem Kläger erklärten Kündigungen (mit Ausnahme der letzten Kündigung vom 27.04. zum 31.05.2016) steht fest, dass zwischen den Parteien im hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01. bis 31.03.2016 ein Arbeitsverhältnis bestand. Die Beklagte kam durch den Ausspruch der unwirksamen Kündigungen in Annahmeverzug. Da in den Kündigungen zugleich die Erklärung der Beklagten lag, sie werde die Leistung nicht annehmen, bedurfte es keines tatsächlichen Arbeitsangebots des Klägers, §§ 295, 296 Satz 1 BGB (vgl. BAG 16.05.2012 - 5 AZR 251/11 - Rn. 12).

51

Die Höhe des Anspruchs nach § 615 Satz 1 iVm. § 611 BGB ist ebenso unstreitig wie der Betrag des anzurechnenden Arbeitslosengeldes, § 615 Satz 2 BGB (hier-zu ErfK/Preis 17. Aufl. § 615 BGB Rn. 94). Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB.

III.

52

Die Beklagte hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen.

53

Die Zulassung der Revision ist mangels Vorliegens gesetzlicher Gründe nicht veranlasst (§ 72 Abs. 2 ArbGG).

(1) Durch den Dienstvertrag wird derjenige, welcher Dienste zusagt, zur Leistung der versprochenen Dienste, der andere Teil zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.

(2) Gegenstand des Dienstvertrags können Dienste jeder Art sein.

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

*

(1) Leistet der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt, so kommt er durch die Mahnung in Verzug. Der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich.

(2) Der Mahnung bedarf es nicht, wenn

1.
für die Leistung eine Zeit nach dem Kalender bestimmt ist,
2.
der Leistung ein Ereignis vorauszugehen hat und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt,
3.
der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert,
4.
aus besonderen Gründen unter Abwägung der beiderseitigen Interessen der sofortige Eintritt des Verzugs gerechtfertigt ist.

(3) Der Schuldner einer Entgeltforderung kommt spätestens in Verzug, wenn er nicht innerhalb von 30 Tagen nach Fälligkeit und Zugang einer Rechnung oder gleichwertigen Zahlungsaufstellung leistet; dies gilt gegenüber einem Schuldner, der Verbraucher ist, nur, wenn auf diese Folgen in der Rechnung oder Zahlungsaufstellung besonders hingewiesen worden ist. Wenn der Zeitpunkt des Zugangs der Rechnung oder Zahlungsaufstellung unsicher ist, kommt der Schuldner, der nicht Verbraucher ist, spätestens 30 Tage nach Fälligkeit und Empfang der Gegenleistung in Verzug.

(4) Der Schuldner kommt nicht in Verzug, solange die Leistung infolge eines Umstands unterbleibt, den er nicht zu vertreten hat.

(5) Für eine von den Absätzen 1 bis 3 abweichende Vereinbarung über den Eintritt des Verzugs gilt § 271a Absatz 1 bis 5 entsprechend.

(1) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen der Partei zur Last, die es eingelegt hat.

(2) Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind der obsiegenden Partei ganz oder teilweise aufzuerlegen, wenn sie auf Grund eines neuen Vorbringens obsiegt, das sie in einem früheren Rechtszug geltend zu machen imstande war.

(3) (weggefallen)

(1) Gegen das Endurteil eines Landesarbeitsgerichts findet die Revision an das Bundesarbeitsgericht statt, wenn sie in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts oder in dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts nach § 72a Abs. 5 Satz 2 zugelassen worden ist. § 64 Abs. 3a ist entsprechend anzuwenden.

(2) Die Revision ist zuzulassen, wenn

1.
eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, von einer Entscheidung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts oder, solange eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in der Rechtsfrage nicht ergangen ist, von einer Entscheidung einer anderen Kammer desselben Landesarbeitsgerichts oder eines anderen Landesarbeitsgerichts abweicht und die Entscheidung auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein absoluter Revisionsgrund gemäß § 547 Nr. 1 bis 5 der Zivilprozessordnung oder eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht wird und vorliegt.

(3) Das Bundesarbeitsgericht ist an die Zulassung der Revision durch das Landesarbeitsgericht gebunden.

(4) Gegen Urteile, durch die über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung entschieden wird, ist die Revision nicht zulässig.

(5) Für das Verfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gelten, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt, die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Revision mit Ausnahme des § 566 entsprechend.

(6) Die Vorschriften der §§ 46c bis 46g, 49 Abs. 1, der §§ 50, 52 und 53, des § 57 Abs. 2, des § 61 Abs. 2 und des § 63 dieses Gesetzes über den elektronischen Rechtsverkehr, Ablehnung von Gerichtspersonen, Zustellung, Öffentlichkeit, Befugnisse des Vorsitzenden und der ehrenamtlichen Richter, gütliche Erledigung des Rechtsstreits sowie Inhalt des Urteils und Übersendung von Urteilen in Tarifvertragssachen und des § 169 Absatz 3 und 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen bei der Entscheidungsverkündung gelten entsprechend.